|
|
Subcomandante Marcos:
DIE WELT NEU ERSCHAFFEN
In den letzten Jahren hat sich die Macht des Geldes eine neue Maske über ihr Gesicht gezogen. Über Grenzen hinweg, ohne Einschränkung
auf Kulturen und Hautfarben erniedrigt sie noch immer die menschliche
Würde, zerstört die Ehrlichkeit und mordet die Hoffnung.
Doch das historische Verbrechen der Privilegien, Reichtümer
und Straffreiheiten hat sich nun umbenannt, mit dem Bergriff des
Neoliberalismus versucht es mit neuer Stärke Elend und Hoffnungslosigkeit
zu verschleiern.
Erneut wird ein Weltkrieg ausgetragen, aber in diesem Falle richtet
er sich nicht gegen einzelne Staaten, sondern gegen die gesamte
Menschheit. Unter dem Namen der "Globalisierung" rufen
sie zu diesem modernen Krieg auf, der viele verschiedene Wege kennt
um zu töten. Wie in allen Weltkriegen zuvor geht es um die
Verteilung der Welt mit dem Ziel die Macht in der Macht zu konzentrieren
und das Elend im Elend.
Die Verteilung der Welt schließt die sogenannten Minderheiten
aus. Indigene, Jugendliche, Frauen, Schwule, Lesben, Farbige, ImmigrantInnen,
ArbeiterInnen, Campesinos. Also all die Mehrheiten, die für
die Macht nur solange interessant sind wie sich verwerten lassen.
Das Heer des Finanzkapitals und der korrupten Regierungen schreitet
voran und erobert in der einzigen Art und Weise, in der es erobern
kann: durch Zerstörung. Die Neuverteilung der Welt hat nur
Platz für das Geld und seine Diener. Die Neuverteilung der
Welt setzt Männer und Frauen mit Maschinen in ihrer Knechtschaft
und ihrer Entbehrlichkeit auf eine Stufe. Die Neuverteilung der
Welt zerstört die Menschen.
Die Lüge herrscht und sie wird durch die Medien weitergetragen
und verfielfältigt. Eine neue Lüge wird uns nun als Geschichte
verkauft. Es ist die Lüge der Niederlage der Hoffnung, die
Lüge der Niederlage der Würde, die Lüge der Niederlage
der Menschlichkeit. Zum Ausgleich bietet uns der Spiegel der Macht
die Lüge vom Sieg des Zynismus, die Lüge vom Sieg der
Unterwürfigkeit, die Lüge vom Sieg des Neoliberalismus.
Statt Menschlichkeit bieten sie uns Börsenkurse, statt Würde
bieten sie uns die Globalisierung des Elends, statt Hoffnung bieten
sie uns die Leere, statt Leben bieten sie uns die Internationale
des Schreckens.
Gegen diese Internationale des Schreckens müssen wir gemeinsam
die Internationale der Hoffnung erheben. Die Einheit jenseits der
Grenzen, Sprachen, Hautfarben, Kulturen, Geschlechter, Strategien
und Gedanken, die Einheit all derer, die an der lebendigen Entwicklung
der Menschheit interessiert sind und dafür eintreten.
Es geht um die Internationale der Hoffnung. Nicht die Bürokratie
der Hoffnung, nicht die Kehrseite, die dadurch dem so ähnlich
ist, das uns zerstört. Nicht die Macht mit neuen Symbolen,
in neuen Kostümen. Es geht um einen Atemzug - ja, es geht um
den Atemzug der Würde. Es geht um eine Blume - ja, um eine
Blume der Hoffnung. Es geht um ein Lied - ja, um ein Lied des Lebens.
Die Würde ist jenes Land ohne Nationalität, jener Regenbogen,
der gleichzeitig eine Brücke ist, jenes Pulsieren des Herzens,
egal wessen Blut durch die Adern fließt, jene rebellische
Ehrfurchtslosigkeit, die Grenzen, Zölle und Kriege verhöhnt.
Die Hoffnung ist jene Aufsäßigkeit, die sich der Anpassung
verweigert, sich der Niederlage widersetzt. Das Leben von dem wir
sprechen ist das Leben in einer Gesellschaft der Freiheit, die nicht
auf Ausbeutung basiert, in der die Gerechtigkeit der Maßstab
ist für das, was wir geben und bekommen. Das Leben ist das,
was sie uns schulden: das Recht selbstbestimmt zu entscheiden, zu
denken und handeln.
Aus all diesen Gründen gehen wir den Weg des Widerstandes.
Gemeinsam mit denen, die mit uns gegen die Zerstörung kämpfen,
mit uns den Atemzug der Würde und die Blume der Hoffnung teilen,
mit uns das Lied des Lebens singen.
Wir alle tragen die Menschlichkeit in unseren Herzen. Es liegt
an uns sie zu erwecken. Dabei ist es nicht notwendig, die Welt zu
erobern. Es geht vielmehr darum, sie neu zu schaffen. Durch uns.
Heute.
Aus den Bergen des mexikanischen Südostens
Subcomandante Marcos
Reden und Texte von Subcomandante Marcos
Ejército Zapatista de Liberación Nacional
Solidarity Pages with Mexico
|