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Claus Sterneck / Claus in Iceland
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Wolfgang Sterneck
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FLYING LESBIANS / FRAUENROCK:

- Flying Lesbians: Die Frauenrockband über sich
- W. Sterneck: Im Zeichen der Frau - Frauen- und Lesbenmusik
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FLYING LESBIANS

- Die Frauenrockband über sich -


Entstanden ist die Band ziemlich spontan, weil einfach eine Frauenrockband her mußte. Da gab's im Mai 1973 das erste große Frauenfest in der TU-Mensa in Berlin. Zwei Tage vorher fiel die englische Frauenrockband, die eigentlich spielen sollte aus, und da wurde über Telefon, über Nacht sozusagen eine Frauenband aus Berlin zusammengetrommelt. Die stand dann zwei Tage später auf der Bühne mit zusammengeliehenen Instrumenten - eine Riesenanlage - keine Ahnung von Technik, kaum Ahnung von Musik und Gesang. noch ein paar selbstgefertigte Texte in der Tasche, die wir noch nie richtig zusammen gespielt hatten (nur einen Tag vorher hatten wir schnell einmal zusammen geprobt). Dann ging es am nächsten Tag auf dem Fest los. Und das war ganz toll. Aber eben auch deswegen weil die Frauen, die auf dem Fest waren, so toll waren. Die wußten genau, wir spielten zum ersten Mal, und sie haben uns wahnsinnig unterstützt, haben getanzt wie die Irrinnen auf alles, was irgendwie tanzbar war. Das heißt,die Entstehung der Frauenband hängt unmittelbar mit der Entstehung von Frauenfesten zusammen. Wenn wir eigene Feste machen, dann wollen wir zu unserer eigenen Musik, zu unseren eigenen Texten, die unsere Erfahrungen widerspiegeln und ausdrücken, tanzen, und uns nicht vom Chauvi-Rock behämmern lassen.

Aus diesem Zusammenhang sind wir entstanden und in diesem Zusammenhang verstehen wir uns; als eine Arbeitsgruppe innerhalb der Lesben- und Frauenbewegung, d.h. wir machen nur für, vor und mit Frauen Musik. Einerseits weil Musikmachen für jede von uns persönlich Spaß bringt, und andererseits wollen wir mir der Musik frauenspezifische Inhalte sinnlich vermitteln. Wir grenzen uns bewußt und eindeutig von Vermarktungstendenzen ab, wo Frauenbands als neue Variante zu Go-Go-Girls und Striptease das männliche Nachtleben beleben sollen. Es gibt im ganzen Musikgeschäft kaum eine Form, wo Frauen sich mehr prostituieren müssen als bei den Frauenbands, die - möglichst noch oben ohne - als Musikerinnen nur zugelassen und akzeptiert werden, wenn sie auch ihren Körper und ihre Sexualität verkaufen. Einige von uns haben auch von früher her Erfahrungen, als wir in Männerbands gespielt oder gesungen haben, und können davon ein Liedchen singen. Du bist nur ausführendes Organ, eine mehr oder weniger attraktive Orchidee im musikalischen Salat. Du wirst mehr angeglotzt, als daß man dir zuhört, du mußt chauvinistische Texte hauchen oder schreien, deine Stimme wird als gute Unterlage fürgeile Tanzschritte verwendet, du bist 'ne knackige Augenweide, das ist aber auch alles.

Uns wurden auch schon solche Angebote gemacht. Da kam uns so ein Manager auf die Spur, der uns das Angebot gemacht hat, uns fest unter Vertrag zu nehmen. Das hieß, wir sollten so ca. vier Mal die Woche für ihn spielen in irgendwelchen Schuppen und hätten monatlich jede 2000 DM gekriegt. Wir hätten dabei überhaupt keinen Einfluß gehabt, irgendeine Show abziehen müssen, wahrscheinlich genau vorprogrammiert und ausgetüftelt nach Kleidung, Sound und Farbe, entsprechend mit den Brüsten wackeln, auf den üblichen Veranstaltungen, wo bis 70 % Männer rumsitzen, und dann noch Lesben als zusatzliehe Pointe zum Aufgeilen. Igitt!

Zurück zu den Frauenfesten! Was da fasziniert und besonders Spaß macht, was den Frauenfesten zusätzliche Qualität gibt, ist, daß wir Frauen die männlich dominierte Musik-Scene aufbrechen. In der Rockmusik ist üblicherweise kaum eine Frau anzutreffen, außer als Sängerin, als erotische Zugabe; aber eine Frau am Baß oder am Schlagzeug? Das sind Instrumente, die als typisch männlich gelten. Genauso ist Texten und Komposition üblicherweise Männersache. Und Management erst recht. Wir haben rausgefunden, ausprobiert und gelernt, daß es anders geht.

Wir schreiben und komponieren unsere Lieder selbst, machen die Technik alleine, sind unabhängig von irgendwelchen Plattenfirmen, managen uns selbst und spielen nur vor Frauen.

Zuerst mußten wir uns mit der Technik auseinander setzen, um unabhängig von Männern und bei Konzerten von männlichen Begleitern zu werden. Wir haben beim Zusammenstellen unser Anlage bewußt auf den Kauf von solch größenwahnsinnigen phallokratischen Powertürmen verzichtet. Wir haben eine technisch hochqualiizierte, aber kompakte Anlage; wir können alle Instrumente, Verstärker und Lautsprecher in einen VW-Bus einladen und bei Festen mit Hilfe der Frauen im Saal relativ schnell und reibungslos auf- und abbauen. Wir haben auch gelernt, kleinere technische Defekte selbst zu beheben, wie zum Beispiel Kabel löten, Sicherungen wechseln usw. Bei größeren Schäden greifen wir - wie Männerbands auch - auf Musikfachgeschäfte zurück.Das ist natürlich alles nicht über Nacht gegangen; so eine Anlage kostet Geld. Wir haben mit ganz kleinen gebrauchten Klamotten angefangen und haben nach und nach aufgestockt, bis wir die Anlage zusammen hatten. Die hat insgesamt rund 25.000 DM gekostet, die wir zum größten Teil selber bezahlt haben, von unserem eigenen selbstverdienten Geld. Jede hatte nach und nach ihr eigenes Instrument, Verstärker und Lautsprecher finanziert, pro Frau ein Aufwand um die 3.500 DM.

Unsere Platte haben wir mit Krediten vorfinanziert. In der Frauenbewegung funktioniert ja jetzt so langsam ein Kreislauf. Es gibt ja schon mehrere gegenkulturelle Unternehmungen und Projekte wie Frauenoffensive, Frauenkalender usw., die Geld für solche Sachen wie eine Platte leihen können. Wir haben uns da 30.000 DM zusammengeliehen, um die Platte finanzieren zu können (Kosten für Tonstudio, Gema, Plattenpressung, Coverdruck), die kriegen wir durch die erste Auflage von 5.000 Platten (an die 50 % geht durch den Vertrieb und Buchhandelsspanne drauf) wieder rein und können dann zurückzahlen. Ab der zweiten Auflage rechnen wir damit, Gewinn zu machen. Da wir Amateure sind, d.h. wir haben alle Berufe oder studieren, leben also nicht von dem Musikmachen, haben wir beschlossen, den Gewinn wieder in die Frauenbewegung oder in Projekte, die aus der Frauenbewegung kommen, zu stecken, möglichst als Kredit, sodaß das Geld wieder zurückkommt und für neue Projekte zur Verfügung steht usw.; Kreislauf eben.

Das heißt, Profite für uns machen wir nicht. Wir wollen jedoch zusehen, daß wir außer der Zeit nicht noch Geld in die Band stecken müssen. Deshalb wollen wir zusehen, daß wir über die Platte unsere laufenden Kosten (Miete für den Übungsraum zum Beispiel) decken können und auch das Geld, das wir individuell in die Anlage reingesteckt haben, wieder rauskriegen. Die ziemlich hohen Transportkosten bei Festen in anderen Städten werden aus den Einnahmen über die Eintrittskarten (meistens 4 DM pro Frau) finanziert. Wir wollen uns aber auch in Zukunft ausgefallenen Arbeitslohn für die Zeit, in der wir in der BRD rumreisen und auf Frauenfesten spielen, auszahlen, denn wir finden es schon wichtig, daß das Prinzip, das leider meistens (noch) in der Frauenbewegung herrscht, aus eigener Tasche draufzahlen zu müssen, wenn frau in Sachen Frauenfragen aktiv wird, durchbrochen wird.

Wir werden oft darauf angesprochen, ,”warum wir so plakativ ’Flying Lesbians’ heißen”. Wir haben das lange diskutiert und haben uns bewußt dazu entschlossen, denn wie aktuell das Lesben-Versteckspiel ist, haben wir an den eigenen Schwierigkeiten, uns so öffentlich zu ’bekennen’, gemerkt. Es gibt ja noch nicht viele Vorbilder von Frauen, die sich öffentlich und namentlich in den Medien als lesbisch darstellen, und wir hatten da durchaus auch einige Ängste zu überwinden (Eltern, berufliche Risiken etc.). Und trotz der inzwischen modernen ’Toleranz’ in den Medien oder auch in der Frauenbewegung wird doch ein paarmal geschluckt, wenn sie uns beim Namen ’Flying Lesbians’ nennen müssen, was sich auch ausdrückt in der Ablehnung, die wir erfahren, wenn wir die Platte in kommerziellen Plattenläden anbieten, und an dem bisher weitgehenden Schweigen in der Presse zu unserer Platte (was sich natürlich auch auf den Verkauf der Platte auswirkt). Das wird dann plötzlich als provokativ empfunden wenn wir unsere Identität nicht mit tausend Wörtern umschreiben. Wir sind Lesben. Oft werden gerade solche Initiativen in der Frauenbewegung von Lesben getragen (weil sie mehr darauf angewiesen sind und weil sie ungeteilte Energie darein setzen können), ohne daß deutlich wird. daß es Lesben sind, die da was für Frauen machen. Wir wollen Identifikationsmöglichkeiten bieten für Lesben, die sich verstecken müssen, weil sie sonst Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder mit den Eltern kriegen und wir wollen dazu beitragen, daß es immer schwerer wird, uns zu verschweigen.

Unsere Texte drücken Erfahrungen aus, die wir gemacht haben, oder beziehen sich auf Initiativen und Diskussionen, die in der Lesben- und Frauenbewegung laufen. Sie sind nicht alle bruchlos konsumierbar, sondern gehen auch umstrittene Themen an, so zum Beispiel unser Lied über die Bisexualität oder unser Lied für und über Frauen, die in männlichen Institutionen Macht haben. Uns wird oft gesagt, daß gerade diese Texte zu undifferenziert und zu hart sind. In einem Lied kannst du nicht alle Aspekte auf einmal bringen, und es ging uns gerade darum, Euphorie zu verbreiten, unter Einschluß von Widersprüchen. Gerade diese beiden Lieder kann frau nicht einfach konsumieren, bei diesen Liedern muß jede Frau sich selbst hinterfragen, weil Mechanismen angesprochen werden, die real sind. (Selbst lesbische Frauen geben sich oft als bisexuell aus, weil sie dadurch akzeptiert werden. Du darfst ruhig lesbisch sein, wenn du nur nicht ganz für Männer verloren bist. Und die Erfahrung machst du auch immer wieder, den gerade die Frauen, die es irgendwie ’geschafft’ haben, in höhere Positionen zu kommen, sich nicht besonders für Frauen einsetzen, im Gegenteil!) Natürlich gibt es Frauen in höheren Positionen (wie zum Beispiel Professorinnen oder Ärztinnen), wo wir heilfroh sind, daß es sie gibt, weil sie sich für Frauen einsetzen. Und natürlich ist Bisexualität manchmal der erste Schritt, um sich von Männern zu losen.

Wo sie sich nicht gegen Frauen richtet, braucht frau sich ja auch nicht angesprochen zu fühlen. Sie wird dann meistens selber ein Bewußtsein über gerade diese Widerspruche haben. Eine Textstelle, die häufig moniert wird, ist auch die Strophe: ,”Wir sind die homosexuellen Frauen. Außerdem sind wir schön und klug, doch daß ist uns immer noch nicht genug! Wir wollen die Macht! Daß es so kracht! Noch heute Nacht!” Daß wir das nicht stockwörtlich meinen (zum Beispiel meinen wir schon, daß wir da mehr als eine Nacht brauchen,) aber trotzdem bewußt fordern, ist nicht schwer zu durchschauen, wenn frau nicht bewußt oder unbewußt davon ausgeht, daß Lesben defensiv zu sein haben, und schon froh ist, wenn sie überhaupt ’anerkannt’ und ’akzeptiert’ werden. Uns geht es aber gerade darum, Selbstbewußtsein zu entwickeln und auszudrücken, denn die Masse der ’geheimen’ Lesben fühlt sich von abartig bis nicht ganz gesellschaftsfähig und es wird auch alles getan, um zu verhindern, daß Lesben ein positives Selbstbild aufbauen.

Musikalisch läßt sich sagen, daß wir keine hochkomplizierte Musik spielen, die die Frauen zu Konzerthörerinnen machen würde. Die Musik ist einfach und eine Aufforderung zum Mitmachen, Mitsingen, Mittanzen. Zwar wollen wir nicht abgehoben rein auf Musik abfahren und unheimlich rumfeilen, um perfekt zu werden - wie auf der Musikscene üblich, wo weder die Aussage noch der Zusammenhang, wo mann spielt wichtig ist, wo unheimlich geackert wird, um musikalisch noch ausgeklügelter zu sein - aber wir wollen schon dran arbeiten, unsere Musik weiterzuentwickeln, weiter wegzukommen von traditionellen (männlichen) Mustern, eigene Frauenmusik, Frauenkultur zu entwickeln.

Es entstehen schon Probleme daraus, daß wir elektrische Musik machen. Mit akustischer Gitarre, Flöte, Bongos etc. kannst du im kleineren Kreis sehr spontane, kreative und kollektive Musik machen. Aber bei größeren Festen und vor allem zum Tanzen brauchst du schon die elektrische Verstärkung. Die ist wiederum nicht unempfindlich, sodaß es schlecht geht, daß viele Frauen zwischen der Anlage rumlaufen und selber ausprobieren, darauf zu spielen. So sind wir doch auf Festen etwas abgetrennt (auf einer Bühne oder so) von den anderen Frauen und es schleichen sich häufig die beschissenen Mechanismen von Konsumverhalten - Starrolle - Anonymität ein.

Dazu ist von unserer Seite zu sagen, daß wir nur dann gut sind und uns wohlfühlen, wenn ein Dialog zwischen uns, die spielen, und den Frauen, die tanzen oder zuhören, klappt. Es ist unheimlich schlauchend, wenn du spielen oder singen mußt, weil du auf dem Programm stehst, ohne daß du in der Stimmung bist, und ohne Kontakt zu den Frauen auf dem Fest zu kriegen.

Und die Erfahrung haben wir gemacht, daß es immer daneben gebt, wenn Frauen auf dem Fest sitzen und darauf waren, daß wir Stimmung machen. Wir sind keine Stimmungsautomaten oder Anheizer (Knopfdruck genügt), sondern Frauen, die gern auf Frauenfeste gehen und in Stimmung kommen, wenn sich da zwischen Frauen was duftes abspielt. Deswegen spielen wir am liebsten auf kleineren Festen und vor allem dann, wenn das Fest nicht als einzelne Veranstaltung dasteht, sondern eingebettet ist in einen Kongreß, ein Seminar, eine Aktionswoche, Eröffnung oder so etwas, denn es wirkt sich unheimlich auf die Feste aus, wenn Frauen vorher was miteinander gemacht haben; sie sind dann auf dem Fest auch viel mehr zusammen und das überträgt sich dann auch auf uns.

Die andere Kacke mit dem Star-System, die können wir auch nicht alleine angehen, das müssen wir zusammen abbauen bzw. nicht aufkommen lassen. Die Mechanismen hängen sicherlich auch damit zusammen, daß frau es nicht gewohnt ist, sich selbst was zuzutrauen, daß wir alle in unserer Kreativität beschnitten und eingeengt worden sind, uns unser Selbstbewußtsein geklaut wurde, und wir dann entweder mit Bewunderung reagieren, wenn wir andere Frauen treffen, die was machen, und die uns dann unheimlich weit weg vorkommen, oder, als Kehrseite derselben Medaille, eine unheimliche Aggression dagegen entwickeln, daß Frauen da was was machen und unheimlich genau aufpassen, wo gerade ’diese Frauen’ was falsch machen.

Dieser Bericht soll eine Ermunterung sein.

FRAUEN, ES GEHT! SELBER MACHEN!
WIR BRAUCHEN NOCH VIELE BANDS UND MUSIKGRUPPEN UND GANZ VIELE PLATTEN!

Flying Lesbians, 1976.

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Wolfgang Sterneck:

IM ZEICHEN DER FRAU - FRAUEN- UND LESBENMUSIK -


Die neue Frauenbewegung fand in den siebziger Jahren auch in der Musik einen Ausdruck. Engagierte Musikerinnen veröffentlichten eigene Stücke, die ausdrücklich eine weibliche bzw. eine lesbische Perspektive einnahmen und feministische Positionen vertraten.

DIE NEUE FRAUENBEWEGUNG

In mehreren westlichen Ländern entstanden zumeist im Zusammenhang mit den Rebellionen um 1968 die ersten Ansätze der neuen Frauenbewegung. Verbindend war das Aufbegehren gegen von Männern bestimmte Strukturen und weitergehend gegen den grundlegenden patriarchalen Charakter der Gesellschaft, der trotz einiger tendenzieller Veränderungen bis heute entscheidend das Denken, Fühlen und Handeln der Menschen bestimmt. Innerhalb der Außerparlamentarischen Opposition in der BRD kritisierten Frauen durch verschiedene provokative Aktionen die Männer in den führenden Positionen der Bewegung, die sich selbst als Revolutionäre bezeichneten, gleichzeitig aber vielfach die Unterdrückung der Frauen über ihr Verhalten und ihre inhaltlichen Positionen bekräftigten. Die an den Aktionen beteiligten Frauen forderten einen größeren Einfluß und traten insbesondere für ein politisches Verständnis des Privaten und für eine Auseinandersetzung mit patriarchalen Strukturen innerhalb der Beziehungen ein, die sich unter anderem im Rahmen einer einseitigen Arbeitsaufteilung und dem dominanten Verhalten vieler Männer ausdrückten.

Darauf aufbauend kam es zu einer schrittweisen autonomen Organisierung von Frauen, die zumeist von männlicher Seite scharf kritisiert wurde. In der Anfangszeit ging es den verschiedenen Zusammenschlüssen um eine Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Rolle der Frau und um ein bewußtes Erkennen der verschiedenen Formen der Unterdrückung. Einen Schwerpunkt bildete dabei die Analyse der Stellung der Frau im Bereich der Haus- und der Lohnarbeit. Viele Aktionen in den folgenden Jahren richteten sich zudem gegen die Ausbeutung und Diskriminierung der Frau in der Werbung und im Rahmen pornographischer Produkte, die Frauen auf einen jederzeit für den Mann verfügbaren Körper reduzieren.

Langfristig bewirkte die neue Frauenbewegung eine Veränderung der Einstellung vieler Frauen zu den eigenen Empfindungen und Bedürfnissen bzw. generell zum eigenen Körper, sowie eine Ablehnung der herrschenden sexuellen Normen, die zumeist an männlichen Bedürfnissen ausgerichtet sind. Ausgehend von einer radikalen feministischen Position gingen teilweise Frauen aus der Bewegung nur noch Beziehungen mit Frauen ein, ver-weigerten sich bewußt der gesellschaftlich vorgegebenen Heterosexualität und arbeiteten ausschließlich mit Frauen zusammen.

Einen Schwerpunkt der Aktivitäten vieler feministischer Gruppen bildete in fast allen westlichen Staaten der Widerstand gegen die entmündigenden Einschränkungen des Rechts auf Abtreibung und damit des Rechts von Frauen auf ein von ihnen selbst bestimmtes Leben. In einigen Ländern wurden in diesem Zusammenhang illegale Abtreibungszentren aufgebaut, um den Abbruch zu erleichtern und die repressiven Bestimmungen zu umgehen. Ein weiteres wesentliches Element der Frauenbewegung war die Aufarbeitung der verdrängten Rolle der Frau in der Geschichte. Als historischer Ausdruck des Widerstands von Frauen und teilweise darüber hinaus als konkreter Bezugspunkt für die Entwicklung eines ganzheitlichen Lebensverständ-nisses in der Gegenwart erhielten dabei insbesondere die Hexen eine symbolhafte Bedeutung.

Im Verlauf der siebziger Jahre gelang es Frauen in verschiedenen Bereichen selbstbestimmte Strukturen aufzubauen, zu denen unter anderem Frauenzentren, Treffen und Feste, sowie Frauenbuchläden, Verlage und Labels gehörten. Die einzelnen Projekte, die vielfach nur Frauen zugänglich waren, gewährten eine Atmosphäre, die nicht wie viele gemischt geschlechtliche Initiativen von einer männlichen Dominanz geprägt waren. Langfristig trugen die Projekte dazu bei, eine innere Stärke unter den Frauen zu entwickeln und darüber hinaus gemeinsame Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen. Daneben begannen einzelne Gruppierungen in einem zunehmenden Maße auch militant Widerstand gegen die herrschenden Strukturen zu leisten. Die Aktionen reichten von Angriffen auf die Herausgeber von pornographischen Zeitschriften über die Zerstörung von Sexshops bis zu Anschlägen auf staatliche Einrichtungen.

FRAUEN IN DER ROCKMUSIK

Zwangsläufig spiegelt sich die gesellschaftliche Rolle der Frau in der Geschichte der Rockmusik. So waren und sind beispielsweise die wesentlichen Entscheidungspositionen in der Musikindustrie und in den Medien fast aussschließlich von Männern besetzt. Entsprechend bestimmen in der Regel Männer über die Veröffentlichungen, die wiederum zumeist von Männern komponiert und getextet werden. Zwangsläufig kommt in den meisten der kommerziell erfolgreichen Stücke und Stilrichtungen eine männliche Perspektive zum Ausdruck.

Beispielhaft für das Rollenbild der Frau, welches die Rockmusik lange völlig dominierte und bis heute in wesentlichen Bereichen immer noch prägt, waren der Rock ’n’ Roll und der Beat. Beide Strömungen standen in einem engen Zusammenhang mit Jugendbewegungen, die in vielerlei Hinsicht gegen die Lebensauffassungen der älteren Generationen rebellierten, gleichzeitig aber im wesentlichen die bürgerlichen Rollenklischees übernahmen. Schon rein zahlenmäßig war die männliche Dominanz innerhalb des Rock ’n’ Rolls und des Beats erdrückend. Während Frauen zumindest in einigen seltenen Fällen als Sängerinnen auftraten, waren sie als Instrumentalistinnen, Texterinnen oder Komponistinnen nicht vertreten. Inhaltlich wurden Frauen in den Stücken zumeist über ihr Verhältnis zu Männern definiert, nur selten jedoch als eine eigenständige und gleichberechtigte Persönlichkeit. Charakteristisch war die Beschreibung der Frau als ”Baby” und damit unterschwellig als unselbständig und hilflos, während der Mann die Rolle des bestimmenden Beschützers einnahm.

Die wenigen weißen Sängerinnen, die im Bereich der Pop- und Rockmusik in den sechziger Jahren kommerziell erfolgreich waren, verkörperten ein zumeist naives und im bürgerlichen Sinne anständiges Image. Afro-amerikanischen Sängerinnen wurde dagegen, den Klischees der zumeist weißen mittelständischen Käuferschicht entsprechend, zumeist ein besonders temperamentvolles und sexbetontes Image zugewiesen. Erst im Zuge der Rebellionen am Ende der sechziger Jahre konnten sich Frauen durchsetzen, die einen selbstbestimmten Weg gingen. Zu den herausragenden Persönlichkeiten gehörte insbesondere Janis Joplin, die ungehemmt ihr Konventionen sprengendes Lebensverständnis zum Ausdruck brachte, während gleichzeitig ihre gesamte Erscheinung den bis dahin gängigen Kriterien für einen weiblichen Star widersprach. Daneben waren es unter anderem die politische Folksängerin Joan Baez, die Velvet-Underground-Mitglieder Nico und Maureen Tucker, sowie Grace Slick, die Sängerin der Band Jefferson Airplaine, die sich jeweils auf eine eigenständige und weitgehend selbstbestimmte Weise den patriarchalen Vorgaben verweigerten.

In den siebziger Jahren kamen die patriarchalen Rollenzuweisungen besonders deutlich im Hardrock und im Heavy Metal zum Ausdruck. Die Mitglieder der fast ausschließlich aus Männern bestehenden Bands bzw. insbesondere der zumeist im Mittelpunkt stehende Sänger verkörperten zumindest äußerlich das Bild des harten Mannes. Ein weit verbreitetes Motiv der entsprechenden Schallplattencover war die Abbildung der Musiker mit verschränkten Armen, gespreizten Beinen und einen betont ernsten Blick. Frauen wurden dagegen zumeist leichtbekleidet oder nackt in einer unterwürfigen Stellung dargestellt.

OLIVIA RECORDS UND DER AUFBRUCH

Anfang der siebziger Jahre fand das Aufkommen der neuen Frauenbewegung auch in der Musik einen deutlichen Ausdruck. Zunehmend traten Frauen mit von ihnen selbst komponierten und getexteten Stücke auf, die gleichermaßen die Unterdrückung im privaten und im öffentlichen Bereich aufzeigten. Vielfach entstanden die frühen Stücke spontan oder im Zusammenhang mit Aktionen und Veranstaltungen. Musikalisch orientierten sich die Frauen zumeist an der Folk- und Rockmusik, teilweise wurden aber auch populäre Stücke umgetextet.

Mit der Verbreitung der Frauenmusik verbunden war die Entwicklung entsprechender Strukturen, wie beispielsweise die Gründung von Labels, Vertrieben und Studios, sowie die unabhängige Organisation von Tourneen, Festivals und Workshops. Es gelang dadurch in einem Bereich einzudringen, der zuvor fast ausschließlich von Männern kontrolliert wurde und ihn mit eigenen Inhalten neu zu bestimmen. Widersprüchlich blieb jedoch die Verwendung der Rock- und Folkmusik als Ausdrucksformen, die eindeutig von Männern geprägt waren. Von einigen Strömungen innerhalb der Frauenbewegung wurde deshalb die Frauenmusik kritisiert und die Wiederbelebung bzw. Neuent-wicklung ritueller Ausdrucksformen befürwortet, die im Rahmen eines ganzheitlichen Lebensverständnisses die patriarchale Trennung von Leben, Arbeit und Kultur, sowie die Trennung zwischen handelnden Künstlerinnen und dem passiven Publikum aufheben.

Die erste Schallplatten-Gesellschaft in den USA, das nur von Frauen betrieben wurde und ausschließlich Frauenmusik veröffentlichte, war das 1973 gegründete Label Olivia Records. Neben dem grundlegenden Ziel, Frauenmusik zugänglich zu machen und die damit verbundenen Inhalte zu verbreiten, beabsichtigten die Frauen von Olivia Records durch das Label selbstbestimmte Arbeitsplätze für Frauen zu schaffen. ”Wir dachten uns, daß Frauen mehr Macht bekämen, wenn sie ihre ökonomische Situation selber kontrollieren. Zum einen wollten wir eine Art alternative wirtschaftliche Institution aufbauen, die sowohl ein Produkt herstellt, das Frauen kaufen würden, als auch repressionsfreie Arbeitsplätze für Frauen schafft. Zum zweiten wollten wir die Möglichkeit haben, sehr viele Frauen anzusprechen, und dazu brauchten wir ein Medium. Das zugänglichste Medium für uns und gleichzeitig der einfachste Weg, vielen Frauen etwas zu vermitteln, war die Musik. Also fügten wir die beiden Dinge zusammen und gründeten ein Frauenlabel.”

Innerhalb des Labels waren alle Frauen gleichberechtigt. Auf wöchentlichen Treffen wurden inhaltliche und geschäftliche Belange gemeinsam besprochen. Die Gewinne aus dem Verkauf der Schallplatten wurden unter den an der Produktion und dem Vertrieb beteiligten Frauen aufgeteilt, sowie für die Veröffentlichung neuer Projekte und zur Finanzierung eines eigenen Studios genutzt. Die meisten Veröffentlichungen von Olivia Records orientierten sich, nicht zuletzt aus kommerziellen Gründen, an der Folkmusik. Die erste auf Olivia Records veröffentlichte Schallplatte war eine Mini-LP von Meg Christian und Cris Williamson. Später folgten unter anderem Veröffentlichungen von Teresa Tull und Linda Tillery. ”Wir versuchen Musik zu veröffentlichen, die den Geist der Menschen heilt und zur Veränderung der Welt beiterträgt, unabhängig davon, ob es ein spiritueller, ökologischer, feministischer oder lesbischer Standpunkt ist, sie haben alle ihre eigene Berechtigung.”
ALIX DOBKIN UND DIE LIEBE ZU FRAUEN

Im Alter von zweiunddreißig Jahren hatte die Folk-Musikerin Alix Dobkin ihr Coming-Out als Lesbe. In den Monaten zuvor hatte sie sich mit feministischen Theorien beschäftigt, sich in Frauenprojekten engagiert und in Folge in vieler Hinsicht mit ihrer Vergangenheit gebrochen. Entsprechend stellte sie ihr Musikprogramm völlig um und begann ausschließlich Lieder für Frauen zu schreiben. 1973 veröffentlichte Alix Dobkin die LP ”Lavender Jane loves women”, in der sie die Liebe zwischen Frauen vor dem Hintergrund der Tabuisierung und Unterdrückung lesbischer Beziehungen in einer patriarchalen Gesellschaft beschrieb. Die meisten Stücke entsprachen gleichermaßen einer politischen Stellungnahme, einer Liebeserklärung und einem Teil eines Selbsterfahrungsprozesses. Um die Aufnahmen veröffentlichen zu können, gründete Dobkin mit Women’s Wax Works ein eigenes Label. Die notwendigen finanziellen Mittel hatte sie sich geliehen.

Programmatisch für den von Dobkin eingeschlagenen Weg war das Stück ”A woman’s love”: ”Because she’s a woman I didn’t think I loved her. So unexpected we stood there and smiled. And I felt so fine. And it was so right inside. But how could I know I loved her. Because she’s a woman... Because she’s a woman she doesn’t try to change me. She knows, she understands a woman’s ways. And I feel so free to be what she sees in me. It’s so easy to be her lover. Because she’s a woman. I realize a woman’s place is my home. And I know we’ve always been in love... Because I’m a woman a way was laid out for me. I always thought I’d need a man to love. But while the men I’ve known were as loving as they could be, there’s no one can match her beauty. Because she’s a woman. And she feels so much. The sweet touch of a woman’s love.”

Insbesondere in den Texten ihrer ersten Veröffentlichungen verband Dobkin die Beschreibung der Liebe zwischen Frauen mit einer scharfen Verurteilung der patriarchalen Gesellschafts-ordnung und den darin wurzelnden sexuellen Normen. ”The men’s are the sexes I will live without. I’ll return to the bosom where my journey ends. Where there’s no penis between us friends.” In Folge ihrer Erfahrungen mit Männern bzw. ausgehend von der Rolle der Männer als Träger der patriarchalen Unterdrückung lehnte sie eine Zusammenarbeit grundsätzlich ab. ”Wer bestreitet, daß Männer aktiv, systematisch und unerbittlich am Krieg und Terror gegen Frauen beteiligt sind, betrügt letztlich sich selbst.” Entsprechend trug ihre zweite LP trug einen Aufkleber, der darauf hinwies, daß die Aufnahmen nur an Frauen verkauft und von Frauen gehört werden sollen.

FEMINISTISCHE MUSIK IN DER BRD

Zu den ersten Liedern mit einem feministischen Text, die in der bundesdeutschen Frauenbewegung eine weite Verbreitung fanden, gehörte ”Frauen gemeinsam sind stark!”. Es wurde 1972 von Frauen des Frankfurter Weiberrates geschrieben, einer aus den Fraueninitiativen der Außerparlamentarischen Opposition hervorgegangenen Gruppe. In den sechs Strophen wurde, wie in fast allen Texten der frühen Lieder, gleichermaßen die Unterdrückung der Frau im Privat- und im Arbeitsbereich aufgezeigt. ”In der Werbung Puppen, Arbeit in Leichtlohngruppen. Wir sind stets nur Objekt: Schlank sei die Hüfte, groß dafür die Brüste, auch wenn die Psyche verreckt. Frauen zerreißt eure Ketten. Schluß mit Objektsein in Betten. Frauen gemeinsam sind stark. Wir sollen dienen als Gebär-maschinen, aber wir wollen das nicht mehr. Ob Lohn oder Beischlaf, wir sollen unten liegen, passiv uns in alles fügen. Umsturz ist mehr als Enteignung: Umgang von Freien mit Freien. Frauen gemeinsam sind stark.”

Ebenfalls im Umfeld des Frankfurter Weiberrates entstand das ”Frauenzentrumslied”, das zur Eröffnung eines Frauenzentrums geschrieben wurde: ”Frauen, kennt ihr schon das Neuste, was sich tut in unserer Stadt. Wir haben jetzt ein Frauenzentrum, Isolierung haben wir satt. Frauen tun sich jetzt zusammen, denken endlich mal an sich, wollen nicht länger dienen, handeln ist erforderlich. Männer geh’n in ihre Kneipen, geh’n zum Fußball, spielen Skat - Doch wer muß putzen, spülen, kochen? Frauen haben den Salat. In Büros und in Fabriken ist die Arbeit monoton. Und die Schäden, die sind bleibend, und dazu noch wenig Lohn. Drum, ihr Frauen, sprengt die Ketten, die euch binden an das Haus. Habt ihr schon gehört, es gibt ein Zentrum, habt ihr schon gehört, jetzt geht es los! (...)”.

Die erste in der Bundesrepublik Deutschland veröffentlichte Frauenmusik-Schallplatte war die 1973 erschienene LP ”Von heute an gibt’s mein Programm”, an der sich verschiedene MusikerInnen unterschiedlicher Projekte beteiligten, ohne sich jedoch zu einer festen Gruppe zusammenzuschließen. ”Die Lieder sind Ausdruck der Lernprozesse, die wir zusammen gemacht haben, der verschiedenen Ansätze der Bewegung und unserer Gefühle. Sie schildern die Unterdrückung der Frau - wie wir sie in unserer Geschichte selbst gelebt und im Kontakt mit vielen anderen Frauen erfahren haben. Doch beweisen diese Lieder auch, daß Frauen aus dem Netz männlicher Definition, männlicher Herrschaft ausbrechen. Frauen klagen nicht nur an - sie beginnen für ihr Leben eigene Werte und Vorstellungen zu entwickeln.”

Das Lied ”Der Tag wird kommen” drückte symbolhaft die hoffnungsvolle Erwartung grund-legender Veränderungen aus. Es beschreibt gleichzeitig aber auch die Langwierigkeit dieses Prozesses. ”Doch vielleicht wird daran noch niemand glauben. Doch es gibt eins, woran sie glauben sollten: Die Frauen, die jetzt schlafen, werden bald erwachen. Und dahin gehen wohin sie immer wollten. Kannst du den Fluß unter dir hören. Wie sich sein Wasser unter die Schluchten gräbt. Hörst du, wie langsam die Steine zerbrechen. Und der Fluß den Sand aus den Tälern trägt. Doch vielleicht wird das noch niemand hören. Doch es gibt eins was sie hören werden: Wenn die Wasser die Felsen niederreißen. Und die Schluchten weichen vor den neuen Gärten.”

DIE FLYING LESBIANS UND DIE FRAUENFESTE

Die Flying Lesbians waren die erste Frauen- bzw. Lesbenband, die in der bundesdeutschen feministischen Bewegung eine überregionale Popularität erlangte. Ausdrücklich bekannten sich die fünf Musikerinnen der Gruppe schon in ihrem Bandnamen dazu Lesben zu sein. Sie durchbrachen damit die gesellschaftlich erzwungene Tabuisierung weiblicher Homosexualität. ”Wenn wir eigene Feste machen, dann wollen wir zu unserer eigenen Musik, zu unseren eigenen Texten, die unsere Erfahrungen widerspiegeln und ausdrücken, tanzen, und uns nicht vom Chauvi-Rock behämmern lassen. Wir verstehen uns als eine Arbeitsgruppe innerhalb der Lesben- und Frauenbewegung, das heißt wir machen nur für, vor und mit Frauen Musik. Einerseits weil Musik für jede von uns persönlich Spaß bringt und andererseits wollen wir mit der Musik frauenspezifische Inhalte sinnlich vermitteln.”

Entgegen ihres Anspruchs gelang es den Flying Lesbians jedoch nur ansatzweise auf der musikalischen Ebene den grundlegenden Widerspruch zwischen den feministischen Inhalten und der Rockmusik als ein von Männern geprägtes Ausdrucksmittel zu überwinden. ”Das war ein Versuch Feminismus in Musikinstrumente zu quetschen. Anstatt rauszuholen, was an Weiblichem in Musik steckt und wieviel Musik in Frauen versteckt ist. Instrumente durften ja eigentlich immer nur Männer spielen, Instrumente galten als verlängerte Schwänze. Und jetzt hielten Frauen dieselben Instrumente. War ganz schön merkwürdig wie sie damit umgingen. Sie blieben ihnen fremd. Und sich selber blieben sie sich auch fremd. Sie waren angewiesen auf männliche Vorbilder.”

Die Gründung der Gruppe wurzelte in einer Notlage. Eine für ein Frauenfest in Berlin angekündigte Band aus England sagte kurzfristig ab, so daß sich einige lokale Musikerinnen zu einer Gruppe zusammenschlossen, aus der später die Flying Lesbians hervorgingen. Das Fest, das im Mai 1974 im Frauenkulturzentrum Berlin-West stattfand, war unter dem programmatischen Motto ”Rockfete im Rock” nur für Frauen zugänglich. Es erlangte als Ausdruck einer eigenständigen Kultur schnell eine symbolhafte Bedeutung für die neue Frauenbewegung.

Grundlegende Elemente der Texte der Flying Lesbians waren die Ablehnung der patriarchalen Gesellschaftsordnung und der Aufruf an Frauen, sich den herrschenden Normen zu widersetzen. ”Wir sind eine Million Jahre alt, doch was haben wir daraus gelernt? Wir durften nie wir selber sein, noch immer sind wir uns so fern. Und wir träumen vom Matriarchat, von Amazonen und Sirenen, und von Lilith, die die erste Menschin war. Von ihrer Stärke blieb uns wenig. Wir sind eine Million Jahre jung, doch alt genug um zu kapieren, daß wir Frauen alle zusammengehören, denn außer Männern haben wir nichts zu verlieren!”

In dem von Monika Jaeckel getexteten und von Barbara Bauermeister komponierten Stück ”Suzanne” setzte sich die Band mit den erdrückenden Zwängen der anerzogenen Schönheitsideale auseinander. Die in dem Text immer wieder angesprochene Suzanne verkör-perte dabei symbolhaft eine Frau, die sich diesen Vorgaben verweigert. ”Mich schnürt es ein, Suzanne. Ich will hier raus, Suzanne. Ich bin in meinem Körper einfach nicht zu Haus, Suzanne. Die Brust zu groß, die Brust zu klein, Suzanne. Wir sind in unserer Angst immer nur allein. Ich bin so plump Suzanne, so verdammt rund, Suzanne. Ich kann in Schaufenstern mich einfach nicht mehr sehen! Du hast den Kopf so frei. Dir ist es einerlei, was man sich denkt dabei, du weißt wohin das führt.” Im Refrain wird Bezug zu einem wegweisenden Frauentreffen genommen, das 1974 auf der dänischen Insel Femø stattfand. ”Du lächelst nicht nur so, die Augen irgendwo. Dein ganzes Bild erzählt Geschichte, die uns fehlt. Zweihundert Frauen auf Femø fingen an! Für jede ist es schwer, zu glauben sie ist wer. Wir hatten gar nichts an, was uns verstecken kann. Wir sahen uns als Frauen einfach an. Hundert Frauen tanzen, nehmen sich das Recht, dick und rund zu sein, und groß und stark erst recht. Da sind sie selbstbewußt, das hab ich gleich gewußt, zweihundert mal Suzanne, ja das steckt einfach an.”

DAS FRAUENORCHESTER UND DIE PERSPEKTIVE

Die Gründung des Großen Frauenorchesters Köln ging im einen Artikel in einer alternativen Stadtzeitung zurück, in dem zwei Frauen zur Gründung einer Frauenmusikgruppe aufriefen. In Folge meldeten sich zwanzig Frauen im Alter zwischen neunzehn und fünfunddreißig Jahren, die, wie es in einer Selbstdarstellung hieß, fast durchgehend ”in verschiedenen Musikgruppen unabhängig voneinander die trübe Erfahrung gemacht hatten, daß ihre Liedvorschläge und musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten von Männermusikern nicht ernst genommen wurden.”

Aus diesen Erfahrungen zogen die Frauen die Konsequenz eine Gruppe bzw. ein Orchester zu bilden, das ausschließlich aus Frauen besteht. ”Früher haben wir etwas wurschtig gelacht, wenn man uns auf den Namen Orchester ansprach, denn der konventionellen Vorstellung von Orchester mit Geigen und Trompeten und vor allem Direktion entsprechen wir nicht. Später wurden wir uns dann darüber klar, daß unsere verschiedenartigen Stimmen und Meinungen den Namen Orchester rechtfertigen. Das war am Anfang das Faszinierendste, die menschliche, die weibliche Stimme in ihren Färbungen, Brüchigkeiten.”8 In den Texten stellte das Orchester beispielsweise den Alltag einer Hausfrau dar und beschrieb die alltägliche Gewalt gegen Frauen. In anderen Liedern mit einem starken lokalen Bezug solidarisierten sich die Musikerinnen unter anderem mit dem Widerstand gegen eine geplante Stadtautobahn. Daneben spielte das Orchester eine Reihe traditioneller Lieder mit politischen Inhalten, sowie verschiedene Liebeslieder.

Charakteristisch für die Frauenmusik der siebziger Jahre bzw. für viele Stücke politisch ausgerichteter Musikgruppen war der Text des Liedes ”Blödmann oder wie wird man eine Sozialhilfeempfängerin”. Es basiert auf der beispielhaften Darstellung sozialer und politischer Mißstände, die in den letzten Strophen in einen gesamt-gesellschaftlichen Bezug gestellt und mit der Beschreibung konkreter Veränderungs-möglichkeiten im Zusammenhang mit einer Organisierung verbunden wird. Im Einzelnen beschreibt das Lied die Geschichte einer jungen Frau, die in Erwartung eines Kindes heiratet, aber schon bald von ihrem Ehepartner ausgenutzt und betrogen wird. Nachdem es ihr gelingt, sich durch eine Scheidung von der ehelichen Abhängigkeit zu lösen, gerät sie als alleinerziehende Mutter in eine soziale Notsituation. Am Ende des Stückes wird die Ebene der fiktiven Beschreibung, die auf realen Lebenserfahrungen basiert, verlassen und den Frauen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, ein Bürgerzentrum als Beratungs- und Hilfsmöglichkeit vorgestellt. In der letzten Strophe heißt es: ”So oder anders, aber schlecht, so geht es sehr vielen. Wir wissens nicht, das ist nicht recht. Jedoch ist es verständlich, ein jeder schämt sich für sich selbst und denkt er selbst ist schuld. Wenn das nicht bald ein Ende hat, dann reißt mir die Geduld! In der Geldernstraß, da gibt’s ein Bürgerzentrum. Die quatschen nicht, die machen was, manchmal sogar mit Spaß. Drum geh ins Zentrum hin. Beredet eure Sorgen und schämt euch nicht, verschiebt sie nicht auf morgen!”



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