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Wolfgang Sterneck
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Treibsand:

DIE POLITIK MIT DEM HUNGER

Der Hunger und die Armut in den meisten Ländern Asiens, Afrikas und Südamerikas sind die Hauptargumente die zur Begründung der Bevölkerungspolitik angeführt werden. Angesichts der Bedrohung, die die wachsende ”Überbevölkerung” angeblich für den Fortbestand der Menschheit darstellt, erscheinen selbst Zwangssterilisationen ”im Interesse der Betroffenen” als legitim und angemessen.

Das Bild einer aus den Nähten platzenden Erde wird an die Wand gemalt: Wenn es nicht gelänge, die ”Bevölkerungsexplosion” (schon allein das Wort soll Weltuntergangsassoziationen wecken) einzudämmen, so würden Hunger und Armut sich unaufhaltsam ausbreiten und nicht nur in den drei Kontinenten massenhaft Menschen vernichten, sondern angesichts der knappen Ressourcen letztlich auch den Wohlstand in den Industrieländern bedrohen.

Das Heraufbeschwören der Katastrophe wird so zu einem Mittel zum Zweck. Es soll dadurch eine Politik gerechtfertigt werden , die im Grunde genommen das genaue Gegenteil von dem bewirkt was sie eigentlich vorgibt. Sie zielt nicht auf die Abschaffung des Hungers, sondern auf die Abschaffung der Hungernden.

In den letzten Jahren ist schon zigmal darauf hingewiesen worden, daß Hunger keine Naturkatastrophe ist, sondern ein Verteilungsproblem und daß mit der Verfügungsgewalt über die Nahrungsmittel Geschäfte gemacht werden und eine erpresserische Politik durchgesetzt wird. Dennoch hält sich hartnäckig die Mär von der Überbevölkerung und der Notwendigkeit, die Geburtenrate in den Ländern der drei Kontinente zu senken. Und je mehr sich auch hier in den Metropolen ein Krisenbewußtsein breitmacht, desto besser ziehen angstmachende Floskeln wie: ”Die fressen uns uns die Haare vom Kopf” oder in Bezug auf die Menschen, die vor dem Hunger fliehen: ”Das Boot ist voll”.

Dabei ist es wohl eher umgekehrt: ”Der reiche weiße Mensch mit seinem übertriebenen Verbrauch an Fleisch und seiner mangelnden Großzügigkeit gegenüber armen Völkern verhält sich wie ein Kannibale - und zwar wie ein indirekter. Indem wir das Fleisch verbrauchen, für das Getreide verfüttert wurde, das sie hätte retten können, fraßen wir die Kinder der Sahel-Zone, von Äthiopien und Bangladesch. Und wir fressen sie bis heute mit unvermindertem Appetit weiter.” (René Dumont).

Viele der Länder, in denen Menschen an Hunger sterben, sind noch nicht mal auf die ”Großzügigkeit des weißen reichen Menschen” angewiesen. Karitative Zuwendungen wie ”Brot für die Welt” verschleiern nur die wahren Ursachen des Hungers. Eine Reihe der Länder, von denen behauptet wird sie seien von Nahrungsmittelimporten abhängig, sind landwirtschaftliche Exportländer. Besonders kraß ist das Beispiel der Sahel-Zone zur Zeit der großen Trockenheit zu Beginn der siebziger Jahre. Während sich der Hunger ausbreitete, wuchs der Export von Rindfleisch aus der Region. Gemüseexporte erreichten Rekordhöhen, westeuropäische Supermärkte wurden mit Bohnen, Melonen, Tomaten, Auberginen, Erdbeeren und Paprika beliefert.

Ein anderes Beispiel ist Brasilien, daß zu den größten Soja-Exportländern der Erde gehört. Die etwa fünfzehn Millionen Tonnen Soja, die es jährlich produziert, würden wahrscheinlich zur Beseitigung der Unterernährung im Land ausreichen - wenn sie nicht exportiert und in Europa vorwiegend zu Viehfutter verarbeitet würden. Gleichzeitig bauen brasilianische Landarbeiter, die meist unter armseligen Bedingungen leben müssen, für Großgrundbesitzer und multinationale Konzerne auf Plantagen Zucker für den Export an und züchten Rinder, deren Fleisch sich in Brasilien allenfalls die reiche Oberschicht leisten kann.

Die Reihe der Beispiele ließe sich noch lange fortsetzen. Deutlich wird schnell, daß die Menschen in den drei Kontinenten nicht hungern weil sie zu viele Kinder haben, sondern weil sie für den Überfluß in den Industrieländern und die Profite der Nahrungsmittelkonzerne und der Futtermittelindustrie produzieren.

Aber Hunger ist nicht nur das Geschäft des Agrobusiness, sondern wird mindestens seit den fünfziger Jahren gezielt als Waffe imperialistischer Politik eingesetzt. Dies geschieht, um Menschen aus bestimmten Gebieten zu vertreiben und den Boden in diesen Gegenden zur Gewinnung von Rohstoffen oder zur Nutzung durch Großunternehmen frei zu machen, sowie um billige Arbeitskrähe für Industrieprojekte zu rekrutieren.

Außerdem wird der Hunger als politische Waffe eingesetzt, um mißliebige Regierungen zu beseitigen oder so zu erpressen, daß sie sich den Diktaten imperialistischer Politik, so insbesondere denen des Internationalen Weltwährungsfonds (IWF), beugen. Eine entscheidende Rolle spielen dabei die Getreide- bzw. insbesondere die Weizenpreise. Die USA haben als größter Weizenproduzent einen enormen Einfluß auf die Weltmarktpreise indem sie unter anderem durch Subventionen den Weizenanbau auf US-Farmen fördern oder den Weizen eine Zeitlang in den Getreidesilos verschwinden lassen bzw. ins Meer schütten und damit vom Weltmarkt abziehen.

Der ehemalige US-Senator Humphry bezeichnete in einer Rede einmal die Nahrungsmittelvorräte der USA als wichtiger als die Atomwaffenvorräte - vermutlich weil es weniger Aufsehen erregt, wenn man die Leute gezielt verhungern läßt, als wenn man sie durch einen Atomkrieg vernichtet.

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