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Pavan w. Ananta:
DER KOSMISCHE ORGASMUS
- Die Partys in Goa -
Der Himmel ist klar. Du kannst die Sterne sehen. Die Mondin scheint
voller Schönheit. Du blickst in die Weite des Meeres. Hörst
das Rauschen der Wellen. Gehst auf in der Musik. Fließt im
Rhythmus. Spürst die Energien, die dich umgeben. Du begreifst,
daß du ein Teil des Ganzen bist.
Nachdem über Stunden hinweg getanzt wurde und die Sonne am
frühen Morgen aufgeht, kommt es zu einem weiteren Energiesprung.
Alle befinden sich in einem Zustand der Trance. Es ist ein Prozeß
des Neubeginns, alle spüren tief im Innern die Veränderung
und gehen in einem kosmischen Orgasmus auf.
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Goa ist der Name für eine Reihe von Stränden im Südwesten
Indiens. Es sind Plätze der Kraft voller Schönheit. Seit
den sechziger Jahren treffen sich an bestimmten Strandabschnitten
Freaks aus der ganzen Welt. Viele leben dort schon seit mehr als
zwanzig Jahren, zum Teil im Dschungel in Einklang mit der Natur.
Andere haben sich einen kleinen Platz in der Nähe eines Flusses
hergerichtet, an dem sich nicht viel mehr befindet als eine Decke,
ein Bild Shivas und ein Shilum.
Techno war ursprünglich in Goa die Musik der RebellInnen,
der AussteigerInnen, der schwarzen Schafe. Sie leben wie ein eigner
Stamm, ein Cybertribe. Es ist schwer in diesen Stamm aufgenommen
zu werden. Sie mustern dich, bevor sie sich auf dich einlassen.
Einige von ihnen sind ziemlich elitär, wirken oft ziemlich
arrogant und von sich überzeugt. Aber unter ihnen triffst du
ständig auf Menschen mit einer besonderen Ausstrahlung.
Die Einheimischen waren anfangs ziemlich abweisend, aber sie haben
gemeinsam mit den Freaks gelernt, sich gegenseitig zu akzeptieren
und miteinander zu leben. Jedoch kommen immer mehr Idioten, die
meinen, sie seien Freaks, nur weil sie aufgehört haben, sich
zu duschen. Sie verstehen nicht, daß wirkliche Freiheit auch
eine respektvolle Achtung anderer Menschen und der Natur einschließt.
Inzwischen hat sich in Goa jedoch vieles negativ verändert.
Die Freiräume werden eingeschränkt, die Polizei wird immer
korrupter und die ganze Gegend zunehmend touristisch ausgerichtet.
So wurde beispielsweise einer der schönsten Strände von
einem japanischen Konzern aufgekauft, der nun dort Nobelhotels bauen
läßt.
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Techno kam in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre nach
Goa. Manchmal erinnern die Parties an Woodstock. Nicht von der Anzahl
der Leute, sondern wegen ihrer inneren Vielfalt, der Offenheit und
der Kreativität. Die Menschen, die von allen Teilen des Erdballs
kommen, brechen die Grenzen von Staaten und Kulturen auf, um gemeinsam
die Musik und die Liebe zu feiern.
Wenn im Laufe der Nacht die Leute anfangen zu tanzen, nimmt die
Energie unaufhörlich zu. Es ist keine irdische Situation mehr.
Alle sind in sich selbst versunken und im selben Augenblick mit
allen anderen und der Natur verbunden. Die Musik wird dann zu einem
Weg, der es ermöglicht tief in das Innere zu gehen und gleichzeitig
den eigenen Körper zu verlassen. Der trancehafte Tanz wird
zu einer Form der Meditation und er ist so sinnlich, daß während
der Parties eine tiefe erotische Energie entsteht, die überall
spürbar ist. Manchmal fühlst du dich völlig entblößt,
als wärest du nackt und deine ganzen Masken fallen. Du hast
das Gefühl, daß dich tausend Augen beobachten, aber es
stört dich nicht, weil du keinen Schutz mehr brauchst.
Viele Leute sind phantasievoll in bunten Farben gekleidet und tauschen
während der Parties mehrfach ihre Kleidung. Sie stellen immer
wieder verschiedene Charaktere dar und tanzen zum Beispiel als Magier,
Phantasiewesen oder Außerirdische. Es ist eine Zusammenkunft
verschiedener Realitäten deren Verknüpfungspunkt die Musik
ist.
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Die Parties beginnen etwa um zwei Uhr nachts und gehen meist bis
zum Mittag. Manchmal werden sie für einen bestimmten Ort angekündigt,
sind dann aber ganz woanders, um die Polizei und die TouristInnen
in die Irre zu führen. An manchen Parties nehmen 2.000 bis
3.000 Menschen teil, aber die meisten sind wesentlich kleiner. Es
wird jedoch schwerer Parties zu organisieren. Immer wieder überfällt
die Polizei Parties, zerstört das Equipment und verfolgt die
beteiligten Personen.
Benötigt wird nur ein Generator, eine Anlage und Plattenspieler
bzw. zwei oder drei DAT-Recorder, da viele DJs in Goa nicht mit
Schallplatten arbeiten. Zumeist werden Tücher aufgehängt,
die mit mythischen Symbolen in fluoreszierenden Farben bemalt sind.
Die Musikstücke erzählen immer wieder Geschichten ohne
Worte zu benutzen. Sie kommen großteils aus Europa und werden
dann von den DJs speziell gemixt. Einige Stücke entstehen aber
auch in Goa, wobei letztlich kaum jemand der Ursprung der Aufnahmen
interessiert, denn die Musik hat ihre Bedeutung in sich selbst und
im Zusammenhang mit den Empfindungen während der Parties. Mit
der Zeit entwickelte sich aus der speziellen Atmosphäre ein
eigener musikalischer Stil, der von Trance- und Acid-Elementen bestimmt
ist und eine starke atmosphärische Ausstrahlung hat.
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Techno und der trancehafte Tanz mit seiner ursprünglichen
tiefen Energie ist ein Teil eines Kreises, der ganz ursprünglich
am Anfang der Zeit beginnt und von den SchamanInnen der alten Stammeskulturen
über das Mittelalter mit all den Hexen und ihrer Magie bis
zu den Hippies und Freaks und ihrem Ruf nach Frieden, Freiheit und
Liebe reicht. Ich sehe lange Entwicklungen vor mir, von ihrem Anfang
bis zum Ende. Aber es ist im Grunde kein Ende, es ist ein Kreis
der geschlossen wird und auf einer anderen Ebene bis in die Ewigkeit
reicht.
Thanks to Pavan & Ananta.
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