|
|
Zaigon:
ROBERT OWEN UND DER ENGLISCHE FRÜHSOZIALISMUS
1. EINFÜHRUNG
2. DIE KRITIK AM KAPITALISMUS
2.1 UTOPISCHE VORLÄUFER
2.2 THOMAS PAINE UND DIE RECHTE DES MENSCHEN
2.3 WILLIAM GODWIN UND DIE KRITIK AM STAAT
2.4 WILLIAM THOMPSON UND DIE KOOPERATIVE GESELLSCHAFT
2.5 THOMAS HODGSKIN UND DER WERT DER ARBEIT
2.6 JOHN GRAY UND DAS PRINZIP DER NÜTZLICHKEIT
2.7 JOHN FRANCIS BRAY UND DAS GEMEINSCHAFTSEIGENTUM
3. DIE GESELLSCHAFTSTHEORIE ROBERT OWENS
3.1 EINFLÜSSE AUF DAS DENKEN OWENS
3.2 DIE BILDUNG DES CHARAKTERS
3.3 ERZIEHUNG UND BILDUNG
3.4 DIE KRITIK AM KAPITALISMUS
3.5 SIEDLUNGS- UND GENOSSENSCHAFTSKONZEPTE
3.6 DIE BEZIEHUNG DER GESCHLECHTER
3.7 DIE GESELLSCHAFT DER VERNUNFT
4. ROBERT OWEN UND DAS PROJEKT NEW LANARK
4.1 PRÄGENDE ERLEBNISSE IN DER KINDHEIT
4.2 DER WIRTSCHAFTLICHE AUFSTIEG
4.3 DIE PRIVATE ENTWICKLUNG ROBERT OWENS
4.4 DIE FABRIKSIEDLUNG NEW LANARK
4.5 DIE VERÄNDERUNGEN DER ERSTEN JAHRE
4.6 DIE ETABLIERUNG DES REFORMMODELLS
4.7 DIE SCHULE DER CHARAKTERBILDUNG
4.8 OWENS RÜCKZUG AUS NEW LANARK
5. DAS PROJEKT NEW HARMONY
5.1 DIE GRÜNDUNG
5.2 DIE GESELLSCHAFT DES ÜBERGANGS
5.3 DIE GEMEINSCHAFT DER GLEICHHEIT
5.4 DER ZERFALL
5.5 DIE AUSWIRKUNGEN
6. OWEN UND DER FRÜHE SOZIALISMUS IN ENGLAND
6.1 DIE GENOSSENSCHAFTSBEWEGUNG
6.2 OWEN UND DIE GENOSSENSCHAFTSBEWEGUNG
6.3 DAS PROJEKT ORBISTON
6.4 DIE ARBEITSTAUSCHBÖRSEN
6.5 DER KONFLIKT ZWISCHEN THOMPSON UND OWEN
6.6 DIE GEWERKSCHAFTSBEWEGUNG
6.7 DIE GRAND UNION
6.8 KLASSENVEREINIGUNG UND KLASSENKAMPF
6.9 DIE RELIGION DER VERNUNFT
1. EINFÜHRUNG
Die Jahrzehnte um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert bildeten
einen bedeutenden Abschnitt für die Entwicklung sozialistischer
Ideen, die insbesondere in den großen europäischen Nationen
England, Frankreich und Deutschland aufkamen und dort einen zunehmenden
Einfluß erhielten.
Zu den wichtigsten Vertretern des Frühsozialismus gehörten
die beiden Franzosen Claude-Henri de Saint-Simon (1760-1825), Charles
Fourier (1772-1837) und der Engländer Robert Owen (1771-1858).
Beträchtlichen Einfluß in England hatte neben Owen insbesondere
William Thompson (1775-1833), sowie Thomas Hodgskin (1787-1869),
John Gray (1799-1883) und John Francis Bray (1809-1895). Mit Einschränkungen
ist zudem William Godwin (1756-1836) dem englischen Frühsozialismus
zuzuordnen.
Den gesellschaftlichen Hintergrund bildete der Prozeß der
Industriealisierung, beziehungsweise die daraus resultierende Verschärfung
der sozialen Gegensätze und die damit verbundene Armut und
Rechtlosigkeit großer Teile der arbeitenden Bevölkerung.
Dazu schrieb E. P. Thompson: The experience of immiseration came
in a hundred different forms; for the field labourer, the loss of
his common rights and the vestiges of village democracy; for the
artisan, the loss of his craftsmans status; for the weaver
the, the loss of livelihood and of independence; for the child,
the loss of work and play in the home; for many groups of workers,
the loss of security, leisure and the deterioration of the urban
environment.
Auch wenn den Vertretern frühsozialistischer Theorien kein
ein homogenes Gedankengut zugrunde lag und die sich die einzelnen
Positionen zum Teil widersprachen, lassen sich doch grundlegende
gemeinsame Merkmale aufzeigen. G. D. H. Cole beschrieb als zentrales
Merkmal des Frühsozialismus das Ziel der Veränderung der
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, hin zu einer Gesellschaft
die sich an Glück und Wohlstand ihrer Mitglieder orientiert.
"In the first place, all regarded the social question
as by far the most important of all, and insisted that it was, above
all else, the task of good men to promote the general happiness
and well-being. Secondly, all regarde this task as wholly incompatible
with the continuance of any social order which rested on, or set
out to encourage, a competitive struggle between man and man for
the means of living. Thirdly, all were deeply distrustful of politics
and of politicians, and believed that the future control of social
affairs should lie mainly, not with parliaments or ministers, but
with the producers."
Manfred Hahn, der den Begriff vormarxistischer Sozialismus
weitgehend synonym mit dem Begriff Frühsozialismus gebraucht,
sieht den revolutionären Kern des vormarxistischen Sozialismus
als die gedankliche Überwindung der kapitalistischen
Gesellschaft als Ganzes. "Als gedachter Sozialismus ist
der vormarxistische Sozialismus die in Analyse und Kritik gefaßte,
ablehnend und fordernd auftretende Lehre von der kapitalistischen
Gesellschaft als einer notwendig untergehenden Ordnung, ist Wissen
über sie bei Einschluß der Konzeption des zum Guten gewendeten
Gesellschaftssystems der Zukunft, ohne gedankliche Rückkehr
zu vorkapitalistischen Verhältnissen."
Hinsichtlich des Weges mit dem die gesellschaftliche Veränderung
herbei geführt werden sollte bestanden unterschiedliche Vorstellungen.
So setzten Godwin und Owen auf die Kraft der Überzeugung und
des Beispiels, während beispielsweise Thompson der Arbeiterklasse
ausdrücklich das Recht zubilligte ihre Forderungen auch gegen
den Willen der Machthaber durchzusetzen.
Charakteristisch für alle Frühsozialisten war die Überzeugung,
daß mit dem Aufbau der angestrebten idealen Gesellschaft schon
unter den Bedingungen des Kapitalismus begonnen werden muß.
Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Gründung kommunitärer
und genossenschaftlicher Projekte wie die Gemeinschaftssiedlungen
Orbiston und New Harmony .Am Beispiel dieser Projekte wie auch im
Zusammenhang mit den pathetischen Beschreibungen der zukünftigen
Gesellschaft werden die utopischen Züge der frühsozialistischen
Theorien deutlich. Insbesondere der Marxismus griff später
diesen Aspekt auf. und stellte dem utopischen Sozialismus
den wissenschaftlichen Sozialismus gegenüber. Die
Konzepte von Theoretikern wie Owen und Fourier würden zwar
auf der berechtigten Kritik am Kapitalismus basieren, in ihrer Analyse
der gesellschaftlichen und historischen Zusammenhänge blieben
sie aber unzureichend.
Eine besondere Bedeutung wurde von allen frühsozialistischen
Theoretikern dem kulturellen Bereich zugemessen. Ein wesentliches
Merkmal bildete die Forderung nach der Gleichberechtigung der Frau
wie sie von Owen, Thompson und Godwin erhoben wurde, wobei sich
auch diese Theoretiker in ihrem Denken nicht gänzlich von den
umgebenden patriarchalen Bedingungen lösen konnte. Einen weiteren
Schwerpunkt bildete der Bereich der Erziehung. Ausgangspunkt war
dabei die Erkenntnis, daß der Mensch in wesentlichen Zügen
von den umgebenden gesellschaftlichen Bedingungen geprägt wird.
Wenn diese prägenden Faktoren, darunter insbesondere die Erziehung,
in einem positiven Sinne verändert werden kommt es auch zu
einer positiveren Entwicklung des einzelnen Menschen.
Die herausragende Persönlichkeit innerhalb des englischen
Frühsozialismus ist ohne Zweifel Robert Owen. Ausgehend von
seiner Lehre von der Beeinflussung des Menschen durch die äußeren
Umstände entwickelte er die Theorie einer veränderten
Gesellschaft. In der Fabriksiedlung New Lanark setzte er seine Vorstellungen
beispielhaft im Sinne eines Modells für die Reform des kapitalistischen
Systems um. Im Rahmen der Siedlung New Harmony ging er noch weiter,
indem er mit dem letztlich gescheiterten Aufbau einer Gemeinschaft
begann, die auf der völligen Gleichheit aller Bewohner basieren
sollte. Der theoretische und praktische Einfluß Owens auf
die Entwicklung der Arbeiterbewegung war beträchtlich. Owen
initiierte Projekte wie die Labour Exchanges und hatte
maßgeblichen Einfluß auf die Gründung der Grand
National Consolidated Trades Union, dem ersten übergreifenden,
landesweiten Gewerkschaftszusammenschluß. Zudem prägten
seine Konzepte wichtige Vertreter der Genossenschafts- und der Gewerkschaftsbewegung.
2. DIE KRITIK AM KAPITALISMUS
In diesem Kapitel werden mehrere Theoretiker aufgeführt, welche
die Entwicklung des englischen Frühsozialismus nachhaltig beeinflußten.
Dabei lag ihnen allerdings keineswegs eine gleichförmige Weltanschauung
zugrunde. Die wesentlichen Gemeinsamkeiten lagen in der Ablehnung
der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und die Propagierung einer
humaneren und gerechteren Gesellschaft, die an den Bedürfnissen
der arbeitenden Bevölkerung und nicht am Ziel des größtmöglichen
Profits. Unterschiedliche Positionen bestanden in Bezug auf die
politischen Mittel mit denen die Veränderung herbeigeführt
werden sollte, im Verhältnis zum Eigentum und in der Einschätzung
der Rolle des Staates. Im engeren Sinne lassen sich nur William
Thompson, Thomas Hodgskin, John Gray, John Francis Bray und mit
Einschränkungen William Godwin als Frühsozialisten bezeichnen.
Bei Thomas Paine; Jeremy Bentham und Thomas Spence lassen sich tendenziell
ebenfalls sozialistische Standpunkte aufzeigen, sie gehen aber in
ihrer Gesellschaftsanalyse nicht von einer Ideologie aus, die sich
in ihrer Gesamtheit als sozialistisch bezeichnen läßt.
Ihre Bedeutung für die Entwicklung des Sozialismus in England
wird dadurch jedoch nicht geschmälert.
2.1 UTOPISCHE VORLÄUFER
Über die Jahrhunderte hinweg wurden den bestehenden Gesellschaftssystemen
Modelle gegenüber gestellt, die das Leben der Menschen in einer
neuen idealen Weise regeln sollen. Die Theorien der Frühsozialisten
beinhalteten somit in ihrer Zielrichtung kein neues Element, sie
bildeten vielmehr einen neuen Abschnitt in der langen Geschichte
von idealistischen Gesellschaftsentwürfen, die sich bis in
die griechische Antike und Philosophen wie Plato und Plutarch zurückführen
läßt. Zwei utopische Konzepte, die in der englischen
Geschichte eine besondere Rolle einnehmen, sollen hier kurz vorgestellt
werden.
Zu den wichtigsten utopischen Entwürfen der Neuzeit gehört
die Schrift Utopia von Thomas More (1477-1535), die zumindest indirekt
auch die Theoretiker des Sozialismus beeinflußte. More beschäftigte
sich darin mit dem Verhältnis von Moral und Politik innerhalb
eines Staatswesens und stellte seine Vorstellungen einer idealen
Geselschaft dar. Beschrieben wird die imaginäre Insel Utopia
,auf der ein Verbund von mehreren demokratisch regierten Städten
existiert und Geld und Handel abgeschafft sind, da alle Menschen
ihren Bedürfnissen entsprechend staatlich versorgt werden.
Zudem besteht ein allgemeines Gesundheits- und Bildungswesen und
es herrscht Toleranz gegenüber den verschiedenen Religionen.
Die Gesetze sind auf ein Mindestmaß reduziert, da die Bewohner
durch Erziehung zu bewußten Staatsbürgern geworden sind,
die ihr Leben in den Dienst der Gemeinschaft stellen.
Die scheinbar ideale Gesellschaft hat jedoch auch ihre Schattenseiten.
So basiert der wirtschaftliche Wohlstand auf der Ausbeutung von
Sklaven und viele Rechte sind nur für die männlichen Bewohner
Utopias gültig. Mores Ablehnung des Geldverkehrs und die gerechte
Verteilung des Besitzes entsprechen Theorien,welche in Schriften
Robert Owens und William Godwins rund drei Jahrhunderte später
erneut formuliert wurden. Doubtless, where possessions be
private,(..) where money beareth all the stroke, it is hard and
almost impossible that there the weal-public may justly be governed
and prosperously flourish. Unless you think thus: that justice is
there executed where all things come into the hands of evil men,
or that prosperity there flourisheth where all is divided among
a few, which few, nevertheless, do not lead their lives very wealthily,
and the residue live miserably, wrechtchedly, and beggarly. Wherefore
when I consider with myself and weigh in my mind the wise and godly
ordinances of the Utopians, among whom with very few laws all things
be so well and wealthily ordered that virtue is had in price and
estimation, and yet, all things being there common, every man hath
abundance of everything.
Zu einer der wichtigsten utopischen Schriften im England des 17.
Jahrhunderts wurde The Law of Freedom (1652) von Gerrard Winstanley
(1609-1660). Darin forderte Winstanley das Ende der Ausbeutung des
Menschen durch den Menschen. Zentral war dabei die gerechte Verteilung
von Grund und Boden mit dem Ziel, daß diejenigen die den Boden
bebauen auch den wirtschaftlichen Ertrag erhalten. Winstanley verurteilte
Kirche und Religion, wobei er das bestehende Gottesbild grundsätzlich
in Frage stellte und in seinen Schriften zum Teil das Wort Gott
durch Vernunft ersetzte.. Nicht minder scharf verurteilte er die
auf Eigentum basierende Monarchie und stellte ihr eine Regierung
des Gemeinwesens gegenüber: Commonwealth government governs
the earth without buying and selling and thereby becomes a man of
peace, and the restorer of ancient peace and freedom. (...) He beats
swords and spears into pruning hooks an ploughs. He makes both elder
and younger brother free-men in the earth.
2.2 THOMAS PAINE UND DIE RECHTE DES MENSCHEN
Zu den einflußreichsten staatskritischen Theoretikern in
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gehörte Thomas
Paine, der 1737 in Thetford (England) geboren wurde. Insbesondere
durch seine Schrift Rights of Man hatte er einen maßgeblichen
Einfluß auf die Entwicklung des frühen Sozialismus in
England. In seiner Schrift Letter Addressed to the Dressers, on
the Late Proclamation (1792) faßte Paine seine gesellschaftspolitischen
Positionen zusammen, wobei er gleichermaßen die Ablehnung
der Monarchie, sozialstaatliche Positionen und darüber hinaus
seine Vorstellung einer neuen globalen Ordnung aufführte. To
expose the fraud and imposition of monarchy, and every species of
hereditary government - to lessen the oppression of taxes - to propose
plans for the education of helpless infancy, and the comfortable
support of the aged and distressed - to endeavour to conciliate
nations to each other - to extirpate the horrid practice of war
- to promote universal peace, civilization, and commerce - and to
break the chains of political superstition, and raise degraded man
to his proper rank...
Paine hatte bei seinem Vater das Korsettmacherhandwerk erlernt,
dann dann aber einige Male seinen berufliche Tätigkeit gewechselt.
Schließlich wurde er Steuerbeamter und setzte sich dabei im
Namen der Bediensteten für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen
ein. Als deren Vertreter kam er in London mit verschiedenen Parlamentsmitgliedern
wegen der Forderungen nach Lohnerhöhungen zusammen. 1772 verfaßte
er in diesem Zusammenhang seine erste Schrift The Case of
the Offices of the Excise, in der er Kritik an der unzureichenden
Bezahlung der Steuerbeamten übte. Zwei Jahre später wurde
Paine aus dem Dienst entlassen. In London machte er Bekanntschaft
mit dem amerikanischen Politiker und Naturwissenschaftler Benjamin
Franklin. John Keane schrieb dazu: The amicable Franklin was
renowed for spirited conversation, and the meeting convinced Paine
that he had the means to change his life....
1775 ließ er sich in Philadelphia nieder und bekam ein Anstellung
beim Philadelphia Chronicle. Als es im April 1775 zum Ausbruch des
Unabhängikeitskrieges kam, unterstützte Paine die Position
der nach Unabhängigkeit strebenden Kolonialisten ein. 1776
veröffentlichte er sein berühmtes Pamphlet Common Sense
in dem er nachdrücklich für die Unabhängigkeit der
Union eintrat. Die Schrift erlangte eine Auflage von einer halben
Million Exemplaren und inspirierte die amerikanische Unabhängigkeitserklärung
nachhaltig. Paine griff darin die Monarchie und damit gleichzeitig
die britische Verfassung an, indem er sich auf auf das Naturrecht
der Menschen berief, richtete sich gegen die Klassifizierung der
Menschen in Könige und Untertanen und verurteilte entsprechend
die Institution der erblichen Monarchie: They might say We
choose you for our head, they could not, without manifest
injustice to their children, say that your children and your
childrens children shall reign over ours for ever. Because
such an unwise, unnatural compact might (perhaps) in the next succession
put them under the government of a rogue or a fool.
An Stelle der Monarchie sollte ein Repräsentativsystem
die politische Basis bilden, welches Paine zufolge als einzige Regierungsform
die Naturrechte der Menschen sichern kann. Der Staat hatte hierbei
nur ein einziges Ziel zu verfolgen, nämlich das Wohlergehen
all seiner Bürger zu fördern. 1787 kehrte er nach England
zurück und verfolgt von dort aus den Ausbruch der Französischen
Revolution (1789).Die er notwendige Überwindung der Monarchie
zugunsten eines republikanischen Staatswesens begrüßte
und sie 1792 in seiner vielbeachteten Schrift The Rights of Man
rechtfertigte: It was not against Louis the XVIth, but against
the despotic principles of the government, that the nation revolted.
These principles had not their origin in him, but in the original
establishment, many centuries back; and they were become too deeply
rooted to be removed, and the augean stable of parasites and plunderers
too abominably filthy to be cleansed, by any thing short of a complete
and universal revolution.
Als wesentliches Fundament eines demokratischen Staatswesens forderte
Paine in The Rights of Man eine Reihe von Maßnahmen, die ihn
aus heutiger Sicht zu einem frühen Vertreter des Sozialstaates
machen. Zu den von Paine geforderten Einrichtungen gehörten
unter anderem ein öffentliches Erziehungswesen, eine Altersversorgung
und Unterstützungsmaßnahmen für die ärmeren
Bevölkerungsschichten. In Bezug auf das Eigentum vertrat Paine
eine differenzierte Position, da er zwischen legitimen und illegitimen
Besitz unterschied. Cole schrieb in diesem Zusammenhang: Among
natural rights Paine, no less than the leaders of the French Revolution,
was prepared to include the right to property. He was no socialist,
if Socialism involves the belief that the means of production should
be publicly owned. But like the more Radical leaders of the french
Revolution, he drew a sharp distinction between lgitimate and illegitimate
forms of property, attacking strongly the monopoly of the great
landed proprietors.
Paine war aufgrund seiner Publikationen immer wieder politischen
Anfeindungen ausgesetzt. In England wurde er wegen seiner anti-monarchistischen
Haltung verfolgt, in Frankreich geriet er nach seiner Wahl in die
Nationalversammlung 1792 in Konflikt mit den Jakobinern und in Amerika
wurde er wegen seiner religionskritischen Haltung angegriffen. In
seinen letzten Lebensjahren zog er sich aus dem politischen Leben
zurück und starb 1809 in New York.
Die historische Bedeutung der Schriften Paines auf die Entwicklung
republikanischer Staatsmodelle und die demokratische, beziehungsweise
sozialistische Bewegung in England und Amerika war bedeutend. Auch
wenn Paine nicht direkt zu den englischen Frühsozialisten gezählt
werden kann, so beschrieben seine Schriften doch wesentliche Positionen
des frühen Sozialismus.
2.3 WILLIAM GODWIN UND DIE KRITIK AM STAAT
William Godwin wurde 1756 in Wisbeach als siebtes von dreizehn
Kindern streng calvinistischer Eltern geboren. Später nahm
er das Theologiestudium auf und war als Prediger tätig. Zweifel
an seiner Berufung führten zur Abkehr von seinen religiösen
Überzeugungen. Ab 1791 trat er mit politischen Schriften an
die Öffentlichkeit, in denen er radikale Kritik an den gesellschaftlichen
Verhältnissen übte und die ihn zu einer der bekanntesten
Persönlichkeiten seiner Zeit machten. 1793 veröffentlichte
Godwin mit An Enquiry Concerning Political Justice and its Influence
on General Virtue and Happiness sein bekanntestes Werk, welches
sich mit den verschiedenen Aspekten des Staats-, Gesellschafts-
und Moraldenkens auseinandersetzt und in dessen Zentrum die Prinzipien
der Gerechtigkeit und das menschliche Glück stehen. All
men will grant that the happiness of the human species is the most
desirable object for human science to promote, and that intellectual
and moral happiness or pleasure is extremely to be preffered to
those which are precarious and transitory.
Grundlage seiner Überlegungen bildete die Annahme eines objektiven
und unveränderlichen Gesetzes der Vernunft, welches zur Richtlinie
sämtlicher Handlungen der Menschen werden sollte. Der Zustand
allgemeiner Vernunft kann aber nur erreicht werden, wenn der Mensch
seine Vernunft uneingeschränkt durch staatliche Vorgaben entfalten
kann. Entsprechend kann Godwin zufolge auch das eigentliche Ziel
der menschlichen Gemeinschaft, das Glück des Einzelnen, nur
in einer Gesellschaft ohne jegliche staatliche Institutionen erreicht
werden, in der das einzelne Individuum, von der Vernunft ausgehend,
über das eigene Leben bestimmen und zu eigenen Überzeugungen
gelangen kann.Auch der natürlichen Wunsch der Menschen nach
gegenseitiger Hilfe und gemeinschaftlichem Zusammenleben, kann erst
unter den oben genannten Voraussetzungen voll zum Tragen kommen.
Godwin unterschied in seiner Untersuchung drei Staatsformen, wobei
die erste auf angeblich göttlichem Recht, die zweite auf despotischer
Gewalt und die dritte Staatsform auf allgemein anerkannter vertraglicher
Ordnung basiert. Obwohl sich die aufgeführten Staatsformen
grundsätzlich unterscheiden, haben sie Godwin zufolge doch
eine Gemeinsamkeit und zwar die grundlegende Einschränkung
und Unterdrückung der in ihr organisierten Menschen. Selbst
die vom Volk gewählte Staatsform basiert auf der Aufgabe der
Selbständigkeit und Unabhängigkeit und wird somit zu einer
Ordnung der Unvernunft und zwangsläufig zu einem Instrument
der Unterdrückung.
Statt des bestehenden unüberschaubaren Staatsgebildes, in
dem der Einzelne zur Bedeutungslosigkeit verkommt und keinerlei
Einflußmöglichkeiten besitzt, fordert Godwin ähnlich
wie Thomas Spence den freien Zusammenschluß in kleinen selbstständig
verwalteten und wirtschaftlich autonomen Siedlungen. Um seine Ziele
zu erreichen fordert Godwin keine revolutionäre Erhebung, da
er Herrschende und Beherrschte gleichermaßen als Opfer sieht,
die lediglich ihre vorgegebenen Rollen ausfüllen. So bleibt
einzig der Weg der Aufklärung um eine strukturelle Veränderung
des Staates zu bewirken. Ein grundlegendes Element stellt in Godwins
Ausführungen die Auffassung dar, daß der Mensch von seiner
Umwelt und seinen Lebensumständen geprägt wird. Daher
können Menschen die sich unvernünftig verhalten nur als
Produkte einer unvernünftigen Gesellschaft, die sie von der
natürlichen Vernunft abbringt, betrachtet werden. Dieser theoretische
Ansatz wurde später auch von Robert Owen in seiner Milleu-Theorie
übernommen.
Aus dieser Position Godwins ergibt sich auch seine Haltung hinsichtlich
der Industrialisierung, deren verschiedene Folgeerscheinungen, wie
die Verarmung der arbeitenden Bevölkerung, die extremen Arbeitsbedingungen
und die Fremdbestimmung der Menschen er verurteilt. Als Ursache
zeigt er jedoch nicht vorrangig die veränderte Wirtschaftsordnung
oder die Einführung der Maschinen auf , sondern das organisierte
Zusammenleben der Menschen in einem Staatskörper, der dem Individuum
jegliche Freiheit nimmt. Dem einzelnen Menschen billigte Godwin
nur das Eigentum zu, das zum Leben notwendig ist, also die grundlegenden
Bedürfnisse deckt. Über diese Grundbedürfnisse hinausgehendes
Eigentum sollsämtlichen Mitgliedern einer Gemeinschaft zur
Verfügung stehen, damit allen Menschen ein Leben in Wohlstand
möglich werden kann. The subject of property is the key-stone
that completes the fabric of political justice. According as our
ideas respecting it are crude or correct, they will enlighten us
as to the consequences of a simple form of society without government,
and remove the prejudices that attach us to complexity.
Ein wesentlicher Aspekt in Godwins Schriften bildete die Kritik
an der gesellschaftlichen Unterdrückung der Frauen. In diesem
Zusammenhang forderte er, daß beiden Geschlechtern die gleichen
Entfaltungsmöglichkeiten zukommen sollten und kritisierte die
Ehe als extremste Form des Eigentums und der Unterdrückung
der Frau. Beträchtlichen Einfluß auf Godwin hatte in
dieser Hinsicht seine Frau Mary Wollstonecraft (1759-1779), die
durch ihre Schrift Vindication of the Rights of Woman (1792) zu
einer der namenhaftesten Frauenrechtlerin ihrer Zeit wurde.
Hinsichtlich seiner Positionen bezüglich der Beeinflußung
des Menschen durch die umgebenden gesellschaftlichen Bedingungen
und seines Ideales einer Gesellschaftsordnung die auf kleinen unabhängigen
Siedlungen basiert, hatte Godwin großen Einfluß auf
spätere Gesellschaftskritiker- und Reformer. Entsprechende
Vorstellungen finden sich insbesondere in den Gesellschaftstheorien
Robert Owens und bei William Thompsons wieder.
Deutlich unterscheidet sich Godwin jedoch in der Einschätzung
des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft. Während
Owen und Thompson das kollektive Glück der Gemeinschaftin den
Vordergrund ihrer Theorien stellen, liegt die Betonung Godwins auf
der völligen Freiheit des Individuums und in Folge aud der
Ablehnung jeglicher gesellschaftlicher bzw. staatlicher Vorgaben.
Hier laßen sich Parallelen zu Thomas Hodgskin aufzeigen, der
sich allerdings nicht auf den aufklärerischen Begriff der Vernunft
bezog. Die Staatskritik Godwins wurde später von Theoretikern
des Anarchismus wie Peter Kropotkin und Pierre Ramus aufgriffen,
die ihn als einen ihrer Vorläufer betrachteten.
2.4 WILLIAM THOMPSON UND DIE KOOPERATIVE GESELLSCHAFT
William Thompson wurde 1775 in Cork als Sohn vermögender Großgrundbesitzer
geboren Den Landbesitz seines Vaters erbte William nach dessem Tode
(1814). Im Jahre 1819 trat Thompson erstmals mit seiner Schrift
Practical Education for the South of Ireland an die Öffentlichkeit
worin er die Auffassung vertrat, daß nur ein allgemeines System
der Volksbildung vollwertige Bürger hervorbringen könne.
Thompson beschäftigte sich in diesem Zusammenhang ausführlich
mit den pädagogischen Vorstellungen des Utilitaristen Jeremy
Benthams. Nach einer Einladung Benthams verbrachte Thompson die
Zeit von 1819-1823 bei Bentham in Westminster. Er nutzte die Zeit
um sich mit verschiedenen Gesellschaftstheorien auseinandertzusetzen.
Thompson symphatisierte mit den utilitaristischen Vorstellungen
Benthams und Mills, sowie auch mit den individualistischen Positionen
William Godwins, schloß sich jedoch keiner der beiden Philisophien
an, sondern hoffte auf die Verschmelzung der besten Elemente zu
einer neuen Weltanschauung.
In seinem 1824 veröffentlichten Werk Inquiry into the Principles
of the Distribution of Wealth ging er auf das Verhältnis von
Produktion und Distribution in der bestehenden Ökonomie ein.
Er kritisierte darin, daß die Arbeiter als Produzenten nicht
ausreichend am Produkt ihrer Arbeit beteiligt würden und sie
in England trotz gestiegener Produktion unter immer schlechteren
Bedingungen leben müßten. Um einen Zustand des kollektiven
Glücks und Wohlstands innerhalb des bestehenden Gesellschafts-
und Wirtschaftsystems zu erreichen, müßten nach Thompson
die Produktions- und Distributionsmechanismen grundlegend geändert
werden. How comes it that a nation abounding more than any
other in the rude materials of wealth, in machinery, dwellings and
food, in intelligent and industrious producers, with all the apparent
means of happiness; should still pine in privation? How comes it
that the fruits of the labor of the industrious, are mysteriously
and without inputation of fault to them, are swept away?
In diesem Zusammenhang forderte er die Entwicklung einer social
science, die sich mit der Erzeugung und Verteilung des Wohlstandes,
sowie den Bedürfnissen und dem Glück der Menschen beschäftigt.
Aufgabe dieser neuen Wissenschaft soll die Versöhnung der Prinzipien
Gleichheit und Sicherheit sein, wobei unter Gleichheit die Verteilung
der Produkte nach den Bedürfnissen der Menschen und unter Sicherheit
die Rechtsgarantie des Eigentums der Produzenten am Produkt zu verstehen
ist. Das Arbeitsmotiv Profit muß durch soziale Motivation
ersetzt werden. All labor ought to be free and voluntary,
as to its direction and continuance. All the products of labor ought
to be secured to the producers of them. All exchanges of these products
ought to be free and voluntary.
1825 folgte die Veröffentlichung des Appeal of One Half the
Human Race, Women, against the Pretensions of the Other Half, Men,
to retain them in Political, and thence in Civil and Domestic Slavery.
Die Schrift entstand in Zusammenarbeit mit seiner Lebensgefährtin
Anna Wheeler als Antwort auf eine Veröffentlichung von James
Mill mit den Titel Article on Government. In dieser forderte Mill
den Auschluß der Frauen aus dem öffentlichen Leben Thompson
und Wheeler entkräfteten seine Argumentation, in dem sie aufzeigten,
daß der Utilitarist Mill, der dem eigenen Anspruch zufolge,
daß Ziel des größtmöglichen Glücks der
Menschen verfolgte, tatsächlich nur das Glück der männlichen
Hälfte der Menschheit anstrebte.
Mills Theorien setzen Thompson und Wheeler eine grundsätzliche
Kritik an der bürgerlich-patriarchalen Gesellschaftsordnung
gegenüber, welche in die Forderung nach einem Wahlrecht für
Frauen und die Einbeziehung der Frau in alle Bereiche des politischen
Lebens mündete. Daneben kritisierten sie die Unterdrückung
der Frau in Ehe und Familie, was die Autoren schließlich zu
einer grundlegenden Ablehnung der Ehe und zur Forderung nach dem
Recht auf eine selbstbestimmte Sexualität der Frau führte.
Eine wirkliche Befreiung der Frau sei jedoch nur in einer sozialistischen
Gesellschaft möglich, die auf genossenschaftlichen Zusammenschlüssen
basiert. Der Appeal gilt inzwischen neben der Veröffentlichung
von Vindication of the Rights of Woman (1792) von Mary Wollstonecraft
als wichtigste Schrift der frühen Frauenbewegung.
Thompsons Schrift Labour Rewarded - the Claims of Capital Conciliated;
or, How to secure to Labour the Whole Products of its Exertions
erschien 1827. Darin nahm er mehrfach Bezug auf Thomas Hodgskins
Analyse des ökonomischen Sytems, wobei er mit dessen Kritik
an der Ausbeutung der Arbeiter übereinstimmte. Thompson kritisierte
jedoch Hodgskins Charakterisierung von mental labourers, literati,
men of science als produktive Arbeiter. Richard Pankhurst, der Biograph
Thompsons, schrieb zu dieser Auseinandersetzung:This argument
had been useful in rebutting the theory that the labourer must produce
a profit for his employers in addition to his own subsistence, but
opened the way to classifying capitalists and landlords as productive
on account of their entrepreneur function.
Grundsätzlich wollte Thompson das bestehende kapitalistische
System durch kooperative Gemeinschaften ersetzen, während Hodgskin
weiterhin das Konkurrenzprinzip verteidigte. Neben der Einführung
eines kooperativen Systems forderte Thompson die Installation der
Demokratie, wobei diese ein Maximum an Freiheit und ein Minimum
an Bürokratie beinhalten sollte. Thompson ging davon aus, daß
der durch Arbeit erzeugte Wohlstand gleichmäßig unter
den Arbeitenden verteilt werden müßte. In Anlehnung an
Owen führte Thompson aus, daß dieses Ziel nur im Rahmen
gemeinschaftlicher Projekte verwirklicht werden kann. Im einzelnen
schrieb er dazu: Equal Distribution: that which affords to
every individual equally exerting, or equally willing to exert,
his or her faculties for the common good, equal means of physical,
intellectual, and social enjoments (...) By community of property
or possesions, we do not mean, that no person shall posses any thing,
but that every adult person shall posses every thing, that is to
say, all the lands, houses, machinery, implements and other stock
of the Community, in as ample a manner as they are possessed by
any other member
Insbesondere in seiner Schrift An Inquiry into the Principles of
the Distribution of Wealth most conductive to Human Happiness
entwickelte Thompson die bei Owen zunächst nur in Ansätzen
vorhandenen Vorstellungen von Genossenschaften weiter und wurde
dadurch zu einem der führenden Vertreter der Genossenschaftsbewegung.
Thompson zufolge die produzierten Güter im Rahmen von Genossenschaften
allen Menschen zu Gute kommen. Der Wert der Waren würde dann
über die zur Produktion benötigte Arbeitszeit definiert.
Grundsätzlich lehnte Thompson jede Zusammenarbeit mit der
Regierung ab und wollte seine Ziele auch gegen deren Willen umsetzen.
Gerade in dieser Hinsicht kam es zu Konflikten mit den Positionen
Owens, der klassenkämpferische Positionen und den zwangsläufig
resultierenden Konflikt ablehnte. Übergang Das Erscheinen von
Practical Directions wurde von führenden Genossenschaftlern
wie Reynolds von der First Birmingham Society begeistert
aufgenommen. Er empfahl das Buch als the guide to work on
zu benutzen.
Der Weg hin zu einer gerechteren Gesellschaft unterschied sich
bei Owen und Thompson wesentlich. Während Thompson die Selbstbefreiung
und Selbstorganisation der Arbeiterschaft propagierte, strebte Owen
nach Staatsintervention und Klassenversöhnung. Zu einer Eskalation
der Streitigkeiten kam es Anfang der dreißiger Jahre, als
sich Thompson und Owen innerhalb der Genossenschaftsbewegung gegenüberstanden.
Im Gegensatz zu Owen dessen gewerkschaftliche Tätigkeit sich
auf wenige Jahre beschränkte und der der Arbeiterklasse skeptisch
gegenüberstand, spielten die Gewerkschaften für Thompson
eine entscheidende Rolle für die Emanzipation der Arbeiter
da sie den Übergang vom Konkurrenz- zum Kooperativsystem einleiten,
in dem sich die Arbeiter als Partner und nicht als Gegner im Kampf
um Lohn und Arbeit gegenüberstehen. Die historische Bedeutung
Thompsons liegt vor allem in seiner theoretischen, realitätsnahen
Weiterentwicklung der Theorien Owens und in seiner Position als
wegweisende Leitfigur der Genossenschaftsbewegung. He was
indeed the principal contributor to the new, working class version
of Owenism which found Owen already in being when he returned from
New Harmony; and to him, more than to anyone else, was due the alliance
of Trade Unionism and Owenite Co-operation that came to dominate
working-class activity. (G. D. H. Cole)
2.5 THOMAS HODGSKIN UND DER WERT DER ARBEIT
Thomas Hodgskin wurde 1787 in Chatham geboren und trat 1799 auf
Wunsch seines Vaters in die Navy ein. Nachdem er jedoch in seiner
ersten Schrift Essay On Naval Discipline (1813) die dort herrschenden
menschenunwürdigen Zustände der Kadettenausbildung kritisiert
hatte, wurde er, auf halben Sold gesetzt , entlassen. Aufgrund seines
kritischen Essay kam er in Kontakt mit Francis Place, der Hodgskin
mit Vertretern des Utilitarismus wie Jeremy Bentham und James Mill
bekannt machte. Während einer dreijährigen Reise auf das
europäische Festland stellte Hodgskin Forschungen über
die ökonomischen und sozialen Zustände in Europa an und
sammelte Material für seine zweite Schrift Travels in
the North of Germany (1820). Darin verurteilte er die Gebühren
für die Benutzung von Straßen und Schiffahrtswegen, die
zentralisierte Staatsmacht und die bestehenden Handelsgesetze in
Deutschland. Auch in späteren Schriften blieb die Kritik am
bestehenden Handelssystem die gleiche, strikt wandte er sich gegen
jegliche Eingriffe des Staates in die Wirtschaft: The real
business of men, which promotes their prosperity is always better
done by themselves than by any few separate and distinct individuals
acting as a government in the name of the whole, the prosperity
of every nation is in inverse proportion to the power and the interferende
of its government (...)
Nach seiner Rückkehr ließ er sich in Edinburgh nieder,
wo er seinen Lebensunterhalt durch Publikationen sichern wollte.
Dank James Mill erhielt er 1822 jedoch eine Stelle als Reporter
bei der Zeitung Morning Chronicle, und bald darauf begann
er zusammen mit John Robertson wöchentliche Berichte für
das Arbeiterblatt Mechanics Magazine zu schreiben. Zu
dieser Zeit plante Hodgskin die Gründung eines Institutes für
Arbeiter,in dem klassenunabhängige Bildung vermittelt und so
die Möglichkeit der Weiterbildung gegeben werden sollte. 1824
setzte Hodgskin seine Überlegungen in die Praxis um und gründete
unter anderem mit John Robertson, Francis Place, Henry Broughham
und Georg Birkbeck das Mechanics Institute. Bald entstanden
jedoch Unstimmigkeiten über die ideologische Ausrichtung des
Institutes, da Place Zugeständnisse an die Geldgebern machen
wollte, während Hodgskin für ein völlig autonomes
Institut plädierte. In Folge wurde Hodgskin die Berechtigung
entzogen im Fach Ökonomie seine Vorlesungen weiter abzuhalten.
Daher veröffentlichte Hodgskin seine kritischen Ausführungen
von 1825-1827 unter dem Titel Popular Political Economy, um sie
so einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Sein Hauptwerk
Labour defended against the Claims of Capital (1825), wurde unter
dem Pseudonym A Labourer veröffentlicht. Die Kernthese
seines Werkes besagt, daß der Arbeiter der alleinige Wertproduzent
sei, der jedoch im kapitalistischen System einer Reihe von Wirtschaftsgesetzen
unterworfen sei, welche seinen Lohn auf einem Minimum halten. Daneben
verurteilte Hodgskin in seiner Schrift auch die Verbote der Arbeiterorganisationen
von Seiten des Staates: By our increased skill and knowledge,
labour is now probably ten times more productive than it was two
hundred years ago; and we are, forsooth, to be contented with the
same rewards which the bondsman received. All the advantages of
our increased produce, we combine to obtain it, we are instantly
threatened with summary punishment.
Nach Hodgskins Vorstellungen sollte es kein wirtschaftliches Monopol
geben, keine Großgrundbesitzer und keine Kapitalisten. Der
Arbeiter sollte das gesamte Produkt seiner Arbeit erhalten und sich
dadurch seiner Stärke und seiner Position in der Wirtschaft
bewußt werden. Mit seinen Schriften wollte Hodgskin dazu beitragen,
die Arbeiter von der Legitimität gewerkschaftlicher Organisationen
und der Forderung nach höheren Löhnen zu überzeugen.
Zu diesem Zweck stellte er zunächst die verschiedenen Klasseninteressen
gegenüber und zeigte den Widerspruch zwischen der gestiegenen
Produktivität einerseits und den viel zu niedrigen Löhnen
anderseits auf. Um gegen diese ungerechten, nicht naturgegebenen
Zustände vorzugehen, proklamierte er die Organisierung der
Arbeiter in Gewerkschaften. Da Konflikte zwischen Arbeitern und
Kapitalisten unvermeidbar seien, führte Hodgskin im Bezug auf
das Verbot gewerkschaftlicher Zusammenschlüße aus: Combination
is of itself no crime, on the contrary, it is the principle on which
societies are held together Zentraler Gegenstand seines Buches
Labour defended und der nachfolgenden Schriften Popular Political
Economy und Natural and Artificial Right of Property Contrasted
(1832) ist die Kritik am Staat, der die natürliche Wirtschaftsordnung
mit Gesetzen durcheinanderbringt. Hodgskin zufolge besteht die Aufgabe
des Gesetzgebers darin, die Naturrechte des Eigentums zu erhalten,
den Menschen die Moralgesetze der Natur zugänglich zu machen
und nicht selbst künstliche Gesetze für das menschliche
Zusammenleben und die Ökonomie zu schaffen.
Hodgskin trat für das Privateigentum ein, unter der Voraussetzung
das es auf wahrer und sicherer Grundlage errichtet ist.() Zudem
war Hodgskin wie Locke, Smith, Ricardo und zum Teil Godwin der Auffassung,
daß Mensch und Natur Gesetze haben, die zum Glück führen
solange der Staat nicht eingreift. Der bürgerlichen Ökonomie
hielt er entgegen, daß alle Werte wie zum Beispiel Kapitalprofit
und Bodenrente aus der Arbeit stammen und somit nur den Arbeitern
zugesprochen werden können, da nur die Arbeiter das Recht auf
vollen Arbeitsertrag haben. Als Veränderungsstrategie wird
nicht wie bei Owen die schrittweise Überwindung des Kapitalismus
durch ein alternatives gemeinschaftliches Zusammenleben und Vertriebssystem
beschrieben, vielmehr wird eine Gesellschaft von selbstständigen
Arbeitern angestrebt, welche die kapitalistische Aneignung der Erträge
der Produktivität durch Dritte unmöglich macht. Hodgskin
strebt eine Gesellschaft an, in der jeder frei von staatlichem Zwang
und mit seinen eigenen Produktionsmitteln arbeitet. Nur wenn die
Arbeiter die Früchte ihrer Arbeit ernten können, kann
Hodgskin zufolge das Glück wieder Einzug in die Welt der Arbeiter
erhalten: I am certain, however, that till the triumph of
labour be complete; till procucctive industry alone be opulent,
and till idleness alone be poor, till the admirable maxim that
he who sows shall reap be solidly established; till the right
of property shall be founded on principles of justice, and not on
those of slavery; till man shall be held more in honour than the
clod he treads on, or the machine he guides - there cannot, and
there ought not to be either peace on earth or goodwill amongst
them.
Die Bedeutung Hodgskins für die Arbeiterbewegung lag vor allem
in seiner Arbeitswerttheorie, sowie in seiner Darstellung der Gegensätze
zwischen den gesellschaftlichen Klassen, der Propagierung der Arbeiterbildung
und in seinem Engagement für die Gewerkschaftsbewegung. Beides
konnte sein Publikum, die radikalen Handwerker und Facharbeiter
Londons mit ihrem individualistischen und gegen parasitäre
Mittelspersonen gerichteten Vorstellungen, leicht und bereitwillig
rezipieren. Auch seine frühen Rechtfertigungen einer autonomen
Arbeiterbildung-, -koalierung und -emanzipation wirkten in der sozialistischen
Bewegung unabhängig weiter. (Vester)
2.6 JOHN GRAY UND DAS PRINZIP DER NÜTZLICHKEIT
John Gray wurde 1799 in Derbyshire (Schottland) geboren und kam
in jungen Jahren nach London, wo er als Handelsgehilfe in einem
Großhandelsgeschäft arbeitete. Aus seinen beruflichen
Erfahrungen und der Beobachtung der sozialen Verhältnisse zog
Gray den Schluß, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse
in einem völligen Mißverhältnis zu den Bedürfnissen
und natürlichen Rechten der Menschen stehen. Um 1820 kam er
in Kontakt mit den Idealen Owens, worauf er 1823 an Owen schrieb:
the same ideas were in some instances expressed almost in
the same words by you, as I had written twelve month before.
1825 veröffentlichte Gray mit der Broschüre A Lecture
of Human Happiness seine wichtigste Schrift, in der die bestehende
old world der von ihm angestrebten idealen new
world gegenüberstellte. Grundlage der bestehenden Ungerechtigkeiten
sei die ungleichmäßige Verteilung der produzierte Güter
und das Eigentum an Grund und Boden, wobei er sich auf das Beispiel
der Sonne bezog, die niemand besitzen und für deren Wärme
niemand Geld verlangen könne.
Ein zentraler Aspekt der Theorien Grays war die Bewertung der Menschen
hinsichtlich ihrer Nützlichkeit beziehungsweise ihrer Produktivität.
Er unterteilte die Gesellschaft in nützliche, produktive und
unnütze, unproduktive Mitglieder, wobei er eine Statistik aufstellte,
nach der genau 5.437.917 Menschen, also etwa ein Drittel der Bevölkerung
in England um 1820 als nutzlose Mitglieder der Gesellschaft anzusehen
waren. Seinen Berechnungen legte er eine Tabelle aus Patrick Colquoun's
Treatise on the Wealth, Power and Resources of the British Empire
(1814) zugrunde, die darstellte, daß die arbeitende Klasse
nur rund ein Fünftel des Ertrages ihrer geleisteten Arbeit
erhält. Each man, woman, and child, in the productive
classes(... )received(...) but a small triffle more than one-fifth
part of the produce of their own labour!!! Wie Owen betonte
Gray die negativen Auswirkungen des Konkurrenzprinzips auf das gesellschaftliche
Leben. In der Einführung der Articles of Agreement Drawn Up
and Recommended by the London Co-operative Society, for the Formation
of a Community on Principles of Mutual Co-operation verwarf er entsprechend
Individual Competition and Private Accumulation und
propagierte dagegen Mutual Co-operation, Community of Property,
and Equal Means of Enjoyment als Zielsetzungen der neuen Gesellschaft.
Hoffnungsvoll unterstütze Gray ab 1825 ideell und finanziell
den Aufbau der genossenschaftliche Gemeinschaftssiedlung Orbiston,
die er als Keimzelle der neuen Gesellschaft betrachtete. In seiner
1826 veröffentlichten Schrift A Word of Advice to the Orbistonians
on the Principles which ought to regulate their Present Proceedings
kritisierte er allerdings die Mißstände innerhalb der
Gemeinschaft und das seiner Meinung nach mangelnde Verständnis
wirtschaftlicher Zusammenhänge.
1831 veröffentlichte Gray The Social System. A Treatise on
the Principles of Exchange, in dem er erneut die Notwendigkeit einer
Reform des Wirtschaftssystems aufzeigte, wobei der Schwerpunkt auf
dem Austausch der Waren lag. Im Gegensatz zu Thomas Hodgskin oder
zu liberalen Ökonomen wie Adam Smith forderte Gray eine steuernde
Gewalt, die den Austausch der produzierten Waren regeln sollte.
Michael Vester beschrieb das Konzept folgnedermaßen: In
diesem System liefern die Arbeitenden ihre Produkte an Handelslager
ab. Dafür erhalten sie in Form von Papiergeld ihren Kostenpreis
nach aufgewandter Arbeits- und Produktionsmittelmenge erstattet,
der sich aus einem Minimum und einer möglichen Prämie
für gute Leistung zusammensetzt. Dann wird ein Mehrbetrag,
der Gewinn und Kosten der Handelsorganisation decken soll, aufgeschlagen
und damit der Verkaufspreis der Ware festgesetzt. Die Preisfestsetzung
geschieht durch Taxatoren nach den Richtlinien einer nationalen
Handelskammer.
In diesem Konzept lassen sich deutlich Bezüge zu den von Owen
initiieren Arbeitstauschbörsen (Labour Exchanges)
herstellen. Owen warf Gray in diesem Zusammenhang mehrfach vor,
Elemente seiner Theorien übernommen zu haben ohne sich deutlich
genug auf ihn zu beziehen. Auf dem Third Co-operative Congress
las Owen sogar Passagen seines Report to the County of Lanark vor,
um unter Beweis zu stellen, daß Gray von ihm abgeschrieben
habe. Unabhängig davon gilt Gray als einer der ersten politisch
engagierten Ökonomen,der eine sozialistische Wirtschaftstheorie
entwarf und damit auch die Entwicklung der ökonomischen Positionen
innerhalb des Owenismus nachhaltig beeinflußte.
2.7 JOHN FRANCIS BRAY UND DAS GEMEINSCHAFTSEIGENTUM
Der in Amerika geborene und zeitweise in England lebende Schriftsetzer
John Francis Bray (1809-1895) erlangte insbesondere in den dreißiger
Jahren des vorigen Jahrhundert eine große Popularität.
Das Verdienst Brays lag dabei weniger in der Einbeziehung neuer
Elemente in die Theorien des frühen Sozialismus, als vielmehr
in der leicht verständlichen Zusammenfassung und Propagierung
bereits formulierter Thesen. So verurteilte Bray wie seine Vorläufer
mit Nachdruck die ungleichmäßigen Besitzverhältnisse
und die ungerechte Entlohnung der Arbeit. Er beschrieb den Einfluß
der umgebenden sozialen Bedingungen auf den Charakter des einzelnen
Menschen und befürwortete ein allgemeines Erziehungs- und Bildungswesen.
Als neue wirtschaftliche Organisationsform forderte er genossenschaftliche
Zusammenschlüsse in denen die Arbeiter selbst über ihre
eigenen Belange bestimmen können.
Bray wurde 1809 in Washington geboren und kam 1822 mit seiner Familie
nach England, die sich in Leeds niederließ. Später wurde
er Schriftsetzer, fand aber keine Arbeit. Dazu Lloyd-Pricchard:
He (Bray) conceived the idea of the necessity for industrial
reforms while warily plodding from town to town in search for work
as a 'tramp'. He constantly met the tailor, the shoemaker, the weaver
and the workmen, all 'tramps' looking for employment and all in
need of the things which his fellow tramps could produce. Walks
of twenty to thirty miles a day, half fed, and a shelter in sone
low lodging house where vermin prevented sleep was enough to set
any man to thinking about the causes of these miseries.
1836 veröffentlichte er in der Leeds Times sein Essay Letter
to the people, in dem er das Reform Bill von 1832
als unzureichend kritisiert. Der Reformunwilligkeit der Regierung
hielt er die Forderung nach der Erfüllung der Naturrechte des
Menschen entgegen. Die Regierung habe nur die Aufgabe diese Rechte
zu sichern. Darüberhinausgehende Aktivitäten würden
dem Naturrecht widersprechen und seien deshalb als unmoralisch abzulehnen.
Drei Jahre später erschien mit Labour's Wrong and Labour's
Remedy, or the Age of Might and the Age of Right das einziges Buch
Brays, welches bald auf großes Interesse in der Arbeiterbewegung
stieß. John Bray orientierte sich in seinen Ausführungen
stark an Robert Owen, wies aber sehr viel reflektiertere ökonomische
Vorstellungen auf. Zu Brays Vorstellungen schrieb Cole: Bray
was Owenite. He argued that the workers could remedy their wrongs
only under a system of common ownership of the means of production
and common labour under conditions of free and equal assoziation
in Co-opertive communities.
Die Basis seiner Vorstellungen bildete das vergesellschaftlichte
Eigentum an Produktionsmitteln und der ausschließlich profitlose
Austausch von Arbeitswerten bei gleichem Lohn. Ausgehend von einer
umfangreichen Analyse der ökonomischen Verhältnisse formulierte
er in Labour's Wrong and Labours Remedy ein Übergangsprogramm
vom bestehenden zu einem kooperativen Wirtschaftssystem. In Anlehnung
an die Tauschbörsen Robert Owens sollten die Arbeiter in dieser
Phase durch die Gründung kooperativer Aktiengesellschaften
die Einheit von Arbeit und Kapital herstellen. Die Aktienkapialgesellschaften
sollten auf der Basis von Arbeitsnoten funktionieren, welche dem
Arbeitszeitwert entsprechen. In kooperativen Großmärkten
und Tauschbörsen können die Arbeitsnoten gegen Produkte
getauscht werden, die den Arbeitskosten entsprechen. Innerhalb dieser
Übergangsphase sollte auch die Gleichberechtigung der Frau
verwirklicht werden, indem sie dem Mann ökonomisch und politisch
gleichgestellt werden sollte. Die Befreiung der Frau von den tradierten
häuslichen und erzieherischen Pflichten sollte durch die gemeinschaftliche
Erziehung der Kinder und ebensolche Wohnprojekte erreicht werden.
Da der Interessenkonflikt zwischen den Arbeitern und den Kapitalisten
innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft nach Bray zwangsläufig
zu Auseinandersetzungen führt, strebte er zunächst eine
genossenschaftliche Gemeinschaft an. Das Übergangsprogramm
sollte letztlich in eine ideale Gemeinschaft überleiten in
der es kein Privateigentum mehr gibt. Dazu schrieb Cole: He
attacked private ownership root and branch, tracing its sinister
development to the private appropriation of land, which was by nature
the common possession of all. No man had any right or reasonable
claim to appropiate to himself a single inch of land; and out of
the violation of this principle of nature had arisen all the other
evils of private ownership applied to the other instruments of production.
Reform must therefore begin with the restoration of the land to
the common use of the people.
Als entscheidenden Faktor auf dem Weg der gesellschaftlichen Umstrukturierung
sah Bray die Gewerkschaften an, wobei er sich deren eingeschränkten
Möglichkeiten bewußt war. Sie können Bray zufolge
zwar Verbesserungen der Situation der Arbeiter bewirken, indem sie
höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen einforderten
und durchsetzten, an den Besitzverhältnissen können sie
jedoch nichts ändern. Die Bedeutung der Konzepte der Tauschbasare
und der Aktienbörsen lag weniger in ihrer Realisierbarkeit,
als in der Weiterentwicklung der Ideen Owens unter stärkerer
Berücksichtigung der bestehenden ökonomischen Situation.
Zum einen erkannte Bray, daß eine Veränderung der
Gesellschaft von existierenden physischen und moralischen
Voraussetzungen, daß heißt Produktivkräften und
Motivationen ausgehen mußte: von tagespolitischen und nicht
bloß von einem abstrakten utopischen Willen. Zum anderen sah
er, daß im Schoße der alten Gesellschaft sich Institutionen
vorbereiten mußten, die eine direkte Verwirklichung des neuen
Verhältnisses zwischen Kapital und Arbeit anstrebten. Diese
zweite Forderung hat freilich die typische owenistische Form des
Herauskontrahierens. (Vester)
1842 kehrte Bray in die Vereinigten Staaten zurück und ließ
sich nahe Detroit nieder. Er veröffentlichte weitere Schriften,
darunter The Coming Age. Devoted to the fraternization and advancement
of mankind, through religious, political and social reforms (1855)
und God and Man a Unity and all mankind a Unity. A basis for new
dispensation, social and religious (1879), in denen er für
eine säkularisierte Religion eintrat, die davon ausgeht, daß
die Erlangung der Unsterblichkeit möglich ist, sofern sich
der Mensch zu Lebzeiten für den Kampf um fortschrittliche soziale
Institutionen einsetzt. Später wurde Bray Vizepräsident
der American Labor Reform League und Mitglied der Knights
of Labor, spielte aber in der amerikanischen Arbeiterbewegung
keine bedeutende Rolle mehr.
3. DIE GESELLSCHAFTSTHEORIE ROBERT OWENS
Robert Owen war eine der herausragenden Persönlichkeiten seiner
Zeit. Sein Einfluß·auf die gesellschaftliche Entwicklung
in England und insbesondere auf die Bildung der Arbeiterbewegung
war beträchtlich.Owen verstand sich selbst als einen Mann der
Tat und sah den Schwerpunkt seiner Arbeit in der praktischen Veränderung
der Gesellschaft hin zu seinen Idealvorstellungen Seine Erfahrungen
und Erkenntnisse beschrieb er in zahlreichen Schriften, in denen
er eine umfassende gesellschaftliche Theorie entwickelte, die sich
mit allen Bereichen des menschlichen Miteinanders beschäftigt..
Auch wenn sich einige Positionen im Laufe der Jahre veränderten,
blieb Owen seinen Grundsätzen in wesentlichen Bereichen treu.
Im folgenden werden seine wichtigsten theoretischen Positionen vorgestellt.
Auf seine verschiedenen Projekte und Initiativen wird in den weiteren
Kapiteln eingegangen.
3.1 EINFLÜSSE AUF DAS DENKEN OWENS
Owen betonte mehrfach, daß keine seiner gesellschaftskritischen
Erkenntnisse neuartig sei. In unterschiedlicher Ausprägung
seien sie durchgängig schon vor ihm formuliert worden. Das
neue Element lag allerdings in der Verbindung der einzelnen theoretischen
Ansätze zu einer umfassenden Gesellschaftsanalyse umd deren
praktischen Umsetzung. Hitherto, indeed, in all ages and in
all countries, man seems to have blindly conspired against the happiness
of man, and to have remained as ignorant of himself as he was of
the solar system prior to the days of Copernicus and Galileo. Many
of the learned and wise among our ancestors were conscious of this
ignorance, and deeply lamented its effects; and some of them recommended
the partial adoption of those principles which can alone relieve
the world from the miserable effects of ignorance. The time, however,
for the emancipation of the human mind had not then arrived: the
word was not prepared to receive it.
Owen vermied es weitgehend Personen oder Schriften aufzuführen,
die ihn beeinflußten. Eine Ausnahme bildete die 1696 von John
Bellers veröffentlichte Schrift Proposals for Raising a Colledge
of Industry, die Owen ausdrücklich im Zusammenhang mit seinen
Siedlungskonzepten aufführte. Zudem gelten The Real Rights
of Man von Thomas Spence, An Enquiry Concerning Political Justice,
von William Godwin und An Introduction to the Priciples of Moral
and Legistration von Jeremy Bentham als Schriften die das Denken
Owens maßgeblich beeinflußten.
3.2 DIE BILDUNG DES CHARAKTERS
Die Gesellschaftstheorie Robert Owens basierte auf seiner Vorstellung
der Charakterbildung des Menschen, dabei ging davon aus, daß
der Charakter des einzelnen Menschen von angeborenen Eigenschaften,
sowie von den ihn umgebenden Gesellschaftsbedingungen bestimmt wird.
"Man is compound being, whose character is formed of his constitution
or organization at birth, and of the effects of external circumstances
upon it from birth to death; such original organization and external
influences continually acting and re-acting each upon the other."
Nach Owens Überzeugung führt die Kompetitivität
der kapitalistischen Gesellschaft zwangsläufig zu einer Deformierung
des Charakters.. Dadurch besteht keine Freiheit des Willens, vielmehr
werden Überzeugungen und Handlungen von den Umständen
geprägt ,in denen er oder sie lebt, beziehungsweise aufgewachsen
ist. Any general character, from the best to the worst, from
the most ignorant to the most enlightened, may be given to any community,
even to the worst at large, by the application of proper means;
which means are to a great extent at the command and under the control
of those who have influence in the affairs of men.
Deutlich sind in diesem Zusammenhang Parallelen zu den Positionen
William Godwins zu erkennen, der wie Owen immer wieder den Einfluß
der umgebenden gesellschaftlichen Bedingungen auf den einzelnen
Menschen beschrieb. Aus den oben aufgeführten Haltungen Owens
erklärt sich, weswegen er nie ein Verfechter des allgemeinen
Wahlrechtes war. Er wandte ein, daß ein allgemeines Wahlrecht
nur dann einen Sinn ergebe, wenn der einzelne Wähler auch in
der Lage sei frei zu wählen. Da der Wille des Einzelnen aber
von den Bedingungen einer kompetitiven und individualistischen Gesellschaftsordnung
geprägt ist, kann es in Folge zu keiner freien Wahlentscheidung
kommen. Entsprechend sind erst in einer konkurrenzfreien Gesellschaft,
in der sich der Charakter der Menschen unbeeinflußt bilden
kann, die Voraussetzungen vorhanden, welche eine tatsächlich
demokratische Entscheidung ermöglichen.
Tortz seiner ablehnenden Haltung gegen das Wahlrecht innerhalb
der bestehenden Gesellschaft , war das Wahlrecht in einer freien
Gesellschaft anzustreben. In seinem Siedlungsprojekt New Harmony
trat Owen für ein allgemeines Wahlrecht nach einer Übergangsphase
ein. Er schloß dabei ausdrücklich das Wahlrecht für
Frauen ein, was zu dieser Zeit auch in progressiven Kreisen keineswegs
selbstverständlich war. In der Übergangszeit von bestehenden
kapitalistischen Idealen wie Profitstreben und Privateigentum hin
zu gemeinschaftlich-sozialistischem Gedankengut, wie Gemeinschaftseigentum
und Verantwortlichkeit gegenüber der Gemeinschaft, sollte sich
das Bewußtsein der Menschen entsprechend den neuen Rahmenbedingungen
dahingehend ändern, daß sich die Menschen der Gemeinschaft
gegenüber verantwortlich und zugehörig fühlen und
in diesem Sinn auch bereit sind für sie zu arbeiten. Erst wenn
sich das neue Bewußtsein durchgesetzt hat, also der Charakter
der Menschen hin zu solidarischem und verantwortungsvollem Verhalten
umgeformt hat, kann Owen zufolge ein allgemeines Wahlrecht eingeführt
werden. In New Harmony wurde dieser Schritt schon nach wenigen Monaten
vollzogen, was sich als verfrüht herausstellte und das Scheitern
des Projektes mit verursachte.
Die Lehre von der Bildung des Charakters bestimmte auch das Verhältnis
Owens zum Strafsystem.Owen führt in seinem Buch The Book of
the New Moral World aus, da der Mensch in seinen Handlungen nicht
frei sei, könne er für diese auch nicht verantwortlich
gemacht werden. So sei ein Dieb nicht für das von ihm verübte
Verbrechen verantwortlich, sondern die gesellschaftlichen Verhältnisse
die ihn zu dieser Tat veranlaßten. Beispielhaft ist die folgende
Ausführung Owens: How much longer shall we continue to
allow generation after generation to be taught crime from their
infancy, and, when so taught, hunt them like beasts of the forest,
until they are entangled beyond escape in the toils and nets of
the law? when, if the circumstances of those poor unpitied sufferers
had been reversed with those who are even surrounded with the pomp
and dignity of justice, these latter would have been at the bar
of the culprit, and the former would have been in the judgement
seat.
3.3 ERZIEHUNG UND BILDUNG
Aus der Bedeutung die Owen der Bildung des Charakters beimaß,
folgt die Betonung der Erziehung in seinen theoretischen Ausführungen
wie auch im Rahmen seiner Projekte. Eine umfassende Erziehung und
Ausbildung der Menschen sollte die Voraussetzung für den Aufbau
der von Owen beschworenen neuen sittlichen Welt schaffen. Much
has been said and written in relation to education; but few persons
are yet aware of its real importance in society; and certainly it
has not acquired that prominent rank in our estimation which it
deserves; for, when duly investigated, it will be found to be, so
far at least as depends on our operations, the primary source of
all the good and evil, misery and happiness, which exist in the
world.
Owen trat für den Aufbau eines allgemeinen Schulwesens ein,
welchem die Kinder im Alter von zwei Jahren beitreten sollten. Er
erachtete die frühe Beeinflussung der Kinder durch eine gemeinschaftliche
Erziehung in den ersten Lebensjahren als besonders wichtig und positiv
für die spätere Entwicklung. Schon rund ein Jahrhundert
vor Sigmund Freud und der Entwicklung der Psychoanalyse erkannte
Owen die Bedeutung der frühkindlichen Lebensjahre und ließ
diese sowohl in seine Theorien als auch in seine Projekte einfließen.
It must be evident to those who have been in the practice
of observing children with attention, that much of good or evil
is taught to or acquired by a child at a very early period of its
life; that much of temper or disposition is correctly or incorrectly
formed before he attains his second year; and that many durable
impressions are made at the termination of the first twelve or even
six months of his existence. The children, therefore, of the uninstructed
and illinstructed, suffer material injury in the formation of their
characters during these and the subsequent years of childhood and
of youth.
Im Besonderen sollte die frühe gemeinschaftliche Erziehung
den Sinn für die Gemeinschaft fördern und die Kinder aus
der Kleinfamilie lösen, welche Owen zufolge zwangsläufig
eine egozentrische Ausrichtung besitzt ,welche sich im Charakter
der Kinder beziehungsweise der Erwachsenen wiederspiegelt. Most
of the poor have received bad and vicious habits from their parents;
and so long as their present treatment continues, those bad and
vicious habits will be transmitted to their children, and, through
them, to succeeding generations.
Owens Erziehungskonzept sah vor, die schulische Ausbildung in drei
Altersstufen erfolgen zu lassen, vom dritten bis zum achten, vom
achten bis zum zwölften und vom zwölften bis zum sechzehnten
Lebensjahr. Bemerkenswert sind die Parallelen zu den Vorstellungen
der zeitgenössischen Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi
und Phillip Emanuel von Fellenberg, bei denen sich eine ähnliche
Einteilung findet.
In der ersten Stufe der schulische Ausbildung stand das Erfassen
grundlegender biologischer und geographischer Kenntnisse durch einen
kindgemäßen und handlungsorientierten Unterricht im Mittelpunkt.
In den weiterfolgenden Stufen soll Lese- und Schreibunterricht,
sowie handwerklicher beziehungsweise hauswirtschaftlicher Unterricht
erfolgen. Generell zielte der Unterricht darauf ab, die Kinder und
Jugendlichen zum selbstständigen Beobachten, Auswerten und
kritischen Denken anzuregen.
3.4 DIE KRITIK AM KAPITALISMUS
Seit den frühen zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts strebte
Owen die schrittweise Überwindung des Kapitalismus an. Anfänglich
kritisierte Owen nur Folgeerscheinungen des kapitalistischen Systems,
wie zum Beispiel die Verarmung großer Teile der Bevölkerung
und entwickelte Konzepte zu deren Linderung. Nachdem Owen jedoch
zunehmend an Grenzen stieß, die ihm von reformunwilligen Politikern
und Unternehmern gesetzt wurden, entwickelte er seine Gesellschaftstheorie
weiter und stellte das System des kompetitiven Kapitalismus grundsätzlich
in Frage. Er bezog dabei immer deutlicher Position gegen den unter
anderem von Adam Smith und David Ricardo propagierten wirtschaftlichen
Liberalismus mit seiner Betonung des Konkurrenz- und Profitprinzips.
Im Gegensatz zur liberalen Verheißung, der zufolge das individuelle
Glücksstreben auch der Gesellschaft als Ganzes zu Gute kommt,
zeigte Owen auf, wie diese Politik zu einem Massenelend und zum
Verfall der moralischen Wertvorstellungen geführt hatte. The
acquisition of wealth, and the desire which it naturally creates
for a continued increase, have introduced a fondness for essentially
injurious luxuries among a numerous class of individuals who formerly
never thought of them, and they have also generated a disposition
which strongly impels its possessors to sacrifice the best feelings
of human nature to this love of accumulation. To succeed in this
career, the industry of the lower orders, from whose labour this
wealth is now drawn, has been carried by new competitors striving
against those of longer standing, to a point of real oppression,
reducing them by successive changes, as the spirit of competition
increased and the ease of acquiring wealth diminished, to a state
more wretched than can be imagined by those who have not attentively
observed the changes as they have gradually occurred.
Als ein Grundübel des Kapitalismus sah Owen die privatisierten
Produktionsmittel an. Seiner Meinung nach ist es nicht zu rechtfertigen,
daß einige wenige Personen auf Grund ihres Besitzes große
Profite aus der Arbeitskraft derjenigen erwirtschaften, die das
eigentliche Produkt herstellen. Entsprechend forderte er eine Vergesellschaftung
der Produktionsmittel, deren Nutzen der Gemeinschaft und nicht nur
einzelnen Personen zu Gute kommen sollte. Private property
has been, and is at this day, the cause of endless crime and misery
to man... The possession of private property tends to make the possessor
ignorantly selfish... Private property also continually interferes
with or obstructs public measures which would greatly benefit all,
and frequently to merely please the whim or caprice of an ill-trained
individual. When everything except mere personals shall be public
property, and public property shall always be maintained in superfluity
for all then will the incalculable superiority of a system of public
property be duly appreciated over the evils arising from private
property.
Owen stellte dabei die Entwicklung hin zur Industriegesellschaft
nicht grundsätzlich in Frage und strebte auch keine Rückkehr
zur Agrargesellschaft an. Er wollte vielmehr, daß die neuen
Produktionsmittel auch denen zugute kommen sollten die daran arbeiten.
The steam engine and spinning machines, with the endless mechanical
inventions to which they have given rise, have, however, inflicted
evils on society, which now greatly over-balance the benefits which
are derived from them... All now know and feel that the good which
these inventions are calculated to impart to the community has not
been realised. The condition of society, instead of being improved,
has been deteriorated, under the new circumstances to which they
have given birth; and it is now experiencing a retrograde movement.
3.5 SIEDLUNGS- UND GENOSSENSCHAFTSKONZEPTE
Im Laufe seines Lebens hatte Owen mehrere Modelle gemeinschaftlichen
Zusammenlebens theoretisch konzipiert und teilweise umgesetzt. Den
Ausgangspunkt für diese Siedlungsprojekte bildete seine Charaktertheorie,
nach der sich der Charakter eins Menschen nur dann zum Positiven
wandeln kann, wenn die Lebens- und Arbeitsbedingungen humaner werden
und die Menschen nicht mehr den zerstörenden Mechanismen der
kapitalistischen Ordnung unterworfen sind. Deutlich lassen sich
hierbei Parallelen zu den Vorstellungen William Godwins aufzeigen,
derals ideale Gesellschaftsform die Errichtung kleiner dezentraler
Gemeinschaften anstrebte, die als autarke Einheiten die zentrale
Rolle des Staates ersetzen sollten. Unterschiede lassen sich jedoch
im Bezug auf die Rolle des Staates aufzeigen. Während Owen
auf finanzielle staatliche Unterstützung setzte, verstand Godwin
sein Siedlungskonzept als radikale Alternative zu jeglicher Staatsordnung.
Bezüge lassen sich auch zu den Vorstellungen von Thomas Spence
herstellen. Spence forderte in seiner Schrift The Real Rights of
Man die Rückführung von Land und Boden in den Besitz der
Allgemeinheit und betonte dabei die Bedeutung kleiner landwirtschaftlicher
Siedlungen und Gemeinschaften. Owens Gesellschaftsmodelle die inhaltlich
sehr viel präziser geschildert waren, gingen jedoch weit über
die Ausführungen Spences hinaus. Owen selbst bezog sich auf
die 1696 von John Bellers veröffentlichte Schrift Proposals
for raising a colledge of industry in der Bellers die Einrichtung
von Siedlungsgemeinschaften zur Hebung des allgemeinen Wohlstandes
und Lebensstandards forderte. 1817 entwickelte Owen das Konzept
der Armenkolonien, welches wie auch seine späteren Siedlungskonzepte
gleichermaßen·auf die Befriedigung der existenziellen
Bedürfnisse, wie auch auf die Entwicklung eines neuen Gemeinschaftsbewußtseins
seitens der Bewohner zielte. The greatest evils in society
arise from mankind being trained in principles of disunion. The
proposed measures offer to unite men in the pursuit of common objects
for their mutual benefit, by presenting an easy practicable plan
for gradually with drawing the causes of difference among individuals,
and making their interest and duty very generally the same. owing
to the arrangement of the pan, it will give to the poor, in return
of their labour, more valuable, substantial, and permanent comfort,
than they have ever yet been able to obtain.
Die Kolonien sollten so ausgestattet sein, daß sich die 500
bis 1000 Menschen, die darin leben, sich autark versorgen können.
Durch das gemeinsame Interesse am Gelingen des Vorhabens würde
sich Owen zufolge das Verhältnis der Arbeiter zum Produktionsprozeß
wandeln, während gleichzeitig das Konkurrenz- und Profitprinzip
einem gemeinschaftlichen Bewußtsein weichen würde. Seiner
Vorstellung entsprechend könnteaud diese Weise auch die Produktion
qualitativ und quantitativ gesteigert werden. Die Einrichtung von
Gemeinschaftshäusern, eigenen Schulen und kulturellen Angeboten
sollten darüber hinaus ein vielfältiges gesellschaftliches
Leben ermöglichen, welches den Zusammenhalt der Gemeinschaft
stärken sollte.FN In den folgenden Jahren weitete Owen sein
kommunitäres Konzept aus. Die von ihm angestrebten Siedlungen
sollten nun als Großkommunen zur Keimzelle einer neuen Gesellschaft
werden. Er betrachtete sie nicht länger als Modell zur Beseitigung
von Armut und Arbeitslosigkeit, sondern als alternative Lebensform,
die einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel einleiten sollte.
Auf der Basis demokratischer Verwaltung, genossenschaftlicher Produktion
und gemeinschaftlicher Erziehung sollte dieses Modell allen Menschen
die Möglichkeit der freien Entfaltung und des kollektiven Glücks
bieten. In Bezug auf die Gemeinschaftssiedlung New Harmony schrieb
Owen in diesem Zusammenhang: The direct object of this association
is to give and secure happiness to all its members. This object
will be obtained by the adoption of a system of union and cooperation,
founded on a spirit of universal charity, derived from a correct
knowledge of the constitution of human nature.
3.6 DIE BEZIEHUNG DER GESCHLECHTER
Ein weiterer Kritikpunkt Owens an der bestehenden Gesellschaft
war die anhaltende Diskriminierung der Frau und ihr daraus resultierender
Ausschluß aus dem öffentlichen Leben. Frauen sollten
im Rahmen seiner Projekte ihr Leben nach eigenen Vorstellungen und
Bedürfnissen gestalten können und in allen gesellschaftlichen
Bereichen die gleichen Rechte wie Männer erhalten. In
the new state of society, the condition of the two sexes will be
greatly changed. They will trained, educated, employed, and placed
to become through life, superior companions to each other. Women
will be no longer made the slaves of, or dependent upon men, more
than men will be made slaves of and dependent upon women.
In Bezug auf die Arbeitsverteilung blieb Owen jedoch dem tradierten
Rollenverständnis verbunden, so daß er in seinen Projekten
Frauen den häuslichen Bereich zuwieß, wenngleich sie
auch in den Fabriken arbeiten konnten. Auch die Schulausbildungstand
ganz im Zeichen des späteren Wirkungskreises der Kinder und
Jugendlichen. Neben einer allgemeinen koedukativen Ausbildung wurden
die Mädchen auf den Hauswirtschaftssektor und die Jungen auf
den industriellen oder landwirtschaftlichen Produktionsbereich vorbereitet.
Owen wies allerdings ausdrücklich darauf hin, daß sich
in einer freien Gesellschaft das Verhältnis der Geschlechter
in einer im Detail nicht voraussehbaren aber zwangsläufig positiven
Weise verändern würde.
In seiner Kritik an patriarchalen Gesellschaftsstrukturen, die
zu einer Diskriminierung der Frau führten, stand Owen nicht
allein. Mary Wollstonecraft und William Gowin, sowie Anna Wheeler
und William Thompson verurteilten in ihren Schriften nachhaltig
die Unterdrückung der Frau. Gemeinsam war ihnen die Kritik
an der Institution Ehe, wobei Owen eine gemäßigtere Position
einnahm, da er im Gegensatz zu den oben Genannten die Ehe nicht
völlig abschaffen, sondern ihren Charakter verändern wollte.
Die bestehenden Ehegesetze kritisierte Owen als gesellschaftlichen
Zwang, der Menschen dazu bringe ein Leben lang zusammen zu bleiben,
auch wenn diese sich nicht mehr oder überhaupt nie geliebt
haben. No immorality can exceed that which is sure to arise
from society compelling individuals to live continually together,
when they have been made, by the laws of their nature, to lose their
affections for each other, and to entertain them for another object.
How much dreadful misery has been inflicted upon the human race,
through all past ages, from this single error! How much demoralization!
How many murders! How much secret unspeakable suffering, especially
to the female sex!
Owen kritisierte, daß der Mensch innerhalb der Ehe als Privateigentum
eines anderen gelte, worunter Frauen am meisten zu leiden hätten.
Auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse, sowie tradierten
Moralvorstellungen und gesetzlicher Verfügungen sei die Frau
völlig von ihrem Ehemann abhängig und ihm nahezu hilflos
ausgeliefert.Owen forderte dagegen ein Ehegesetz, welches eine Heirat
einzig am Kriterium der Liebe ausrichtete, eine Scheidung problemlos
ermöglichte und der Frau innerhalb der Ehe die gleichen Rechte
zumaß wie dem Mann. Owen wurde aufgrund dieser Position vielfach
von seinen Gegnern vorgeworfen, daß er für die freie
Liebe eintrete. Dies war jedoch nur im Bezug auf die freie Wahl
des Partners zutreffend, aber keineswegs im Sinne von sexuellen
Beziehungen zu mehreren Menschen, wie Owen zum Teil diffamierend
vorgeworfen wurde.
3.7 DIE GESELLSCHAFT DER VERNUNFT
Die zu seiner Zeit bestehende Gesellschaft, wie auch die Gesellschaften
aller vorangegangener Epochen, beschrieb Owen als Gesellschaften
der Unvernunft. Er kritisierte jede Gesellschaftsform in der es
Herrschende und Beherrschte gibt, wobei er diesen Zustand keineswegs
den Machthabern zum Vorwurf machte, da sie wie die Unterdrückten
immer nur Rollen ausfüllten, die sich aus den umgebendenVerhältnissen
ergeben haben. The division into tyrants and slaves, has produced
a classification of society, which, however necessary in its early
stages, is now creating every kind of evil over the earth, and prevents
the possibility of any one attaining that high degree of excellence
and happiness which, otherwise. might be so easily secured to the
whole of the human race; a classification which must be destroyed
before injustice and oppression, vice and misery, can be removed.
Vielfach ging Owen in diesem Zusammenhang auf die Rolle der Religion
ein. Er machte dabei keinen Unterschied zwischen den verschiedenen
Glaubensbekenntnissen, sondern betonte, daß diese trotz aller
Unterschiede auf den gleichen Grundlagen beruhen, die einer wissenschaftlichen
bzw. einer vernünftigen Prüfung nicht standhalten könnten.
The facts and laws of nature, which constitute the Moral Science
of Man, demonstrate that all belief or mental convictions, and all
physical feelings, are instincts of human nature, and form the will;
it follows, that the fundamental dogmas of all religions have emanated
from ignorance of the organization of man, and of the general laws
of nature.
Der Übergang von der Gesellschaft der Unvernunft zu eine Gesellschaft
der Vernunft sollte sich Owen zufolge friedlich vollziehen. Auch
wenn er bis zu seinem Tode eine Symbolfigur der Arbeiterbewegung
war, so lehnte er klassenkämpferische Positionen ausdrücklich
ab. Er sprach vielmehr von der Vereinigung aller Klassen, was zu
einem Bruch mit Teilen der Arbeiterbewegung, darunter auch mit einstigen
Anhängern Owens wie William Thompson und William Lovett, führte.
Im Zusammenhang mit dem anzustrebenden gesellschaftlichen Idealzustand
führte Owen den Begriff des Glücks auf und stellte sich
so in die Tradition des Utilitarismus. Das von Jeremy Bentham formulierte
Ziel der greatest hapiness of the greatest number bildete
durchgängig einen zentralen Bezugspunkt derOwenschen Gesellschaftstheorien.
Die zukünftige Gesellschaft der Vernunft beschrieb Owen vielfach
mit den üblichen ausschweifenden und pathetischen Formulierungen
der damaligen Autoren. Wenn die Voraussetzungen geschaffen seien,
in denen sich die Menschen, beziehungsweise. deren Charaktere frei
entwickeln und entwickeln könnten, dann würde die menschliche
Kultur das Millennium und damit eine in der Geschichte zuvor unbekannte
Höhe erreichen. The second creation or regeneration of
man will bring forth in him new combinations of his natural faculties,
qualities, and power, which will imbue him with a new spirit, and
create in him new feelings, thoughts, and conduct, the reverse of
those which have been hitherto produced. This re-created or new-formed
man will be enabled easily to subdue the earth, and make it an ever-varying
paradise, the fit abode of highly intellectual moral beings, each
of whom, for all practical purposes, will be the free possessor
and delighted enjoyer of its whole extent; and that joy will be
increased a thousand-fold, because all his fellow-beings will equally
enjoy it with him.
4. ROBERT OWEN UND DAS PROJEKT NEW LANARK
Der Zeitraum des Wirkens von Robert Owen in New Lanark umfaßte
nahezu drei Jahrzehnte. Nach einer rasanten wirtschaftlichen Karriere
setzte Owen dort im Rahmen einer Fabriksiedlung seine Vorstellungen
einer reformierten Gesellschaft konkret um. Weltweite Aufmerksamkeit
sicherten ihm nicht nur die vielfältigen neuartigen sozialen
Einrichtungen, sondern insbesondere auch der Umstand, daß
diese zur einer enormen Produktionssteigerung und zu höheren
Gewinnen führten. Bei Betrachtung der Biographie Owens wird
deutlich, daß schon Erlebnisse in der Kindheit sein späteres
Denken und Handeln maßgeblich beeinflußten.
4.1 PRÄGENDE ERLEBNISSE IN DER KINDHEIT
Robert Owen wurde am 14. Mai 1771 in Newton im Norden von Wales
geboren. Sein Vater war in unterschiedlichen Berufen wie Sattler,
Eisenhändler und Postmeister tätig. Er erlernte das Lesen
sehr früh, so daß er bereits mit sieben Jahren als Hilfskraft
des Dorflehrers tätig war und dabei sein erstes Geld verdiente.
In seinen unvollendeten Lebenserinnerungen, deren erster Teil 1857
erstmals veröffentlicht wurde, führte er mehrere Ereignisse
auf, die in seiner Kindheit wichtige Weichen für seine spätere
Entwicklung stellten. Der junge Owen interessierte sich sehr für
Biographien und Reiseberichte, so daß er einen großen
Teil seiner Zeit in den ihm zugänglichen Bibliotheken der ortsansässigen
Lehrer und Pfarrer verbrachte. Dadurch kam er außerordentlich
früh mit fremden Kulturen und Erfahrungen in Berührung,
die weit über die alltäglichen Erlebnisse in Newton hinausgingen.
Das Wissen über die Unterschiede von Menschen und Ländern
bildete einen Grundstein für die weltoffene Toleranz, die ihn
später auszeichnete. Im Alter von zehn Jahren begann er erste
kurze Predigten zu schreiben, weshalb er im Dorf The little
parson genannt wurde. In dieser frühen Phase setzten
jedoch bereits erste Zweifel an der Richtigkeit seines Glaubens
ein, da er als Kind christlicher Eltern über die Verschiedenheit
der religiösen Ausrichtungen und deren Absolutheitsansprüche
verwundert war: I read and studied the books with great attention;
but as I read religious works of all parties, I became surprised,
first at the opposition between the different sects of Christians,
afterwards at the deadly hatred between the Jews, Christians, Mahomedans,
Hindoos, Chinese etc, etc, and between these and what they called
Pagans and Infidels. The study of these contending faiths, and their
deadly hatred to each other, began to create doubts in my mind respecting
the truth of any of these divisions.
Rückblickend beschrieb Owen ein prägendes Erlebnis das
ihm den Charakter der Ehe offenbarte, an der er in seinen späteren
Schriften fundamental Kritik übte. Sein Vetter und dessen Freundin
wollten heiraten.Die Ehe kam aber aufgrund von Streitigkeiten wegen
der Mitgift nicht zustande und die beiden Liebenden mußten
sich trennen. So führte Owen zufolge das Besitzdenken der beteiligten
Parteien zur Auflösung der Liebesbeziehung. Im Zusammenhang
mit seinem Verhältnis zum allgemeinen Konkurrenz- und Wettbewerbsprinzips
führte Owen ein Erlebnis mit seinem Bruder auf. Es sollte geprüft
werden wer von beiden besser schreiben konnte. Obwohl keine nennenswerten
Unterschiede bestanden, entschied man sich für den allgemein
beliebteren Robert, was dieser als sehr ungerecht empfand. Die Persönlichkeitsbildung
Robert Owens wurde von seinen Eltern entscheident mitgeprägt,
indem sie ihm schon früh Verantwortung übertrugen und
ihn bei Entscheidungen um Rat fragten. Das herrschende autoritäre
Verhältnis von Eltern zu Kindern wurde durchbrochen und Robert
zum selbstständigen und kritischen Denken angeregt.
4.2 DER WIRTSCHAFTLICHE AUFSTIEG
Im frühen Alter von zehn Jahren kam Owen nach London, wo ihm
Freunde eine Lehrstelle in einem angesehenen Kleidergeschäft
vermittelten. Seine freie Zeit verbrachte er zu großen Teilen
mit seiner damaligen Lieblingsbeschäftigung dem Lesen: I
read upon five hours a day. In summer and as long as the weather
permitted, my chief pleasure was to go early into the park to walk,
read, think, and study, in those noble avenues which were then numerous
in it. I had transcribed many of Senecas moral precepts into
a book which I kept in my pocket; to ponder over them in the park
was one of my pleasurable occupations. (...)
Seine zweite Anstellung erhielt Owen in einem Warenhaus in dem
er täglich bis zu achtzehn Stunden arbeiten mußte und
dementsprechend keine Zeit mehr hatte um sich seinen geistigen Interessen
zu widmen. In dieser Phase seines Lebens wurde er direkt mit den
Bedingungen und Konsequenzen der Kinder- und Jugendarbeit konfrontiert,
die in seinen späteren Schriften immer wieder verurteilte.
1787 verließ Owen London und ging nach Manchester, wo er in
einem Geschäft für Haushaltswaren den Verkauf so erfolgreich
leitete, daß ihm der Besitzer eine Teilhaberschaft anbot.
Da sich der achtzehnjährige Owen jedoch in seinem Handlungsspielraum
eingeschränkt sah, lehnte er das Angebot ab und gründete
stattdessen mit einem Kompagnon eine Fabrik im Bereich der Baumwollverarbeitung.
Das Investitionskapital für die modernen Maschinen lieh er
sich von seinem Bruder.
Nach einer wechselhaften Anfangsphase gelang es ihm das Unternehmen
zu etablieren. Die Größe des Unternehmens wuchs beständig,
so daß er bald vierzig Arbeiter beschäftigte. Schon wenige
Monate nach der Gründung der Firma verkaufte er seine Anteile
jedoch wieder und investierte in ein Gebäude,welches er teilweise
für ein neu gegründetes Fabrikunternehmen nutzte. Auf
Grund der in dieser Zeit explosiv wachsenden Nachfrage nach Baumwollerzeugnissen
konnte Owen seine Produkte zu hohen Preisen verkaufen und die Gewinne
in die Erweiterung seines Unternehmens und den Kauf moderner Maschinen
investieren. Vor diesem Hintergrund stellte er sich 1791 dem Unternehmer
Peter Drinkwater vor, der in Manchester die erste mechanische Feinbaumwollspinnerei
gegründet hatte und zu den erfolgreichsten Unternehmern seine
Zeit gehörte. Ungefragt bot sich der damals erst zwanzigjährige
Owen Drinkwater als Geschäftsführer an, welcher ihn nach
Überprüfung der bisher erbrachten geschäftlichen
Leistungen einstellte, so daß Owen nun fünfhundert Arbeiter
leitete.
Als Leiter von fünfhundert Arbeitern führte Owen das
Unternehmen zu Rekordgewinnen obwohl er sich der in Unternehmerkreisen
gängigen Auffassung widersetzte, die Arbeiter bis zur Grenze
ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit auszulasten. Die
in Folge vergleichsweise humanen Arbeitsbedingungen stießen
schon zu diesem frühen Zeitpunkt auf viel Beachtung. Um sich
die Dienste Owens langfristig zu sichern, zahlte ihm Drinkwater
ein hohes Gehalt, das sich jährlich steigerte. Zudem wurde
ihm eine zukünftige Teilhaberschaft zugesichert.. Da der Schwiegersohn
jedoch darauf bestand, daß die Spinnerei ungeteilt im Familienbesitz
bleibt, mußte Owen nach der Heirat von Drinkwaters Tochter
von der Teilhaberschaft absehen. Auf die ihm angebotene Entschädigung
verzichtete er aus Dankbarkeit gegenüber Drinkwater. Owen war
inzwischen so wohlhabend, daß er bald darauf einen eigenen
Betrieb im Baumwollgeschäft eröffnete. Auf Grund seines
guten Leumundes und seiner Geschäftsverbindungen etablierte
sich auch dieses Unternehmen schnell und erwirtschaftete beträchtliche
Gewinne. Das kaufmännische Talent Owens in Verbindung mit dem
rasanten wirtschaftlichen Aufschwung hatten dazu geführt, daß
Owen innerhalb weniger Jahre zu einem der erfolgreichsten Unternehmer
Manchesters aufgestiegen war.
4.3 DIE PRIVATE ENTWICKLUNG ROBERT OWENS
Obwohl Owen trotz seines jungen Alters anerkannt war und sein kaufmännischer
Erfolg außer Zweifel stand, bedrückte ihn eine tiefe
Unzufriedenheit mit seinem schüchternen Auftreten und seiner
vermeindlich lückenhaften Bildung. Hierbei wird der ausgeprägte
Ehrgeiz Owens deutlich, der sich nie mit dem Mittelmaß·
zufrieden gab. Er strebte in allen Bereichen nach dem Höchsten,
wobei er von dieser Position aus in späteren Jahren immer wieder
in völliger Selbstlosigkeit bereit war, zu geben was er besaß
um seinem Ideal einer gerechten Gesellschaft näher zu kommen.
Owen widmete sich zu dieser Zeit dem Studium der Literatur und
wurde Mitglied in einigen kleinen Vereinigungen, die sich der Diskussion
über philosophische, literarische und wissenschaftliche Themen
widmeten. In diesen Zirkeln hielt er auch seine ersten Vorträge,
die sich noch sehr allgemein mit dem Nutzen der Tugenden oder dem
Ursprung der Meinungen beschäftigten.
Beispielhaft für die geistige Entwicklung, die Owen in dieser
Zeit durchlebte, war die völlige Abkehr von der Religion. Zuvor
hatte er sich trotz verschiedener Zweifel noch zum Christentum bekannt,
nun aber brach er mit dem Glauben seiner Jugend It was with
the greatest reluctance, and after long contests in my mind, that
I was compelled to abandon my first and deep rooted impressions
in favour of Christianity, - but being obliged to give up my faith
in this sect, I was at the same time compelled to reject all others,
for I had discovered that all I had been based on the same absurd
imagination, that each one formed his own qualities and was
responsible for them to God and his fellowmen. My own reflections
compelled me to come to different conclusions. My reason taught
me that Nature gave the qualities an Society directed them. (...)
4.4 DIE FABRIKSIEDLUNG NEW LANARK
In den letzten Jahren vor der Wende zum 19. Jahrhundert reiste
Owen mehrfach nach Schottland um dort Geschäftspartner zu treffen.
Bei einem Aufenthalt in Glasgow lernte er Caroline Dale, die Tochter
des Baumwollfabrikanten David Dale, kennen und begann sich daraufhin
für dessen Spinerei zu interessieren. David Dale gehörte
zu dieser Zeit zu den angesehensten Persönlichkeiten Schottlands.
Er war bekannt als Prediger, Bankdirektor und Besitzer der Baumwollspinnereien
von New Lanark in der Nähe von Glasgow. 1782 hatte er in der
Nähe der Kleinstadt Old Lanark unter Nutzung der Wasserkraft
eines benachbarten Flusses mit dem Aufbau von Spinnereien und einer
Siedlung für die Arbeiter begonnen.
In Bezug auf die Wirtschaftlichkeit gehörte das Unternehmen
über Jahre hinweg zu den erfolgreichsten Schottlands. Als Owen
zu ersten Besuchen nach New Lanark kam litt es jedoch unter großen
internen Problemen, die für Betriebe dieser Art charakteristisch
waren. In der Fabriksiedlung waren von Seiten der Arbeiter Diebstahl
und Vandalismus genauso alltäglich wie Alkoholismus und Disziplinlosigkeit:.
It may with truth be said, that at this period they possessed
almost all the vices and very few of the virtues of a social community.
Theft and the receipt of stolen goods was their trade, idleness
and drunkenness their habit, falsehood and deception their garb,
dissensions, civil and religious, their daily practice; they united
only in a zealous systematic opposition to their employers.
Die meisten Arbeiter New Lanarks stammten aus der unüberschaubaren
Masse umherziehender Menschen, die durch die wirtschaftlichen Veränderungen
ihrer Zeit arbeitslos geworden waren. Daneben wurden Kinder aus
den zahlreichen Waisenhäusern der Umgebung als billige Arbeitskräfte
eingesetzt. Anfang 1799 unterbreitete Owen zusammen mit einigen
Geschäftspartnern aus Manchester Dale das Angebot New Lanark
zu kaufen. Dieser willigte nach anfänglichen Zögern ein,
so daß im Sommer die Fabriksiedlung in den Besitz der neu
gegründeten und von Owen geleiteten New Lanark Twist
Company überging. Im September des gleichen Jahres heirateten
Robert Owen und Caroline Dale. Sie wohnten kurzzeitig in Manchester
zogen dann aber nach New Lanark. Dort begann Owen sofort das Unternehmen
und die dazu gehörende Siedlung nach seinen Vorstellungen umzugestalten:
I entered upon the government of New Lanark about the first
of January, 1800. I say government, - for my intention
was not to be a mere manager of cotton mills, as such mills were
at this time generally managed; - but to introduce principles in
the conduct of the people, which I had successfully commenced with
the workpeople in Mr. Drinkwaters factory; and to change the
conditions of the people, who, I saw, were surrounded by circumstances
having an injurious influence upon the character of the entire population
of New Lanark.
4.5 DIE VERÄNDERUNGEN DER ERSTEN JAHRE
Die etwa acht Jahre andauernde erste Phase seiner Bestrebungen
die Fabriksiedlung nach seinen Vorstellungen umzuändern, galt
der Verbesserung der grundlegenden Arbeits- und Lebensbedingungen.
Owens Reformtätigkeiten wurden jedoch keineswegs durchgängig
begrüßt, vielmehr mußte sich Owen mehrfach gegen
seine Geschäftspartner, aber auch gegen das Mißtrauen
der Arbeiterschaft durchsetzen. Zur Zeit der Übernahme durch
Owen lebten rund 1.800 Menschen in New Lanark. Etwa ein Viertel
der Bevölkerung waren Waisenkinder aus den Einrichtungen um
Lanark. Owen trat schon zu diesem Zeitpunkt gegen die Kinderarbeit
ein, einer Zielsetzung die später im Mittelpunkt seiner Gesetzesinitiativen
stand. Er kündigte entsprechend die Verträge mit den Waisenhäusern
und beschäftigte keine Kinder unter zehn Jahren. Einen weiteren
Schwerpunkt seiner Bestrebungen sah Owen in der Verbesserung der
Wohnungssituation. Owen ließ die Siedlungshäuser renovieren
und erweitern, wodurch die einzelnen Familien einen größeren
Wohnraum erhielten.
New Lanark hatte wie die meisten Sieldungen, die in der unmittelbaren
Nähe der Fabriken entstanden, keinerlei Kanalisation, so daß
sich der Unrat vor oder hinter den Häusern sammelte. Zunächst
ließ Owen, um diesen Zuständen entgegenzutreten, die
großen Kothaufen, die sich vor den Häusern befanden entfernen
und stellte deren Erneuerung unter Strafe. Seine Bestrebungen die
Bewohner auch zur Hygiene und Ordnung innerhalb ihrer Wohnungen
anzuhalten wurden jedoch als Eingriff in die Privatsphäre verstanden
und stießen lange auf Widerstand. Innerhalb des Fabrikbereiches
führte Owen Maschinen ein die dem neuesten Stand der damaligen
Technik entsprachen. Die Arbeitsleistung steigerte Owen zudem durch
ein Bewertungssystem. Über dem Arbeitsplatz eines jeden Arbeiters
war ein drehbares Holzstück angebracht, der sogenannte Silent
Monitor, welcher durch unterschiedliche Farben die Arbeitsleistung
der Arbeiter in Kategorien von schlecht bis gut einteilte. Die Arbeiter
wurden so einem sozialen Druck ausgesetzt, der zu einer beträchtlichen
Steigerung der Produktivität führte. Die Arbeitszeit selbst
lag mit zehneinhalb Stunden bei zwei Pausen weit unter den gängigen
Normen, die zum Teil bei vierzehn bis siebzehn Stunden täglich
lagen. Der Lohn lag etwas über dem englischen Durchschnitt,
wobei gleichzeitig die Lebenshaltungskosten in New Lanark weit unterhalb
des Landesdurchschnittes einzuordnen waren.
Die Diebstähle innerhalb der Fabrikeinrichtungen unterband
Owen nicht wie ansonsten üblich durch drakonische Strafmaßnahmen,
die den damals geltenden Gesetzesbestimmungen entsprechend bis zur
Verhängung der Todesstrafe reichten, sondern durch strikte
Kontrollen aller Eingänge der Fabrikgebäude. Um dem weitverbreiteten
Alkoholismus entgegen zu treten, wurden alle Wirtschaften geschlossen
und durch Gemeinschaftsräume ersetzt, in denen kulturelle Veranstaltungen
angeboten wurden und Alkohol nur noch eingeschränkt verkauft
wurde. Zudem wurden Aufseher dazu aufgefordert die Namen von Betrunkenen
weiterzureichen. Diese wurden zuerst mit Lohnabzügen und bei
dreimaliger Wiederholung mit Entlassung bestraft. Weiterhin ließ
Owen den außerehelichen Geschlechtsverkehr unter Strafe stellen.
Damit sollte die Zahl der von den Eltern verstoßenen Kinder
eingeschränkt werden. Die Strafe, die beiden Beteiligten gleichermaßen
auferlegt wurde, bestand aus einer Geldstrafe die in einen Unterstützungsfond
für Kranke und Bedürftige eingezahlt wurde.
Um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern ließ Owen
neue Geschäfte errichten, die erste Elemente der später
von Owen propagierten Idee der Genossenschaftsläden enthielten.
Durch den Großeinkauf qualitativ hochwertiger Waren wurde
deren Grundpreis niedriger, worauf die Lebenshaltungskosten in New
Lanark sanken. Um die Bevölkerung stärker in Entscheidungen
einzubinden und ihre Verantwortung zu stärken, sowie um eine
stärkere Identifikation mit dem Unternehmen und damit auch
eine höhere Arbeitsleistung zu erreichen, führte Owen
demokratische Strukturen ein. Die Bevölkerung New Lanarks wurde
in einzelne Gruppen aufgeteilt, die jeweils durch Wahl einen Vertreter
bestimmen sollten. Die Vertreter bildeten wiederum die sogenannte
Jury, die Vorschläge für Veränderungen
machen konnte, aber auch für den allgemeinen Zustand der Siedlung
verantwortlich war.
Trotz dieser schrittweise realisierten Initiativen bestand lange
ein Mißtrauen der Arbeiterschaft gegenüber Owen. Dieses
wurzelte weniger in der Persönlichkeit Owens als in der Ablehnung
Owens in seiner Position als Fabrikbesitzer und damit auch als nahezu
uneingeschränkter Herrscher über die Bewohner New Lanarks.
Daran änderten auch die Gespräche nichts, die Owen mit
einigen ausgewählten Arbeitern führte, um sie von der
Richtigkeit seines Weges zu überzeugen. Erst als es zeitweise
zu einer Ausfuhrsperre für die von Owen benötigte amerikanische
Rohwolle kam, änderte sich dieser Zustand. Owen ließ
die Produktion in Teilen des Unternehmens deswegen einstellen, zahlte
aber für die Instandhaltung der Fabrik weiter den vollen Lohn.
In einer unübersehbaren Deutlichkeit unterstrich Owen damit,
daß sein vorrangiges Interesse nicht die Profitorientierung
war, sondern das Wohlergehen aller Menschen die in der Siedlung
lebten und arbeiteten. The principles, applied to the community
at New Lanark, at first under many of the most discouraging circumstances,
but persevered for sixteen years effected a complete change in the
general character of the village... It may be truly stated, that
they now constitute a very improved society; that their worst habits
are gone, and that minor ones will soon disappear under a continuance
of the application of the same principles that during the period
mentioned, scarcely a legal punishment has been inflicted, or an
application been made for parish funds by any individual among them.
4.6 DIE ETABLIERUNG DES REFORMMODELLS
Mit der Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen hatte Owen
die Grundlagen für seine weiterreichenden Bestrebungen hinsichtlich
eines neuartigen Schulmodells in New Lanark geschaffen. Als ersten
Schritt plante Owen die Errichtung eines Gebäudes in welchem
verschiedene gemeinschaftliche Einrichtungen Platz haben sollten.
Der Plan stieß auf den Widerstand einiger Teilhaber, die eine
derartige Ausgabe als Verschwendung ansahen. Owen argumentierte
dagegen, daß derartige Einrichtungen langfristig die Produktion
und damit auch die Profitrate steigert. Als deutlich wurde, daß
sich die beiden Positionen kompromißlos gegenüber standen,
erklärte sich Owen dazu bereit die Teilhaber mit einer Summe
auszuzahlen, die weit über dem einstigen Kaufpreis lag.
Doch auch die Auswahl neuer Teilhaber erwies sich als äußerst
unglücklich. Nachdem anfangs Einvernehmen geherrscht hatte,
kam es schnell zu Unstimmigkeiten. Die neuen Teilhaber kritisierten
zu hohen Löhne und stellten sich gegen den Ausbau sozialer
Einrichtungen in der Siedlung und damit auch gegen das Schulprojekt.
Nach einer Eskalation der Streitigkeiten beschloß die Mehrheit
der Teilhaber 1813 die komplette Fabriksiedlung zu versteigern um
einen größtmöglichen Gewinn zu erzielen. Owen gelang
es jedoch auf Grund seines herausragenden Rufes einige wohlhabende
Persönlichkeiten, darunter Jeremy Bentham, zu veranlassen ihn
finanziell zu unterstützen. Auf diesem Wege gelang es Owen
genügend Kapital zu sammeln um bei der Versteigerung alle anderen
Bewerber zu überbieten.
Die neuen Teilhaber gaben Owen nun die Freiheiten und die Rückendeckung
die er zur Durchführung seiner Projekte benötigte. Gleichzeitig
erklärten sie sich damit einverstanden, daß ein beträchtlicher
Teil des in New Lanark erwirtschafteten Gewinns zum Wohle der Bevölkerung
eingesetzt wurde. Dadurch kam es innerhalb weniger Jahre zu einer
Hebung das Lebensniveaus in New Lanark in dem die Wohnhäuser
vergrößert, renoviert und zum Teil mit Heizungen ausgestattet
wurden. Zahlreiche öffentliche Einrichtungen wie ein riesiger
Speisesaal, eine Bibliothek und eine Veranstaltungshalle wurden
eröffnet und vielfältig genutzt. Zudem kam es zur Einrichtung
einer auf wöchentlichen Beiträgen der Arbeiter basierenden
Alters- und Krankenversicherung. Owen selbst wuchs in dieser Zeit
immer mehr in die Rolle des allmächtigen paternalistischen
Übervaters hinein, der die Bewohner New Lanarks wie seine Kinder
beschützte, versorgte und sie zu selbstständigen Menschen
erziehen wollte.
Zahlreiche Besucher aus ganz Europa und Nordamerika, darunter Könige
und Staatsführer wie auch Wissenschaftler und Sozialreformer,
besuchten in dieser Zeit New Lanark. Der Ruf New Lanarks als einzigartige
soziale und wirtschaftliche Modellsiedlung machte Robert Owen zu
einer über Staatsgrenzen hinweg anerkannten Persönlichkeit.
Seine Vorstellungen und seine praktischen Erfahrungen in New Lanark
faßte Owen in seiner ersten großen Schrift A New
View of Society; or, Essays on the Principle of the Formation of
the Human Character, and the Application of the Principle to Practice
zusammen, die in den Jahren 1813 bis 1816 entstand. Noch vor seiner
Veröffentlichung versandte Owen den Text an politisch und wirtschaftlich
einflußreiche Persönlichkeiten. Seine Hoffnung, daß
das Beispiel von New Lanark sie zu einer Änderung ihrer Politik
bewegen würde, stellte sich jedoch schnell als naiver Glaube
an das Gute im Menschen heraus.
Erneut wurde Owen von anderen Geschäftsleuten der baldige
Ruin prophezeit, doch auch in dieser Phase gelang es Owen in New
Lanark hohe wirtschaftliche Gewinne zu erzielen. Drei wesentliche
Faktoren waren hierfür verantwortlich: Die anhaltende Konjunktur
der Baumwollwirtschaft, die hohe Leistungsbereitschaft der Arbeiter,
die sich weitgehend mit dem Unternehmen identifizierten, und die
unternehmerischen Fähigkeiten Owens.
Owen verstand es über seine guten Geschäftsbeziehungen
und das fachliche Wissen hinausgehend immer wieder Strukturen zu
schaffen, die den Produktions- und Verwaltungsprozeß entscheidend
verbesserten. So war ihm beispielsweise eine Gruppe von Verwaltern
unterstellt, zu deren Tätigkeiten auch die Verbreitung seiner
sittlichen und gesellschaftlichen Vorstellungen gehörte. Owen
widmete diesen Verwaltern viel Zeit und gewährte ihnen einen
großen Entscheidungsspielraum bei anfallenden Problemen. Es
entstand dadurch eine Gruppe von Angestellten denen Owen in den
Phasen längerer Reisen ohne Befürchtungen die unternehmerische
Verantwortung übertragen konnte.
Auch in Bezug auf seine Kunden war das Verhalten Owens von einer
ungewöhnlichen Fairneß geprägt. Während es
sonst üblich war jede Marktveränderung sofort im eigenen
Interesse auszunutzen, informierte Owen seine Kunden umgehend von
größeren Preisschwankungen. Er baute dadurch eine Vertrauensbasis
auf, was zu lang anhaltenden geschäftlichen Beziehungen führte
und Owen gleichzeitig beständig neue Kunden sicherte.
4.7 DIE SCHULE DER CHARAKTERBILDUNG
Die veränderten Besitzverhältnisse ermöglichten
es Owen seine Vorstellungen eines neuen Schulsystems in New Lanark
umzusetzen. Die 1816 eröffnete Schule erhielt ganz im Sinne
von Owens Schriften den Titel Institution for the Formation
of Character. This institution, when all its parts shall
be completed, is intended to produce permanently beneficial effects;
and, instead of longer applying temporary expedients for correcting
some of your most prominent external habits, to effect a complete
and thorough improvement in the internal as well as external character
of the whole village. For this propose the institution has been
devised to afford the means of receiving your children at an early
age, as soon as they can walk.
Schon in Manchester hatte sich Owen mit dem Erziehungswesen auseinander
gesetzt, später unterstützte er die Bestrebungen von Andrew
Bell und Joseph Lancester ein Volksschulsystem in England einzuführen.
Auch wenn er die beiden finanziell förderte, so kritisierte
er die religiöse Ausrichtung Bells und die auf Repression basierenden
Elemente des Erziehungssystems von Lancester. Darüber hinaus
setzte Owen das Alter in dem die gesellschaftliche Erziehung einsetzen
muß mit achtzehn Monaten weitaus niedriger an als Bell und
Lancester.
Den Ausgangspunkt für Owens pädagogische Überlegungen
bildete die Vorstellung von der Bildung des Charakters durch die
umgebenden Umstände. Da die Eltern durch die Gesellschaft geprägt
sind und in der Regel kaum Wissen bezüglich der Erziehung von
Kindern besitzen, werden sie ihre Kinder in dem gleichen negativen
Sinne prägen wie sie selbst geprägt wurden. Um die Kinder
dagegen im Sinne von Werten wie Gleichheit, Gemeinschaftlichkeit
und Gerechtigkeit zu erziehen, ist es Owen zufolge notwendig sie
schon im frühen Kindesalter einer gemeinschaftlichen Erziehung
zuzuführen. By this means many of you, mothers and families,
will be enabled to earn a better maintenance or support for their
children; you will have less care and anxiety about them; while
the children will be prevented from acquiring any bad habits, and
gradually prepared to learn the best.
Das zweistöckige Schulhaus bot Platz für rund 300 Schüler.
Vor dem Haus befand sich ein großer Spielplatz, der den Kindern
Möglichkeiten körperlicher Entfaltung bot, die von Owen
immer wieder als äußerst wichtig beschrieben wurden.
Aufgenommen wurden Kinder sobald sie das Laufen erlernt hatten.
Als Erzieher wählte er junge Menschen aus der Siedlung, die
zwar keine pädagogische Ausbildung besaßen, aber Owen
durch ihre Kinderliebe aufgefallen waren. 1816 unterrichteten vierzehn
Lehrer rund 270 Kinder, die ihrer Jahrhangsstufe entsprechend in
einzelne Gruppen aufgeteilt waren.
Großer Wert wurde darauf gelegt, daß die Kinder nicht
beschimpft und vor allem nicht geschlagen wurden, vielmehr sollte
immer ein freundlicher und verständnisvoller Umgangston herrschen.
An den Wänden in den Zimmer hingen Bilder von Tiere und Landkarten,
welche die natürliche Wißbegierde der Kinder anregen
und fördern sollten. Im Unterricht der ersten Jahre wurde der
Schwerpunkt auf die Bereiche Naturwissenschaft und Geographie gelegt,
wobei den Kindern ein Verständnis ihrer natürlichen Umwelt
und gleichzeitig einen ersten Eindruck der kulturellen Vielfalt
vermittelt werden sollte. Etwas später setzte das Erlernen
des Lesens, Schreibens und Rechnens ein. Vermittelt wurden den Jungen
zudem handwerkliche Fähigkeiten und militärische Kenntnisse,
während den Mädchen Nähunterricht erteilt wurde.
Um den Kinder eine große körperliche Bewegungsfreiheit
zu ermöglichen wurde eine besondere gewandartige Schulkleidung
entworfen. Einen Kompromiß ging Owen in Bezug auf den Religionsunterricht
ein. Da einige der Teilhaber Quäker waren und die Mehrheit
der Eltern Christen waren, lag ein Schwerpunkt in der Vermittlung
christlicher Positionen, wobei anderen Bekenntnissen und allgemeinen
Moralvorstellungen ebenfalls Raum gegeben wurde.
4.8 OWENS RÜCKZUG AUS NEW LANARK
Als Owen ab 1817 verstärkt in der Öffentlichkeit seine
ablehnende Haltung gegenüber der Religion vertrat nahmen die
Spannungen mit seinen Teilhabern zu. Zunehmend wurde nicht nur der
Religionsunterricht kritisiert sondern unter anderem auch die Tanzveranstaltungen
und die Turnübungen. Die Auseinandersetzung dauerten mehrere
Jahre lang an und führten zu einerManifestation der gegensätzlichen
Positionen. 1824 wurde Owen die Leitung über die Schule entzogen.
Der neue Leiter gestaltete die Schule den herrschenen christlichen
Vorstellungen entsprechend um. Innerhalb einer kurzen Zeitspanne
verlor die Schule, ihren internationalen Modellcharakter und vollzog
eine Annäherung an das konventionelle Schulsystem. Die Verwirklichung
der Zielsetzungen die Owen in New Lanark angestrebt hatte war nun
in eine unerreichbare Ferne gerückt. Die Institution
for the Formation of Character sollte den Grundstein für
die Bildung einer neuen Gemeinschaft von Menschen bilden. Das Umschwenken
in der Schulpolitik entsprach dagegen einem Rückfall in gesellschaftliche
Strukturen deren Überwindung Owen angestrebt hatte.
Nachdem Owen sein für ihn wichtigstes Projekt genommen worden
war, zog er sich aus New Lanark schrittweise zurück und widmete
sich zunehmend anderen Projekten. Die Schule wie auch die Veränderungen,
die er in New Lanark eingeleitet hatte, sah er dabei als praktischen
Beweis seiner Lehre von der Beeinflussung durch die umgebenden Bedingungen.
The experiment at New Lanark was the first commencement of
practical measures with a view to change the fundamental principle
on which society has heretofore been based from the beginning; and
no experiment could be more successful in proving the truth of the
principle that the character is formed for and not by the individual,
and society now possesses the most ample means and power to well-form
the character of every one, by reconstructing society on its true
principle, and making it consistent with that fundamental principle
in all its departments and divisions.
In Folge der Trennung, die Owen 1828 endgültig vollzog, büßte
New Lanark seine in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht führende
Position ein. Viele der wegweisenden Einrichtungen, die Owen initiiert
hatte, blieben zwar bestehen, es fehlte jedoch eine Persönlichkeit
mit der Fähigkeit diese Einrichtungen weiterzuentwickeln. Im
Rahmen der üblichen wirtschaftlichen Höhen und Tiefen
existierte New Lanark als Wirtschaftsunternehmen bis in die zweite
Hälfte dieses Jahrhunderts. Nachdem die Einrichtung zunehmend
ihre Konkurrenzfähigkeit verlor wurde sie 1968 geschlossen.
Die Nutzung der Wasserkraft durch die Mühlen, die bis zu diesem
Zeitpunkt ein wesentliches Element der Produktion bildete, konnte
mit den Möglichkeiten anderer Energiequellen nicht mehr standhalten.
Gleichzeitig fehlten finanzielle Mittel für eine längst
überfällige Modernisierung. In der Mitte der siebziger
Jahre wurde vom zeitweise geplanten Abriß der Gebäude
abgesehen. Stattdessen wurde ein neues Konzept entwickelt, welches
die Renovierung der Wohngebäude, der touristischen Erschließung
der Anlagen unddie Würdigung des Wirkens von Robert Owen in
New Lanark beinhaltet.
5. DAS PROJEKT NEW HARMONY
In den Jahren 1825 bis 1827 versuchte Robert Owen seine Ideale
im Rahmen des Siedlungsprojektes New Harmony umzusetzen. Nach anfänglichen
Erfolgen scheiterte das Projekt auf Grund interner Probleme, zudem
hatte Owen die Geschwindigkeit der Bewußtseinsveränderung
der Beteiligten überschätzt. Zahlreiche Ideen und Projekte
nahmen jedoch von dort ihren Ausgang und wirkten nachhaltig weiter.
5.1 DIE GRÜNDUNG
Zu Beginn der zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts war Owen zunehmend
von den Entwicklungen in England enttäuscht. Trotz seiner sozialen
und politischen Initiativen, seinen zahllosen Vorträgen und
Schriften waren weder die Regierung noch die Fabrikbesitzer bereit
auf seine Vorstellungen einzugehen und wirkliche Veränderungen
einzuleiten um die Situation der arbeitenden Bevölkerung grundlegend
zu verbessern. Zudem wurde ihm auf Grund seiner religionsfeindlichen
Einstellung in England zunehmend Widerstand entgegengebracht. So
wuchs in ihm die Absicht seine Ideale am konkreten Beispiel einer
kooperativen Gemeinschaft umzusetzen. Owen hatte zu diesem Zeitpunkt
bereits eine grundlegende Wende vollzogen. Längst reichte es
ihm nicht mehr nur Verbesserungen für die Arbeiter einzuleiten
und deren Not zu lindern, vielmehr wollte er nun eine von Grund
auf anders ausgerichtete Gesellschaft aufbauen, die auf Werten wie
völliger Gleichheit und Solidarität basiert.
Im Jahre 1824 erhielt Owen die Nachricht, daß die Siedlung
Harmony im amerikanischen Bundesstaat Indiana zum Kauf frei sei.
Innerhalb eines Jahrzehntes hatten dort die Anhänger des christlich-puritanischen
Predigers George Rapp unter dessen Führung das Land kultiviert
und ein funktionierendes Gemeinwesen aufgebaut, das wirtschaftlich
autark existierte. Owen sah nun eine Gelegenheit aus den erstarrten
Strukturen Englands auszubrechen und in Amerika einen neuen Anfang
zu machen. Er ging davon aus, daß dort ein offeneres gesellschaftliches
Klima herrschen würde und die sozialen Gegensätze noch
nicht so ausgeprägt seien. Zusammen mit seinem Sohn Robert
Dale reiste Owen in die USA, begutachtete die Siedlung und entschied
sich zum Kauf. Vor der Übernahme unternahm er mehrere Vortragsreisen
durch die Vereinigten Staaten in denen er seine Arbeit in England,
seine Gesellschaftstheorie und seine Vorstellungen einer zukünftigen
kooperativen Gemeinschaft vorstellte. Während dieser Vortragsreihe
sprach er auch in Anwesenheit des damaligen amerikanischen Präsidenten
John Adams, zahlreicher Abgeordneten und hoher Richtern im Washingtoner
Parlamentsgebäude. Sein Ruf als einer der erfolgreichsten Unternehmer
in England und vielbeachteter Sozialreformer führte dazu, daß
er immer wieder begeistert empfangen wurde und seine Vorträge
mit großer Aufmerksamkeit aufgenommen wurden.
5.2 DIE GESELLSCHAFT DES ÜBERGANGS
Owen beschrieb New Harmony als die Keimzelle einer weltweiten Veränderung,
die sich von dort ausbreitend von Gemeinde zu Gemeinde, von Staat
zu Staat, von Kontinent zu Kontinent ausbreiten würde. Sein
Konzept sah für die Entwicklung New Harmonies zwei Phasen vor.
Zu Beginn soll eine Preliminary Society gegründet
werden, eine Gesellschaft des Überganges, die etwa zwei bis
drei Jahre lang existieren sollte. In dieser Zeit soll sich bei
den Mitgliedern ein neues Bewußtsein bilden, welches sie dazu
befähigt gemeinschaftlich zu leben und zu arbeiten. Gleichzeitig
soll in dieser Phase ein selbstständiges Wirtschaftsleben aufgebaut
werden, welches es der Gemeinschaft ermöglicht autark zu bestehen.
Hierbei ist zu beachten, daß sich Owen kurz zuvor in Bezug
auf das Siedlungsprojekt Orbistion noch gegen eine derartige Übergangsphase
ausgesprochen hatte. It will enable me to form immediatly
a preliminary society, in which to receive a new population, an
to collect, prepare, and arrange the materials for erecting several
such combinations, as the model represents, and of forming several
independent, yet united associations, having common property, and
one common interest.
Dem Konzept zufolge lag die Leitung der Siedlung in dieser Anfangsphase
in den Händen von Owen selbst, die demokratischen Mitspracherechte
der Bewohner sollten jedoch beständig erweitert werden. Mitglieder
die das Projekt schädigen und sich nicht gemeinschaftlich verhalten
sollten ausgewiesen werden. Wenn die Zielsetzungen der Preliminary
Society realisiert sind, soll die zweite Phase eingeleitet
werden, die einer kommunistischen Gemeinschaft entspricht in der
Gleichberechtigung auf allen Gebieten vorherrscht. Alle Beteiligten
haben dann die gleichen Rechte und die gleiche Pflichten; ein Prinzip,
das für alle Bereichr des gemeinschaftlichen Lebens gelten
soll.
Im April 1825 zogen rund achthundert Menschen nach New Harmony,
um dort zu leben und zu arbeiten. In den folgenden Wochen kamen
noch einmal zweihundert Menschen. Owen war von dem Zustrom an Menschen
so überwältigt, daß er entgegen seiner Planung auf
eine Selektion verzichtete und alle Interessierten unabhängig
von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft aufnahm. Entsprechend
heterogen gestaltete sich die Zusammensetzung der Gemeinschaft.
Idealistisch ausgerichteten Personen, stand eine Reihe von Personen
gegenüber, die, wie sich später herausstellte, weniger
von Owens gesellschaftlichen Ideen als vom Versprechen auf Wohlstand
und Absicherung angezogen wurden. Als problematisch erwies sich
weiterhin der Umstand, daß sich nur etwas mehr als hundert
ausgebildete Arbeiter und Handwerker unter den Siedlern befanden.
Die Finanzierung des Projektes übernahm Owen zu großen
Teilen selbst. Mitglieder die Geld beisteuerten, erhielten die Zusicherung,
daß sie es bei einem Austritt zurückerhalten würden.
Diese Vereinbarung beinhaltete allerdings die Gefahr einer fehlenden
Verbindlichkeit gegenüber dem Projekt und dem Gemeinbesitz.
Die spätere Entwicklung zeigte, daß viele Siedler vorrangig
um ihr Eigentum besorgt waren und mit dem Gemeinschaftsbesitz zum
Teil verantwortungslos umgingen.
In seiner Gründungsrede vom 27.April 1825 stellte Owen die
neue Gemeinschaft als Half-way House dar, in dem noch
zahlreiche Unterschiede zwischen den Bewohnern des Hauses bestünden.
Die Überwindung dieser Unterschiede sei ein Prozeß, dessen
Verwirklichung einen längeren Zeitraum in Anspruch nehme. Die
Gemeinschaft befände sich jedoch auf der entscheidenden Etappe
auf dem Weg von der unfreien zur freien Gesellschaft. Im Anschluß
an die Gründungsrede verlas Owen die Verfassung der Präliminargesellschaft:
The Preliminary Society is particularly formed to improve
the character and condition of its own member, and to prepare them
to become associates in Independent Communities, having common property.
The sole object of this Communities will be to procure for all their
Members the greatest amount of happiness, to secure it to them,
and to transmit it to their children to the latest posterity...
The Members of the Preliminary Society are all of the same rank,
no artificial inequality being acknowledged; precedence to be given
only to age and experience, and to those who may be chosen to offices
of trust and utility.
Bemerkenswerter Weise wurden in einem Absatz der Verfassung Farbige
ausdrücklich von der Mitgliedschaft in New Harmony ausgeschlossen.
Generell widersprach diese Position allerdings den Überzeugungen
Owens, der in seinen Schriften ansonsten keine vergleichbaren Positionen
vertrat. So kann nur vermutet werden, daß Owen hierbei ein
Zugeständnis an die rassistische Grundhaltung großer
Teile der amerikanischem Bevölkerung machte. In der zweiten
Verfassung von New Harmony tauchte diese Passage nicht mehr auf.
Die Verfassung der Übergangsgesellschaft entsprach in Teilen
der paternalistischen Grundhaltung Owens. Ausgehend von seiner Charakter-Theorie
vom prägenden Einfluß der umgebenden Bedingungen, war
er der Meinung, daß die Menschen noch nicht reif für
eine wirklich gemeinschaftliche und auf völliger Selbstbestimmung
fußenden Ordnung seien. Er selbst sah sich dabei in der Rolle
des wegweisenden Übervaters, der die Bedingungen für die
Bewußtseinsveränderung der Menschen schafft. Wurzelnd
in Owens kritischer Haltung dem Strafsystem gegenüber wurde
auf Strafmaßnahmen bei kriminellen Handlungen verzichtet.
Die einzige Möglichkeit der Sanktion war der Ausschluß
aus der Gemeinschaft. Owen hoffte, daß sich unter den veränderten
Bedingungen die Verbrechensrate bald auf ein Minimum reduzieren
würde. Während der Übergangsphase sollte ein Schiedsgericht
eventuell auftretenden Streitigkeiten schlichten.
Schon in New Lanark erkannte Owen die weitreichende Bedeutung,
die das kulturelle Leben für die Entwicklung einer Gesellschaft
hat. Entsprechend wurden auch in New Harmony zahlreiche Veranstaltungen
organisiert, zu denen Theaterveranstaltungen, Bälle und Vorträge
gehörten. Die Kosten für die kulturellen Veranstaltungen
und die gemeinschaftliche Erziehung der Kinder, wie auch die finanzielle
Versorgung im Falle von Krankheit und die Altersabsicherung wurden
von der Gemeinschaft getragen.
Für die 140 Kinder der Gemeinschaft wurde eine Schule errichtet,
die an Owens Erfahrungen und den Lehren des Schweizer Pädagogen
Johann Heinrich Pestalozzi anknüpfte. Im Vordergrund stand
die Erziehung der Kinder zu selbständig denkenden Menschen.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Schulen wurde sehr viel Wert
auf einen möglichst anschaulichen, kindgemäßen und
naturbezogenen Unterricht gelegt. Eine ausschließliche Erziehung
durch die Eltern wurde abgelehnt, da die Kinder auf diesem Wege
nicht in einem ausreichenden Maße zur Gemeinschaftlichkeit
erzogen würden. Entsprechend verbrachten die Kinder ab dem
Alter von drei Jahren ihre Tage in der Kleinkinderschule und waren
nur Abends und Nachts bei ihren Eltern, die dadurch der Sorge um
die Betreuung während dr arbeitszeit enthoben waren. Völlig
untypisch für die damalige Zeit war die koedukative Erziehung
von Mädchen und Jungen. Diese Erziehung sollte die gleichberechtigten
Stellung von Frauen und Männern in der Gemeinschaft fördern.
Im Zuge der Gleichberechtigung hatten auch Frauen in New Harmony
das Wahlrecht. Beispielhaft war zudem die Abschaffung der Ehegesetze,
die Frau materiell an Mann banden.
Auch für die Erwachsenen wurden zahlreiche Bildungsmöglichkeiten
angeboten. Zudem wurde eine Bibliothek eingerichtet, die als erste
öffentliche Bibliothek in die Geschichte der Vereinigten Staaten
einging. Theoretische Diskussionen und Auseinandersetzungen wurden
in der New Harmony Gazette geführt, die von Robert
Dale Owen und Frances Wright geleitet wurde. Das Motto der Zeitung
lautete If we cannot reconcile all opinions, let us endeavor
to unite all hearts. Einmal in der Woche fanden Gesamtversammlungen
statt in denen die Arbeit des Komitees vorgestellt und diskutiert
wurde. Ebenfalls einmal in der Woche trafen sich die Leiter verschiedener
Arbeitsbereiche mit dem Komitee und besprachen Abläufe und
Probleme im Arbeitsbereich.
1825 kam Owen wieder in Begleitung von etwa vierzig Personen, darunter
bedeutende Wissenschaftler der Zeit nach New Harmony zurück.
Das Schiff mit dem sie einen Großteil der Strecke zurücklegten
wurde dementsprechend als Boatload of Knowledge bezeichnet.
Zu den bedeutenden Wissenschaftlern die nach New Harmony kamen gehörte
William Malcure, der spätere Begründer der Akademie der
Naturwissenschaften in Philadelphia, welcher New Harmony zum Teil
mit finanziert und bald eine leitende Rolle einnahm. Zudem kamen
Thomas Say der als Vater der amerikanische Zoologie gilt, die französischen
Naturwissenschaftler Charles Alexandre Lesseur und Constantine Rafinesque,
sowie der Pädagoge Josef Neff. Zu erwähnen ist zudem Frances
Wright, die in England bei Jeremy Bentham aufwuchs und später
in die Vereinigten Staaten übersiedelte. Sie gehörte zu
ersten Mitgliedern von New Harmony, und wurde später zur bedeutendsten
Frauenrechtlerin ihrer Zeit, die zudem eine wichtige Rolle in der
politischen Auseinandersetzung für die Abschaffung der Sklaverei
einnahm. Nach dem Niedergang von New Harmony gründete sie die
Siedlung Nashoba in der auch freigekaufte Sklaven lebten.
5.3 DIE GEMEINSCHAFT DER GLEICHHEIT
Die Anfangsphase verlief euphorisch. Der Arbeitseinsatz der Mitglieder
war immens und das Gemeinschaftsgefühl unter den Bewohnern
schien derart ausgeprägt, daß Owen die Übergangsphase
abbrach und auf Drängen der Gesamtversammlung entgegen seinen
ursprünglichen Absichten schon am 5. Februar 1826 die New
Harmony Community of Equality ausrief. Die Entscheidung markierte
den Übergang von einem idealistischen, aber realisierbaren
Projekt zu einer unter den gegebenen Umständen unerreichbaren
Utopie. Ein Komitee entwarf eine neue Verfassung, die das größte
Glück aller Beteiligten als das Ziel der Gemeinschaft der Gleichen
definiert. Ihr zufolge haben alle erwachsenen Mitglieder der Gemeinschaft
die gleichen Rechte und Pflichten. Die Grundsätze faßten
die wichtigsten Elemente der Theorie Owens zusammen: das utilitaristische
Ziel des kollektiven Glücks, das Gleichheitsprinzip, die Milieutheorie
bzw. die angestrebte positive Beeinflussung durch günstige
Umstände, das Recht auf Meinungsfreiheit und die genossenschaftliche
Produktionsweise.
Die Verfassung bestimmte eine Unterteilung der Siedlung in sechs
Departements die jeweils einen Vertreter wählten.
Diese sechs Vertreter bildeten mit drei weiteren von allen Gemeinschaftsmitgliedern
gewählten Vertretern einen Rat, der die grundlegenden Entscheidungen
traf. Das Wahlalter betrug im Falle der Departements 16 Jahre und
bei der allgemeinen Wahl 21 Jahre. In den wöchentlichen Gesamtversammlungen
sollte der Rat über seine Arbeit berichten. Die Möglichkeit
der Mitbestimmung in den Gesamtversammlungen führte zu endlosen,
zum Teil sehr emotional geführten Diskussionen. Einen weiteren
Schwachpunkt der neuen Verfassung bildete die gleiche Entlohnung
aller Mitglieder für ihre Arbeit, ungeachtet des tatsächlichen
Arbeitspensums und der Schwere der Arbeit. Zum ragen kam hierbei
insbesondere, daß Entgegen der Position Owens der eine Auswahl
der Mitglieder befürworte, die Gesamtversammlung beschloß
alle bisherigen Mitglieder ungeachtet ihres bisher erbrachten Einsatzes
für das Projekt zu übernehmen. Generell war die Organisation
des wirtschaftlichen Bereichs völlig ungenügend entwickelt.
Es bestand keine ausreichende Koordination, grundlegende Aufgaben
wie die Verteilung der Arbeit und die Überprüfung ihrer
Einhaltung, oder auch eine überschaubare Buchführung wurden
völlig vernachlässigt.
Aufschlußreich in Bezug auf die Rolle Owens im Alltag New
Harmonies ist eine Aufzeichnung des Graf Bernhard von Sachsen Weimar,
der New Harmony 1826 besuchte Dieser beschrieb ein Gespräch
mit einem eher unscheinbaren, kleinen und sehr schlicht gekleideten
Mann, der sich erst im Nachhinein als Robert Owen offenbarte. Owen
selbst genoß es nach eigenen Angaben sich mit einem dort gefertigten
Gehrock zu bekleiden, der ihm auf Grund seines einfachen Aussehens
in England nur Spott eingebracht hätte.
5.4 DER ZERFALL
Die Gesellschaft der Gleichheit existierte nur ein Jahr lang. Schon
bald nach ihrer Ausrufung wurde klar, daß dies ein voreiliger
Schritt gewesen war. Auch wenn in einigen Bereichen die Prinzipien
der Gleichheit der Menschen beachtet und umgesetzt wurden, so kamen
die egoistischen Grundhaltungen der Siedler doch immer wieder zum
Ausdruck. Die Überwindung dieser durch Sozialisation erworbenen
Grundhaltung, die sich vor allem in einem mangelnden Gemeinschafts-
sowie Verbindlichkeitsgefühl äußerte,war innerhalb
der Half House- Gesellschaft nicht realisiert worden.
Die demokratischen Mitbestimmungsrechte aller Mitglieder führten
weniger zu der von Owen angestrebten Kultur dgemeinschaftlicher
Selbstbestimmung, als vielmehr zu ständig aufbrechenden destruktiven
Streitigkeiten.
Der Produktionssbereich litt unter den unterschiedlichen Arbeitsauffassungen
seiner Mitglieder. Immer wieder traten Differenzen zwischen Kopf-
und Handarbeitern auf, die auf mangelnde Verbindlichkeit bei Vereinbarungen
zurückzuführen waren. Wichtige Absprachen wurden nicht
eingehalten, der Umgang mit dem Gemeinschaftseigentum aufgrund des
mangelden Verantwortungsgefühl immer rücksichtsloser und
es kam infolge der allgemein ansteigenden Disziplinlosigkeit zu
vermehrten Diebstählen. Die wirtschaftliche Leistung, die notwendig
gewesen wäre um die Existenzgrundlage einer rund tausend Personen
großen Gemeinschaft zu sichern und gleichzeitig ein vielfältiges
kulturelles Leben zu ermöglichen war dadurch nur begrenzt vorhanden.
Die Gemeinschaft war auch weiterhin von den finanziellen Zuschüssen
Owens abhängig und hatte das Ziel autark zu wirtschaften nicht
realisiert. Einen weiteren Faktor für den zunehmenden Zerfall
bildete die Fluktuation der Mitglieder. Von den Verheißungen
Owens angezogen kamen viele neue Siedler, die allerdings das eigene
Wohl über das der Gemeinschaft stellten. Andere Mitglieder
gaben frustriert auf und verließen die Siedlung.
Die Unstimmigkeiten unter den Siedlern führen zur Abspaltung
zweier Gruppen, die auf dem Gebiet um New Harmony mit Macluria und
Feiba Peveli zwei neue Siedlungen gründeten. Die erste wurde
von William Maclure geleitet, der sich im Streit von Owen getrennt
hatte. Die zweite wurde von englischen Siedlern gegründet,
die sich dem Alkoholverbot nicht unterwerfen wollten. Owen akzeptierte
diese Abspaltungen unter der Bedingung, daß die Prinzipien
der Gleichheit gültig und weiterhin enge Beziehungen zur Stammsiedlung
New Harmony bestehen blieben. Die verbliebenen Siedler in New Harmony
wie auch die Mitglieder von Feina Peveli schlossen sich nach kurzer
Zeit wieder zusammen und stimmten für eine erneute Verfassungsänderung.
Um der zunehmend chaotischen Entwicklung entgegen zu treten, strebten
sie zurück zu einem autoritäreren Ordnungssystem. Daraufhin
übernahm Owen als Vorsitzender eines fünfköpfigen
Rates wieder die Leitung der Gemeinschaft.
Um weitere Abspaltungen zu verhindern wurde auf Antrag Owens eine
dritte Verfassung beschlossen. Sie sah die Aufteilung in Berufssektionen
vor, die weitgehend unabhängig voneinander funktionieren sollten.
Während sich dieses System auf dem Wissenschafts- und Schulsektor
erfolgreich bewährte, traten im Landwirtschafts-, sowie im
Fabriksektor wieder die grundlegenden Probleme der Gemeinschaft
auf. Im Mai 1827 verkündete Owen das Ende des Projektes. In
seiner Abschiedsrede stellte er fest, daß die meisten Bewohner
New Harmonies noch nicht reif für das Projekt gewesen waren.
Vor seiner Abreise unterteilte Owen das Gebiet nocheinmal in zehn
kleine Kolonien, die auf owenschen Prinzipien basierten. Doch auch
sie brachen nach dem Weggang von Owen bald wieder zusammen. Das
Land übertrug Owen einige Jahre später auf seine Söhne
die in den Vereinigten Staaten verblieben.
Owen verlor durch das Experiment rund vierfünftel seines Vermögens.
Charakteristisch für die Einstellungen Owens war trotz seines
finanziellen Verlustes seine Überzeugung, daß sich die
Erfahrungen trotzdem gelohnt haben. In den USA wurden in Folge noch
einige andere Projekte aufgebaut, die auf den Grundideen von New
Harmony bzw. von Owen basierten, darunter die Yellow Springs
Community, die Franklin Community und die Nashoba
Community. Daneben entstanden weitere Gemeinschaftssiedlungen
die sich in ihren Konzepten jedoch auf andere Staatskritiker bezogen.
Zu nennen sind insbesondere die sogenannten Phalanxen, die auf den
Vorstellungen des französischen Frühsozialisten Charles
Fourier basierten. Auch in England und Irland kam es vor und nach
New Harmony zur Gründung von vergleichbaren, durch die Theorien
Owens angeregten Projekten wie Orbiston (1825-27) und
Harmony Hall (1839-45).
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß für
das Scheitern dieser Projekte im wesentlichen immer wieder zwei
Faktoren verantwortlich waren, die auch in New Harmony zum Scheitern
geführt haben. Im jedem Falle überschätzte Owen die
Geschwindigkeit, in welcher sich eine Bewußtseinsveränderung
hin zu sozialistischen, beziehungsweise kommunistischen Idealen
vollziehen konnte. Weiterhin führte eine fehlende Auswahl der
Gemeindemitglieder zu sehr heterogenen Gruppen, die mit gänzlich
unterschiedichen Bedürfnissen in die Gemeinschaft eintraten
und deren Vorstellungen vom Nutzen und der Zielsetzung des Projektes
stark variierten. Der zweite wesentliche Grund für das Scheitern
war das Fehlen einer materiellen Basis, da die Gemeinschaften aufgrund
interner, struktureller und produktiver Unzulänglichkeiten
nicht in der Lage waren ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern.
So mußten sie ständig bezuschußt werden, was nur
über einen begrenzten Zeitraum möglich war.
5.5 DIE AUSWIRKUNGEN
Auch wenn das Projekt New Harmony nach zwei Jahren scheiterte,
so hatte es doch beträchtliche Auswirkungen auf die Entwicklung
der öffentlichen Einrichtungen in den Vereinigten Staaten.
So gab New Harmony den Anstoß für Kindergärten,-
und Krippen, Gewerbe- und koedukative Schulen und die erste öffentliche
Bibliothek. New Harmony blieb auch nach der Auflösung der Gemeinschaft
ein Zentrum für pädagogische Reformbestrebungen und wissenschaftliche
Forschungstätigkeiten, die ihren Ausgang in der Zeit von New
Harmony hatten.
Robert Dale Owen wurde später Mitglied der Regierung Indianas
und bewirkte im Sinne der Ehegesetzte von New Harmony eine Reformierung
des Eherechts und führte die allgemeine, unentgeltliche Schulpflicht
ein. Zudem wurden in ganz Indiana öffentliche Bibliotheken
eingerichtet. Robert Dale Owen hatte zusammen mit Frances Wright
auch maßgeblichen Einfluß auf das Programm der demokratischen
Partei, welche die Forderungen nach Gleichberechtigung der Frau
und Abschaffung der Sklaverei in ihr Programm aufnahm.
6. OWEN UND DER FRÜHE SOZIALISMUS IN ENGLAND
In den späten zwanziger und frühen dreißiger Jahren
des 18. Jahrhunderts erlebte die englischeArbeiterbewegung einen
enormen Aufschwung. Mit den Genossenschaften und den Gewerkschaften
schuf sie sich eigene Organisationformen. Am Beispiel der einzelnen
Entwicklungsphasen der Organisationen wird der beträchtliche
Einfluß Owens auf die Entwicklung theoretischer und praktischer
Konzepte deutlich, erkennbar werden aber auch die Gegensätze
zwischen ihm und anderen englischen Frühsozialisten.
6.1 DIE GENOSSENSCHAFTSBEWEGUNG
Die Entstehung der Genossenschaftsbewegung in den zwanziger Jahren
des 19.Jahrhunderts ging zu einem wesentlichen Teil auf die Popularisierung
der Theorien Owens zurück. Einen entscheidenden Einfluß
hatten dabei Zeitungen wie der Economist, der zu einem
günstigen Verkaufspreis einer breiten Bevölkerung zugänglich
war, sowie William Thompsons Inquiry into the Principles of the
Distribution of Wealth (1824) und John Grays Lecture on Human Happiness
(1825). Alexander Campell beschrieb 1831 die Ziele der Genossenschaften
wie folgt: "These societies are generally composed of the working
classes; and their capital, hold in small shares, payable in instalments,
is to be applied to the following objects: - The purchasing at wholesale
prices of such articles of daily consumption as the members require,
and retailing out to them and others at the usual prices, adding
all profits to stock for the further object of giving employment
for members who may be either out of work or otherwise inefficiently
employed, and thereby still increasing their capital to obtain their
ultimate object. - The possession of the land, the erection of comfortable
dwellings and asylums for the aged and infirm, and seminaries of
learning for all, but more especially for the formation of superior
character for their youths, upon the principles of the new society
as propounded by Robert Owen."
Richard Pankhurst, der Biograph William Thompsons, stellte die
hoffnungsvolle Begeisterung mit der sich viele Arbeiter der Genossenschaftsbewegung
anschlossen dem System gegenüber, die sie überwinden wollten:
"The Co-operators of Thompsons day believed the good
society could be brought about by a group of enthusiasts who would
contract out of existing society, with all its degradations and
immoralities, and demonstrate the benefits of a rationally constructed
social organisation. In their plans it is possible to read the story
of a sometimes conscious, sometimes subconscious, revolt from the
immoralities, inhumanities, and drudgeris of the new industrial
civilization, with its wretchedly insanitary dwellings and workshops,
the evils of child labour, the callous neglect of the health of
workers, the uncertainties of trade depression, and the cruelly
prolonged hours of labour."
Einen entscheidenden quantitativen Aufschwung erhielt die Genossenschaftsbewegung
am Ende der zwanziger Jahre. Nachdem in der Zeit von 1826 bis 1828
nur etwa ein Dutzend Genossenschaften gegründet wurden, stieg
ihre Zahl bis 1830 auf über 300. 1832 bestanden etwa 500 Genossenschaften
denen rund 20.000 Mitglieder angeschlossen waren. Viele Genossenschaften
bestanden allerdings nur wenige Monate. Zu den Ursachen für
das Scheitern gehörten vielfach mangelnde ökonomische
Kenntnisse, sowie finanzielle Verluste bzw. Streitigkeiten über
die Verteilung des Gewinnes. In ihrer Zielrichtung lassen sich drei
Hauptrichtungen der englischen Genossenschaftsbewegung unterscheiden:
Zu den Agitationseinrichtungen zählten einerseits die von Owen
geführten messianischen Bildungsvereinigungen und Zeitschriften
und andererseits die Zeitschriften und Bildungskurse, die mehr tagespolitische
Bedürfnisse befriedigten. Die Genossenschaftsläden entstanden
als Antwort auf die Absatzsorgen von Kleinproduzenten. Die Variante
des Tauschbasars entstand außerdem aus dem Bedürfnis
der später aufkommenden Produzentengenossenschaften. Die Produktionsgenossenschaften
entstanden durch den Zusammenschluß wirtschaftlich bedrohter
Handwerker, später auch aus dem scheinbar widersinnigen Anlaß
des Geldmangels der Gewerkschaften.
6.2 OWEN UND DIE GENOSSENSCHAFTSBEWEGUNG
Anfang der zwanziger Jahre wurde ein Wandel in den Auffassungen
und dem Vorgehen Robert Owens deutlich. Bis zu diesem Zeitpunkt
wandte er sich mit seinen Bestrebungen in erster Linie an die einflußreiche
Oberschicht. Mit dem Economist: A Periodical Paper Explanatory
of the New System of Society projected by Robert Owen initiierte
er nun eine Wochenzeitung die sich mit einem niedrigen Verkaufspreis
an die Arbeiterschaft wandte. Auch wenn die Lehre von der Bildung
des Charakters die Grundlage der Ausführungen bildete, so lag
die vorrangige Zielsetzung der Zeitung nicht in der weiteren Verbreitung
dieser Theorie. Im Mittelpunkt standen vielmehr konkrete Bestrebungen
die materielle Lage der Arbeiterschaft zu verbessern und so die
Grundbedürfnisse wie gesunde Ernährung, menschenwürdige
Unterkunft und angemessene Kleidung zu befriedigen. Um diese Ziele
zu erreichen propagierte der Economist die Gründung
von Genossenschaften. In erste Linie sollten sie die Befriedigung
der Grundbedürfnisse sichern und über einen gemeinsamen
Bezug von qualitativ guten Waren im großen Maßstab zur
Senkung der Lebenshaltungskosten ihrer Mitglieder beitragen. Darüber
hinaus sollten die Genossenschaften zur Überwindung des Individualismus
beitragen, der zur Vereinzelung der Menschen im Rahmen eines ständigen,
vielfach existentiellen Konkurrenzkampfes führte.
6.3 DAS PROJEKT ORBISTON
Stark von Owen beeinflußt war die Gründung der genossenschaftlichen
Siedlung Orbiston in Schottland im Jahre 1825. Abram Combe (1735-1827)
und Archibald Hamilton (1793-1834), die beiden Begründer der
Siedlung, traffen erstmals 1821 zusammen. Beeindruck von den Entwicklungn
in New Lanark beschlossen sie ein kooperatives Projekt basierend
auf den Theorien Owens aufzubauen. Beispielhaft für Hamiltons
Haltung ist die folgende Ausführung: "In the towns the
enormously rich jostles, yet insults, the wretched and poor: in
short, man must learn the most difficult of all lessons, to distribute
the wealth he has obtained for the benefit of all, instead of accumulating
it, from age to age, for the advantage and happiness only of a few."
Owen selbst stand dem Projekt Orbiston skeptisch gegeüber.
Er würdigte zwar den Idealismus der Beteiligten forderte aber
den sofortigen Übergang in einen Zustand völliger Gleichberechtigung
aller Beteiligten, während sich Combe und Hamilton für
eine Übergangsphase aussprachen. "Owen maintained that
the society from the very start should be conducted on the principles
of absolute equality and community of property; each member who
laboured to the best of his ability receiving food and clothing
according to his needs. On the other Hand, Hamilton and Combe, no
doubt profting by their former experience, held that, beginning
as they were, with unequel forces of sect, race and social rank,
independence must be securde before men could be equal. Through
time equality would follow as a natural result. Well, gentlemen,
said Owen after the discussion, I have told you what ought
to be done: you differ from me; carry out your plans."
Owen zog sich entsprechend aus dem Projekt zurück und stellte
auch seine finanzielle Unterstützung ein. In Bezug auf die
Einführung einer Übergangsphase näherte sich Owen
allerdings später den Vorstellungen von Combe und Hamilton.
So sprach Owen in New Harmony in diesem Zusammenhang von einem Half
way house und einer Preliminary Society. Die rückblickenden
Ausführungen in seiner Autobiographie zu Orbiston zeigen beispielhaft,
trotz der Würdigung der Absichten der Beteiligten, die Überheblichkeit
mit der Owens Projekten gegenüber trat, die nicht in ihrem
ganzen Spektrum seinen Vorstellungen entsprachen: "Neither
of these self-devoted men possessed practical knowledge equal to
the task which they hastily and rashly undertook in my absence and
without my knowledge. The building which they erected, and all their
generell arrangements, were constructed to prevent their success,
and upon my return from the United States I told them they could
never succeed with such arrangements."
Der Aufbau der Orbiston Community in Lanarkshire began
1825. Combe formulierte die Grundlegenden Zielsetzungen Orbistons
wie folgt: "It is the wish of the community that all the individual
members, male and female, shall be upon an equal footing, in point
of privileges, with no other distinction than that which unavoidably
attendes superior habits and ideas; and that in their united capacity
they shall have the sole managment of their own affairs." Das
Hauptgebäude diente ganz im Sinne Owens zur Unterbringung von
Einrichtungen, die allen Gemeinschaftsmitgliedern zur Verfügung
standen. Dazu gehörten eine große Küche, ein Saal,
eine Bücherei und Aufenthaltsräume. Zahlreiche Betriebe
wurden gegründet, in denen unter anderem Bücher, Kleider
und Glasprodukte hergestellt wurden. Die Schule in Orbiston orientierte
sich an den Erziehungsvorstellungen Owens und Pestalozzis. Die Kinder
erhielten Unterricht in den Fächern Lesen, Rechnen, Zeichnen,
Geschichte, Tanzen und Musik. Allerdings bestanden große Schwierigkeiten
die Kinder von der Notwendigkeit des Schulbesuchs zu überzeugen.
Schon bald nach der Gründung traten jedoch zahlreiche Probleme
auf. Grundlegend waren ständige finanzielle Schwierigkeiten
nachdem das vorhandene Startkapital bald aufgebracht war. Die meisten
Werkstätten innerhalb des Projektes erwirtschafteten zwar Gewinne,
sie konnten jedoch die hohen Ausgaben für die gemeinschaftlichen
Leistungen, zu denen auch kostenlose Versorgung und Bekleidung gehörten,
nicht aufbringen. Ein weiteres Problem war die schlechte Arbeitsmoral
der Beteiligten. Die meisten Arbeiter waren strenge Unterweisungen
gewohnt und kamen mit den Freiheiten in Orbiston, die ihnen ein
weitgehend selbständiges Arbeiten ermöglichten, nur eingeschränkt
zurecht.
Generell war ein kooperatives, gemeinschaftliches Bewußtsein
bei vielen Beteiligten nur gering ausgeprägt. Die vorrangige
Motivation vieler Arbeiter sich in Orbiston niederzulassen lag weniger
im Bestreben ein gemeinschaftliches Siedlungsmodell zu unterstützen
als darin, sich in Orbiston aufgrund von humaneren Arbeits- und
Lebensbedingungen niederzulassen. Neben diesen materiellen und ideelen
Schwierigkeiten litt das Projekt vor allem am schwindenden Einfluß
der beiden Begründer, die beide erkrankt waren und sich deshalb
nur eingeschränkt an der Entwicklung des Projektes beteiligen
konnten. Nachdem Abram Combes 1827 verstarb und sich Hamilton krankheitsbedingt
weitgehend zurückgezogen hatten setze ein rascher Zerfall ein.
Auch verschiedene Rettungsmaßnahmen konnten diesen Prozeß
nicht aufhalten. Die euphorische Resonanz die Orbiston trotz aller
Probleme innerhalb der Genossenschaftsbewegung erhielt, wird an
dem folgenden Auszug eines Briefes einer Lady an das
Co-operative Magazine im Dezember 1826 deutlich. In seiner pathetischen
Ausdrucksweise ist er charakteristisch für viele Schriften
seiner Zeit, er macht aber auch deutlich, daß schon Ansätze
einer menschlicheren Gesellschaft zeitgenössischen Betrachtern
geradezu paradisisch erschienen. "It is like another world...
I have been at a meeting last night, and such mirth I never knew.
There is dancing three times a week. Indeed there is nothing but
pleasure, with the best of eating and drinking."
Bis zu seinem Tode war Combe von der Richtigkeit des eingeschlagenen
Weges überzeugt. Er sah die auftretenden Probleme als zwangsläufige
Begleiterscheinungen an, die aber die Vorteile der neuen Ordnung
nicht überdecken können. "I have compared the effects
of the old system with those of the new, and I have also compared
and examined the character which both sytems have produced; and
I am quite satisfield that the new system is much superior than
the old. Under the old, we really see through a glass darkly, and
know even as we are known. But under the new, a very short time
makes us see face to face. This has been proved at Orbiston beyond
the shadow of a doubt."
6.4 DIE ARBEITSTAUSCHBÖRSEN
Nachdem Owen in den Jahren 1825 bis 1828 seine gesellschaftspolitischen
Aktivitäten auf New Harmony und das Projekt einer Siedlungsgemeinschaft
in Mexiko konzentriert hatte, widmete er sich ab 1829 wieder verstärkt
den Entwicklungen in England. Durch die vielbeachtete Rückkehr
ihres Begründers erhielt die Genossenschaftsbewegung einen
neuen Aufschwung. Owen selbst stand dem neuen Selbstbewußtsein
der Arbeiterklasse, das sich gerade in den Genossenschaften ausdrückte,
anfangs allerdings sehr skeptisch gegenüber. William Lovett
schrieb dazu: "When Mr. Owen first came over from America he
looked somewhat coolly on those Trading Associations,
and very candidly declared that mere buying and selling formed no
part of his grand co-operative scheme; but when he found
that great numbers among them were disposed to entertain his views,
he took them more on favour, and ultimativley took an active part
among them."
Im Jahre 1832 initierte Owen mit den Arbeitstauschbörsen (Labour
Exchanges) ein weiteres Projekt zur Annäherung an seine
Ziele. John Gray hatte ein ähnliches Konzept entwickelt und
beanspruchte die Urheberschaft des Modells der Tauschbörsen
für sich, was jedoch von Owen zurückgewiesen wurde. Die
Arbeitstauschbörsen sollten gleichermaßen die Situation
der Arbeiter verbessern wie auch die Möglichkeit eines wirtschaftlichen
Austauschprinzipes demonstrieren, das gerechter und effizienter
als das kapitalistische arbeitete. "We shall abandon the present
degrading and demoralizing mode of distributing wealth by the ordinary
method in practice, of buying cheap and selling dear, through the
medium of the common money of the old system of the world. Arrangements
will be made, as speedily as possible, to effect an equitable exchange
of labour for equal labour throughout society, by the intervention
of the labour note, the most perfect money in all respects ever
yet introduced into society."
Die Arbeitstauschbörsen basierten auf Arbeitswertbescheinigungen.
In den Arbeitstauschbanken konnten die Arbeiter ihre Arbeitsprodukte
abgegeben. Sie erhielten dafür Bescheinigungen auf denen ein
Arbeitswert angegeben wurde, der sich nach der zur Erzeugung der
Ware notwendigen Durchschnittsarbeitszeit richtete. Dieser Arbeitswert
konnte gegen andere Produkte eingetauscht werden. Schnell traten
jedoch Probleme bei der Bewertung der Arbeitszeiten auf. Zudem sammelten
sich in der Bank, die aus dem Austausch keinen Gewinn zog, Waren
an, die kaum gefragt waren, während andere Waren sofort vergriffen
waren. Zudem rückten die erneut aufbrechenden kontroversen
Auseinandersetzungen über die Position Owens zur Religion in
den Mittelpunkt der Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten,
so daß bereits 1834 alle Arbeitstauschbörsen wieder geschlossen
wurden.
6.5 DER KONFLIKT ZWISCHEN THOMPSON UND OWEN
Zur führenden Persönlichkeit der Genossenschaftsbewegung
wurde William Thompson, der sich stark von Owen beeinflußt
sah und ihn wegen seinem bahnbrechenden Wirkens würdigte. Owen
wiederum förderte Thompson, bis es zu zunehmenden Differenzen
kam, die auf dem Third Co-operative Congress (1832)
eskalierten. In Anlehnung an Owen trat Thompson für die Gründung
gemeinschaftlicher Projekte wie Genossenschaften ein, in denen die
produzierten Güter allen Menschen zu Gute kommen sollten. In
Bezug auf den Weg zur Umsetzung dieses Zieles unterschied sich Thompson
jedoch wesentlich von Owen, da er jede Zusammenarbeit mit den Regierenden
ablehnte und seine Ziele auch gegen deren Willen umsetzen wollte.
Er propagierte die Selbstorganisation und Selbstbefreiung der Arbeiterschaft
und stellte sich damit auch den paternalistischen Bestrebungen Owens
und dessen Vorstellungen einer Klassenversöhnung entgegen.
Auch wenn die Gemeinsamkeiten in der theoretischen Konzeptionen
Owens und Thompsons gegenüber den Unterschieden deutlich überwogen,
so traten bald Differenzen in Bezug auf die praktische Politik der
Genossenschaftsbewegung auf. Immer mehr Genossenschaftler orientierten
sich stärker an Thompson als an Owen, da Thompson in seinen
Forderungen radikaler und gleichzeitig hinsichtlich der Strukturen
innerhalb der Bewegung demokratischer war. Zudem wurden die Konzepte
von Thompson allgemein als praktikabler und realistischer eingeschätzt
als die Owens; da Thompson sich stark mit den ökonomischen
Strukturen innerhalb der Genossenschaften beschäftigte, ein
Aspekt der in den Theorien Owens deutlich als Schwachpunkt anzusehen
ist.
Die Auseinandersetzungen eskalierten auf dem Third Co-operative
Congress in London im April 1832. Dort kritisierte Owen den
nicht anwesenden John Gray, dem er vorwarf Teile seiner Theorien
übernommen zu haben. Thompson griff in Folge das Verhalten
Owens an und entgegnete, daß Gray Owens Schriften zwar intensiv
studiert habe, aber dennoch zu eigenen Vorstellungen gekommen sei.
Weitergehend kritisierte Thompson Owens Vorstellungen der Arbeitertauschbörsen,
die er für nicht praktikabel hielt, sowie Owens gemäßigte
Haltung gegenüber der amtierenden Regierung. Im Gegenzug kritisierte
Owen das Konzept Thompsons, der die allmähliche gesellschaftliche
Veränderung durch kleine kooperative Gemeinschaften, die dem
Bewußtseinsstand ihrer Mitglieder entsprechend organisiert
sein sollten, propagierte. Owen forderte dagegen groß angelegte
und dadurch wirtschaftlich konkurrenzfähigere Genossenschaftssiedlungen
und die von Thompson abgelehnte Zusammenarbeit mit der Regierung.
Pankhurst schrieb dazu: "Owen dwelt on the need for support
from the Goverment, and to the general surprise he urged that those
who had minds to reflect - and did reflect - must be aware
that the establishment of small communities such as Thompson suggested
was not in the interests of the Movement. It was much easier
to establish things on a grander scale; Co-operators should come
foward in a body and compel the adoption of their system
by the Government complete and well organized in all parts.
Thompson at once replied that he could not see how to set
about calling upon the Goverment to adopt the measures which the
Co-operative Societies had in view. Societies should not relax
their efforts, but should exert themselves to the full."
In Bezug auf die Projekte in Orbiston und New Harmony führte
Owen aus, daß es falsch sei zu behaupten, sie seien als kooperative
Gemeinschaften gescheitert. Richtig sei vielmehr festzustellen,
daß diese Projekte nie einen genossenschaftlichen Charakter
gehabt hätten, da sich die Bewohner nicht exakt genug an seine
Anweisungen gehalten hätten. Hierbei kam wieder der paternalistische
Grundzug Owens deutlich zum Ausdruck. Auf Grund seiner langjährigen
praktischen Erfahrungen führte Owen aus, daß er selbst
die einzig geeignete Persönlichkeit sei, welche die Genossenschaftsbewegung
führen und die entsprechenden wichtigen Entscheidungen treffen
könne. Seine Angriffe Thompson gegenüber gipfelten in
der Behauptung dieser wolle alle Ehen auflösen. Tatsächlich
hatte Thompson zwar die Ehe scharf kritisierte und wollte die gesetzlichen
Bestimmungen, er forderte aber keineswegs die Auflösung bestehender
Ehen. Bei der entscheidenden Abstimmung hinsichtlich der zukünftigen
Ausrichtung der Genossenschaftsbewegung setzte sich Thompson gegenüber
Owen durch. Sein Konzept der kleinen genossenschaftlichen Projekte
wurde durch die Verabschiedung einer entsprechenden Resolution zur
Vorgabe für das weitere Vorgehen der Vereinigung. Auf dem Fourth
Co-operative Congress in Liverpool (1833) waren weder Owen
noch der erkrankte Thompson anwesend, der bald darauf sterben sollte.
Auch dieser Kongreß betonte noch einmal die Orientierung am
Konzept Thompsons. Allerdings waren gegenüber dem vorherigen
Kongreß keine nennenswerten Fortschritte bei der Realisierung
der Ziele der Bewegung zu erkennen, da es nicht gelungen war, die
notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen.
6.6 DIE GEWERKSCHAFTSBEWEGUNG
Im Juni 1824 kam es zur Aufhebung des Verbots gewerkschaftlicher
Zusammenschlüsse und in Folge zur Gründung von legalen
gewerkschaftsähnlichen Organisationen. Zunächst waren
diese auf einzelne Berufsgruppen beschränkt, schlossen sich
dann aber zu umfassenderen Organisationen zusammen und standen vielfach
in enger Verbindung zu den Genossenschaften. "The most significant
feature of the years was the papid rise of Co-operative Societies
and the directly entry of the Trade-Unions into Co-operative production.
Most of these Societies were based directly upon or least very closely
connected with the unions of their trades, amd many of them were
actually indistinguishable from thes Unions, which took up production
as a part of their Union activity."
Gegen Ende der zwanziger Jahre wurden die ersten landesweiten Gewerkschaften
gegründet. Der von Owen stark beeinflußte Arbeiter John
Doherty initiierte die Grand General Union of all the Operative
Spinners und kurz darauf die National Association for
the Protection of Labour. In der Folgezeit wurden rund 150
weitere gewerkschaftlichen Organisationen gebildet, die 1831 etwa
100.000 Mitglieder hatten. Die Gewerkschaftsbewegung machte es sich
zur Aufgabe den Lebensstandard der Arbeiter zu verbessern. Zu einer
zentralen Zielsetzungen wurde die Forderung Owens nach Einführung
des Acht-Stunden-Tages.
Einen wesentlichen Einfluß auf die theoretische Konzeption
der Gewerkschaftsbewegung hatte Thomas Hodgskin. Sein Beitrag zur
Entwicklung der Arbeiterbewegung in den späten zwanziger Jahren
lag nicht wie bei Gray und Thompson in der detaillierten Konzeption
gemeinschaftlicher Organisationsformen sondern vielmehr in der Betonung
der Arbeit als Grundlage des gesellschaftlichen Wohlstandes. Davon
ausgehend begründete Hodgskin die zu dieser Zeit umstrittene
Berechtigung eigenständige Organisationen zu bilden und Lohnerhöhungen
einzufordern. "In all the debates on the law passed during
the late sessions of Parliament, on account of the combinations
of workmen, much stress is laid on the necessity of protecting capital.
What capital performs is therefore a question of considerable impotance,
which the author was, on this account, induced to examine. As the
result of this exermination, it is his opinion that all the benefits
attributed to capital arise from co-existing and skilled labour."
Hodgskin unterschied sich stark von Owen bzw. von Thompson und
Gray indem er eine stärker individualistisch und antiautoritär
ausgerichtete Position vertrat. In dieser Ausrichtung lassen sich
Parallelen zu William Godwin ziehen, der nicht die Gemeinschaft
sondern das einzelne Individuum in den Mittelpunkt seines Gesellschaftsmodells
stellte.
6.7 DIE GRAND UNION
Owen war zu Beginn der dreißiger Jahre zur herausragenden
Symbolfigur der Arbeiterbewegung geworden. Eine Reihe seiner Zielsetzungen
war von ihr aufgenommen worden: "Thus, in 1833, Owen was at
the head of several distinct, but closely-related, movements commanding
working-class enthusiasm and allegiance. The Owenite Societies,
the Co-operative Stores, the Union Shops or producers
societies, the Labour Exchanges, the Trade Unions, and the National
Regeneration Society all looked to him for leadership. Owenism became
the current gospel of the working-class leaders. The way was made
ready for the union of all the movements into a single inclusive
movement, seeking by united industrial action, to change the whole
basis of society, and even to overthrow Capitalism and establish
Socialism."
Das Hauptinteresse Owens zu Beginn der dreißiger Jahre galt
der Vereinigung der Genossenschaften und der Gewerkschaften zu einer
gemeinsamen übergreifenden Organisation. 1834 wurde dieses
Ziel mit der Gründung der Grand National Consolidated
Trades Union verwirklicht, der sich innerhalb weniger Wochen
rund 500.000 Arbeiter anschlossen. Regierung und Unternehmer reagierten
mit repressiven Maßnahmen auf diesen neuen Zusammenschluß,
der in seiner Größe und seinem umfassenden Anspruch eine
neue Etappe der Arbeiterbewegung einleitete. Einen Höhepunkt
erreichten die Repressionspolitik 1836 mit der Verurteilung von
sechs Landarbeitern, die einzig auf Grund des Eides der beim Eintritt
in die Gewerkschaft gesprochen wurde, jeweils zu einer siebenjähriger
Haftstrafe verurteilt wurden. Owen stellte sich an die Spitze einer
breiten Bewegung, die für die sofortige Aufhebung des Urteils
eintrat. In ihr sah er sein Ideal verwirklicht, demzufolge das Einzelinteresse
zugunsten gemeinschaftlichen Zielsetzungen zurücktritt. Es
kam zur Sammlung von mehr als einer Million Unterschriften, sowie
zu großen Demonstrationen in London an denen trotz gesetzlicher
Verbote mehrere zehntausend Menschen teilnahmen. In Verhandlungen
mit Regierungsvertreten erreichte Owen eine Zurückhaltung von
Militär und Polizei, indem er den gewaltfreien Charakter der
Demonstration zusicherte. Nachdem die Regierung zuerst jegliche
Zugeständnisse verweigerte, beschloß sie 1836 die Inhaftierten
freizulassen.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Genossenschafts- und Gewerkschaftsbewegung
bereits wieder in einem Prozeß des Zerfalls. Die Gründe
hierfür lagen neben den Repressalien in internen Streitigkeiten
über die Ausrichtung der Bewegung, aber auch in der Lebenssituation
der Arbeiter selbst. Deren Kampf um die Sicherung der eigenen Existenz
ließ eine gewerkschaftliche Arbeit zeitlich nicht zu. Daneben
war das Bewußtsein der Arbeiter hinsichtlich der Notwendigkeit
einer kontinuierlichen politischen Arbeit trotz der anfänglichen
Euphorie nur begrenzt ausgeprägt. Im Falle der Genossenschaften
kamen finanzielle Probleme hinzu, die im fehlenden Grundkapital,
sowie in der mangelnden kaufmännische Ausbildung der Arbeiter
wurzelten. Erst in der Mitte der vierziger Jahre kam es mit den
ebenfalls von Owen beeinflußten Rochdale Pioneers
zu einem neuen Aufschwung der Genossenschaftsbewegung.
6.8 KLASSENVEREINIGUNG UND KLASSENKAMPF
Im Laufe der dreißiger Jahre entfernte sich Owen immer weiter
von der Arbeiterbewegung. Der grundlegende Konflikt bildete Owens
Vorstellung von der Vereinigung aller Klassen auf dem Weg zu einer
freien Gesellschaft. Die radikaleren Strömungen innerhalb der
Arbeiterbewegung stellten sich dieser Position entgegen. Ausgehend
von der ihrer Meinung nach unversöhnlichen Gegensätzlichkeit
von Ausgebeuteten und Ausbeutern propagierten sie den Klassenkampf.
Charakteristisch war der Bruch Owens mit William Lovett, einem der
wichtigsten Persönlichkeiten des Chartismus. Lovett war lange
ein begeisterter Anhänger Owens sah dann aber Owens gemäßigte
Positionen als einen Rückschritt an, der den Erfordernissen
der Zeit nicht entsprach. Die Vorstellung, daß die Arbeiterklasse
sich selbst befreien müsse und dazu auch in der Lage sei, wie
sie beispielsweise von Thompson vertreten wurde, war Owen völlig
fremd. Entsprechend seiner Charaktertheorie ging Owen davon aus,
daß die gesellschaftlichen Umstände die Arbeiter derartig
geprägt hätten, daß sie einer Führung bedurften.
Bezeichnend sind in diesem Zusammenhang die immer wieder auftretenden
paternalistischen Züge Owens gegenüber anderen Personen
wie auch in seinen Projekten und Schriften.
In seiner Autobiographie erwähnt William Lovett mehrfach,
daß sich Owen über Beschlüsse des Co-operative
Congress hinwegsetzte und strittige eigene Positionen trotz
gegenteiliger Beschlüsse als die des Kongresses ausgab. Hinsichtlich
der für Owen charakteristischen Rechtfertigung schrieb Lovett:
"With the greatest composure, he (Owen) answered it evidently
was despotic; but as we, as well as the committee that sent us,
were all ignorant of his plans, and of the objects he had in view,
we must consent to be ruled by despots till we had acquired sufficient
knowledge to govern ourselves." Bezeichnender Weise wandte
sich Owen in seinen frühen Schriften ausdrücklich an die
besitzende Schicht bzw. die politisch Einflußreichen. Erst
1819 richtete er sich erstmals mit einer Schrift ausdrücklich
an die Arbeiter, er forderte sie darin aber nicht auf selbst für
Veränderungen einzutreten, sie sollten vielmehr geduldig auf
die Einsicht der Mächtigen zu warten.
6.9 DIE RELIGION DER VERNUNFT
Nach dem Zusammenbruch der Grand National Consolidated Trades
Union gründete Owen 1835 die Association of All
Classes of All Nations. Auch wenn sie sich selbst in der Tradition
des Gewerkschaftsbundes sah, so hatte sie keineswegs den Charakter
einer Massenorganisation, sondern entsprach vielmehr dem Zusammenschluß
einer einer ausgewählten Elite. So wurden interessierte Personen
nicht sofort als Mitglied aufgenommen, sie mußten erst eine
Phase der Schulung durchlaufen um dann in die erste von mehreren
Mitgliedstufen aufzusteigen. Owen wollte dadurch eine besonders
tatkräftige und zielgerichtet arbeitende Organisation schaffen.
Er selbst stand der Organisation als sogenannter Preliminary
Father vor. Die Assoziation ging 1839 in die wesentlich offener
ausgerichtete Universal Community Society of Rational Religionists
über, die ebenfalls von Owen geleitet wurde. Die beiden Organisationen
markieren die Wendung Owens hin zu einer säkularen Religion
in deren Mittelpunkt kein Gott sondern die Vernunft steht. Dabei
verband Owen seine gesellschaftlichen Positionen mit der Vorstellung
des Millenniums. Das Paradies sollte unter der Führung Owens
sofort errichtet werden, wobei dessen Schrift The Book of
the New Moral World die Stelle der Bibel einnehmen sollte.
In den vierziger Jahren nahm die Popularität Owens beständig
ab. Zunehmend hatte Owen den Bezug zu den gesellschaftlichen Konflikten
verloren und sich innerhalb seiner sektenhaften Organisationen eine
eigene Welt geschaffen. Das Scheiten der Siedlungsprojektes Harmony
Hall (1839-1845) in Queenwood im englischen Hampshire symbolisiert
den Niedergang des Einflußes von Owen. Fußend auf den
Überzeugungen Owens, aber ohne die Gründe für das
Scheitern vorangegangener Projekte zu berücksichtigen, wurde
dort erneut vergeblich versucht eine Gemeinschaftssiedlung basierend
auf den Idealen von Gleichheit und Solidarität aufzubauen.
Ende der vierziger Jahre schränkte Owen nicht zuletzt aus
Altersgründen seine öffentlichen Tätigkeiten zunehmend
ein ohne sie bis zu seinem Tode ganz aufzugeben. Auch wenn sein
öffentlicher Einfluß beständig zurück gegangen
war, so galt er längst als eine schon zu Lebzeiten legendäre
Persönlichkeit. Daran änderte auch seine Hinwendung zum
Spiritismus nichts, die er ab 1853 vollzog. Im Oktober 1858 brach
Owen während eines Vortrages über den Charakter der zukünftigen
freien Gesellschaft zusammen. Trotz verschiedener gesundheitlicher
Beschwerden hatte er sich entschlossen einmal mehr seine Ideale
über sich selbst zu stellen und sich in einem Rollstuhl in
den Sitzungssaal fahren lassen um seine Rede zu halten. Einige Tage
später, nachdem sich sein Zustand etwas gebessert hatte, beschloß
Owen in Vorahnung seines baldigen Todes nach Newton, der Stadt in
der er seine Kindheit verbrachte, zurückzukehren, wo er am
17. November 1858 starb.
Am Sterbebett lehnte Owen das Angebot eines Pfarrers ab, ihm geistigen
Beistand zu leisten ab. In einem darauf folgenden Gespräch
fragte der Geistliche Owen, ob er nach seinen vielen gescheiterten
Projekten nun rückblickend nicht einsehe, daß er sein
Leben einer Illusion geopfert habe. Owen antwortete in einer für
ihn charakteristischen Weise, daß er der Menschheit wichtige
Erkenntnisse vermittelt habe, diese aber noch nicht bereit sei,
um sie zu verstehen.
A New View of Society, Or, Essays on the Principle of the Formation
of the Human Character, and the Application of the Principle to Practice by Robert Owen (1813-16)
Published Works of Robert Owen
Dank an Zaigon.
|