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Claus Sterneck / Claus in Iceland
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Wolfgang Sterneck
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Leila Dregger:

DER GLOBALE IMPERATIV -
BILDET GEMEINSCHAFTEN ODER GEHT UNTER

Gemeinschaftsbildung liegt uns sozusagen in den Zellen. Die Geschichte der Entstehung des Lebens ist voll von Zusammenschlüssen, Kooperationen und Krisenmanagement durch Teambildung. So etwa die Einzeller, die unter Stressbedingungen dazu übergehen, einen gemeinsamen Organismus zu bilden: den Schleimpilz. Einzelne, bisher konkurrierende Lebewesen werden zu Organen eines Organismus, verständigen sich mit den anderen Organen über ihre Aufgabe und - überleben. Das Erfolgsrezept heißt: Wirkt zusammen - oder geht unter!

Die Mitautorin der Gaia-Hypothese Lynn Margulis zieht aus solchen Beobachtungen den Rückschluss auf die Menschheit. Sie sagt: "Wenn wir die ökologischen und sozialen Krisen, die wir selbst herbeigeführt haben, überleben wollten, müssen wir uns auf völlig neue und dramatische Gemeinschaftsexperimente einlassen." Dramatisch - das Wort lässt ahnen, dass sich beim Wechsel vom Einzelmensch zum Gemeinschaftsmensch um einen evolutionären Wandel handelt, um eine kopernikanische Wende im Bewusstsein des heutigen Erdbewohners.

Was Gaia sagt...

Gaia Erde wurde der Mikrobiologin sicher Rechtgeben. Von ihrer Warte ist das Gewusel all der Einzelmenschen auf ihrer Oberfläche schlicht hirnverbrannt: all die isolierten Interessen, die völlig sinn- und planlose Ausbeutung ihrer Ressourcen, die Unfähigkeit, Dinge im Gemeininteresse wahrzunehmen und zu regeln, und schließlich die Welle der Gewalt und der Kriege auf der Erde - alles Auswüchse von Milliarden einzelligen Einzelmenschen, die sich nicht als Teil eines Ganzen begreifen, sondern deren Bestreben es ist, sich von anderen abzugrenzen und auf deren Kosten zu überleben. Überleben aber bedeutet, zusammen zu leben. Überleben braucht die Fähigkeit, den anderen - und das ist der andere Mensch gleich welcher Hautfarbe, das sind Tier, Pflanze und alles Lebendige - als verwandt anzuerkennen, und auch, wenn er noch so anders denkt, aussieht oder riecht, als Teil desselben Ganzen zu sehen. Diese Fähigkeit ist der globale Imperativ, den die Evolution gerade den Menschen gibt: Lernt es, zusammen zu leben. Bildet Gemeinschaften!

Mensch Gaia!

Jaja, Gaia, mochten wir ihr zurückrufen. Das möchten wir ja auch. Glaubst du, wir leben gerne isoliert in unseren Wohnsilos, ausgerüstet mit Sicherheitsschloss und Spülmaschine?

Wir würden doch gerne zusammenleben, wenn wir es könnten. Aber weißt du denn nicht, dass wir gebrannte Kinder sind? Weißt du nicht, wie grausam die alten Stammeskulturen zerstört wurdenund wie unbarmherzig sämtliche soziale Utopien gescheitert sind? Gescheitert an inneren Machtkonflikten, an Eifersucht, am Widerspruch von Anspruch und Realität. Gescheitert auch an äußeren Feindseligkeiten, an Verfolgung von Seiten des jeweiligen Establishments. Gescheitert auch manchmal schlicht am nicht zu bewältigenden Abwasch.

Ungute Gefühle

Allein das Wort Gemeinschaft weckt manchmal ungute Gefühle. Schon denken wir an Gruppen, die sich nach außen abgrenzen, die die gleiche Kleidung und die gleiche Sprache benutzen, wo Gemeinschaftsgefühl dadurch entsteht, dass man sich auf Kosten anderer erhebt. Stammtische und Fußballstadien sind da noch die harmloseren Beispiele. Die eigenen Unterschiede werden unterdrückt, die Individualität geleugnet, man fühlt sich stark allein dadurch, dass man die "Anderen" ausfindig macht: meistens eine andere Volksgruppe, Religion oder das andere Geschlecht, gegen die dann aller Hass, alle Wut gelenkt werden. In dieser Art von Zusammenschlüssen versteckt sich jeder in der Menge, Hemmschwellen für Gewalttaten sinken; und wenn ein Führer oder Guru da ist, braucht man keine Menschenliebe mehr. Geteilt wird keine Erkenntnis, sondern eine dumpf empfundene, unverstandene Emotion. Statt einer gemeinsamen Aufgabe hat man einen gemeinsamen Feind. Faschismus nannte Wilhelm Reich dieses massenpsychologische Phänomen.

Der Stamm, nicht die Familie, ist die Heimat des Menschen

Viele ziehen daraus die Schlussfolgerung: Gemeinschaft, nein danke. Dann schon lieber ganz auf die eigene Kraft setzen! Dabei zeigt das Phänomen vor allem eins: wie stark die Sehnsucht, aber wie stark auch die Unfähigkeit ist, zusammen zu kommen.

Einst konnten wir es, vor langer Zeit! Die Erde war bis vor 10.000 Jahren besiedelt von Stämmen, die an Muttergottheiten orientiert waren und von Stammesmüttern gelenkt wurden. Erinnern wir uns an unsere Ahnen, die zuhause waren in der Schöpfung, an ihre vielen intimen Beziehungen zu Kindern, Brüdern, Schwestern, Müttern, Geliebten, Tieren, Sternen. Ein Stammesmensch ist nie allein, das ist ihr Hauptmerkmal - und auch, wenn sie tagelang allein durch Wald oder Wüste streift, so ist sie doch in Kontakt mit allem, was lebt; ihre Verbundenheit ist eine seelische Qualität, die sie befähigt, immer und überall in Kommunikation zu stehen. Die ursprünglichen matriarchalen Kulturen hatten keine Waffen und keine Pflugscharen, sie machten sich die Erde nicht untertan, aber sie hatten das Wissen, mit den Wesen der Natur zu kooperieren. Aus Zeugnissen von Aborigines, von IndianerInnen Nord- und Südamerikas und durch archäologische Funde Alt-Europas können wir diese Lebensweise rekonstruieren. Das ist unsere Herkunft! Der Stamm, nicht die Familie, ist die Heimat des Menschen.

Wo sind denn all die anderen?

Von dieser Warte aus können wir nur fassungslos registrieren, wie grotesk die moderne, sogenannte individuelle Lebensweise ist. In jeder Vorsteherin eines heutigen Single-Haushaltes stecken kollektive Erinnerungen; und manchmal, in stillen Stunden, dämmert uns der drastische Verlust, den wir erlitten haben. Sobonfu Somé vom afrikanischen Stamm der Dagara sagt: "Es ist sehr merkwürdig, dass in der westlichen Kultur zwei Menschen eine Gemeinschaft genannt werden. Wo sind denn all die anderen?"

Wo all die anderen sind, die Frage steckt dahinter, wenn ein Ehepaar nicht mehr miteinander sprechen kann, weil jedes Wort Streit und Hass hervorruft, wenn ein Jugendlicher unbemerkt von seiner Umgebung einsame Pläne für einen Amoklauf erträumt, wenn einen nicht kleinen Teil der Menschheit morgens um drei die Fresssucht überfallt und er den Kühlschrank plündert bis auf den letzten Rest.

Wo sind denn all die anderen? Die Frage stellt sich, wenn Menschen im Alter keinen haben, der ihnen zuhört, wenn in Diktaturen Oppositionelle abgeholt und vergessen werden, wenn in den Mega-Cities der Welt Kinder auf der Straße verwahrlosen, weil sie nirgendwo hingehören.

Intimität in einer Gruppe von Menschen

Wo sind all die anderen? Die meisten seelischen und viele körperliche Defekte, von Einsamkeit über Depression über Angst vorm Alter bis zu Süchten - Drogensucht, Sex-Sucht, Fress-Sucht - sind durch diesen Verlust zu erklären. Der Single-Mensch ist eine Errungenschaft der modernen Industriegesellschaft; denn er ist es, der auch die sinnlosesten Waren noch in sich hinein stopft, um die Einsamkeit nicht zu spüren. Nicht nur das, der Single-Mensch ist auch der optimale Schlucker für Manipulation und Meinungsmache, denn Individualität, Selbstverantwortung und Urteilsfähigkeit brauchen Kommunikation und Auseinandersetzung.

Der Niedergang von Gemeinschaft, Clan und Großfamilie begann nicht erst mit dem Industriezeitalter. Der Niedergang der Kunst, zusammen zu leben, hängt unter anderem zusammen mit der Entmachtung der Frauen. Zwar werden Gemeinschaften und soziale Utopien meistens von Männern konzipiert und gegründet - aber damit Menschen gerne beieinander sind, braucht es Eigenschaften, die immer noch "weiblich" genannt und damit geringgeschätzt werden. Es braucht den sozialen Pol, den sprichwörtlichen Herd der Gemeinschaft. Utopien blieben blutleere Konstrukte oder rieben sich auf in gegenseitigen Konflikten, wenn sie die soziale Kraft der Frauen ausgrenzten - angefangen von Platons Philosophenstaat bis zu den Wiedertäufern in Münster, von Nova Atlanta von Francis Bacon über den Sonnenstaat von Campanella bis zu Robert Owens frühsozialistichen "Harmony"-Gemeinschaft am Mississippi und all den Aufbruchsversuchen Anfang des 20. Jahrhunderts. Zur funktionierenden Gemeinschaft gehört die Aufwertung von Eigenschaften, die im Konkurrenzkampf des Kapitalismus untergegangen sind. Der Niedergang der Kunst, zusammen zu leben, begann mit der Entmachtung der Frauen.

Worin besteht denn diese soziale, traditionell weibliche Kraft? Es gebt dabei nicht nur um die gute Suppe und die warmen Worte, obwohl die stets zu Unrecht verachtet wurden. Es geht darüber hinaus vor allem um die Fähigkeit, Warme und Wahrheit zu verbinden; Wahrheit unter Menschen - sei sie noch so banal, noch so erschreckend, noch so zart - wahrzunehmen und sie ohne Angst und mit Herz auszusprechen. Soziale Kompetenz ist die Fähigkeit, auch den, den man gerade noch ausgeschimpft hat, als Teil des Ganzen wahrzunehmen. Wo solche Menschen sind, entsteht Gemeinschaft.

Was ist denn nun so dramatisch daran, Gemeinschaft zu gründen? Man kennt den magischen Moment, wo aus einer losen Anzahl von Einzelmenschen ein Gesamtorganismus wird, z.B. aus Workshops. Als man kam, fand man diesen zu laut und jenen langweilig. Auf einmal zählt all dies nicht, das gemeinsame Anliegen war wichtiger. Es entsteht Interesse am anderen, man hört sich zu, ganz beiläufig entdeckt man etwas, das zu den größten Glucksverheißungen gehört: Intimität in einer Gruppe von Menschen. Da stört dann auch die komische Frisur nicht mehr; man erlebt und empfindet Gemeinsamkeit, man nimmt sich als gemeinsamen Organismus wahr - und erkennt mit Schrecken, was man vorher alles veranstaltet hat an Abgrenzung, um genau das zu vermeiden. Das hat nichts mit Schmuseeinheiten oder Trost zu tun: In einer Gemeinschaft sind vielleicht weniger Umarmungen und Beteuerungen nötig, um sich zu erinnern, dass man zusammengehört.

Diese erste Phase gemeinschaftlicher Intimität lässt sich vergleichen mit dem Stadium des Verliebt-Seins: damit sie Dauer erhält, damit daraus eine Partnerschaft für immer wird, sin deine starke Vision, langer Atem und soziales Wissen sowie die Bereitschaft zur Selbstveränderung gefragt.

Gemeinschaft ist ein spiritueller Weg einer, dessen Meditation sich nicht in der Stille abspielt, sondern im Alltag, im Interesse aneinander. Und das Gute ist: So schwierig es klingt, es gibt immer mehr Beispiele von Gruppen, denen dieser Weg gelungen ist.

Wie geht es weiter?

Wie geht es weiter, wenn heute auf der Erde - so wie einst die Bakterien in den prähistorischen Pfützen - sich an immer mehr Orten Menschen auf diese grundlegende Art und Weise zusammen tun und an Schlüsselstellen der Erde Gemeinschaften gründen?

Wie in der Biologie könnte sich ein Erfolgsrezept, wenn es einmal gelungen ist, zunächst unbemerkt, dann aber blitzschnell verbreiten. Angesteckt durch Gemeinschaftsgeist könnten sich in Städten inspirierte Nachbarschaften entwickeln, die nicht mehr zulassen, dass auf ihren Straßen Kinder ohne Heimat sind oder Skinheads auf Ausländer losgehen; auf dem Land entstehen Zukunftswerkstätten und Wissenspools und werden zu Keimstätten für Netzwerke, die gemeinsam die Verantwortung für ihre Region übernehmen; in Krisenregionen werden Friedensdörfer gegründet, an denen die Jugendlichen der verschiedenen Kriegsgegner den Erwachsenen zeigen, dass man nicht dieselbe Religion braucht, um sich zu mögen; sehr praktisch orientierte Experimente, die angewandte Architektur, Energietechnologie, Ökologie, Kunst und soziales Wissen verbinden, liefern Ergebnisse für eine nachhaltige, verbundene, ganzheitliche Lebensweise. Die einzelnen Menschen und Gruppen sehen sich als Organe einer größeren Bewegung - und überleben.

Utopisch? Vielleicht - aber was hätte der damalige Einzeller gesagt, wenn man ihm seine Zukunft prophezeit hätte?

Aus: Weibliche Stimme: www.weibliche-stimme.de

Dank an Leila Dregger.

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Global Ecovillage Network : www.ecovillage.org

Free Cultural Spaces : www.freeculturalspaces.net

Gemeinschaftsprojekte / Ökodorf-Institut : www.gemeinschaften.de

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