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THE EX:
- The Ex / Das Medium ist die Massage
- W. Sterneck / The Ex und die Autonomie
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The Ex:
DAS MEDIUM IST DIE MASSAGE
Punk hatte sich schnell verbreitet und es schien als gäbe es
überall Konzerte. Eine gewisse Stimmung lag in der Luft, dieses
Hey, warte mal einen Moment - Wir können das auch....
Und wie so viele andere beschlossen auch wir eine Band zu gründen.
Damals bedeutete es einfach Spaß (zu versuchen) Musik zu machen
und wir konnten nicht ahnen, was sich daraus entwickeln sollte.
Es war die Zeit als die holländischen HausbesetzerInnen die
neue Königin äußerst aufrührerisch begrüßten.
Eine Zeit, zu der es noch möglich war gegen die Polizei zu
gewinnen. Nachdem die staatliche Gewalt immer mehr eskalierte wurde
dies später unrealistisch, was aber selbstverständlich
nicht bedeutete, daß von da an auf den Straßen alles
ruhig wurde - die sozialen Mißstände blieben bestehen.
Zweifellos waren wir von dieser Bewegung beeinflußt, nicht
zuletzt weil wir selbst HausbesetzerInnen waren.
Der Vorteil eine Punk-Band zu gründen, lag darin, daß
niemand besonders gut spielen mußte. Gerade für uns ist
dies ein glücklicher Umstand, denn wir haben immer noch viel
zu lernen. Wir kümmerten uns nicht um Akkord-Schemen oder Kompositionsrichtlinien,
weil unserem Verständnis nach Punk bedeute, daß du musikalisch
tun kannst was du willst.
Am Anfang stand für uns kein besonderes Ziel oder Ideal im
Vordergrund. Die Band entwickelte sich und wir wuchsen mit ihr,
vor allem weil wir große Freude daran hatten (und noch immer
haben) Musik zu machen. Wir lernten die Instrumente zu benutzen
(auch wenn wir niemals richtige MusikerInnen werden wollten - sie
sind einfach nur langweilig) und wir erkannten, daß es mehr
gibt als Musik nur zum Zweck der Musik zu veröffentlichen.
Du kannst im Proberaum rumhängen und herkömmliche Konzerte
geben, aber du kannst auch bei Demonstrationen und bei Aktionen
spielen, du kannst den Leuten Informationen weitergeben, die sie
nicht in der bürgerlichen Presse finden, musikalische Projekte
auf die Beine stellen und für einen guten Zweck spielen. Musik
steht für uns vor allem für die Freiheit des Ausdrucks.
Wir sehen Musik als Mittel des Strebens nach Freiheit. Und es gibt
nur eine Freiheit - dort wo es keine Unterdrückung gibt.
Über die Jahre hinweg änderten sich unsere Überzeugungen
nicht wesentlich. Wir verloren allerdings etwas von unserer Naivität
und wurden hinsichtlich unserer Möglichkeiten etwas realistischer.
Durch unsere eigenen Erfahrungen und Entscheidungen fanden wir im
Laufe der Zeit die Strukturen in denen wir arbeiten wollten.
Die ganze Band ist an der Entstehung der Musik beteiligt. Es gibt
keinen Chef, der den anderen sagt was zu tun ist. Jemand hat eine
Idee und die anderen tragen zu ihr bei. Dann ist es ein Prozeß
des Austüftelns und Ausprobierens bevor der Song seine definitive
Gestalt erhält. Auch wenn wir in den Jahren einen bestimmten
Stil des Songschreibens entwickelt haben, so kann prinzipiell
die Musik jede mögliche Form annehmen - wir sind keinem bestimmten
Schema verhaftet (Wir machen keine Pop-Musik!). Es ist immer wieder
äußerst reizvoll nach neuen Wegen der Zusammenarbeit
und der Kreativität zu suchen, die eigenen Möglichkeiten
zu erkennen und die eigenen Grenzen zu erforschen und zu überwinden.
Die Texte sind genauso wichtig wie die Musik. Beide drücken
unsere Vorstellungen und Überzeugungen aus. Wir glauben, daß
jede Form kulturellen Ausdrucks eine politische Aussage hat - entweder
ist es eine geistlose, verdummende Flucht vor der Wirklichkeit oder
eine des Glücks und des Zorns.
Wenn wir wissen, daß ein Straßenzug weiter ein Haus
geräumt wird, daß die Polizei Menschen ohne Grund verprügelt
oder einige Manager eine große Zahl von ArbeiterInnen entläßt,
dann sind wir einfach nicht in der Verfassung alberne Liebeslieder
zu singen. Die Dinge, die wir sehen, machen uns zornig. Wir singen
über die Ungerechtigkeit und die Heuchelei, die um uns herum
oder weit von uns entfernt gegeben ist. Andererseits singen wir
aber auch über Dinge, die wir mögen, Dinge die uns inspirieren,
Alternativen zu dem Mist, den uns die Zivilisation ins
Gesicht geschleudert hat.
In einer Band zu spielen ist für uns keineswegs das wichtigste
in unserem Leben, aber es ist ein Teil unserer Lebensweise. Weder
die Texte noch die Musik können von unserem Leben außerhalb
der Band getrennt werden, da alles in einem engen Zusammenhang steht.
Sollte dies einmal nicht mehr der Fall sein, verliert die Band für
uns ihre Existenzberechtigung.
Wir sind auf Gleichheit und Demokratie innerhalb und außerhalb
der Band bedacht. Für uns geht es im Leben um Solidarität
und Zusammenarbeit, nicht um Egoismus, Habgier oder Konkurrenz.
Dies führt dazu, daß wir es vorziehen mit Leuten und
Bands zusammenzuarbeiten, die eine ähnliche Einstellung haben.
Konkret bedeutet dies: kein sexistischer, rassistischer oder faschistischer
Schwachsinn in den Aussagen und Handlungen. Und in Bezug auf die
Auftritte keine Unterteilung in Haupt- und Vorgruppe
(jede Band ist gleichwichtig), sondern gegenseitige Unterstützung,
wenn es beispielsweise darum geht Equipment auszuleihen, sowie eine
faire Aufteilung des Geldes. (Dies hört sich so einfach und
selbstverständlich an, aber in der Rock-Kultur scheint eine
derartige Einstellung äußerst ungewöhnlich zu sein
- und darum hassen wir Rockstars, besonders die alternativen.)
Wir sind keine Idealisten und stehen auch nicht außerhalb
dieser Welt, wir sind realistisch. Wir sehen die Musik nicht als
Mittel, um reich oder berühmt zu werden (tatsächlich führt
dies zu abscheulichen Menschen). Es sind diejenigen, die davon träumen,
die auf einer Wolke schweben, denn um dies zu erreichen, muß man alle anderen ausnutzen.
Für uns ist Musik mehr als nur eine Geräuschtapete. Neben
der reinen Unterhaltung geht es vor allem um Kommunikation. Einerseits
bedeutet dies Konfrontation, ein Angriff auf die vorgegebene Weise
des Hörens, und auf der anderen Seite bedeutet es die Identifikation
mit bestimmten Einstellungen, sowie deren Ausdruck und Vermittlung.
Es ist eine Form, um gemeinsame Ideen und Ideale zu erkennen. Es
ist ein Weg der Kommunikation, der die Barrieren von Ländern
und Sprachen überwindet.
G. W. Sok / The Ex
The Ex, P.O.Box 635, 1000 AP Amsterdam, Holland. www.theex.nl
The Ex: Live-Pics
Thanks to G. W. Sok & The Ex.
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Wolfgang Sterneck:
THE EX UND DIE AUTONOMIE
Eine wesentliche Wurzel von The Ex liegt in der holländischen
Kraaker-Bewegung, die versuchte über Hausbesetzungen Freiräume
zu schaffen, in denen es möglich ist ein weitmöglichst
selbstbestimmtes Leben zu führen. Die Band selbst versteht
sich als geräuschvoller Teil der autonomen Bewegung,
in der sich anarchistische, kommunistische und feministische Inhalte
widerspiegeln. Zur Zeit der Bandgründung um 1980 bestand allerdings
ein derartiges Selbstverständnis nur ansatzweise. Vor
allem weil es uns große Freude bereitete Musik zu machen,
entwickelte sich die Band und wir wuchsen mit ihr. Wir lernten die
Instrumente zu benutzen, auch wenn wir niemals richtige MusikerInnen
werden wollten, und wir erkannten, daß es mehr gibt als Musik
nur zum Zweck der Musik zu veröffentlichen. Du kannst im Proberaum
rumhängen und gewöhnliche Konzerte geben, aber du kannst
auch bei Demonstrationen und bei Aktionen spielen, du kannst Informationen
weitergeben, die sich nicht in der bürgerlichen Presse finden
lassen.
Geblieben ist über die Jahre hinweg der typische Stil der Band,
welcher Punk, Hardcore und experimentelle Einflüsse vereint,
auch wenn dieser beständig weiter entwickelt und durch neue
Elemente bereichert wurde. Ein wesentliches Merkmal ist dabei die
Offenheit gegenüber verschiedenen musikalischen Ausdrucksformen.
So kam es unter anderem zu gemeinsamen Veröffentlich-ungen
und Auftritten mit der kurdischen Folkloregruppe Awara und der Hardcoreband
BGK, mit Mitgliedern von Chumbawamba und den Dog Faced Hermans,
sowie mit dem Schlagzeuger Han Bennink und dem Cellisten Tom Cora.
Dieser beschrieb die alle scheinbaren Grenzen überwindenden
Gemeinsamkeiten wie folgt: Das Image, das wir haben, das uns
die Leute gegeben haben, ist völlig entgegengesetzt. Aber wer
genauer hinschaut, der sieht viele Übereinstimmungen in den
grundlegenden Ideen.
Das bei Konzerten immer wieder auftretende Problem, daß die
Texte kaum zu verstehen waren, versuchte die Band teilweise über
das Verteilen von Textheften und das Aufhängen von Postern
auszugleichen. Es wird aber auch durch unsere Musik deutlich,
was wir sagen wollen. Es ist eben keine Bürgermusik. Auch Lärm
hat eine Aussage. Dieser Position liegt das Verständnis
zu Grunde, daß jede kulturelle Ausdrucksweise einen politischen
Charakter hat. Ein Stück über eine Liebesbeziehung ist
letztlich genauso politisch wie ein Stück, das sich mit dem
Befreiungskampf in Palästina beschäftigt. Ein entscheidender
Aspekt ist dabei jedoch die Frage, ob durch die Ausdrucksform bzw.
durch die vermittelten Inhalte von den tatsächlich bestehenden
Problemen abgelenkt wird und sie damit erhärtet werden oder
ob sich mit ihnen auseinandergesetzt und gegebenfalls eine Veränderung
angeregt wird.
Im Vergleich zu anderen Bands ist die Vielzahl der Veröffentlichungen
von The Ex auffallend. In der Regel sind ihnen die Texte der Stücke,
sowie meist auch verschiedene Flugblätter und Poster beigelegt.
Der Preis der Schallplatten ist so ausgerichtet, daß er die
Herstellungs-kosten deckt und einen kleinen Gewinn für neue
Veröffentlichungen oder politische Projekte abwirft. Zu den
herausragenden Veröffentlichungen von The Ex gehört eine
Doppel-Single mit einem Buch zur spanischen Revolution (1936), in
dem Fotos aus den Archiven der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft
CNT abgedruckt sind. Auf den Schallplatten befinden sich Neuvertonungen
revolutionärer Lieder. Die Zerstörung des anarchistischen
Experiments schmälert nicht unsere Bewunderung und die Inspiration,
die wir bis heute von ihm erhalten. Außerdem zeigt es, daß
es selbstverständlich möglich ist, eine anarchistische
Gesellschaft in der Praxis zu realisieren und es zeigt, daß
diese mit allen Mitteln verteidigt werden muß.
Aus dem Buch:
Wolfgang Sterneck:
Der Kampf um die Träume - Musik und Gesellschaft. (1998).
contact@sterneck.net
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