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INFOLÄDEN:
- LC 36: Was sind Infoläden?
- Chuck Manson: Der nette Infoladen von nebenan
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Infoladen LC 36:
WAS SIND INFOLÄDEN ?
- Inhalte und Struktur -
Die Bandbreite der in Infoläden vertretenen Inhalte reicht von
Flüchtlingspolitik und Antifaschismus über Feminismus und
Gender bis hin zu Repression, Knast und Gefangene, soziale Kämpfe,
linksradikale Politik im allgemeinen, Globalisierung, sowie Internationalismus,
Antinationalismus, Drogen, (Sub-) Kultur und vielem mehr (wobei die
Reihenfolge nicht hierarchisch und abschliessend gemeint ist).
Infoläden werden genutzt und getragen von Menschen mit unterschiedlichsten
politischen Überzeugungen aus dem undogmatischen linksradikalen
Spektrum. Hier wurden und werden Informationen zumeist in Form von
Zeitschriften, Broschüren und Flugblättern aber auch Büchern,
Videos und Ton- und Datenträgern gesammelt, diskutiert und verbreitet.
Auch die Medien E- Mail und Internet werden viel genutzt. Die Arbeit
umfasst aber auch die Organisation und/ oder Teilnahme von Aktionen,
Veranstaltungen und Demonstrationen zu unterschiedlichen Themen und
die Platzierung linker Inhalte und Debatten in einer nicht nur, aber
meist innerlinken Öffentlichkeit.
Neben dem Informieren haben Infoläden auch noch weiter wichtige
Funktionen: sie sind Nahtstelle für Gruppen aus verschiedenen
Teilbereichen und Spektren: Antifa- und Flüchtlingsgruppen, Initiativen
zu Gefangenenarbeit, Kampagnengruppen, die sich spontan bilden und
wieder auflösen, wenn das Feld abgearbeitet ist, autonome Kleingruppen,
FrauenLesben- Gruppen, Lesegruppen, die sich mit bestimmten Teilbereichen
auseinandersetzen, und viele andere nutzen die Läden für
Treffen, Plenen, als Anlaufpunkt und Kontaktadresse.
Vielerorts sind Infoläden mit die letzten selbstbestimmten, autonomen
Refugien und dienen als "Büro der Szene", meist ausgestattet
mit Fax, Computern, Kopierern und vielem mehr, was den Büroalltag
effektiver und bequemer macht. Und dort, wo es etwas mehr Platz gibt,
wird der Laden auch als Veranstaltungs- und Partyort benutzt.
- Geschichte -
In den 80er Jahren (im Osten ab Anfang der 90er) sind in immer mehr
Städten in der BRD, aber auch international, Infoläden entstanden.
Die Entstehung der Infoläden hängt unter anderem damit zusammen,
dass der Austausch und die Diskussion von und über staats- und
gesellschaftskritische Themen be- und verhindert wird und wurde -
durch die Reproduktion von Macht- und Herrschaftmodelle durch uns
selbst, mittels von Paragraphen wie beispielsweise dem Gesinnungsparagraphen
129 und 129a ... Somit sind Infoläden auch ein Versuch, entgegen
der der kapitalistischen Verwertungslogik zu Informieren, Machtverhältnisse
zu thematisieren- und diesen entgegenzutreten.
Ein weiterer entscheidender Punkt war und ist auch das immer weiter
um sich greifende Wegfallen von selbstbestimmten, linksradikalen Orten
und Plätzen, in den 80ern vor allem in Form der (ehemals) linken
Buchläden. In den 90ern war dies eher das Wegfallen autonomer
Zentren und besetzter Häusern, die meist auch ihren Teil in der
linksradikalen Kommunikations- und Informationsstruktur inne hatten.
Einen weiten Teil dieser Aufgaben haben Infoläden übernommen.
- Selbstverständnis -
Infoläden begreifen sich als Teil autonomer Organisierung. Sie
streben eine Vernetzung mit Gruppen aus der eigenen Stadt und darüber
hinaus an, organisieren sich aber auch auf regionaler und länderübergreifender
Ebene mit anderen Läden (siehe BILT). Zum einen werden so Informationen
erhalten, die vom herrschenden Diskurs unterdrückt werden, zum
anderen ist es so möglich, Erfahrungen und Standpunkte auszutauschen
und zu diskutieren. In Zeiten schwindender "Wahrheiten"
und zunehmender Perspektivlosigkeit (Anfang der 90er nach dem Zusammenbruch
des "real existierenden Sozialismus", aber auch verursacht
durch die Einstellung der bewaffneten Kämpfe, den erstarkenden
Rassismus und Nationalismus in der BRD und Europaweit), sowie der
sich immer weiter zuspitzenden Situation weltweit ist es mehr den
je von Nöten, so glauben wir, uns auf unsere Geschichte zu besinnen
und parallel dazu einen Beitrag zu einer neuen Praxis zu entwickeln.
Dabei meinen wir nicht nur die Diskussionen und Erfahrungen der letzten
20 Jahre, sondern auch das oft verschüttete Wissen um die Kämpfe
und Widerstandsformen der Menschen in diesem und den letzten Jahrhunderten.
So wollen wir versuchen, die Wahrnehmung für die Erfahrungen,
die Niederlagen, aber auch die Erfolge der progressiven Widerstandsbewegungen
zun schärfen, die einen Bodensatz bilden, aus dem wir schöpfen
können. Wir bemühen uns, Informationen über Widerstand
weltweit zu sammeln und öffentlich zugänglich zu machen.
Dies soll und kann auch ein Beitrag dazu sein, von nationalen bzw.
eurozentristischen hin zu einer kosmopolitischen, internationalistischen
Sicht zu gelangen.
Konzepte und Perspektiven
Allerdings wir sind weit davon entfernt, uns selbstzufrieden zurückzulehnen:
schliesslich sind BesucherInnen nicht gleich KonsumentInnen, und Konsum
nicht gleich Auseinandersetzung und Praxis, nicht gleich Bewusstsein.
Und es gibt viele Fragen, mit denen wir als Infoläden uns auseinandersetzen
müssen, wenn wir auch weiterhin linksradikale Politik machen
wollen.
Einen grosse Frage ist die nach der Bedeutung, nach dem Verhältniss
von Öffentlichkeit oder dem in der Linken viel beschworenen Begriff
der Gegenöffentlichkeit in Relation zu uns und unseren Politikformen.
Sind wir nicht meist kaum mehr in der Lage, uns, unsere eigene Bedeutung
und die unserer Events realistisch und kritisch zu reflektieren? Müsste
eine Auseinandersetzung hierüber nicht auch die Auseinandersetzung
über unsere mediale Aufbereitung und die Repräsentation
nach außen beinhalten? Was ist das, was wir tun? Leben Aktionen
aus sich selbst, über die Wahrnehmung derer hinaus, die an der
Aktion teilnehmen, sind sie "reale Ereignisse" und stehen
somit für sich selbst? Oder existieren Ereignisse nur aus einer
nachträglichen Produktion von Information, sind sie nur Trägermasse
von Inhalten auf dem Weg in eine mediale Öffentlichkeit?
Auf weitere und ausgiebige Diskussionen um diese und andere Themen
sind wir schon jetzt gespannt.
Diskussionstext vom Infoladen LC 36 (Köln)
Anschrift: Infoladen LC 36, Ludolf-Camphausen-Str.36, 50672 Köln.
e-mail: infoladen.koeln@link-lev.de
www.infoladen.de
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Chuck Manson:
DER NETTE INFOLADEN VON NEBENAN
Wenn ihr irgendwann im letzten Jahrzehnt mal Großstadtpunks
wart, habt ihr vermutlich Infoshops aufgesucht oder zumindest davon
gehört. Infoshops kombinieren einen Kommunikationsort, Fanzinearchiv
und Bibliothek, Treffpunkt, Kindertagesstätte, Konzertort und
Buchhandlung in einem autonomen Raum. Sie werden gewöhnlich organisiert
und geplant von anarchistischen Aktivisten, aber Infoshop-Nutzer und
Beteiligte sind nicht notwendigerweise Anarchisten. Infoshops sind
in der Do-it-Yourself- Ethik verwurzelt -- Sie werden geschaffen von
Leuten, die daran interessiert sind revolutionäre Prozesse geschehen
lassen, nicht nur herumzusitzen und darüber zu reden.
Infoshops gibt es schon seit Jahren und werden in ihren Ursprüngen
allgemein in Europa verortet, besonders in Deutschland wo es zu Zeiten
bereits über 60 gab. Sie wurden aufgezogen von den hausbesetzenden,
autonomen, Punk- und anarchistischen Bewegungen. Die Infoshops in
Europa, besonders die in Deutschland, fungierten nicht nur als Gemeinschaftszentren,
sondern auch als Postadressen für Gruppen, die vom Staat in die
Illegalität gedrängt wurden. Die europäischen Läden
und autonomen Zentren regten die Schaffung von Infoshops in Nordamerika
an, aber es sollte bemerkt werden daß es eine lange Tradition
von radikalen Gemeinschaftszentren in den Vereinigten Staaten gibt.
Diese sind allgemein bekannt als "Peace and justice centers"
und waren Grundlage für linke Aktivisten und Organisation von
Gemeinschaft.
Es gab und gibt noch Infoshops in beinah jeder großen Stadt
in Nordamerika. Sie hatten oft interessante Namen: Der Beehive Infoshop
in Washington D.C., Long Haul in Berkeley, Emma Center in Minneapolis,
Croatan in Baltimore, Autonomous Zone in Chicago, 404 Willis in Detroit,
Who's Emma in Toronto, Epicenter in San Francisco and viele andere.
In den USA sind einige Infoshops auch bekannt als "alternative
reading rooms" oder "community media centers". Tatsächlich
wurden Infoshops auch als "Mischung aus radikalen Buchhandlungen
und Bewegungsarchiv" beschrieben. Man findet Fanzine- Archive
und bücherverleihende Bibliotheken in Infoshops. Das ist eine
subkulturelle Antwort auf die Tatsache, daß die meisten Öffentlichen
Bibliotheken radikale Literatur und Fanzines entweder ignorieren oder
mit Absicht von ihren Regalen fernhalten. Infoshops verkaufen Bücher,
Fanzines und T-Shirts, meist nicht nur um die Szene zu bedienen, die
diese Dinge haben möchte, sondern auch um Geld für die Miete
des Infoshops reinzubekommen.
Was passiert in Infoshops? Infoshops dienen als soziale Zentren für
lokale Aktivisten, sodaß man dort oft deren Gruppentreffpunkte
findet. Gruppen wie die IWW, Earth First! oder die Lesbian Avengers
können ihre regelmäßigen Treffen im Infoshop abhalten.
Man findet auch Projekte wie Food Not Bombs oder Books To Prisoners,
die Infoshops als Präsentationsorte nutzen. Eine Food Not Bombs-
Gruppe könnte die Küche eines Infoshops nutzen (wenn er
eine hat), um das Essen für Obdachlose und Arme zuzubereiten.
Einige Infoshops stellen Büroräume für andere Gruppen,
oder z.B. eine Dunkelkammer für alternative Journalisten. Sie
haben oft auch Frauentage ("Women's Space"), also etwa regelmäßige
Abendveranstaltungen (nur) für Frauen.
Wenn man sich alternativ weiterbilden möchte, kann man den Terminkalender
seines lokalen Infoshops auf kostenlose Seminare hin durchsehen. Infoshops
bieten oft Freie Schulen ("Free Skools") an, die die 90er
Jahre- Version des "Freie Universität"- Konzepts der
60er Jahre darstellen. Jeder , der glaubt sich mit etwas gut auszukennen,
sei es der Spanische Bürgerkrieg oder Fahrradreparatur kann sich
mit dem Infoshop einen Tag und Platz im Kalender ausmachen und freiberuflich
unterrichten. Im Allgemeinen gibt es in den Seminaren keine Hierarchien
und auch keine Prüfungen, Noten oder Zeugnisse. Wenn Schule nicht
dein Ding ist, dann bieten Infoshops noch Filmnächte oder Lesungen.
In der atlantischen Region hat der Atlantic Anarchist Circle ein Büro
um Lesungen für Vortragende auf Lesetour zu koordinieren. Vor
ein paar Jahren hat der Infoshop in Portland (Oregon) einen Vortrag
von Noam Chomsky organisiert, der ziemlich gut ankam.
Infoshops sind von großem Wert für politische Gruppen.
Es kann schwierig sein, einen Treffpunkt für eine radikale Gruppe
zu finden, besonders wenn er sicher sein soll und nicht von der Gnade
unsympathischer Gastgeber abhängig. Treffen in Infoshops können
auch dazu dienen, um politischen Aktivitäten eine breitere Basis
zu geben und das Entstehen neuer Gruppen zu fördern. So könnten
zum Beispiel Leute, die sich bei Treffen für die Solidarität
mit Gefangenen eingesetzt haben, eine neue Gruppe gründen, die
sich darum kümmert, Gefangenen kostenlos Bücher zuzuschicken.
Leute, die in einer Food Not Bombs Gruppe sind, könnten eine
Food Co-Op oder sogar einen Gemeinschaftsgarten aufbauen.
Infoshops sind wichtige Verteilerpunkte für alternative Veröffentlichungen.
Sie schaffen Öffentlichkeit für Fanzine-Schreiber und Kleinverleger
und deren Werke. Einige Läden haben Computer, Drucker und andere
Büroeinrichtung, die für Fanzineautoren und Flugblattkünstler
zur Verfügung stehen. Die anarchistische Zeitschrift 'Slingshot'
wird schon seit ein paar Jahren vom Long Haul Infoshop in Berkeley
(California) herausgegeben. Die Leute vom A Space in Philadelphia
haben vor kurzem damit begonnen, ein Zine namens Defenestrator herauszugeben,
das die lokale politische Szene dokumentiert.
Auch dringende Nachrichten werden von Infoshops verbreitet. Neuigkeiten
und Notfallinfos können an Infotafeln angebracht werden. Es gibt
oft Telefonketten, die genutzt werden können um Neuigkeiten zu
verbreiten, wie etwa die Verhaftung von politischen Akteuren. Wenn
ein Laden einen Computer hat und eine Internetverbindung kann er Nachrichten
von politischen Websites oder Mailinglisten empfangen oder recherchieren.
Man kann auch Neuigkeiten, Anzeigen oder Hilferufe aussenden.
Ein Infoshop wird meistens von einem Kollektiv und Freiwilligen betrieben,
es gibt keine bezahlten Mitarbeiter. Größere Entscheidungen
werden auf regelmäßigen Plena getroffen. Da Infoshops häufig
von Anarchisten betrieben werden gibt es eine Tendenz sich nach dem
Konsensprinzip zu entscheiden, obwohl das nicht immer so geschieht.
Man braucht kaum zu erwähnen, das es unmöglich ist, einen
Infoshopchef oder Vorsitzenden zu finden. Einige Infoshops basieren
auf Mitgliedschaften, was genutzt wird um die Beteiligung am Projekt
zu fördern und um sicherzustellen, das nicht einfach irgendwer
von der Straße dazukommen und mitentscheiden könnte.
Die soziale Basis der Infoshopbewegung ist die Punkszene. Das kommt
vermutlich daher, das Infoshops die Art Szeneorte sind wo sich Punks
zuhause fühlen und außerdem liefern sie mögliche Konzertorte
oder einen Raum um die lokale Szene zu fördern. Die Läden
sind im Allgemeinen auch die beste Verkaufsstelle für Zines und
in einigen Städten können sie der beste Ort sein um die
neueste 7inch Single zu ergattern.
Indes hat diese Abhängigkeit von der Punkszene auch seine Kehrseiten.
Während Punks einem neuen Infoshop eine Menge Energie widmen,
besonders wenn sie ihn als an Punk orientiert akzeptieren, so sind
Punks zum guten Teil doch rastlose Jugend. Wie viele jungen Leute
haben sie eine große Bandbreite an Interessen und tendieren
dazu viel herumzureisen. Sie sind keine eingesessenen Mitglieder einer
Gemeinde, und sie gehen oft davon aus das ein Projekt weiterbesteht
wenn sie es verlassen. Infoshops, die nicht in dem ihn umgebenden
Umfeld verwurzelt sind, sei es geographisch oder politisch werden
über kurz oder lang als ein weiteres Punkklubhaus enden. Es gibt
nichts auszusetzen an Infoshops, die nur der lokalen Punk-Subkultur
dienen, es ist nur so das die Beteiligten sich das eingestehen müssen
und einen Umgang damit finden müssen, der diese Tatsache reflektiert.
Infoshops können auch mit anderen Problemen zu kämpfen haben.
Da die Organisatoren meist aus einem weißen Arbeiterklasse oder
Mittelschichtgefüge entstammen (und normalerweise jung sind)
haben sie gewöhnlich nicht viel Geld und werden sich darum eher
in billigen Wohngegenden in heruntergekommenen Teilen der Stadt niederlassen.
Das Endergebnis sind Infoshops die von weißen Jugendlichen organisiert
sind in Gemeinden von denen sie nicht wirklich teil sind und die eher
von Minderheiten bevölkert sind. Die Subkultur, die den Laden
dominiert, seien es nun Punks, Hippies oder Linksradikale stehen dann
in Kontrast zur umgebenden Nachbarschaft. Die benachbarten Anwohner
könnten nun den Infoshop als eine Vorhut der Yuppieisierung in
der Stadt ansehen. Manchmal geschieht es dann, daß Infoshops
in ihrem Sinn und Zweck vom Weg abgeraten und entscheiden, daß
sie sich für den Stadtteil einsetzen müssen. Diese Vorhaben
können von dem städtischen Umfeld erwünscht oder unerwünscht
sein. Das ist nicht immer die Gefahr bei allen Infoshops - sicherlich
haben viele erfolgreiche Strategien in ihrer Gemeinde - aber es kann
ein komplizierender Faktor sein. Die Angehörigen der Gemeinde
mögen auch die Tatsache wahrnehmen, daß die meisten der
Infoshopaktivisten im Normalfall nicht in der Gemeinde leben und jederzeit
nachhause gehen können, in bessere Wohnviertel irgendwo anders
in der Stadt.
Der Beehive Infoshop, der in einer Geschäftszeile in Downtown
D.C. (d.h. Washington D.C.) ansässig war, lag dort genau in einer
Gentrifizierungszone zwischen einer heruntergekommenen Afro-amerikanischen
Wohngegend und einer hauptsächlich weißen, wohlhabenden,
nachtaktiven Yuppiegegend. Das Beehive entstand aus der lokalen D.C.-
Punkszene die jung und zumeist weiß war. Es geriet in eine Identitätskrise,
in der es nicht richtig klar wurde, ob es der örtlichen Punk-
und anarchistischen Szene dienen sollte, oder der geographischen Gemeinde,
in der es sich befand. Mehrere Beteiligte am Beehive-Kollektiv versuchten
die Gentrifizierung zu thematisieren, aber der Infoshop verabschiedete
sich, bevor eine angemessene Lösung gefunden werden konnte. Einer
der Mitglieder des früheren Beehive-Kollektivs, Brad Sigal, schrieb
einen vorzüglichen Artikel über seine Erfahrungen mit Beehive
und mit Infoshops im allgemeinen: "Das Ende des Beehive-Kollektivs:
Lehren für die Infoshop-Bewegung in Nordamerika". Eine empfehlenswerte
Lektüre für alle, die darüber nachdenken einen neuen
Infoladen aufzumachen.
Das Hauptproblem, dem sich Infoshops gegenübersehen sind interne
Meinungsverschiedenheiten und Spaltungen, die aus Projekten resultieren,
die Beteiligte mit unterschiedlichsten Zielen, Lebensarten vereinen
und einem Kollektiv, das keine klar definierten Vorstellungen hat.
Wenn Infoshops in ihren Anfängen meist Mitglieder aus der lokalen
Punkszene haben und dann andere politische Aktivisten dazukommen,
dann geraten Lifestyle-Fragen leicht ins Blickfeld. Manche Beteiligte
des Kollektivs wollen vielleicht keine wöchentlichen lauten Konzerte.
Andere bestehen vielleicht auf veganem Essen bei allen Veranstaltungen.
Einige sind vielleicht nicht interessiert daran, auf die lokale Community
zuzugehen.
Das Emma-Center war ein Infoshop in Minneapolis (Minnesota) der 1992
aufmachte. Er schloß 1995 seine Tore. Es fing an mit einer Gruppe
von Aktiven, die an der Twin Cities Anarchist Federation beteiligt
waren (Eine Dachgesellschaft) and mit einigen Leuten von der Powderhorn
Food Co-Op. Das Emma-Center war ein "Zentrum für anarchistische
Aktion" und es gab "Bücher und Zeitschriften zu kaufen,
kostenlose Kleidung und Essen, kostenlose Wochenend-Kinderbetreuung,
Frauentage und Lesbisch-Schwule Veranstaltungen und häufige Punkkonzerte."
(Kieran Frazier, The Blast!, 1995). Der Infoshop geriet in eine typische
Verwirrung darüber, wem er dienen sollte. Frazier gab an, daß
er "nie eine beständige Beziehung zu den Nachbarn etablieren
konnte und nie einen langfristigen Plan hatte, um so etwas anzustreben".
Das Center verlor auch seine Basis in der anarchistischen und Punkszene,
als mehrere Mitglieder begannen in andere Projekte abzuwandern. Die
eigentliche Vision des Emma-Centers war es gewesen, die "anarchistische
Szene in den Twin Cities (d.h. Minneapolis und Saint-Paul?) zu stärken
als ein Bildungs- und Informationswerkzeug und Netzwerk zu dienen
und in der Lage zu sein bestimmte Dienstleistungen für die umgebenden
Wohngegenden, wie Kinderbetreuung, Lebensmittellager, Suppenküche,
Buchladen, Treffpunkt für anarchistische Vernetzung und einen
Ort für leichtzugängliche Konzerte (all-ages) und Veranstaltungen
wie Kunstperformances, Theater und anderes zu bieten." Das Emma-Center
erreichte einige von diesen Zielen, aber es versagte darin eine langfristige
Gegeninstitution zu sein, die von jeder Communiy gebraucht wird.
Die Infoshop-Bewegung hatte um 1995-96 ihren Höhepunkt. Es lag
etwas überraschendes in der Luft, weil es zahlreiche etablierte
Infoshops gab und viele neue eröffnet wurden. Ein "Gegenöffentlichkeits-"Kongress
wurde in Detroit abgehalten, hauptsächlich wegen dem neuen Interesse
am Infoshop-Konzept, plus die Notwendigkeit, das die existierenden
Infoshops sich vernetzen und miteinander in Austausch treten mussten.
Im Frühjahr 1994 brachte die Bewegung ihr eigenes Heft hervor,
das "(Dis)Connection", das sich der Bewegungsvernetzung
widmete, dem Informationsaustausch, kreativen Überlegungen, Presseauswertung
und praktischen Tips. Fünf Ausgaben von dem Heft wurden bis heute
produziert. Die Herstellung jeder einzelnen Ausgabe rotierte zwischen
den Infoshops.
Ungefähr zu der Zeit begann die Bewegung auch mit ihrem eigenen
organisatorischen Verbund, bekannt als das Network of anarchist collectives.
NAC war ein Infoshop für Infoshops. Es hatte seinen eigenen Email-Listserv
und half, die Aktivitäten der Infoshops zu koordinieren. Im August
1996 haben das NAC und der A-Zone Infoshop in Chicago das "Active
Resistance '97" organisiert, das mehr als 700 politisch Aktive
in Chicago zusammenführte, die über Gegenöffentlichkeit
diskutierten und gegen die "Democratic National Convention"
protestierten, die nur ein paar Blocks entfernt stattfand. Die Existenz
des A-Zone Infoshops und seine Unterstützergemeinde war wesentlich
bei der Durchführung dieses erfolgreichen Kongresses.
Im Jahr 1997 geht die Nordamerikanische Infoshop-Bewegung durch eine
Phase der Selbstreflektion. Es gibt einige Infoshops, die nach über
5 Jahren noch gut laufen, andere kämpfen um ihre Existenz und
viele mehr sind gekommen und wieder gegangen. Weiterexistieren tun
z.B. das Long Haul in Berkeley (bereits 1979 als Soziales Zentrum
gegründet), A Space in Philadelphia, Lucy Parsons Center in Massachusetts,
and Who's Emma in Toronto. Infoshops, die letztes Jahr zugemacht haben
sind z.B. das 223 Centre in Portland (Oregon). Der Autonomous Zone
Infoshop in Chicago hat letztes Jahr gleich zweimal zugemacht und
zog mehrere Male um. Zur Zeit ziehen sie in ein neues Haus.
Es ist schwer vorauszusagen, was die Zukunft für die Infoshopbewegung
in Nordamerika bringen wird. Die 90er Jahre haben einige Erfolge und
einige Niederlagen gebracht. Auch die Infoshops, die nur für
kurze Zeit existierten hatten Einfluß auf die Aktiven, die beteiligt
waren. Die Erfahrungen, die im letzten Jahrzehnt gesammelt wurden,
seien sie nun gut oder schlecht oder unentschieden sollten Aktiven
und Infoshopunterstützern dabei helfen grundlegende Fehler zu
vermeiden und vielleicht ihre Zielvorstellungen zu klären. Infoshops
können eine wertvolle Bereicherung für eine Gemeinschaft
sein, aber es ist nicht einfach einen erfolgreichen Infoshop zu schaffen.
Chuck Munson
(zuerst in: Maximumrocknroll, January 1998)
www.infoshop.org
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