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Aufruf der EZLN für eine Internationale der Hoffnung:
"Die Hoffnung ist jene Aufsässigkeit, die Konformismus
und Niederlagen ablehnt."
Subcomandante Marcos:
ERSTE ERKLÄRUNG VON LA REALIDAD
Gegen den Neoliberalismus und für die Menschheit.
"Ich bin schon gekommen,
ich bin hier schon anwesend,
ich, der Sänger.
Genießet die gute Stunde,
kommt alle hierher Euch vorzustellen,
die Ihr betrübten Herzens seid.
Ich erhebe mein Lied."
(Náhuatl-Gedicht)
An die Völker der Welt:
Brüder und Schwestern:
In den letzten Jahren hat sich die Macht des Geldes eine neue Maske
über ihr kriminelles Gesicht gezogen. Über Grenzen hinweg,
ohne Rücksicht auf Rassen und Hautfarben erniedrigt die Macht
des Geldes die Würde, beleidigt sie die Ehrlichkeit und ermordet
sie die Hoffnung. In "Neoliberalismus" hat sich das historische
Verbrechen der Privilegien, Reichtümer und Straffreiheiten
umbenannt, es demokratisiert jetzt das Elend und die Hoffnungslosigkeit.
Ein neuer Weltkrieg wird ausgetragen, aber jetzt gegen die gesamte
Menschheit. Wie in allen Weltkriegen geht es um eine Neuverteilung
der Welt.
Unter dem Namen der "Globalisierung" rufen sie zu diesem
modernen Krieg, der mordet und vergißt. Die Neuverteilung
der Welt besteht darin, die Macht in der Macht zu konzentrieren
und das Elend im Elend.
Die Neuverteilung der Welt schließt die "Minderheiten"
aus. Indígenas, Jugendliche, Frauen, Homosexuelle, Lesben,
Farbige, ImmigrantInnen, ArbeiterInnen, Campesinos; die Mehrheiten,
welche die weltweiten Keller bilden, stellen für die Macht
entbehrliche Minderheiten dar. Die Neuverteilung der Welt schließt
die Mehrheiten aus.
Das moderne Heer des Finanzkapitals und der korrupten Regierungen
schreitet voran und erobert in der einzigen Art und Weise, in der
es zu erobern weiß: durch Zerstörung. Die Neuverteilung
der Welt zerstört die Menschheit.
Die Neuverteilung der Welt hat nur Platz für das Geld und seine
Diener. Männer, Frauen und Maschinen werden gleichgesetzt in
ihrer Knechtschaft und ihrer Entbehrlichkeit. Die Lüge herrscht
und vervielfältigt sich in Medien und Erscheinungsformen.
Eine neue Lüge wird uns als Geschichte verkauft. Die Lüge
der Niederlage der Hoffnung, die Lüge der Niederlage der Würde,
die Lüge der Niederlage der Menschheit. Der Spiegel der Macht
bietet uns zum Ausgleich: die Lüge des Sieges des Zynismus,
die Lüge des Sieges der Unterwürfigkeit, die Lüge
des Sieges des Neoliberalismus.
Statt Menschheit bieten sie uns Börsenkurse, statt Würde
bieten sie uns die Globalisierung des Elends, statt Hoffnung bieten
sie uns die Leere, statt Leben bieten sie uns die Internationale
des Schreckens.
Gegen die Internationale des Schreckens, die der Neoliberalismus
darstellt, müssen wir die Internationale der Hoffnung erheben.
Die Einheit, jenseits der Grenzen, Sprachen, Hautfarben, Kulturen,
Geschlechter, Strategien und Gedanken, all derer, denen eine lebende
Menschheit lieber ist.
Die Internationale der Hoffnung. Nicht die Bürokratie der Hoffnung,
nicht die Kehrseite, die dadurch dem so ähnlich ist, das uns
zerstört. Nicht die Macht mit neuem Zeichen, in neuen Kostümen.
Ein Atemzug, ja, ein Atemzug der Würde. Eine Blume, ja, eine
Blume der Hoffnung. Ein Lied, ja, ein Lied des Lebens.
Die Würde ist jenes Vaterland ohne Nationalität, jener
Regenbogen, der gleichzeitig eine Brücke ist, jenes Murmeln
des Herzens, egal, wessen Blut es belebt, jene rebellische Ehrfurchtslosigkeit,
die Grenzen, Zölle und Kriege verhöhnt.
Die Hoffnung ist jene Aufsässigkeit, die Konformismus und Niederlagen
ablehnt.
Das Leben ist das, was sie uns schulden: das Recht, zu regieren
und uns zu regieren, zu denken und handeln in einer Freiheit, die
nicht über die Sklaverei anderer ausgeübt wird, das Recht,
zu geben und zu nehmen, was gerecht ist.
Aus all diesen Gründen, und zusammen mit denen, die jenseits
von Grenzen, Rassen und Hautfarben mit uns das Lied des Lebens,
den Kampf gegen den Tod, die Blume der Hoffnung und den Atemzug
der Würde teilen... richtet sich das Ejército Zapatista
de Liberación Nacional
An alle die, die für die menschlichen Werte der Demokratie,
Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen.
An alle die, die sich darum bemühen, dem weltweiten Verbrechen
namens "Neoliberalismus" zu wiederstehen, und danach streben,
daß die Menschheit und die Hoffnung, besser zu werden, zu
Synonymen der Zukunft werden.
An alle Individuen, Gruppen, Kollektive, Bewegungen, soziale, politische
und Bürgerrechts-Organisationen, an alle Gewerkschaften, Nachbarschaftsorganisationen,
Kooperativen, an alle vergangenen und zukünftigen Linken, Nicht-Regierungsorganisationen
und Gruppen der Solidarität mit den Kämpfen der Völker
der Welt, Banden, Stämme, Intellektuelle, Indígenas,
Studierende, MusikerInnen, ArbeiterInnen, KünstlerInnen, LehrerInnen,
Campesinos, Kulturinitiativen, Jugendbewegungen, alternative Medien,
Umweltbewegte, Slumsiedler, Lesben, Homosexuelle, Feministinnen,
PazifistenInnen.
An alle Menschen ohne Haus, ohne Land, ohne Arbeit, ohne Nahrung,
ohne Gesundheit, ohne Bildung, ohne Freiheit, ohne Gerechtigkeit,
ohne Unabhängigkeit, ohne Demokratie, ohne Frieden, ohne Vaterland,
ohne Morgen.
An alle die, die gleich welcher Hautfarben, Rassen oder Grenzen
die Hoffnung zu ihrer Waffe und ihrem Schild machen.
Und lädt sie ein zum
Ersten Interkontinentalen Treffen für die Menschheit und gegen
den Neoliberalismus, das zwischen den Monaten April und August 1996
in den fünf Kontinenten nach folgendem Veranstaltungsprogramm
stattfindet:
Erstens:
Kontinentale Vorbereitungsversammlungen im Monat April 1996 an folgenden
Orten:
1. Europäischer Kontinent: in Berlin, Deutschland.
2. Amerikanischer Kontinent: in La Realidad, Mexico.
3. Asiatischer Kontinent: in Tokio, Japan.
4. Afrikanischer Kontinent: Ort steht noch nicht fest.
5. Ozeanischer Kontinent: in Sidney, Australien.
Anmerkung: Die kontinentalen Veranstaltungsorte können geändert
werden, wenn die organisierenden Gruppen es so beschließen.
Zweitens:
Interkontinentales Treffen für die Menschheit und gegen den
Neoliberalismus, vom 27. Juli bis zum 3. August 1996 in den zapatistischen
"Aguascalientes" in Chiapas, Mexico mit den folgenden
Grundsätzen:
Themen:
- Arbeitsgruppe 1: Wirtschafliche Aspekte dazu, wie unter dem Neoliberalismus
gelebt wird, wie ihm widerstanden wird, wie gekämpft wird,
sowie Vorschläge dafür, wie gegen ihn und für die
Menschheit zu kämpfen ist.
- Arbeitsgruppe 2: Politische Aspekte dazu, wie unter dem Neoliberalismus
gelebt wird, wie ihm widerstanden wird, wie gekämpft wird,
sowie Vorschläge dafür, wie gegen ihn und für die
Menschheit zu kämpfen ist.
- Arbeitsgruppe 3: Soziale Aspekte dazu, wie unter dem Neoliberalismus
gelebt wird, wie ihm widerstanden wird, wie gekämpft wird,
sowie Vorschläge dafür, wie gegen ihn und für die
Menschheit zu kämpfen ist.
- Arbeitsgruppe 4: Kulturelle Aspekte dazu, wie unter dem Neoliberalismus
gelebt wird, wie ihm widerstanden wird, wie gekämpft wird,
sowie Vorschläge dafür, wie gegen ihn und für die
Menschheit zu kämpfen ist.
Organisation:
Die Vorbereitungsversammlungen in Europa, Asien, Afrika und Ozeanien
werden von den Komitees der Solidarität mit dem zapatistischen
Aufstand, ihnen nahestehenden Organisationen und Gruppen von BürgerInnen
organisiert, die am Kampf gegen den Neoliberalismus und für
die Menschheit interessiert sind. Wir rufen die Gruppen aller Länder
dazu auf, gemeinsam an der Organisierung und Durchführung der
Vorbereitungsversammlungen mitzuwirken.
Das Interkontinentale Treffen für die Menschheit und gegen
den Neoliberalismus, das vom 27. Juli bis zum 3. August 1996 in
Chiapas, Mexico, staatfindet, wird vom EZLN sowie von mexikanischen
BürgerInnen und Nicht-Regierungsorganisationen organisiert,
die rechtzeitig bekanntgegeben werden.
Allgemeine und interkontinentale Anmerkung: Alle nicht in diesem
Aufruf vorgesehenen Details werden von den entsprechenden Organisationskomitees
- was die kontinentalen Vorbereitungstreffen angeht - und - bezüglich
des Treffens in Chiapas, Mexico - vom interkontinentalen Organisationskomitee
entschieden.
Brüder und Schwestern:
Die Menschheit lebt in unserer aller Brust, und sie bevorzugt, wie
unser Herz, die linke Seite. Wir müssen sie finden, wir müssen
uns finden.
Es ist nicht notwendig, die Welt zu erobern. Es reicht, sie neu
zu schaffen. Durch uns. Heute.
Demokratie! Freiheit! Gerechtigkeit!
Aus den Bergen des mexikanischen Südostens
Für das Comité Clandestino Revolucionario Indígena
-
Comandancia General del Ejército Zapatista de Liberación
Nacional,
Subcomandante Insurgente Marcos
Mexico, im Januar 1996
Reden und Texte von Subcomandante Marcos
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