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Claus Sterneck / Claus in Iceland
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Wolfgang Sterneck
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INFOLÄDEN:
- LC 36: Was sind Infoläden?
- Chuck Manson: Der nette Infoladen von nebenan
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Infoladen LC 36:

WAS SIND INFOLÄDEN ?

- Inhalte und Struktur -

Die Bandbreite der in Infoläden vertretenen Inhalte reicht von Flüchtlingspolitik und Antifaschismus über Feminismus und Gender bis hin zu Repression, Knast und Gefangene, soziale Kämpfe, linksradikale Politik im allgemeinen, Globalisierung, sowie Internationalismus, Antinationalismus, Drogen, (Sub-) Kultur und vielem mehr (wobei die Reihenfolge nicht hierarchisch und abschliessend gemeint ist).

Infoläden werden genutzt und getragen von Menschen mit unterschiedlichsten politischen Überzeugungen aus dem undogmatischen linksradikalen Spektrum. Hier wurden und werden Informationen zumeist in Form von Zeitschriften, Broschüren und Flugblättern aber auch Büchern, Videos und Ton- und Datenträgern gesammelt, diskutiert und verbreitet. Auch die Medien E- Mail und Internet werden viel genutzt. Die Arbeit umfasst aber auch die Organisation und/ oder Teilnahme von Aktionen, Veranstaltungen und Demonstrationen zu unterschiedlichen Themen und die Platzierung linker Inhalte und Debatten in einer nicht nur, aber meist innerlinken Öffentlichkeit.

Neben dem Informieren haben Infoläden auch noch weiter wichtige Funktionen: sie sind Nahtstelle für Gruppen aus verschiedenen Teilbereichen und Spektren: Antifa- und Flüchtlingsgruppen, Initiativen zu Gefangenenarbeit, Kampagnengruppen, die sich spontan bilden und wieder auflösen, wenn das Feld abgearbeitet ist, autonome Kleingruppen, FrauenLesben- Gruppen, Lesegruppen, die sich mit bestimmten Teilbereichen auseinandersetzen, und viele andere nutzen die Läden für Treffen, Plenen, als Anlaufpunkt und Kontaktadresse.

Vielerorts sind Infoläden mit die letzten selbstbestimmten, autonomen Refugien und dienen als "Büro der Szene", meist ausgestattet mit Fax, Computern, Kopierern und vielem mehr, was den Büroalltag effektiver und bequemer macht. Und dort, wo es etwas mehr Platz gibt, wird der Laden auch als Veranstaltungs- und Partyort benutzt.

- Geschichte -

In den 80er Jahren (im Osten ab Anfang der 90er) sind in immer mehr Städten in der BRD, aber auch international, Infoläden entstanden. Die Entstehung der Infoläden hängt unter anderem damit zusammen, dass der Austausch und die Diskussion von und über staats- und gesellschaftskritische Themen be- und verhindert wird und wurde - durch die Reproduktion von Macht- und Herrschaftmodelle durch uns selbst, mittels von Paragraphen wie beispielsweise dem Gesinnungsparagraphen 129 und 129a ... Somit sind Infoläden auch ein Versuch, entgegen der der kapitalistischen Verwertungslogik zu Informieren, Machtverhältnisse zu thematisieren- und diesen entgegenzutreten.

Ein weiterer entscheidender Punkt war und ist auch das immer weiter um sich greifende Wegfallen von selbstbestimmten, linksradikalen Orten und Plätzen, in den 80ern vor allem in Form der (ehemals) linken Buchläden. In den 90ern war dies eher das Wegfallen autonomer Zentren und besetzter Häusern, die meist auch ihren Teil in der linksradikalen Kommunikations- und Informationsstruktur inne hatten. Einen weiten Teil dieser Aufgaben haben Infoläden übernommen.

- Selbstverständnis -

Infoläden begreifen sich als Teil autonomer Organisierung. Sie streben eine Vernetzung mit Gruppen aus der eigenen Stadt und darüber hinaus an, organisieren sich aber auch auf regionaler und länderübergreifender Ebene mit anderen Läden (siehe BILT). Zum einen werden so Informationen erhalten, die vom herrschenden Diskurs unterdrückt werden, zum anderen ist es so möglich, Erfahrungen und Standpunkte auszutauschen und zu diskutieren. In Zeiten schwindender "Wahrheiten" und zunehmender Perspektivlosigkeit (Anfang der 90er nach dem Zusammenbruch des "real existierenden Sozialismus", aber auch verursacht durch die Einstellung der bewaffneten Kämpfe, den erstarkenden Rassismus und Nationalismus in der BRD und Europaweit), sowie der sich immer weiter zuspitzenden Situation weltweit ist es mehr den je von Nöten, so glauben wir, uns auf unsere Geschichte zu besinnen und parallel dazu einen Beitrag zu einer neuen Praxis zu entwickeln.

Dabei meinen wir nicht nur die Diskussionen und Erfahrungen der letzten 20 Jahre, sondern auch das oft verschüttete Wissen um die Kämpfe und Widerstandsformen der Menschen in diesem und den letzten Jahrhunderten. So wollen wir versuchen, die Wahrnehmung für die Erfahrungen, die Niederlagen, aber auch die Erfolge der progressiven Widerstandsbewegungen zun schärfen, die einen Bodensatz bilden, aus dem wir schöpfen können. Wir bemühen uns, Informationen über Widerstand weltweit zu sammeln und öffentlich zugänglich zu machen. Dies soll und kann auch ein Beitrag dazu sein, von nationalen bzw. eurozentristischen hin zu einer kosmopolitischen, internationalistischen Sicht zu gelangen.
Konzepte und Perspektiven

Allerdings wir sind weit davon entfernt, uns selbstzufrieden zurückzulehnen: schliesslich sind BesucherInnen nicht gleich KonsumentInnen, und Konsum nicht gleich Auseinandersetzung und Praxis, nicht gleich Bewusstsein. Und es gibt viele Fragen, mit denen wir als Infoläden uns auseinandersetzen müssen, wenn wir auch weiterhin linksradikale Politik machen wollen.

Einen grosse Frage ist die nach der Bedeutung, nach dem Verhältniss von Öffentlichkeit oder dem in der Linken viel beschworenen Begriff der Gegenöffentlichkeit in Relation zu uns und unseren Politikformen. Sind wir nicht meist kaum mehr in der Lage, uns, unsere eigene Bedeutung und die unserer Events realistisch und kritisch zu reflektieren? Müsste eine Auseinandersetzung hierüber nicht auch die Auseinandersetzung über unsere mediale Aufbereitung und die Repräsentation nach außen beinhalten? Was ist das, was wir tun? Leben Aktionen aus sich selbst, über die Wahrnehmung derer hinaus, die an der Aktion teilnehmen, sind sie "reale Ereignisse" und stehen somit für sich selbst? Oder existieren Ereignisse nur aus einer nachträglichen Produktion von Information, sind sie nur Trägermasse von Inhalten auf dem Weg in eine mediale Öffentlichkeit?

Auf weitere und ausgiebige Diskussionen um diese und andere Themen sind wir schon jetzt gespannt.

Diskussionstext vom Infoladen LC 36 (Köln)

Anschrift: Infoladen LC 36, Ludolf-Camphausen-Str.36, 50672 Köln.
e-mail: infoladen.koeln@link-lev.de

www.infoladen.de

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Chuck Manson:

DER NETTE INFOLADEN VON NEBENAN

Wenn ihr irgendwann im letzten Jahrzehnt mal Großstadtpunks wart, habt ihr vermutlich Infoshops aufgesucht oder zumindest davon gehört. Infoshops kombinieren einen Kommunikationsort, Fanzinearchiv und Bibliothek, Treffpunkt, Kindertagesstätte, Konzertort und Buchhandlung in einem autonomen Raum. Sie werden gewöhnlich organisiert und geplant von anarchistischen Aktivisten, aber Infoshop-Nutzer und Beteiligte sind nicht notwendigerweise Anarchisten. Infoshops sind in der Do-it-Yourself- Ethik verwurzelt -- Sie werden geschaffen von Leuten, die daran interessiert sind revolutionäre Prozesse geschehen lassen, nicht nur herumzusitzen und darüber zu reden.

Infoshops gibt es schon seit Jahren und werden in ihren Ursprüngen allgemein in Europa verortet, besonders in Deutschland wo es zu Zeiten bereits über 60 gab. Sie wurden aufgezogen von den hausbesetzenden, autonomen, Punk- und anarchistischen Bewegungen. Die Infoshops in Europa, besonders die in Deutschland, fungierten nicht nur als Gemeinschaftszentren, sondern auch als Postadressen für Gruppen, die vom Staat in die Illegalität gedrängt wurden. Die europäischen Läden und autonomen Zentren regten die Schaffung von Infoshops in Nordamerika an, aber es sollte bemerkt werden daß es eine lange Tradition von radikalen Gemeinschaftszentren in den Vereinigten Staaten gibt. Diese sind allgemein bekannt als "Peace and justice centers" und waren Grundlage für linke Aktivisten und Organisation von Gemeinschaft.

Es gab und gibt noch Infoshops in beinah jeder großen Stadt in Nordamerika. Sie hatten oft interessante Namen: Der Beehive Infoshop in Washington D.C., Long Haul in Berkeley, Emma Center in Minneapolis, Croatan in Baltimore, Autonomous Zone in Chicago, 404 Willis in Detroit, Who's Emma in Toronto, Epicenter in San Francisco and viele andere.

In den USA sind einige Infoshops auch bekannt als "alternative reading rooms" oder "community media centers". Tatsächlich wurden Infoshops auch als "Mischung aus radikalen Buchhandlungen und Bewegungsarchiv" beschrieben. Man findet Fanzine- Archive und bücherverleihende Bibliotheken in Infoshops. Das ist eine subkulturelle Antwort auf die Tatsache, daß die meisten Öffentlichen Bibliotheken radikale Literatur und Fanzines entweder ignorieren oder mit Absicht von ihren Regalen fernhalten. Infoshops verkaufen Bücher, Fanzines und T-Shirts, meist nicht nur um die Szene zu bedienen, die diese Dinge haben möchte, sondern auch um Geld für die Miete des Infoshops reinzubekommen.

Was passiert in Infoshops? Infoshops dienen als soziale Zentren für lokale Aktivisten, sodaß man dort oft deren Gruppentreffpunkte findet. Gruppen wie die IWW, Earth First! oder die Lesbian Avengers können ihre regelmäßigen Treffen im Infoshop abhalten. Man findet auch Projekte wie Food Not Bombs oder Books To Prisoners, die Infoshops als Präsentationsorte nutzen. Eine Food Not Bombs- Gruppe könnte die Küche eines Infoshops nutzen (wenn er eine hat), um das Essen für Obdachlose und Arme zuzubereiten. Einige Infoshops stellen Büroräume für andere Gruppen, oder z.B. eine Dunkelkammer für alternative Journalisten. Sie haben oft auch Frauentage ("Women's Space"), also etwa regelmäßige Abendveranstaltungen (nur) für Frauen.

Wenn man sich alternativ weiterbilden möchte, kann man den Terminkalender seines lokalen Infoshops auf kostenlose Seminare hin durchsehen. Infoshops bieten oft Freie Schulen ("Free Skools") an, die die 90er Jahre- Version des "Freie Universität"- Konzepts der 60er Jahre darstellen. Jeder , der glaubt sich mit etwas gut auszukennen, sei es der Spanische Bürgerkrieg oder Fahrradreparatur kann sich mit dem Infoshop einen Tag und Platz im Kalender ausmachen und freiberuflich unterrichten. Im Allgemeinen gibt es in den Seminaren keine Hierarchien und auch keine Prüfungen, Noten oder Zeugnisse. Wenn Schule nicht dein Ding ist, dann bieten Infoshops noch Filmnächte oder Lesungen. In der atlantischen Region hat der Atlantic Anarchist Circle ein Büro um Lesungen für Vortragende auf Lesetour zu koordinieren. Vor ein paar Jahren hat der Infoshop in Portland (Oregon) einen Vortrag von Noam Chomsky organisiert, der ziemlich gut ankam.

Infoshops sind von großem Wert für politische Gruppen. Es kann schwierig sein, einen Treffpunkt für eine radikale Gruppe zu finden, besonders wenn er sicher sein soll und nicht von der Gnade unsympathischer Gastgeber abhängig. Treffen in Infoshops können auch dazu dienen, um politischen Aktivitäten eine breitere Basis zu geben und das Entstehen neuer Gruppen zu fördern. So könnten zum Beispiel Leute, die sich bei Treffen für die Solidarität mit Gefangenen eingesetzt haben, eine neue Gruppe gründen, die sich darum kümmert, Gefangenen kostenlos Bücher zuzuschicken. Leute, die in einer Food Not Bombs Gruppe sind, könnten eine Food Co-Op oder sogar einen Gemeinschaftsgarten aufbauen.

Infoshops sind wichtige Verteilerpunkte für alternative Veröffentlichungen. Sie schaffen Öffentlichkeit für Fanzine-Schreiber und Kleinverleger und deren Werke. Einige Läden haben Computer, Drucker und andere Büroeinrichtung, die für Fanzineautoren und Flugblattkünstler zur Verfügung stehen. Die anarchistische Zeitschrift 'Slingshot' wird schon seit ein paar Jahren vom Long Haul Infoshop in Berkeley (California) herausgegeben. Die Leute vom A Space in Philadelphia haben vor kurzem damit begonnen, ein Zine namens Defenestrator herauszugeben, das die lokale politische Szene dokumentiert.

Auch dringende Nachrichten werden von Infoshops verbreitet. Neuigkeiten und Notfallinfos können an Infotafeln angebracht werden. Es gibt oft Telefonketten, die genutzt werden können um Neuigkeiten zu verbreiten, wie etwa die Verhaftung von politischen Akteuren. Wenn ein Laden einen Computer hat und eine Internetverbindung kann er Nachrichten von politischen Websites oder Mailinglisten empfangen oder recherchieren. Man kann auch Neuigkeiten, Anzeigen oder Hilferufe aussenden.

Ein Infoshop wird meistens von einem Kollektiv und Freiwilligen betrieben, es gibt keine bezahlten Mitarbeiter. Größere Entscheidungen werden auf regelmäßigen Plena getroffen. Da Infoshops häufig von Anarchisten betrieben werden gibt es eine Tendenz sich nach dem Konsensprinzip zu entscheiden, obwohl das nicht immer so geschieht. Man braucht kaum zu erwähnen, das es unmöglich ist, einen Infoshopchef oder Vorsitzenden zu finden. Einige Infoshops basieren auf Mitgliedschaften, was genutzt wird um die Beteiligung am Projekt zu fördern und um sicherzustellen, das nicht einfach irgendwer von der Straße dazukommen und mitentscheiden könnte.

Die soziale Basis der Infoshopbewegung ist die Punkszene. Das kommt vermutlich daher, das Infoshops die Art Szeneorte sind wo sich Punks zuhause fühlen und außerdem liefern sie mögliche Konzertorte oder einen Raum um die lokale Szene zu fördern. Die Läden sind im Allgemeinen auch die beste Verkaufsstelle für Zines und in einigen Städten können sie der beste Ort sein um die neueste 7inch Single zu ergattern.

Indes hat diese Abhängigkeit von der Punkszene auch seine Kehrseiten. Während Punks einem neuen Infoshop eine Menge Energie widmen, besonders wenn sie ihn als an Punk orientiert akzeptieren, so sind Punks zum guten Teil doch rastlose Jugend. Wie viele jungen Leute haben sie eine große Bandbreite an Interessen und tendieren dazu viel herumzureisen. Sie sind keine eingesessenen Mitglieder einer Gemeinde, und sie gehen oft davon aus das ein Projekt weiterbesteht wenn sie es verlassen. Infoshops, die nicht in dem ihn umgebenden Umfeld verwurzelt sind, sei es geographisch oder politisch werden über kurz oder lang als ein weiteres Punkklubhaus enden. Es gibt nichts auszusetzen an Infoshops, die nur der lokalen Punk-Subkultur dienen, es ist nur so das die Beteiligten sich das eingestehen müssen und einen Umgang damit finden müssen, der diese Tatsache reflektiert.

Infoshops können auch mit anderen Problemen zu kämpfen haben. Da die Organisatoren meist aus einem weißen Arbeiterklasse oder Mittelschichtgefüge entstammen (und normalerweise jung sind) haben sie gewöhnlich nicht viel Geld und werden sich darum eher in billigen Wohngegenden in heruntergekommenen Teilen der Stadt niederlassen. Das Endergebnis sind Infoshops die von weißen Jugendlichen organisiert sind in Gemeinden von denen sie nicht wirklich teil sind und die eher von Minderheiten bevölkert sind. Die Subkultur, die den Laden dominiert, seien es nun Punks, Hippies oder Linksradikale stehen dann in Kontrast zur umgebenden Nachbarschaft. Die benachbarten Anwohner könnten nun den Infoshop als eine Vorhut der Yuppieisierung in der Stadt ansehen. Manchmal geschieht es dann, daß Infoshops in ihrem Sinn und Zweck vom Weg abgeraten und entscheiden, daß sie sich für den Stadtteil einsetzen müssen. Diese Vorhaben können von dem städtischen Umfeld erwünscht oder unerwünscht sein. Das ist nicht immer die Gefahr bei allen Infoshops - sicherlich haben viele erfolgreiche Strategien in ihrer Gemeinde - aber es kann ein komplizierender Faktor sein. Die Angehörigen der Gemeinde mögen auch die Tatsache wahrnehmen, daß die meisten der Infoshopaktivisten im Normalfall nicht in der Gemeinde leben und jederzeit nachhause gehen können, in bessere Wohnviertel irgendwo anders in der Stadt.

Der Beehive Infoshop, der in einer Geschäftszeile in Downtown D.C. (d.h. Washington D.C.) ansässig war, lag dort genau in einer Gentrifizierungszone zwischen einer heruntergekommenen Afro-amerikanischen Wohngegend und einer hauptsächlich weißen, wohlhabenden, nachtaktiven Yuppiegegend. Das Beehive entstand aus der lokalen D.C.- Punkszene die jung und zumeist weiß war. Es geriet in eine Identitätskrise, in der es nicht richtig klar wurde, ob es der örtlichen Punk- und anarchistischen Szene dienen sollte, oder der geographischen Gemeinde, in der es sich befand. Mehrere Beteiligte am Beehive-Kollektiv versuchten die Gentrifizierung zu thematisieren, aber der Infoshop verabschiedete sich, bevor eine angemessene Lösung gefunden werden konnte. Einer der Mitglieder des früheren Beehive-Kollektivs, Brad Sigal, schrieb einen vorzüglichen Artikel über seine Erfahrungen mit Beehive und mit Infoshops im allgemeinen: "Das Ende des Beehive-Kollektivs: Lehren für die Infoshop-Bewegung in Nordamerika". Eine empfehlenswerte Lektüre für alle, die darüber nachdenken einen neuen Infoladen aufzumachen.

Das Hauptproblem, dem sich Infoshops gegenübersehen sind interne Meinungsverschiedenheiten und Spaltungen, die aus Projekten resultieren, die Beteiligte mit unterschiedlichsten Zielen, Lebensarten vereinen und einem Kollektiv, das keine klar definierten Vorstellungen hat. Wenn Infoshops in ihren Anfängen meist Mitglieder aus der lokalen Punkszene haben und dann andere politische Aktivisten dazukommen, dann geraten Lifestyle-Fragen leicht ins Blickfeld. Manche Beteiligte des Kollektivs wollen vielleicht keine wöchentlichen lauten Konzerte. Andere bestehen vielleicht auf veganem Essen bei allen Veranstaltungen. Einige sind vielleicht nicht interessiert daran, auf die lokale Community zuzugehen.

Das Emma-Center war ein Infoshop in Minneapolis (Minnesota) der 1992 aufmachte. Er schloß 1995 seine Tore. Es fing an mit einer Gruppe von Aktiven, die an der Twin Cities Anarchist Federation beteiligt waren (Eine Dachgesellschaft) and mit einigen Leuten von der Powderhorn Food Co-Op. Das Emma-Center war ein "Zentrum für anarchistische Aktion" und es gab "Bücher und Zeitschriften zu kaufen, kostenlose Kleidung und Essen, kostenlose Wochenend-Kinderbetreuung, Frauentage und Lesbisch-Schwule Veranstaltungen und häufige Punkkonzerte." (Kieran Frazier, The Blast!, 1995). Der Infoshop geriet in eine typische Verwirrung darüber, wem er dienen sollte. Frazier gab an, daß er "nie eine beständige Beziehung zu den Nachbarn etablieren konnte und nie einen langfristigen Plan hatte, um so etwas anzustreben". Das Center verlor auch seine Basis in der anarchistischen und Punkszene, als mehrere Mitglieder begannen in andere Projekte abzuwandern. Die eigentliche Vision des Emma-Centers war es gewesen, die "anarchistische Szene in den Twin Cities (d.h. Minneapolis und Saint-Paul?) zu stärken als ein Bildungs- und Informationswerkzeug und Netzwerk zu dienen und in der Lage zu sein bestimmte Dienstleistungen für die umgebenden Wohngegenden, wie Kinderbetreuung, Lebensmittellager, Suppenküche, Buchladen, Treffpunkt für anarchistische Vernetzung und einen Ort für leichtzugängliche Konzerte (all-ages) und Veranstaltungen wie Kunstperformances, Theater und anderes zu bieten." Das Emma-Center erreichte einige von diesen Zielen, aber es versagte darin eine langfristige Gegeninstitution zu sein, die von jeder Communiy gebraucht wird.

Die Infoshop-Bewegung hatte um 1995-96 ihren Höhepunkt. Es lag etwas überraschendes in der Luft, weil es zahlreiche etablierte Infoshops gab und viele neue eröffnet wurden. Ein "Gegenöffentlichkeits-"Kongress wurde in Detroit abgehalten, hauptsächlich wegen dem neuen Interesse am Infoshop-Konzept, plus die Notwendigkeit, das die existierenden Infoshops sich vernetzen und miteinander in Austausch treten mussten. Im Frühjahr 1994 brachte die Bewegung ihr eigenes Heft hervor, das "(Dis)Connection", das sich der Bewegungsvernetzung widmete, dem Informationsaustausch, kreativen Überlegungen, Presseauswertung und praktischen Tips. Fünf Ausgaben von dem Heft wurden bis heute produziert. Die Herstellung jeder einzelnen Ausgabe rotierte zwischen den Infoshops.

Ungefähr zu der Zeit begann die Bewegung auch mit ihrem eigenen organisatorischen Verbund, bekannt als das Network of anarchist collectives. NAC war ein Infoshop für Infoshops. Es hatte seinen eigenen Email-Listserv und half, die Aktivitäten der Infoshops zu koordinieren. Im August 1996 haben das NAC und der A-Zone Infoshop in Chicago das "Active Resistance '97" organisiert, das mehr als 700 politisch Aktive in Chicago zusammenführte, die über Gegenöffentlichkeit diskutierten und gegen die "Democratic National Convention" protestierten, die nur ein paar Blocks entfernt stattfand. Die Existenz des A-Zone Infoshops und seine Unterstützergemeinde war wesentlich bei der Durchführung dieses erfolgreichen Kongresses.

Im Jahr 1997 geht die Nordamerikanische Infoshop-Bewegung durch eine Phase der Selbstreflektion. Es gibt einige Infoshops, die nach über 5 Jahren noch gut laufen, andere kämpfen um ihre Existenz und viele mehr sind gekommen und wieder gegangen. Weiterexistieren tun z.B. das Long Haul in Berkeley (bereits 1979 als Soziales Zentrum gegründet), A Space in Philadelphia, Lucy Parsons Center in Massachusetts, and Who's Emma in Toronto. Infoshops, die letztes Jahr zugemacht haben sind z.B. das 223 Centre in Portland (Oregon). Der Autonomous Zone Infoshop in Chicago hat letztes Jahr gleich zweimal zugemacht und zog mehrere Male um. Zur Zeit ziehen sie in ein neues Haus.

Es ist schwer vorauszusagen, was die Zukunft für die Infoshopbewegung in Nordamerika bringen wird. Die 90er Jahre haben einige Erfolge und einige Niederlagen gebracht. Auch die Infoshops, die nur für kurze Zeit existierten hatten Einfluß auf die Aktiven, die beteiligt waren. Die Erfahrungen, die im letzten Jahrzehnt gesammelt wurden, seien sie nun gut oder schlecht oder unentschieden sollten Aktiven und Infoshopunterstützern dabei helfen grundlegende Fehler zu vermeiden und vielleicht ihre Zielvorstellungen zu klären. Infoshops können eine wertvolle Bereicherung für eine Gemeinschaft sein, aber es ist nicht einfach einen erfolgreichen Infoshop zu schaffen.

Chuck Munson

(zuerst in: Maximumrocknroll, January 1998)
www.infoshop.org


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