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VVN-BdA:
JAHRESTAG DER BEFREIUNG VON AUSCHWITZ
- Gedenktag für die Opfer des Faschismus -
- Redebeitrag der VVN-BdA Kaiserslautern am Gedenkstein für
die Opfer des Faschismus, 27. Januar 2002 -
Liebe Freundinnen und Freunde,
ich begrüße Euch recht herzlich zum bundesweiten offiziellen
Gedenktag für die Opfer des Faschismus hier am Gedenkstein
für die Opfer des Faschismus am Philipp-Mees-Platz. Einem Platz,
der seit einigen Jahren den Namen eines Kaiserslauterer Widerstandskämpfers
trägt.
Dieser heutige 27. Januar 2002 ist gleichzeitig der 57. Jahrestag
der Befreiung des Konzentrationslagers und größten Vernichtungslagers
Auschwitz durch die Rote Armee.
- Auschwitz, ein Ort des Völkermordes, ... -
Auschwitz, eingerichtet als KZ für politische, zumeist polnische
Häftlinge wurde im Verlauf des Krieges zum größten
Vernichtungszentrum des so genannten Holocaust, der Ermordung der
europäischen Juden und schließlich auch ein Ort des Völkermordes
an den Sinti und Roma.
Auschwitz, dieser Name steht als Symbol für Verbrechen gegen
die Menschlichkeit, als Symbol für den verbrecherischen Charakter
des Deutschen Faschismus, für seine rassistische Vernichtungspolitik,
für Verbrechen, die alle Fähigkeiten zur rationalen Erfassung
und Verarbeitung übersteigen.
Doch mit der Befreiung der Lager war die Geschichte von Auschwitz
nicht zu Ende.
Als letzlich nicht auflösbares Trauma der Überlebenden
und ihrer Nachkommen,
als alle Dimensionen sprengendes Verbrechen,
als Zivilisationsbruch hinterlässt Auschwitz ein verstörendes
Erbe.
- ... von der vom Volk getragenen Regierung ersonnen -
Dieses Auschwitz war in allen seinen Teilen vom Arbeitslager bis
zum Vernichtungslager eine Einrichtung des faschistischen Staates,
zu dem das deutsche Volk innerlich und äußerlich ja gesagt
hat wie zu keinem anderen deutschen Staat vorher und nachher. Die
vom Volkswillen getragene und gestützte Regierung hat Auschwitz
ersonnen und durchführen lassen; es wurde von ihr als "Ruhmesblatt
unserer Geschichte" bezeichnet.
Ich hebe mit diesem Zitat auf eine Rede von Himmler ab, die er am
4.10.1943 auf einer SS-Gruppenführertagung hielt, eine Führertagung
der selben SS, deren Angehörige auch Eingang in die Bundeswehr
gefunden haben und deren ehemalige Angehörige sich heute immer
noch treffen können. In dieser Rede Himmlers heißt es:
"Es gehört zu den Dingen, die man leicht ausspricht: 'Das
jüdische Volk wird ausgerottet', sagt ein jeder Parteigenosse,
ganz klar steht in unserem Programm ... Von euch werden die meisten
wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn
500 da liegen und wenn 1000 da liegen. Dies durchgehalten zu haben
... anständig geblieben zu sein, das hat hart gemacht. Dies
ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt
unserer Geschichte ... "
Es wird wohl nie endgültige Zahlen über die durch Gas
ermordeten Menschen geben. Der Lagerkommandant Höß selber
gab 1946 die Zahl der in Auschwitz getöteten mit 2,5 Millionen
an. Dazu gehörten jedoch auch alle anderen Toten, denn vergasen
war nicht die einzige Art des Mordes in Auschwitz.
Medizinische Versuche, sowohl für das Hygieneinstitut der Waffen-SS,
wie für die chemische Industrie, Tötung durch Spritzen,
Hinrichtungen, Ermordung bei Verhören und andere Grausamkeiten
ließen die Zahlen der Toten ebenfalls in die Höhe schnellen.
- Widerstand der Häftlinge -
Es ist schier unvorstellbar, dass in der Hölle von Auschwitz
Häftlinge Widerstand leisteten.
Dabei nahm der Widerstand sehr unterschiedliche Formen an. Neben
einfachen Formen der Solidarität, der Hilfe zum Überleben,
stand auch organisiertes Handeln, wie die gemeinsame Flucht einer
Gruppe sowjetischer Häftlinge im Herbst 1942 und die Rebellion
der Sonderkommandos bei den Krematorien II und IV Anfang Oktober
1944. Sie zerstörten das Krematorium IV und rund 250 von ihnen
gelang zeitweilig die Flucht.
Als international organisierte Gruppe ist die "Kampfgruppe
Auschwitz" anzusehen, die versuchte, politischen und militärischen
Widerstand im Lager zu entwickeln.
- "Arbeit macht frei" -
Stellen wir uns vor, wir sind auf dem Weg nach Auschwitz. Wir stehen
vor dem Eingang zum Lager. Über dem Lagertor sehen wir ein
Schild mit dem Text "ARBEIT MACHT FREI". Viele von Euch
werden dieses Lagertor von Bildern her kennen.
Häftlinge schmiedeten das Schild auf Befehl der SS. Das B im
Wort Arbeit schweißten sie verkehrt herum in den Rahmen. Oben
die große Rundung des B, unten die Kleine.
Der SS einen Buchstaben herumdrehen.
Widerstand!?
- Flucht vor der Roten Armee -
Ab Ende 1944 begann die SS, die Spuren ihrer Verbrechen zu beseitigen.
Unterlagen wurden verbrannt, die Vergasungen wurden eingestellt
und die Gaskammern gesprengt. Am 17. Januar 1945 wurde vor der heranrückenden
Roten Armee mit der Evakuierung des Lagers begonnen. Fast 100.000
Häftlinge wurden in Lager im Deutschen Reich, z. B. Buchenwald,
Bergen-Belsen u. a. geschickt. Auf diesen Transporten fanden ebenfalls
Tausende den Tod.
Am 27. Januar erreichten die sowjetischen Truppen das Lager. Sie
konnten jedoch nur noch wenige Tausend, vor allem kranke und nicht
mehr transportfähige Häftlinge befreien.
Der Plan der SS, alle Spuren in Auschwitz zu beseitigen, misslang.
So brannten nur 29 von den 35 Magazinen mit dem geraubten Besitztum
der Ermordeten nieder.
In den verbleibenden Depots registrieren die Rotarmisten später:
- 368.820 Herrenanzüge,
- 836.255 Frauenkleider,
- in der Gerberei sieben Tonnen Frauenhaar,
- 5.525 Paar Damenschuhe,
- Berge von Kinderkleidern, Brillen und Zahnprothesen.
- Gedenkminute -
Wir möchten jetzt hier am Kaiserslauterer Gedenkstein für
die Opfer des Faschismus ein Blumenbuket niederlegen und gedenken
dabei aller, die dem deutschen Faschismus zu Opfer fielen.
Ausdrücklich einschließen möchte ich in das Gedenken
aber auch all diejenigen, die auch nach 1945 wieder von den selbsternannten
Nachfolgern des Faschismus in Deutschland ermordet wurden. Ihre
Zahl geht bereits wieder in die Hunderte.
Die Todesspur von Rechts reicht von vor 1933 bis in unsere Tage.
- Faschismus kommt nicht über Nacht -
Die Erinnerung an die Befreiung von Auschwitz und das Gedenken an
die Opfer des Faschismus an diesem Tag muss auch die historische
Lehre aus dem 30 Januar 1933 einbeziehen: Faschismus kommt nicht
über Nacht.
Die Erinnerung und das Gedenken muss mit dem konsequenten politischen
Handeln gegen Neofaschismus verbunden werden.
Im letzten Jahr sind in Deutschland wieder über 16.000 rechtsextremistische
Straftaten offiziell registriert worden. Faschistische Ideologien
werden immer frecher verbreitet. Immer dreister treten neofaschistische
Organisationen in der Öffentlichkeit auf und knüpfen immer
unverhohlener an die unheilvollen Traditionen des Naziregimes an.
Dies ist unerträglich und dem gilt es konsequent Einhalt zu
gebieten.
- NPD-Verbot -
Das durch das unverantwortliche, ja skandalöse Agieren des
Verfassungsschutzes gestoppte NPD-Verbot ist überfällig,
aber ohnehin nur als ein erster Schritt anzusehen. Die jetzt aufgetretenen
sogenannten "Pannen" zeigen nur, dass der Verfassungsschutz
die Neonazis ideologisch munitioniert und finanziell ausgehalten
hat.
Wenn es noch eines Beweises bedurfte um deutlich zu machen, wie
hoffnungslos unfähig und unnütz, ja direkt schädlich
deutsche Geheimdienste sind, wenn es um die Bekämpfung von
Rechtsextremismus geht, dann liegt dieser Beweis jetzt vor.
Das V-Leute des Verfassungsschutzes jahrelang in der NPD (und nicht
nur da) mitmischen, sogar in deren Bundesvorstand, und in der gleichen
Zeit von Mitgliedern und Sympathisanten dieser Partei eine Unzahl
von Gewalttaten gegen Flüchtlinge, MigrantInnen und andere
Menschen geplant, propagiert und auch durchgeführt wurden,
ohne dass die sogenannten Sicherheitsbehörden das verhinderten,
ist ein Skandal ohnegleichen.
Faschismus ist keine Meinung unter anderen - sondern ein Verbrechen.
Das Vermächtnis von Millionen Opfern des Naziregimes ist es,
allen Formen von Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus individuell
und gemeinsam in breiten Bündnissen entschieden entgegen zu
treten.
VVN-BdA Kaiserslautern
VVN-BdA - Vereinigung
der Verfolgten des Naziregimes -
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten
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