|
|
ZÜRI BRENNT:
- Auszüge aus dem Text zum Videofilm "Züri brennt".
- Zur Selbstverbrennung von Silvia Zimmermann
----------------------------
ZÜRI BRENNT
Es dauerte lange, bis Zürich brannte, und als es endlich Feuer
gefangen hatte, fand dieses keine Nahrung. Denn der Beton tönt
hohl und will nicht brennen. Ein Supersicherheitsklotzgefängnis
ist kein Scheiterhaufen, aber modern. Modern, viereckig, grau und
in Ordnung sind auch die von plastifizierten Hollywoodmonstern belebten
Kinderspielplätze, in Ordnung ist überhaupt alles, was
glatt, kahl und sauber ist. Gähnende Wüste unter Industriedunst,
gegen oben elegant sich verjüngende Turmarchitektur, reduzierte
Bildwelt. Andächtige Monotonie von Beamtenschritten in den
öden Gängen der Registraturbehörden, riesige planierte
Flächen vor den Einkaufszentren, so leer und wunschlos wie
die Köpfe der Familienväter am Sonntag.
Doch unten, wo der Verputz zu bröckeln beginnt, wo verschämte
Rinnsale Kleenex-sauberer Menschenärsche zu stinkenden Kloaken
zusammenfließen, da leben die Ratten, wild wuchernd und fröhlich,
schon lange. Sie sprechen eine neue Sprache, und wenn diese Sprache
durchbricht, ans Tageslicht stößt, wird gesagt nicht
mehr getan sein, schwarz auf weiß wird nicht mehr klipp und
klar sein, Alt und Neu wird ein Ding sein. Krüppel, Schwule,
Säufer, Junkies, Spaghettifresser, Neger, Bombenleger, Brandstifter,
Vagabunden, Knackies, Frauen und alle Traumtänzer werden zusammenströmen
zur Verbrennung der Väter (...).
Es gibt Häuser, wo Du wohnen möchtest, weil sie traurig
und wehmütig sind, weil sie aus verwinkelten, schattigen Ecken
Gerüche vieler Jahre verbreiten, weil dir vom ersten Stock
an die Holzstiegen schauerliche Geschichten vorknarren und weil
du in vorfabrizierten Kaninchenställen, in Schlafschubladen,
in blinden Satellitenstädten ganz einfach wahnsinnig würdest.
Also besetzen wir die leerstehenden, zum Abbruch bestimmten Hauser
und begehen damit Hausfriedensbruch. Wir rentieren nicht, also werden
wir von den Grenadieren schnell wieder geräumt. Wir besetzen
andere Häuser, und gleichzeitig beginnen wir zu verhandeln.
(...)
Geld manifestiert sich in Höhe und sterilen Glasfassaden.
Macht blinzelt im starren Rhythmus vom Rot-Gelb-Grün der Verkehrsampeln.
Unumwerflich die stabilisierende Wirkung nie endender Autoschlangen,
und allgegenwärtig wachen Roboter über Recht und Ordnung.
Zürich City - Großraumbüro, rentabel, doch zum Wohnen
leider ungeeignet. Zürich City - Parkhaus für Pendler
und motorisierte Alleskäufer. Abgase zerfressen Sandsteinfassaden
in den letzten wohnlichen Quartieren, Lärm und Streß geben ihnen den Rest (...)
Hautnah haben wir miterlebt, wie um uns herum die große Illusion
der Wohlstandsgesellschaft aufgebaut wurde. Wir lebten in den grünen
Städten des sozialen Wohnungsbaus, in der heilen Welt der neu
besiedelten Außenquartiere. Unsere Eltern krabbelten emsig
und tüchtig wie die Ameisen, kurzsichtig und stur wie die Maulwürfe
an der Erfolgsleiter herum. Die wenigsten schafften es bis ganz
oben, aber die meisten schafften es zu dem, was sie heut sind: eine
riesige Mittelschicht kleinkarierter, langweiliger, subalterner
Fünfzigjähriger, die unerschütterlichen Helfer des
Großen Bruders mit Bierbauch, verklebter Fantasie und meterdicken
Mauern um Hirn und Herz.
Dann kam das Jahr 68 mit einem ominösen Schwall neuartiger,
aufrührerischer Worte. Polemisierende Vater, besorgte Mutter
am Familientisch, und wir, die wir damals noch heimlich Zigaretten
rauchten auf dem Pausenplatz, waren fasziniert und verunsichert.
"Hilfe, die Schweiz von Aufruhrwelle erfaßt!" japsten
die Nachrichtensprecher mit überschnarrender Stimme. Globus-Krawall,
die autonome Republik Bunker, die ersten Joints, Bilder knüppelnder
Polizisten in Zeitungen und am Fernsehen fressen sich in unsere
Kindskopfe. (. . .)
Wir verteidigen unsere langen Haare gegen die Macht von Elternhaus
und Schule. 68 wird zum Begriff und schlaft ein, Jimi Hendrix erwacht
zum Leben und stirbt wieder.
Während die graue Hand der liberalen Restauration unerbittlich
die Lage zu stabilisieren beginnt, erwachen wir zu politischer Reife.
Wir haben am Aufstand gerochen, wir sind genauso unzufrieden wie
es die guten alten Achtundsechziger waren, doch wo sind sie geblieben?
Ihre Devise lautete: "Unterwandert die Institutionen, höhlt
sie aus!" und jetzt hocken sie in ihren Parteien, Gremien und
Ausschüssen, sind hohl und müde. Sie resignieren in den
von ihnen geschaffenen Selbstverwaltungsstrukturen, der Zahn der
Zeit nagt an der Frauenbewegung, und in den Wohngemeinschaften werden
kleinliche Frustratiönchen gehätschelt. Es wird kälter
und kälter, Langeweile und das dumpfe Gefühl, nicht mehr
langer von den alten Zöpfen aus den 68er Zeiten leben zu Können.
Es muß etwas in der Luft liegen, wenn aus allen Ecken der
Stadt ein tiefkehliges Murren anzuschwellen beginnt, wenn gute Bürger
hastig die Laden schließen und ihre Tochter vom Gehsteig entfernen,
wenn da und dort in schummrigen Lokalen unter Wuschelköpfen
Unheimliches, Konspiratives zusammengebraut wird. Verhaltene Wut
und das Gefühl, machtlos zu sein vor der schmierigen Verlogenheit
multinationaler Großfinanz. Das ausweglose Verstricktsein
im feinmaschigen Netz schweizerischer Rechtsstaatlichkeit. Im Mief
biederen Wohlstandes ersticken. (. ..)
Die Rote Fabrik wird zum Schmelztiegel, in dem Hunderte von jungen
Bösewichten sich zu einer Einheit verbinden. Der wühlende
Stachel des Punk. Wände erzittern, Nachbarn werden aus den
Betten vibriert, wilde Feste werden gefeiert und dem durchschnittlichen
Straßenbahnbenutzer zieht es das Arschloch zusammen, und sein
Gesicht erstarrt zur säuerliehen Grimasse, wenn das erste gemeine
Gitarrenriff aus geschändeten Verstärkern drohet. Das
ist sie, die Ouvertüre zu einer neuen, bösen Oper, DER
TANZ DER KULTURLEICHEN. (...)
Wenn der Ausdruck "Eiszeit" überhaupt irgendwo seine
Gültigkeit hat, dann bestimmt für die heiligen Hallen,
wo unsere geistige Elite, straff an der Kandare gehalten, zu Schnellesern
und Spezialisten im Durchackern von Bibliothekskarteien ausgebildet
wird. Seit etlichen Jahren herrscht an der Universität Grabesruhe.
Was einst eine aufmüpfige Studentenschaft war, schlängelt
und windet sich heut, möglichst auf dem Weg des geringsten
Widerstandes, durch die Semester. Als unten am Limmatquai die ersten
Scheiben barsten, witterten viele Studenten Morgenluft. Doch anstatt
zu versuchen, die Uni mit militanten Mitteln ein bißchen ins
Chaos zu stürzen, ging man in altbekannter humorloser Art daran,
langweilige Aktionstage zu organisieren. Man erging sich in unterkühlten
Diskussionen, politisierte in den Fachschaften, analysierte was
das Zeug hielt und fuhr dann erschöpft in die Sommerferien.
Unterdessen konnte die Hochschulkommission in aller Ruhe eine Überprüfung
des Ethnologieseminars anordnen, ein unbequemer Dozent wurde gefeuert
und die umstrittene Krawallführung, oh Schmach und Schande,
wurde den Bullen zur Beweisbeschaffung gegen Krawallanten ausgehändigt.
Niemand wehrte sich, an der Uni wird wieder geschlafen. Es bleiben
nur jene Studenten, die von Anfang an dabei waren, auf der Straße,
mit geröteten Wangen, wurfbereiten Pflastersteinen und dem
Huronengebrüll aus wunden Lungen. Immerhin, es waren nicht
wenige. (...)
Langsam aber stetig, für Augenstehende kaum spürbar,
beginnen sich im AJZ Strukturen zu bilden. Alle sind ständig
auf Draht, Informationen laufen, jeder ist über alles im Bild,
um jedes notige oder unnötige Problem bildet sich eine Arbeitsgruppe.
Der Begriff "Autonomie" wird behutsam und teilweise mit
Mühe aus seiner Abstraktion geschält, wird erlebbar, sowohl
fürs Auge, als auch für tieferliegende Sinne. Im gleichen
Maß, wie die Theke des Restaurants Form annimmt, verdichtet
sich bei jedem einzelnen ein kribbeliges Gefühl der Zusammengehörigkeit.
Nie gekannte Formen der Obereinstimmung, allen Meinungsverschiedenheiten
zum Trotz, das eigenartige Gefühl der Sicherheit in einer alles
andere als gesicherten Situation. Hier sind wir in unserem Zentrum
des Bösen, wir schmelzen zusammen, stülpen Althergebrachtes
arglos um, wir staunen selbst, daß zwei mal zwei nicht immer
vier sein muß, und außerhalb der AJZ-Mauern liegt ein
anderer Planet. Die neue Sprache entsteht, neue Wörter, farbenprächtige
Sinnbilder beginnen durch die ausgetrockneten Kanäle schweizerischer
Massenmedien zu rieseln. Verschlüsselte Nachrichten, ganz leise
erst, doch dann, anläßlich der Sendung "Telebühne"
ätzt sich unauslöschlich und mit riesigen Lettern das
Wort "Verweigerung" in den blüten weißen Medienhimmel.
Eine Welle der Empörung schwappt giftig aus gutbürgerlichen
Fernsehsesseln, von Panik erfaßt schreien die Vertreter des
wirtschaftstreuen Liberalismus nach Rache, und die wirklich liberalen
Geister schütteln verständnislos die Kopfe. Sie sind sprachlos,
nicht wir. (...)
Es ist ein erhebendes Gefühl, für den Staat, diese verrostete,
prähistorische Additionsmaschine, eine Gefahr zu sein. Die
wildesten, die romantischsten Traume sind plötzlich gar nicht
mehr so irreal. Das AJZ als Insel der Gesetzlosen inmitten einer
langsam verrottenden Großstadtleiche. Wir, eine Horde verwegener
Wegelagerer. Meine Damen und Herren Brigantinnen und Briganten,
heute feiern wir den tragischen Einsturz des Kreditanstalt-Palastes.
Das mit uns verbündete Gras überwuchert fleißig
den in Schutt und Asche liegenden Paradeplatz, und die ewigblöden
Kühe glotzen wiederkauernd an den Sprüngli-Ruinen vorbei
ins Unendliche, grad' so, als hatten sie's schon immer gewußt.
Und über unseren Köpfen baumelt bedrohlich der Stadtrat
an einem immer dünner werdenden Faden. Irgendwann werden diese
Herren einen Grund finden müssen, um das AJZ zu schließen,
denn die Ratten sind ans Tageslicht gestoßen, sie sind wild
und gierig. (...)
Was alle bereits mit Schrecken erwartet haben, ist eingetroffen:
Ein paar windige Vorwände genügen, um die Schließung
des AJZ zu rechtfertigen. Unsere Anarchie, wie immer chaotisch,
organisationsfeindlich und naiv, wird von der Staatsgewalt planiert,
zertreten und mit Stacheldraht eingezäunt. Niemand wundert
sich. Noch einmal flackern die letzten Restchen Energie auf, die
Bahnhofstraße liegt in Scherben, und die Bewegung liegt in
den letzten Zügen. Ein langer, arschkalter Winter steht vor
der Türe.
Doch es geht weiter. Zwar wird der große Ausverkauf einer
Idee beginnen, keine Buchmesse, kein Filmfestival wird an der Bewegung
80 vorbeikommen, die Medien werden weiterhin alles untennehmen,
unsere Unzufriedenheit zu erklaren, zu schlucken und zu neutralisieren.
Doch draußen, in den naßkalten Straßen Zürichs,
werden immer wieder kleinere und größere Gruppen Zeichen
ihrer Existenz setzen, Zeichen, die unmißverständlich
an die Sprache eines heißen Sommers erinnern. Geheimnisvolles
Spraydosengeflüster wird durch nachtschwarze Fußgängerunterführungen
zischen, aus den Mörderknästen wird es zum Entsetzten
der Justizdirektoren ganz unheimlich dröhnen, auch Scheiben
werden klirren, und Freudenfeuer werden brennen, und höhnisches
Gelächter wird ungeschlachte Politikergesichter zu irritiert
grinsenden Fratzen erstarren lassen. Ihre kulturellen Repräsentationspflichten
werden sie in Zukunft vom sandsackgeschützten Schreibtisch
aus erfüllen.
Mit allen Mitteln werden sie versuchen, uns hinter Mauern und weißgekachelten
Psychiatriewanden verschwinden zu lassen. Sie sind überall,
die Bullen. Sie stehen vor Deiner Tür und wissen alles von
Dir. Doch eines wissen sie nicht: Wir haben gelernt, wir haben uns
kennengelernt. Die ganze Stadt ist mit zainen Faden durchzogen,
wir fühlen uns nicht mehr allein. Zürich, Lausanne, Basel,
Bern, Amsterdam, Bremen, Hamburg, Stuttgart, Freiburg im Breisgau,
Berlin und - Zürich, immer wieder...Auszüge aus dem Text
zum Videofilm "Züri brennt".
Zürich, 1980
------------------------------
"Ich zünd mich an...
Am 12. Dezember hat sich Silvia Zimmermann auf dem Bellevue
verbrannt. Sie wollte damit gegen ihre eigene Unterdrückung,
gegen die Kriminalisierung der Bewegung und gegen den Schmierterror
protestieren. Ihren Abschiedsbrief hält die Zürcher Polizei
unter Verschluss - sie stellt Silvias Selbstverbrennung als unverständliche
Verzweiflungstat einer Wahnsinnigen dar. Politische Selbstverbrennungen
wie in Saigon oder Prag dürfen in der Schweiz von den Behörden
aus nicht stattfinden. Silvia hat in der Bewegung mitgemacht, sie
hat sich an der Besetzung der Rebhügel-Siedlung beteiligt,
sie wurde an der Mieterdemo vom 30. August von Polizisten spitalreif
verletzt. Sie hat die blindwütige Unterdrückung der Bewegung,
die ihr einiges an neuer Lebenshoffnung brachte, nicht verkraftet.
Aber sie wollte nicht einfach still im eigenen Elend versinken -
sie wollte ein letztes Zeichen setzen, ihre Wut und ihren letzten
Protest ausdrücken. Deshalb hat sie sich verbrannt. Die Bewegung
hat gestern Samstag ihre letzte, gedruckte und hoffnungslose Solidarität
mit Silvia an einer Demonstration ausgedruckt. Silvia ist am Freitag
im Spital gestorben.
"
Eigentlich bin ich noch gar nicht geboren... nein, ich bin
eine Frühgeburt. Ich habe es bei meiner Mutter drin einfach
nicht mehr ausgehalten, schon als Baby habe ich gespürt, dass
man mich nicht haben wollte. Sie haben mich dem' in einen Kasten
gelegt, eine Maschine. Dadrinnen hatte ich schon warm. So einen
Kasten wünsche ich mir manchmal heute noch - oder einen Menschen
für 24 Stunden am Tag, richtige Wanne."
"
Sie überführten mich ins Säuglingsheim, für
14 Monate. Ich konnte mich damals noch nicht wehren - trotzdem streikte
mein Körper und er streikt heute noch - ich bekam Asthma, welches
mich bis zum heutigen Tag nicht verlassen will."
" Mit 5 Jahren kam ich dann in ein Kinderheim in Zürich.
Warum ich nicht in der Pflegefamilie bleiben konnte? Vielleicht
weil ich mich zu sehr mit ihrem Sohn gestritten habe - oder weil
ich zu oft Asthmaanfälle hatte - oder aber weil ich sowieso
schon damals asozial war, bzw. asozial gemacht wurde. Die Gefangenschaft
in diesem Heim dauerte bis 12 J., dann kam ich in die Arbeitserziehung
bis 15."
" Mit 15 wollten sie mich los sein - weil andere in dem Heim
von mir schlecht beeinflusst worden sind, bestimmt aber, weil ich
zu oft auf Kurve war."
" Mit 10 Jahren paffte ich Gauloises, natürlich überhaupt
nicht mit Mass. Mit 11 Jahren Shit, welchen ich bis heute paffe
- ausser dem roten Libi, auf den meist ein Asthmaanfall folgt. Mit
12 knallte ich den ersten Trip in die Birne und mit 15 war ich beim
H angelangt. Ich kickte nicht lange - der Stoff war zu teuer. Ich
entzog mich mit Optalidon, Rohypnol, Speed - dh. ich floh von einer
Sucht in die andere - warum diese Flucht? Ich habe nie eine genaue
Antwort gefunden."
"
Ich war immer aggressiv und auffällig, ich habe immer
meine Meinung gesagt. Das hat mir immer Lämpen eingebracht
- die meisten Leute mochten mich nicht. Aber ich bin ehrlich."
" Ich lese viel. Früher habe ich viel geschrieben, gezeichnet
und auch Bilder gemacht. Ich möchte wieder einen Raum für
mich, für meine Sachen."
" Manchmal merke ich, dass mich jemand wirklich mag. Aber ich
habe Angst vor der Enttäuschung. Ich brenne mir manchmal mit
der Zigi Löcher in die Arme, noch während einem Gespräch.
Es tut gar nicht weh - ich kann dazu sogar lacheln. Es tut jedenfalls
weniger weh als die Enttäuschung."
" Mit zwanzig war meine Heimkarriere zu Ende. Ich habe darauf
zwei Jahre in einer Familie als Babysitter gearbeitet. Kinder bis
sechs Jahre sind mir am liebsten. Sie sind ehrlich in ihren Gefühlen.
Anfangs 80 habe ich die Stelle und die Wohnung verloren."
"
Ich kann nicht mehr so weiterleben. Ich möchte einen
Entzug machen, ich habe aber Angst davor - Angst vor dem Eingesperrtsein.
Nein - einsperren können sie mich nicht nochmals."
"
Ich werde nur noch gestossen und getreten. Ich kann nicht
mehr so weiterleben. Ich will ins Schlössli für den Entzug
und nachher in eine WG. Ich bin auf der Warteliste. Ich weiss nicht,
ob ich das noch durchstehe."
"Am Toblerplatz wollten wir uns wieder treffen, da kamen die
Bullen. Die warfen mich die 8 Stufen vor dem Bankverein hinunter
und nachher wie Vieh in einen Gefängniswagen. Das Bein war
gebrochen, die Sehne gerissen. Ich wurde operiert - mit dem Gips
kann ich nicht mehr an die Demo - ich habe sowieso den Horror."
"Im AJZ fühlte ich mich wohl - ich konnte mit Leuten
reden, es ging mir besser, bis im Juni. Ich war zu von den Medis
als die Bullen Tränengas ins Haus schmissen. Ich konnte nicht
mehr atmen - mein Asthma. Ich glaubte zu ersticken. Ich dachte,
jetzt ist es wirklich aus. Jemand hat mich dann hinausgetragen.
Seitdem habe ich Horrorträume, auch am Tag. Ich kann nur noch
bei Licht schlafen."
"Wenn ich's nicht mehr checke, wenn's für mich nicht
mehr weiter geht, dann bring ich mich um. Ich zünd mich an,
mit Benzin - auf dem Bellevue, damit alle sehen, wie beschissen
es einem Menschen in dieser Gesellschaft gehen kann. Ich mach es
wirklich - ich bin ehrlich."
Aus: tell, Nr. 30, 27.12.1980, Zürich.
Wir wollen alles, und zwar subito! - Die Achtziger Bewegung -
|