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DAS MAINFEST VON PEOPLE'S GLOBAL ACTION
"Wir können nicht die Kommunion vom Altar einer dominanten
Kultur empfangen, die Preis und Wert miteinander verwechselt und Menschen
und Länder in Waren verwandelt."
- Eduardo Galeano -
"Wenn du nur kommst, um mir zu helfen, dann kannst du wieder
nach Hause gehen. Wenn du aber meinen Kampf als Teil deines Überlebenskampfes
betrachtest, dann können wir vielleicht zusammenarbeiten."
- Eine australische Ureinwohnerin -
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Teil I
- Wirtschaftliche Globalisierung, Macht und "race to the bottom"
- Ausbeutung, Arbeitskraft und Existenzgrundlage
- Geschlechtsspezifische Unterdrückung
- Der Überlebenskampf indigener Völker
- Unterdrückung ethnischer Gruppen
- Anschlag auf Natur und Landwirtschaft
- Kultur
- Wissen und Technologie
- Jugend, Erziehung und Bildung
- Militarisierung
- Migration und Diskriminierung
Teil II
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Teil I
Wir leben in einer Zeit, in der das Kapital mit Hilfe internationaler
Organisationen wie der Welthandelsorganisation (WTO - World Trade
Organisation), dem Internationalen Währungsfonds (IMF - International
Monetary Fund), der Weltbank (WB - World Bank) und anderen die Politik
so gestaltet, daß es seine weltweite Macht über das politische,
wirtschaftliche und kulturelle Leben festigen und noch weiter ausbauen
kann.
Das Kapital hat schon immer auf globaler Ebene operiert - sein grenzenloses
Streben nach Expansion und Profit kennt keine Grenzen. Vom Sklavenhandel
vor einigen Jahrhunderten bis hin zur imperialistischen Kolonisation
von Bevölkerungen, Ländern und Kulturen auf der ganzen Welt
hat sich die Akkumulation des Kapitals weltweit vom Blut und von den
Tränen vieler Menschen genährt. Diese Zerstörung und
dieses Elend konnten lediglich durch Widerstand von unten in Schranken
gehalten werden.
Heute setzt das Kapital eine neue Strategie ein, um seine Macht zu
behaupten und den Widerstand der Menschen zu brechen. Der Name dieser
Strategie lautet "wirtschaftliche Globalisierung" und besteht
aus der Abschaffung territorialer Handelsschranken und Beschränkungen
des freien Kapitalflusses.
Die Auswirkungen der wirtschaftlichen Globalisierung ziehen sich weltweit
durch die Strukturen von Gesellschaften und Gemeinschaften und fügen
so die Menschen in ein gigantisches System ein, das allein auf Profit
und die Kontrolle über Mensch und Natur abzielt. Begriffe wie
"Globalisierung", "Liberalisierung" und "Deregulierung"
verschleiern lediglich die immer größer werdenden Ungleichheiten
bezüglich der Lebensbedingungen von Eliten und der großen
Masse, die sowohl in privilegierten als auch in "peripheren"
Ländern zu beobachten sind.
Das jüngste und vielleicht auch das wichtigste Phänomen
des gesamten Globalisierungsprozesses ist das verstärkte Auftreten
von Handelsabkommen als Schlüsselinstrumente für Akkumulation
und Macht. Die WTO ist die bei weitem wichtigste Institution hinsichtlich
der Ausarbeitung und Umsetzung dieser Abkommen. Sie ist zum Lieblingsmittel
des Kapitals zwecks Durchsetzung seiner Herrschaft über die Weltwirtschaft
avanciert. Die Uruguay-Runde hat das Ausmaß des multilateralen
Handelssystems (d.h. die Abkommen unter der Ägide der WTO) derart
ausgeweitet, daß es sich nicht mehr ausschließlich auf
den Warenhandel beschränkt. Die WTO-Abkommen betreffen jetzt
auch den Handel mit Agrarprodukten, Dienstleistungen, Rechten an geistigem
Eigentum und Investitionsmaßnahmen. Diese Expansion hat bedeutende
Konsequenzen für wirtschaftliche und nicht-wirtschaftliche Angelegenheiten.
So wird beispielsweise das Allgemeine Abkommen über den Handel
mit Dienstleistungen (GATS - General Agreement on Trade in Services)
weitreichende Auswirkungen auf Kulturen in aller Welt haben. Ähnlich
werden sich auch das Abkommen über den Handel mit Rechten an
geistigem Eigentum (TRIPs - Trade Related Intellectual Property Rights)
und unilaterale Zwänge - insbesondere auf Länder mit einer
reichen Artenvielfalt - auswirken: Sie zwingen diese Länder,
eine neue Gesetzgebung zu verabschieden, die Eigentumsrechte über
Lebensformen stellt, was verheerende Folgen für die Artenvielfalt
und die Sicherung der Nahrungsgrundlage dieser Länder haben wird.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß das multilaterale
Handelssystem, wie es die WTO verkörpert, immense Auswirkungen
auf die Gestaltung der nationalstaatlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik
und folglich auch auf das Ausmaß und die Beschaffenheit von
Entwicklungsoptionen hat.
Handelsabkommen nehmen auch auf regionaler Ebene stark zu. Das Nordamerikanische
Freihandelsabkommen NAFTA (North American Free Trade Agreement) ist
der Prototyp regionaler rechtsverbindlicher Abkommen, die sowohl privilegierte
als auch unterprivilegierte Länder einbeziehen; dieses Modell
soll auf den gesamten amerikanischen Kontinent ausgedehnt werden.
APEC (Asia-Pacific Economic Cooperation) ist ein weiteres Modell,
das beide Arten von Ländern vereint, und es wird zunehmend dazu
genutzt, die Aufnahme neuer Abkommen in das Rahmenwerk der WTO zu
erzwingen. Die Maastrichter Verträge sind natürlich das
anschaulichste Beispiel für rechtsverbindliche Abkommen zwischen
ausschließlich privilegierten Ländern. Diverse regionale
Handelsabkommen zwischen unterprivilegierten Ländern wie beispielsweise
ASEAN (Association of Southeast Asian Nations), SADC (Southern African
Development Corporation), SAFTA (South Asian Free Trade Agreement)
und MERCOSUR (Southern Common Market) sind ebenfalls unterzeichnet
worden. All diesen regionalen Abkommen und Zusammenschlüssen
liegt die Verschiebung von Entscheidungsmacht von der nationalstaatlichen
Ebene hin zu regionalen Institutionen zugrunde, die noch weiter von
den Menschen entfernt und noch undemokratischer als Nationalstaaten
sind.
Als ob dies noch nicht genug wäre, wird gerade ein neuer Vertrag,
das Multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI - Multilateral
Agreement on Investments) von den privilegierten Ländern vorangetrieben,
um die Rechte ausländischer Investoren weit über ihre derzeitige
Position hinausgehend auszuweiten sowie um die Rechte und die Entscheidungsbefugnisse
von Regierungen bezüglich des Eintritts, der Niederlassung und
der Geschäfte ausländischer Unternehmen und Investoren zu
beschneiden. Das MAI stellt auch den derzeit wichtigsten Versuch dar,
die Globalisierung und "wirtschaftliche Liberalisierung"
auszudehnen - es würde die Macht und das legitime souveräne
Recht der Menschen, ihre eigene Wirtschafts-, Sozial- und Kulturpolitik
zu bestimmen, gänzlich abschaffen.
All diese Institutionen und Abkommen verfolgen eine gemeinsame Zielstellung:
Mobilität für den freien Fluß von Gütern, Dienstleistungen
und Kapital; verstärkte Herrschaft des Kapitals über Mensch
und Natur; Verlagerung der Macht hin zu weit entfernten und undemokratischen
Institutionen; Verbauen der Möglichkeit, auf gemeinschaftlichen
Prinzipien basierende und autarke Ökonomien zu entwickeln; Einschränkung
der Freiheit der Menschen, eine Gesellschaft zu schaffen, die auf
menschlichen Werten basiert.
- Wirtschaftliche Globalisierung, Macht und "race to the bottom"
-
Die wirtschaftliche Globalisierung hat neue Formen der Akkumulation
von Macht und Reichtum hervorgebracht. Diese Akkumulation vollzieht
sich weltweit mit zunehmender Geschwindigkeit und wird von Konzernen
und Investoren bestimmt. Während das Kapital sich in der ganzen
Welt durchsetzt, liegt die Verantwortlichkeit für die Verteilungspolitik
weiterhin in Händen der Regierungen, die nicht in der Lage und
auch nicht gewillt sind, gegen die Interessen des Kapitals zu handeln.
Diese Asymmetrie ruft eine zunehmende Machtumverteilung in der ganzen
Welt hervor, wobei die sogenannte "Macht der Konzerne" gestärkt
wird. In dieser eigenartigen politischen Konstellation bestimmt das
weltweite Kapital mit Hilfe äußerst einflußreicher
Lobbygruppen und Interessenverbände wie dem "World Economic
Forum" (Weltwirtschaftsforum) überall auf der Welt die Wirtschafts-
und Sozialpolitik. Diese Lobbygruppen der Konzerne geben den Regierungen
in Form von Empfehlungen Anweisungen, welche die Regierungen wiederum
befolgen. Nur wenige weigern sich, den "Ratschlägen"
dieser Lobbygruppen Folge zu leisten, denn dann kann es passieren,
daß ihre Währungen durch Spekulation angegriffen werden
und Investoren abwandern. Der Einfluß der Konzernlobby wird
durch regionale und multilaterale Abkommen verstärkt, mit deren
Hilfe überall auf der Welt massiv eine neoliberale Politik verfolgt
und umgesetzt wird.
Diese neoliberale Politik ruft weltweit soziale Spannungen hervor,
wie sie schon auf nationalstaatlicher Ebene im Anfangsstadium der
Industrialisierung zu beobachten waren: während die Anzahl der
Milliardäre wächst, gibt es weltweit immer mehr Menschen,
die feststellen müssen, daß dieses System ihnen keinen
Platz in der Produktion und keinen Zugang zum Konsum gewährt.
Die daraus resultierende Verzweiflung in Verbindung mit dem freien
Fluß von Kapitalströmen bietet Konzernen die bestmöglichen
Rahmenbedingungen dafür, ArbeiterInnen und Regierungen gegeneinander
auszuspielen. Die Folge davon ist ein "race to the bottom"
hinsichtlich sozialer und ökologischer Standards sowie die Abschaffung
politischer Umverteilungsmaßnahmen (z.B. progressive Besteuerung,
soziale Absicherung, Arbeitszeitverkürzung). So entsteht ein
Teufelskreis, in dem sich die "effektive Nachfrage" zunehmend
in den Händen einer Elite konzentriert, während immer mehr
Menschen nicht einmal mehr ihre Grundbedürfnisse befriedigen
können.
Dieser Prozeß der weltweiten Akkumulation und des sozialen Ausschlusses
kommt einem weltweiten Angriff auf die elementarsten Menschenrechte
gleich, dessen Auswirkungen bereits heute erkennbar sind: Verelendung,
Hunger, Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit, ein sich verschlechternder
Gesundheitszustand, Vertreibung, Landlosigkeit, Analphabetismus, verschärfte
Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern, ein immenses Wachstum des
"informellen" Sektors und der Schattenwirtschaft (insbesondere
Drogenherstellung und -handel), die Zerstörung des Gemeinschaftslebens,
Kürzungen im sozialen Bereich und die Beschneidung von ArbeitnehmerInnenrechten,
zunehmende Gewalt auf allen Gesellschaftsebenen, Umweltzerstörung,
Rassismus und Intoleranz anderen Ethnien und Religionen gegenüber,
massive Migrationsbewegungen (aus wirtschaftlichen, politischen und
ökologischen Gründen), stärkere militärische Macht
und Repressionen etc.
- Ausbeutung, Arbeitskraft und Existenzgrundlage -
Die Globalisierung des Kapitals beraubt die ArbeiterInnen in beachtlichem
Maße ihrer Fähigkeit, auf nationalstaatlicher Ebene gegen
das Kapital anzugehen oder mit ihm in Verhandlung zu treten. Die Mehrzahl
der konventionellen Gewerkschaften (insbesondere in den privilegierten
Ländern) haben mittlerweile ihre Niederlage gegen die Weltwirtschaft
hingenommen und geben freiwillig die von Generationen von ArbeiterInnen
hart erkämpften Errungenschaften wieder auf. In Erfüllung
der vom Kapital aufgestellten Bedingungen haben sie Solidarität
gegen "internationale Wettbewerbsfähigkeit" und ArbeitnehmerInnenrechte
gegen die "Flexibilisierung des Arbeitsmarktes" eingetauscht.
Nun treten sie dafür ein, daß eine "Sozial"klausel
in das multilaterale Handelssystem aufgenommen wird. Dadurch würde
den privilegierten Ländern ein Werkzeug für einen selektiven,
einseitigen und neokolonialistischen Protektionismus an die Hand gegeben,
was wiederum zu wachsender Armut führen würde, anstatt sie
an ihren Wurzeln zu bekämpfen.
Rechte Gruppierungen in den privilegierten Ländern machen oft
"Sozialdumping" aus den unterprivilegierten Ländern
für den Anstieg der Arbeitslosigkeit und die Verschlechterung
der Arbeitsbedingungen verantwortlich. Sie behaupten, die Menschen
aus dem Süden würden mit Hilfe von billiger Arbeitskraft,
schwacher oder gar nicht vorhandener Arbeits- und Umweltschutzbestimmungen
sowie niedriger Steuersätze das Kapital aus dem Norden entführen
und durch ihre Exporte die Hersteller aus dem Norden auf dem Weltmarkt
verdrängen. Es ist zwar richtig, daß zu einem gewissen
Grad - besonders in bestimmten Wirtschaftszweigen wie beispielsweise
der Textil- oder Mikroelektronikproduktion - eine Standortverlagerung
in die unterprivilegierten Länder stattfindet. Allerdings können
die Frauen im Teenager-Alter, die in den "sweatshops" der
Konzerne unbezahlte Überstunden leisten, zu Hungerlöhnen
arbeiten und ihre Gesundheit aufs Spiel setzten, wohl kaum für
den von freien Güter- und Kapitalströmen angerichteten verheerenden
sozialen Schaden verantwortlich gemacht werden. Außerdem findet
Standortverlagerung in erster Linie zwischen den reichen Ländern
selbst statt; nur ein geringer Teil der ausländischen Investitionen
fließt in unterprivilegierte Länder - ein Teil der Investitionen
fließt sogar von ehemals als "unterentwickelt" bezeichneten
Ländern in den Norden. Die Androhung, den Standort in ein anderes
reiches Land zu verlagern (die bei weitem häufigste Art der Standortverlagerung),
ist zur Einschüchterung und Erpressung der ArbeiterInnen genauso
wirkungsvoll wie die Androhung, den Standort in ein unterprivilegiertes
Land zu verlagern. Schließlich liegt der Hauptgrund für
den Anstieg der Arbeitslosigkeit in den privilegierten Ländern
in der Einführung von "Rationalisierungs"technologien,
auf die die Menschen aus den unterprivilegierten Ländern natürlich
überhaupt keinen Einfluß haben. Kurz gesagt: Die Verantwortung
für wachsende Ausbeutung liegt einzig und allein beim Kapital.
Viele "Entwicklungs"befürworterInnen begrüßen
die freien Kapitalströme von privilegierten in unterprivilegierte
Länder als einen positiven Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen
armer Menschen, weil davon ausgegangen wird, ausländische Investitionen
würden Arbeitsplätze und eine Existenzgrundlage schaffen.
Sie übersehen dabei jedoch, daß es in der Natur der Sache
liegt, daß ausländische Investitionen nur sehr begrenzt
positive Auswirkungen haben können, da transnationale Konzerne
ihr Geld nur solange in einem unterprivilegierten Land lassen, wie
die Politik dieses Landes es ihnen erlaubt, das Elend und die Verzweiflung
der dortigen Bevölkerung auszunutzen. Die internationalen Finanzmärkte
bestrafen Länder, die es wagen, eine Politik zu verfolgen, die
letztendlich zu verbesserten Lebensbedingungen führen könnte,
äußerst hart - wie beispielsweise das abrupte Ende der
1981 von Mitterand verabschiedeten zaghaften Umverteilungsmaßnahmen
gezeigt hat. Auch die mexikanische Krise im Jahre 1994 und erst kürzlich
aufgetretene Krisen in Südostasien sind - auch wenn sie von den
Medien als Folgen technischer Mißwirtschaft dargestellt werden
- gute Beispiele für den Einfluß der Konzerne auf die Wirtschaft,
der zudem sowohl in unterprivilegierten als auch in privilegierten
Ländern tagtäglich steigt und dabei alle Aspekte der Wirtschafts-
und Sozialpolitik bestimmt.
Diejenigen, die an die positiven sozialen Auswirkungen des "freien"
Marktes glauben, vergessen auch, daß der Einfluß des Kapitals
nicht bei der Schaffung von ausbeuterischen Arbeitsplätzen aufhört.
Ein Großteil der ausländischen Direktinvestitionen (laut
UN sind es zwei Drittel) sowohl in privilegierten als auch in unterprivilegierten
Ländern wird getätigt, indem transnationale Konzerne Staatsbetriebe
übernehmen, was in den meisten Fällen zu Arbeitsplatzvernichtung
führt. Ein weiterer Punkt ist der, daß transnationale Konzerne
selten nur finanziell agieren, sondern auch mit ihren Produkten zahlreiche
lokale Unternehmen und Landwirtschaftsbetriebe entweder vom Markt
verdrängen oder zwingen, unter noch unmenschlicheren Bedingungen
zu produzieren. Zu guter letzt führen die Investitionen der Konzerne
größtenteils zu umweltschädigender Ausbeutung der
natürlichen Ressourcen, wodurch wiederum verschiedenste Gemeinschaften
- indigene Bevölkerungen, Bäuerinnen und Bauern, ethnische
Gruppen - unwiederbringlich ihrer Existenzgrundlage beraubt werden.
Wir lehnen die Idee, "Frei"handel könne Arbeitsplätze
und Wohlstand schaffen, genauso ab wie die Annahme, er könne
zur Armutsbekämpfung beitragen. Aber wir lehnen auch den Ruf
der Rechten nach einem stärkeren nationalen Kapitalismus und
natürlich auch die faschistische Alternative eines autoritären
Staates, der in ihren Augen eine zentrale Kontrolle über die
Konzerne ausüben soll, aufs entschiedenste ab. Unser Kampf zielt
auf die Wiedererlangung der Kontrolle über die sich derzeit in
den Händen sowohl des transnationalen als auch des nationalstaatlichen
Kapitals befindlichen Produktionsmittel ab, um eine freie, nachhaltige
und von der Gesellschaft kontrollierte Existenzgrundlage zu schaffen,
die auf Solidarität und den Bedürfnissen der Menschen basiert
- und nicht auf Ausbeutung und Gier.
- Geschlechtsspezifische Unterdrückung
Globalisierung und eine neoliberale Politik bauen auf bestehenden
Ungleichheiten auf und verstärken sie zugleich; dazu gehören
auch die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern. Das geschlechtsspezifische
Machtsystem in der globalisierten Wirtschaft fördert - wie die
meisten traditionellen Systeme - die Ausbeutung von Frauen als Arbeitskräfte,
als für den Zusammenhalt der Familie Zuständige und als
Sexobjekte.
Frauen sind dafür verantwortlich, Kinder zu bekommen, und sie
tragen die Verantwortung für die Erziehung, Ernährung, Kleidung
und Disziplinierung junger Menschen, um sie auf ihren Eintritt in
den internationalen Arbeitsmarkt vorzubereiten. Frauen werden als
billige und gehorsame Arbeitskräfte in sehr ausbeuterischen Beschäftigungszweigen
benutzt - die "maquilas" in der Textil- und in der Mikroelektronikindustrie
sind ein anschauliches Beispiel dafür. Viele Frauen, die von
durch Globalisierung erzeugter Armut aus ihren Ländern vertrieben
werden, suchen - oft als illegale Einwanderinnen - Arbeit im Ausland,
wo sie schlimme Arbeitsbedingungen und ungeschützte Arbeitsverhältnisse
erwarten. Der weltweite Handel mit Frauenkörpern ist zu einem
wichtigen Bestandteil des Welthandels geworden und macht auch vor
zehnjährigen Kindern nicht Halt. Sie werden von der Weltwirtschaft
auf unterschiedlichste Weise ausgebeutet und als Ware gehandelt.
Es wird von Frauen erwartet, daß sie nur im Haushalt aktiv sind.
Obwohl das noch nie der Fall war, wird diese Erwartungshaltung seit
langem dazu benutzt, Frauen eine aktive Rolle in allen öffentlichen
Angelegenheiten abzusprechen. Das Wirtschaftssystem bedient sich dieser
Geschlechterrollen auch, um Frauen als Verursacherinnen vieler sozialer
und ökologischer Probleme hinzustellen. So wird beispielsweise
Frauen, die zu viele Kinder bekommen (und nicht die Tatsache, daß
die reichen Länder zu viele Ressourcen verbrauchen), die Schuld
für die weltweite Umweltzerstörung in die Schuhe geschoben;
und die Tatsache, daß Frauenlöhne niedriger sind, da ihr
Einkommen nur als Zuverdienst für die Haushaltskasse betrachtet
wird, wird herangezogen, um Frauen für die Arbeitslosigkeit und
das sinkenden Lohnniveau von Männern verantwortlich zu machen.
Niemand weist darauf hin, daß die Schuld für die soziale
und ökologische Krise beim Kapital zu suchen ist. Stattdessen
müssen Frauen als Sündenböcke für genau die Misere
herhalten, die sie in Wirklichkeit unterdrückt. Dadurch wird
der körperlichen Gewalt, die Frauen in aller Welt tagtäglich
erleiden, zusätzlich eine ideologische Stigmatisierung hinzugefügt.
Dem Patriarchat und dem Geschlechtersystem liegt ganz klar das Konzept
von der Natürlichkeit und der Ausschließlichkeit von Heterosexualität
zugrunde. Die meisten Gesellschaftssysteme und -strukturen stehen
jeder anderen Art von Sexualität sehr ablehnend gegenüber,
und diese Beschneidung der individuellen Freiheit wird dazu genutzt,
patriarchale Geschlechterrollen aufrechtzuerhalten.
Die Beseitigung des Patriarchats sowie aller anderen Arten von Diskriminierung
setzt eine eindeutige Haltung gegen den Weltmarkt voraus. Genauso
wichtig ist es, daß alle, die gegen das Kapital kämpfen,
auch die Ausbeutung und Marginalisierung von Frauen verstehen und
dagegen angehen sowie an dem Kampf gegen Homophobie teilnehmen. Wir
müssen neue Kulturen entwickeln, die eine echte Alternative zu
diesen alten und neuen Unterdrückungsmechanismen darstellen.
- Der Überlebenskampf indigener Völker -
Indigene Völker und Länder haben eine lange Geschichte des
Widerstandes gegen die vom Kapitalismus verursachte Zerstörung
ihres Lebensraums. Heute stehen sie dem neoliberalen Globalisierungsprojekt
als ein Instrument des transnationalen Kapitals zu ihrer Neokolonialisierung
und Vernichtung gegenüber. Transnationale Konzerne dringen gewaltsam
in die letzten Schlupfwinkel indigener Völker ein, zerstören
dabei ihre Gebiete, Lebensräume und Ressourcen - ja, ihre gesamte
Lebensweise - und oft schrecken sie sogar vor Völkermord nicht
zurück. Die Nationalstaaten erlauben und fördern sogar diese
Menschenrechtsverletzungen - ungeachtet ihrer Verpflichtung, die Rechte
indigener Völker anzuerkennen und zu respektieren, die sie schließlich
mit der Unterzeichnung diverser Erklärungen, Abkommen und Konventionen
eingegangen sind.
Außerdem stehlen Konzerne altes Wissen und lassen es sich zu
ihrem eigenen Vorteil, d.h. zur Gewinnsteigerung und Profitmaximierung,
patentieren. Dies bedeutet, daß indigene Völker und der
Rest der Menschheit in Zukunft für den Zugang zu diesem Wissen,
das so in eine Handelsware umgewandelt wird, bezahlen werden müssen.
Darüber hinaus lassen sich Pharmakonzerne und die US-Regierung
unter den Auspizien des "Human Genome Diversity Programme"
die indigene Bevölkerung selbst patentieren. Wir sind gegen die
Patentierung aller Lebensformen und gegen das Kontrollmonopol der
Konzerne über Samen, Medizin, traditionelles Wissen und menschliche
Gene.
Die Kämpfe indigener Völker zur Verteidigung ihres Landes
(einschließlich der unterirdischen Schichten) führen zu
mehr Repressionen gegen sie sowie zur Militarisierung ihrer Gebiete.
Dadurch sind sie gezwungen, entweder ihr Leben oder ihre Freiheit
zu opfern. Dieser Kampf wird solange geführt werden, bis den
indigenen Völkern überall auf der Welt ihr Recht auf Gebietsautonomie
zugestanden wird.
- Unterdrückung ethnischer Gruppen -
Auf dem amerikanischen Kontinent leiden die "black communities",
Gemeinschaften Schwarzer afrikanischen Ursprungs, seit Jahrhunderten
unter brutaler und unmenschlicher Ausbeutung sowie unter physischer
Vernichtung. Ihre Arbeitskraft wurde sowohl in Amerika als auch in
Europa als eines der wichtigsten Instrumente zur Akkumulation des
Kapitals eingesetzt. Angesichts dieser Unterdrückung haben die
Afro-AmerikanerInnen Organisationsstrukturen und Widerstandsformen
entwickelt, die auf ihre Gemeinschaften zugeschnitten sind. Zur Zeit
haben die "black communities" sehr stark unter den Folgen
von "Entwicklungs"großprojekten in ihren Gebieten
zu leiden sowie unter der Invasion ihres Landes durch Großgrundbesitzer,
was zu Vertreibung, Verelendung und kultureller Entfremdung, oft gar
zu Repressionen und Tod führt.
Andere Menschen wie beispielsweise die Roma und Sinti, die KurdInnen
oder die BewohnerInnen der Sahara leiden unter einer ganz ähnlichen
Situation. All diese Völker werden von Nationalstaaten, die ihre
Identität und ihre Autonomie unterdrücken und sie dazu bringen
wollen, sich in eine homogene Gemeinschaft einzugliedern, dazu gezwungen,
sich ihr Recht auf ein menschenwürdiges Leben erkämpfen
zu müssen. Viele dieser Gruppen werden von den Herrschenden als
eine Bedrohung angesehen, da sie ihr Recht auf kulturelle Vielfalt
und Autonomie zurückverlangen und ausüben.
- Anschlag auf Natur und Landwirtschaft -
Land, Wasser, Wald, Tierwelt, Wasserlebewesen und mineralische Rohstoffe
sind keine Waren, sondern die Quelle unseres Lebens. Seit Jahrzehnten
verdoppeln und verdreifachen die Kräfte, die aus der Finanzwirtschaft
und dem Markt hervorgegangen sind, ihre Profite und verstärken
ihre Einflußnahme auf Politik und Wirtschaft, indem sie diese
Ressourcen auf Kosten des Lebens und der Existenzgrundlage vieler
Menschen in aller Welt einfach rauben. Seit Jahrzehnten ermöglichen
Weltbank, IMF und jetzt auch die WTO in einer Allianz mit den Nationalregierungen
und mit Konzernen Feldzüge zur Beschlagnahmung der Umwelt. Das
Ergebnis davon sind Umweltzerstörung, tragische und nicht zu
bewältigende soziale Vertreibungen sowie das Auswischen kultureller
und biologischer Vielfalt, von der ein Großteil unwiederbringlich
verlorengeht, ohne daß diejenigen, die davon abhängig sind,
Schadenersatzsansprüche geltend machen könnten.
Das vom nationalen und globalen Kapital geschaffene Gefälle innerhalb
der Länder und zwischen den Ländern ist in dem Maße
größer geworden, wie die Reichen die natürlichen Ressourcen
von Gemeinschaften, Bäuerinnen und Bauern, LandarbeiterInnen,
FischerInnen, Stämmen und indigenen Völkern, Frauen und
sozial Benachteiligten einfach verschwinden lassen. Dadurch wird auf
diesen unterdrückten und geknechteten Menschen noch mehr herumgetrampelt
als ohnehin schon. Die durch Handels- und Investitionsabkommen auferlegte
zentralisierte Kontrolle über die natürlichen Ressourcen
läßt keinen Spielraum für Nachhaltigkeit zwischen
den und innerhalb der Generationen. Sie dient einzig und allein dem
von den Kräften, die diese Abkommen ausgearbeitet und ratifiziert
haben, verfolgten Ziel: der Akkumulation von Reichtum und Macht.
Umweltschädliche und kapitalintensive Technologien spielen seit
jeher eine wichtige Rolle bei den von Konzernen auf Natur und Landwirtschaft
verübten Anschlägen. Sie haben überall dort, wo sie
eingesetzt werden, verheerende Schäden an Mensch und Umwelt angerichtet
sowie Elend und Hunger verursacht anstatt zu bekämpfen. Heute
wird die moderne Biotechnologie vorangetrieben, die zusammen mit Patenten
auf Leben eine der schlagkräftigsten und zugleich gefährlichsten
Waffen der Konzerne zur Übernahme der Herrschaft über die
Nahrungssysteme überall auf der Welt darstellt. Gegen Gentechnologie
und Patente auf Leben muß massiv Widerstand geleistet werden,
denn ihre potentiellen Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt sind
so weitreichend wie nie zuvor in der gesamten Geschichte der Menschheit.
Indem die Unterprivilegierten einen Kampf gegen das weltweite Paradigma
des Kapitals führen, arbeiten sie auf die Wiedererlangung ihres
natürlichen Erbes und den Wiederaufbau integrierter, egalitärer
Gemeinschaften hin. Wir träumen von einer dezentralen Wirtschafts-
und Regierungsform, der das Recht von Gemeinschaften auf natürliche
Ressourcen und das Recht, ihre eigene Entwicklung zu planen, zugrunde
liegen, wobei Gleichberechtigung und Unabhängigkeit die zentralen
Grundwerte darstellen müssen. Anstelle von verzerrten Prioritäten,
die uns durch die weltweite Planung des Verkehrswesens, der Infrastruktur,
der Energieversorgung und energieintensiver Technologien auferlegt
werden, behaupten sie ihr Recht auf ein Leben, das die Befriedigung
der Grundbedürfnisse eines jeden Menschen garantiert und der
Gier einer auf Konsum fixierten Minderheit Einhalt gebietet. Wir respektieren
traditionelles Wissen und traditionelle Kulturen, die mit Werten wie
Gleichberechtigung, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit im Einklang stehen,
und sind fest entschlossen, kreative Wege zu entwickeln, um unsere
natürlichen Ressourcen sinnvoll und sparsam zu nutzen sowie gerecht
zu verteilen.
- Kultur -
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Globalisierung, der auch immer wieder
bei der WTO und anderen Institutionen Berücksichtigung findet,
ist die Kommerzialisierung von Kultur und ihre Umwandlung in eine
Handelsware sowie die Beschlagnahmung ihrer Vielfalt mit dem Ziel,
sie für sich einzunehmen und in den kapitalistischen Akkumulationsprozeß
zu integrieren. Dieser Prozeß der Homogenisierung durch die
Medien trägt nicht nur zum Zusammenbruch kultureller und sozialer
Netzwerke in lokalen Gemeinschaften bei, sondern zerstört auch
das Wesen und die Bedeutung von Kultur insgesamt.
Kulturelle Vielfalt als Ausdruck menschlicher Kreativität und
menschlichen Potentials ist nicht nur ein unermeßlicher Wert
an sich, sie stellt auch ein grundlegendes Hilfsmittel für Widerstand
und Unabhängigkeit dar. Folglich ist die seit der Kolonialzeit
stattfindende kulturelle Homogenisierung als eines der wichtigsten
zentralen Kontrollinstrumente zubetrachten. In der Vergangenheit wurde
die Zerstörung kultureller Vielfalt hauptsächlich von der
Kirche und durch das Aufzwingen der Kolonialsprachen vollzogen. Heute
sind die Massenmedien und die Konsumkultur der Konzerne die Hauptverantwortlichen
für die Umwandlung von Kultur in eine Ware und die Homogenisierung
kultureller Vielfalt. Dieser Prozeß hat zum einen einen großen
Verlust für das Erbe der Menscheit zur Folge; zum anderen wird
dadurch eine alarmierende Abhängigkeit vom kapitalistischen Massenkonsum
geschaffen - eine Abhängigkeit, die sehr viel tiefer sitzt und
sehr viel schwieriger auszumerzen ist als wirtschaftliche oder politische
Abhängigkeit.
Die Kontrolle über unsere Kultur muß aus den Händen
der Konzerne entrissen und von den Gemeinschaften zurückgefordert
werden. Unabhängigkeit und Freiheit kann es nur auf der Grundlage
einer lebendigen kulturellen Vielfalt geben, die es den Menschen ermöglicht,
jeden einzelnen Aspekt ihres Lebens selbständig zu bestimmen.
Wir treten für die kulturelle Befreiung in allen Lebensbereichen
ein - vom "Futter" bis hin zu Filmen, von der Musik bis
zu den Medien. Mit unseren direkten Aktionen werden wir zur allmählichen
Abschaffung der Konzernkultur und zur Schaffung von Räumen für
wahre Kreativität beitragen.
- Wissen und Technologie -
Wissen und Technologie sind nicht neutral oder wertfrei; ein wichtiges
Fundament der Herrschaft des Kapitals ist die Kontrolle und die Macht
über Wissen und Technologie. Die westliche Naturwissenschaft
und Technologie haben zwar wichtige Beiträge zur Entwicklung
der Menschheit geleistet, aber durch ihre Dominanz sind auch sehr
unterschiedliche und sehr wertvolle Wissens- und Technologiesysteme,
die auf jahrhundertelange Erfahrungen zurückgehen, einfach zunichte
gemacht worden.
Die westliche Naturwissenschaft zeichnet sich durch das Hervorbringen
vereinfachter Relalitätsmodelle zu Experimentierzwecken aus.
Diese reduktionistische Wissenschaftsmethode ist folglich nur sehr
begrenzt in der Lage, nützliches Wissen über so komplexe
und chaotische Systeme wie die Landwirtschaft zu produzieren. Traditionelle
Wissenssysteme und Methoden der Wissensentwicklung sind hierfür
weitaus effektiver, da sie auf direkte, seit Generation stattfindende
Beobachtung von und Interaktion mit komplexen Systemen zurückgehen.
Daher kann es kapitalintensiven, auf Naturwissenschaft basierenden
Technologien gar nicht gelingen, ihre Ziele in komplexen Systemen
zu erreichen, und oftmals richten sie ein heilloses Durcheinander
in diesen Systemen an, wie die sogenannten "green revolution
technologies", die moderne Dammtechnologie und viele andere Beispiele
zeigen.
Trotz ihrer vielen Nachteile wird kapitalintensiven Technologien den
traditionellen, arbeitsintensiven Technologien gegenüber systematisch
der Vorrang gegeben. Diese ideologische Diskriminierung führt
zu Arbeitslosigkeit, Verschuldung und, was wohl das gravierendste
Resultat ist, zum Verlust von jahrhundertealtem Wissen und jahrhundertealten
Technologien von unschätzbarem Wert. Traditionelles Wissen, das
oft in den Händen von Frauen lag, wurde bis von kurzem noch von
westlichen, zumeist männlichen Wissenschaftlern als "Aberglaube"
oder "Hexerei" abgetan; durch ihren "Rationalismus"
und ihre "Modernisierung" wird seit Jahrhunderten versucht,
es unwiederbringlich zu zerstören. Allerdings haben Pharmakonzerne
und die Agrarindustrie vor einiger Zeit den Wert und das Potential
traditionellen Wissens für ihre Zwecke entdeckt und stehlen es
nun, lassen es sich patentieren und verwandeln es in eine Ware, um
Gewinne zu erzielen und Profit zu machen.
Kapitalintensive Technologien werden entwickelt, vorangetrieben, vermarktet,
kommerzialisiert und im Dienste der kapitalistischen Globalisierung
eingesetzt. Da die Nutzung von Technologien einen wesentlichen Einfluß
auf das gesellschaftliche und individuelle Leben ausübt, sollten
die Menschen sie frei wählen können, freien Zugang zu ihnen
und die Kontrolle über sie haben. Nur solche Technologien, deren
Einsatz von der lokalen Bevölkerung bestimmt und kontrolliert
werden kann, sollten als gerechtfertigt erachtet werden. Auch die
Kontrolle über die Entwicklungs- und Herstellungsverfahren von
Technologien, ihre Verbreitung und ihr Ausmaß sowie ihre Endgültigkeit
sollten von menschlichen Prinzipien wie Solidarität, Kooperation
und einem gesunden Menschenverstand inspiriert sein. Die heute der
Herstellung von Technologien zugrunde liegenden Prinzipien sind genau
das Gegenteil davon: Profit, Konkurrenz und die beabsichtigte Herstellung
von schnell veraltenden Produkten. Ermächtigung ("empowerment")
setzt zwingend die Kontrolle der Menschen über die Nutzung und
Herstellung von Technologien voraus.
- Jugend, Erziehung und Bildung -
Die Inhalte des gegenwärtigen Bildungswesens werden zunehmend
von den Anforderungen der Konzerne diktiert. Die Interessen und Bedürfnisse
der wirtschaftlichen Globalisierung führen zu einer zunehmenden
Umwandlung von Bildung in eine Ware. Die Kürzungen öffentlicher
Gelder, die in das Bildungswesen fließen, fördern die Eröffnung
privater Schulen und Hochschulen, während die Arbeitsbedingungen
der Angestellten im öffentlichen Sektor durch Sparmaßnahmen
und Strukturelle Anpassungsprogramme (SAPs - Structural Adjustment
Programmes) ausgehöhlt werden. Lernen wird zunehmend zu einem
Prozeß, der gesellschaftliche Ungleichheiten und Benachteiligungen
intensiviert. Weiten Teilen der Gesellschaft wird selbst der Zugang
zum öffentlichen Bildungswesen - insbesondere zu den Hochschulen
- verwehrt. Die Wissensaneignung im Bereich der Geisteswissenschaften
(Geschichte, Philosophie etc.) wird nicht gerade ermutigt, genauso
wenig wie die Entwicklung der Fähigkeit zum kritischen Denken
- zugunsten einer Bildung, die den Interessen des Globalisierungsprozesses
mit seinem Konkurrenzdenken untergeordnet ist. Studierende verbringen
immer mehr Zeit damit, zu lernen, wie sie miteinander konkurrieren,
als damit, ihr persönliches Wachstum, das Erlernen von Kritikfähigkeit
sowie ihr Potential zur Veränderung der Gesellschaft zu fördern.
Um Erziehung und Bildung als Instrument für gesellschaftliche
Veränderungen einzusetzen, bedarf es im gesamten Erziehungs-
und Bildungswesen WissenschaftlerInnen, die keine Konfrontation scheuen,
sowie kritischer ErzieherInnen und LehrerInnen. Eine auf gemeinschaftlichen
Werten aufbauende Erziehung und Bildung kann Lernprozesse innerhalb
sozialer Bewegungen initiieren; das Recht auf Information ist eine
unabdingliche Voraussetzung für die Arbeit sozialer Bewegungen.
Begrenzter und ungleicher Zugang zu Spracherwerb, insbesondere von
Frauen, behindert die aktive Beteiligung an politischen Aktivitäten
mit anderen Menschen. Die Schaffung dieser Instrumente ist eine Möglichkeit,
menschlichen Werten mehr Bedeutung zu verleihen und sie wieder zu
erlernen. Offizielle Erziehung und Bildung werden allerdings zunehmend
als ein kommerzialisiertes Mittel zugunsten des Marktes eingesetzt.
Dies geschieht durch Investitionen, die Konzerne im Bereich der Forschung
tätigen, und durch die Förderung von Wissen, das auf die
in der Marktwirtschaft benötigten Fähigkeiten ausgerichtet
ist. Der Beeinflussung der Menschen durch die Massenmedien sollte
ein Ende gesetzt werden, und wir müssen für unser Recht
eintreten, unser eigenes Wissen und unsere eigene Kultur hervorzubringen.
Jedoch betrifft die Umwandlung von Erziehung und Bildung in eine Ware
viele Kinder auf der Welt gar nicht, da sie als Sexobjekte und ausgebeutete
Arbeitskräfte selbst als Ware behandelt werden und ein unmenschliches
Maß an Gewalt erfahren. Die wirtschaftliche Globalisierung ist
die Wurzel des täglichen Albtraums einer steigenden Anzahl ausgebeuteter
Kinder - ihr Schicksal ist die schlimmste Konsequenz des vom Weltmarkt
erzeugten Elends.
- Militarisierung -
Die Globalisierung verschärft komplexe und sich ausweitende Krisen,
die überall Spannungen und Konflikte hervorrufen. Die Notwendigkeit,
das immer größer werdende Chaos 3in den Griff zu bekommen,
wirkt sich nur verstärkend auf Militarisierung und Repressionen
(mehr Polizei, Verhaftungen, Gefängnisse, Inhaftierte) in unseren
Gesellschaften aus. Militärische Institutionen wie beispielsweise
die von den USA dominierte NATO, die die anderen Mächte des Nordens
vereint, zählen zu den Hauptinstrumenten zur Aufrechterhaltung
dieser ungerechten Weltordnung. In vielen Ländern besteht Kriegsdienstpflicht,
die junge Menschen mit der Absicht indoktriniert, den Militarismus
zu legitimieren. Auch die Massenmedien und die Konzernkultur glorifizieren
das Militär und preisen den Einsatz von Gewalt. Hinter den Fassaden
demokratischer Strukturen schreitet auch die Militarisierung des Nationalstaates
voran, der sich in vielen Ländern zur Durchsetzung der Interessen
des Kapitals gesichtsloser paramilitärischer Truppen bedient.
Gleichzeitig wird der militärisch-industrielle Komplex, eine
der wichtigsten Säulen des Weltwirtschaftssystems, zunehmend
von riesigen privaten Konzernen kontrolliert. Die WTO überläßt
Verteidigungsangelegenheiten zwar offiziell den Staaten, aber auch
der militärische Bereich kann sich dem Streben nach privaten
Profiten nicht entziehen.
Wir fordern die Abschaffung von Atomwaffen und allen anderen Massenvernichtungswaffen.
Der Weltgerichtshof in Den Hague erklärte kürzlich, daß
Atomwaffen internationales Recht verletzen, und forderte alle Länder,
die im Besitz von Atomwaffen sind, auf, deren Abschaffung zuzustimmen.
Das bedeutet, daß die Strategie der NATO, die auf einem möglichen
Einsatz von Atomwaffen beruht, einem Verbrechen gegen die Menschheit
gleichkommt.
- Migration und Diskriminierung -
Das neoliberale Regime stellt die Rahmenbedingungen für freie
Kapitalströme zur Verfügung, während es den Menschen
ihr Recht, sich frei zu bewegen, abspricht. Rechtliche Migrationsschranken
werden permanent verschärft, während gleichzeitig durch
die massive Vernichtung der Existenzgrundlage sowie durch die Konzentration
von Wohlstand in den privilegierten Ländern Millionen Menschen
entwurzelt werden und gezwungen werden, weit weg von ihrer Heimat
Arbeit zu suchen. MigrantInnen finden sich dadurch in einer immer
prekärer werdenden und oftmals illegalen Situation wieder und
werden so noch leichter zur Zielscheibe für ihre Ausbeuter. Sie
werden zu Sündenböcken gemacht, und rechte PolitikerInnen
ermutigen die lokale Bevölkerung, ihren Frust an ihnen auszulassen.
Solidarität mit MigrantInnen ist heutzutage wichtiger denn je.
Es gibt keine illegalen Menschen, sondern nur unmenschliche Gesetze!
Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, das Kastensytem und religiöser
Fanatismus werden dazu genutzt, uns auseinander zu dividieren - dagegen
müssen wir auf breiter Front Widerstand leisten! Wir feiern die
Vielfalt unserer Kulturen und Gemeinschaften, und stellen keine über
die andere, sondern sehen alle als gleichwertig an.
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Die WTO, der IMF, die Weltbank und andere Institutionen, die Globalisierung
und Liberalisierung vorantreiben, wollen uns glauben machen, der weltweite
Konkurrenzkampf habe positive Auswirkungen. Ihre Abkommen und ihre
Politik stellen jedoch eine direkte Verletzung grundlegender Menschenrechte
(u.a. BürgerInnenrechte, politische, wirtschaftliche und soziale
Rechte, ArbeitnehmerInnenrechte und kulturelle Rechte), die in der
internationalen Gesetzgebung und auch in vielen nationalen Verfassungen
festgeschrieben sowie in der Auffassung von Menschenwürde in
den Köpfen vieler Menschen fest verankert sind, dar. Wir haben
genug von dieser unmenschlichen Politik! Wir lehnen das Konkurrenzprinzip
als Lösungsansatz für die Probleme der Menschheit ab, denn
es führt nur zur Zerstörung kleiner Produktionsbetriebe
und lokaler Ökonomien - Neoliberalismus ist der wahre Feind wirtschaftlicher
Freiheit!
Teil II
Der Kapitalismus hat sich bereits von den fragilen " Zügeln
", die durch Jahrhunderte von Kämpfen auf nationalstaatlicher
Ebene errungen wurden, losgerissen. Der Nationalstaat wird nur noch
zur Kontrolle der Menschen und zu Repressionen gegen sie aufrechterhalten,
während ein neues transnationales Regelungssystem geschaffen
wird, um die weltweiten Operationen des Kapitalismus zu erleichtern.
Wir können gegen den transnationalen Kapitalismus nicht mit unseren
traditionellen Instrumenten aus dem nationalen Kontext vorgehen. In
dieser neuen globalisierten Welt müssen wir neue Formen des Kampfes
und der Solidarität erfinden sowie uns auf neue Ziele und Strategien
unserer politischen Arbeit einigen. Wir müssen uns zusammentun,
um verschiedene menschliche Räume für Kooperation, Gleichberechtigung,
Würde, Gerechtigkeit und Freiheit zu schaffen, während wir
das nationale und das transnationale Kapital sowie diejenigen Abkommen
und Institutionen angreifen, die zum Erhalt seiner Macht ins Leben
gerufen werden.
Es gibt viele unterschiedliche Formen des Widerstands gegen die Globalisierung
des Kapitals und ihre Folgen. Auf individueller Ebene müssen
wir unser Alltagsleben so verändern, daß wir uns von den
Gesetzen des Marktes und dem Streben nach privatem Profit lossagen.
Auf der Kollektivebene müssen wir vielfältige Organisationsformen
auf unterschiedlichen Ebenen schaffen, denn wir sind uns im klaren
darüber, daß es kein Allheilmittel zur Lösung unserer
Probleme gibt. Solche Organisationen müssen unabhängig von
Regierungsstrukturen oder Wirtschaftsmächten sein und unmittelbare
Demokratie zur Grundlage haben. Diese neuen autonomen Organisationsformen
sollten einerseits aus lokalen Gemeinschaften hervorgehen und in ihnen
verwurzelt sein, andererseits sollten sie aber auch internationale
Solidarität praktizieren, indem sie Brücken bauen zwischen
verschiedenen Gesellschaftsschichten, Völkern und Organisationen,
die bereits heute über die ganze Welt zerstreut die Globalisierung
bekämpfen.
Diese Instrumente zur Koordinierung und Ermächtigung bieten Raum
für die Umsetzung einer Reihe von lokalen, schrittweisen Strategien,
die in den letzten Jahrzehnten von Menschen in aller Welt entwickelt
worden sind und auf die Abnabelung ihrer Gemeinschaften, Nachbarschaften
und kleinen Kollektive vom Weltmarkt abzielen. Der direkte Kontakt
zwischen ErzeugerInnen und VerbraucherInnen sowohl auf dem Land als
auch in den Städten, lokale Währungen, die Vergabe von zinslosen
Krediten und ähnliche Maßnahmen sind die Bausteine für
die Schaffung lokaler, nachhaltiger und autarker Ökonomien, die
auf Kooperation und Solidarität, nicht auf Konkurrenz und Profit,
basieren. Während das globale Finanzkasino mit steigender Geschwindigkeit
auf den sozialen und ökologischen Zerfall sowie auf den wirtschaftlichen
Zusammenbruch zusteuert, werden wir - die Menschen in aller Welt -
uns wieder eine nachhaltige Existenzgrundlage aufbauen. Unsere Mittel
dazu und unsere Inspiration dafür werden von dem Wissen und der
Technologie der Menschen, von besetzten Häusern und Feldern,
von einer starken und lebendigen kulturellen Vielfalt sowie von unserer
festen Entschlossenheit kommen, uns aktiv den Verträgen und Institutionen,
die die Wurzel allen Übels sind, zu widersetzen und sie nicht
einmal ansatzweise zu respektieren.
Da Regierungen überall auf der Welt als Marionetten und Instrumente
kapitalistischer Macht handeln und eine neoliberale Politik umsetzen,
ohne mit ihrer eigenen Bevölkerung oder den gewählten VertreterInnen
in Dialog zu treten, bleibt den Menschen nur die Zerstörung dieser
Handelsabkommen und die Wiederherstellung eines Lebens mit unmittelbarer
Demokratie übrig - frei von Zwängen, Herrschaft und Ausbeutung.
Direkte demokratische Aktion, die in sich gewaltlosen zivilen Ungehorsam
gegenüber dem ungerechten System trägt, ist folglich die
einzige Möglichkeit, dem Unfug der im Dienste der Konzerne handelnden
Staatsgewalt ein Ende zu setzen. Dazu gehört auch das notwendige
Element von Spontanität. Wir erlauben uns jedoch kein Urteil
über den Einsatz von anderen Aktionsformen, der unter bestimmten
Umständen denkbar wäre.
Es ist höchste Zeit für eine konzertierte Aktion zur Abschaffung
des unrechtmäßigen Weltregierungssystems, das transnationales
Kapital, Nationalstaaten, internationale Finanzinstitutionen und Handelsabkommen
miteinander verknüpft. Nur eine weltweite Allianz von Bewegungen
von Menschen, die ihre Autonomie respektieren und aktions-orientierten
Widerstand erlauben, kann dieses emporsteigende globalisierte Monster
besiegen. Wenn Verarmung der Bevölkerung auf der Tagesordnung
des Neoliberalismus steht, so ist die direkte Ermächtigung der
Menschen durch konstruktive, direkte Aktion und zivilen Ungehorsam
ein wichtiger Programmpunkt von Peoples' Global Action against "Free"
Trade and the WTO.
Wir betonen hiermit unsere Absicht, gegen alle Formen der Unterdrückung
kämpfen zu wollen. Aber wir wollen nicht nur die uns auferlegten
Mißstände bekämpfen, sondern wir sind auch fest entschlossen,
eine neue Welt zu erschaffen. Wir halten zusammen, als Menschen und
als Gemeinschaften, und unsere Einheit ist fest in unserer Vielfalt
verwurzelt. Zusammen wollen wir eine Vision von einer gerechten Welt
entwickeln und arbeiten auf wahren Wohlstand hin, der aus der Ermächtigung
der Menschen, aus natürlichem Reichtum, aus Vielfalt, Würde
und Freiheit erwächst.
Genf, Februar / März 1998
aus: PGA Bulletin Nummer 1, März 1998
Das Manifest wurde bei der interkontinentalen PGA Konferenz im September
2001 in Cochabamba, Bolivien, überarbeitet. Bei der interkontinentalen
Konferenz im indischen Bangalore 1999 wurde unter anderem die fehlende
kritische Sicht auf die Rolle des Staates im Kapitalismus bemängelt.
Verbesserungsvorschläge für das Manifest sind stets willkommen
und können an das Sekretariat (pgaagp.org) gesandt werden.
PEOPLE'S GLOBAL ACTION (PGA):
- Eckpunkte / Hallmarks / Principles
- Manifest
- Globales Netz lokaler Kämpfe
www.agp.org
www.pgaconference.org
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