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Edgar Allan Poe:
DER SCHWARZE KATER
Ich verlange und erwarte nicht, daß man die höchst seltsame
und doch einfache Geschichte, die ich hier niederschreiben will, glaubt.
Es wäre auch töricht, dies zu tun, denn ich selbst vermag
dem Zeugnis meiner Sinne kaum zu trauen. Doch bin ich weder wahnsinnig
noch habe ich geträumt. Morgen aber muß ich sterben und
möchte darum heute meine Seele entlasten. Zu diesem Zweck will
ich der Welt klar und bündig und ohne weitere Erörterungen
eine Reihe rein häuslicher Begebenheiten vor Augen führen.
Die Folgen dieser Begebenheiten haben mich dem Entsetzen, haben mich
der Qual anheimgegeben und mich schließlich zugrunde gerichtet.
Doch will ich nicht versuchen, sie weiter zu erklären. Mir haben
sie ein Schaudern verursacht; anderen mögen sie vielleicht weniger
schrecklich als sonderbar erscheinen. Später vielleicht wird
ein denkender Geist meine Wahngebilde auf Selbstverständlichkeiten
zurückführen - er wird, ruhiger, logischer und viel weniger
nervös als ich, in all den Umständen, die ich nun mit Grausen
erzähle, die gewöhnliche Folge ganz natürlicher Ursachen
und Wirkungen erkennen.
Von früher Kindheit an war ich wegen meines gelehrigen, liebevollen
Wesens bekannt. Die Zärtlichkeit meines Herzens war so ungewöhnlich,
daß sie mich zum Gespött meiner Kameraden machte. Ich war
ein großer Tierfreund, und meine Eltern gestatteten mir gütigst,
eine ganze Anzahl solcher Lieblinge zu halten. Mit ihnen verbrachte
ich den größten Teil meiner Zeit und fühlte mich nie
so glücklich, als wenn ich sie fütterte und liebkoste. Diese
Eigenheit meines Wesens wuchs mit den Jahren und war später im
Mannesalter der Quell meiner größten Vergnügungen.
Denen, die jemals Neigung für einen treuen und gelehrigen Hund
gehabt haben, brauche ich wohl die Natur und die innige Befriedigung,
die aus solch einer Liebhaberei entstehen kann, nicht weiter zu erklären.
In der selbstlosen und aufopferungsfähigen Anhänglichkeit
eines Tieres liegt etwas, das unmittelbar zum Herzen dessen spricht,
der oft Gelegenheit gehabt hat, die Armseligkeit und Unbeständigkeit
der Menschen - was Freundschaft und Treue angeht - zu erproben.
Ich heiratete früh und war glücklich, bei meiner Frau eine
meinem Wesen entsprechende Gemütsart zu finden. Als sie meine
Vorliebe für Haustiere bemerkte, ließ sie keine Gelegenheit
vorübergehen, mir die gefälligsten zu verschaffen. Und so
besaßen wir denn Vögel, Goldfische, einen schönen
Hund, Kaninchen, einen kleinen Affen und einen - Kater.
Er war ein auffallend großes und schönes Tier, vollständig
schwarz und erstaunlich klug. Meine Frau, die ein wenig abergläubisch
war, machte oft, wenn sie von dieser Klugheit sprach, Anspielungen
auf den volkstümlichen Aberglauben, nach dem alle schwarzen Katzen
verkappte Hexen sind. Ich will nicht sagen, daß sie jemals ernsthaft
daran glaubte, und ich erwähne es überhaupt nur, weil ich
mich zufällig wieder daran erinnere.
Pluto - so hieß der Kater - war mein bevorzugter Liebling und
Spielgenosse. Ich allein fütterte ihn, und er begleitete mich
auf Schritt und Tritt im ganzen Hause herum. Ich konnte ihm nur mit
Mühe verwehren, mir auch auf die Straße zu folgen.
Unsere Freundschaft hatte nun schon mehrere Jahre bestanden - Jahre,
in denen mein Temperament und mein Charakter, wie ich mit Beschämung
gestehen muß, durch den Dämon Unmäßigkeit allmählich
eine vollständige Wandlung zum Schlimmen erfuhr. Ich wurde von
Tag zu Tage trübsinniger, reizbarer, rücksichtsloser. Selbst
meiner Frau gegenüber gestattete ich mir eine brutale Sprache
und vergriff mich schließlich sogar tätlich an ihr. Meine
Lieblinge mußten natürlich ebenfalls unter dieser Veränderung
meiner Gemütsart leiden. Ich vernachlässigte sie nicht nur,
sondern mißhandelte sie. Für Pluto jedoch empfand ich noch
immer soviel Zuneigung, daß ich ihn wenigstens nicht quälte,
obwohl ich mir kein Gewissen daraus machte, die Kaninchen, den Affen
und selbst den Hund, wenn sie mir aus Zufall oder Anhänglichkeit
in den Weg liefen, zu peinigen, wie ich nur konnte. Aber meine Krankheit
gewann immer mehr Macht über mich - denn welche Krankheit ist
an Hartnäckigkeit dem Hang zum Alkohol zu vergleichen? -, und
zum Schluß mußte selbst Pluto, der anfing, alt und infolgedessen
etwas mürrisch zu werden, die Wirkungen meiner Verdüsterung
an sich erfahren.
Eines Nachts, als ich vollständig betrunken aus einer meiner
geliebten Kneipen in der Stadt spät nach Hause zurückkehrte,
bildete ich mir ein, der Kater meide meine Gegenwart. Ich fing ihn
ein, raffte ihn hoch, wobei er mir, wahrscheinlich aus Angst vor meiner
Heftigkeit, mit den Zähnen eine kleine Wunde an der Hand beibrachte.
In demselben Augenblick ergriff mich eine wilde Wut; ich kannte mich
selbst nicht mehr, es war, als sei meine Seele aus dem Körper
entwichen; eine mehr als teuflische, vom Schnaps noch angefeuerte
Bosheit zuckte in jeder Fiber meines Leibes. Ich zog ein Federmesser
aus meiner Tasche, öffnete es, packte das arme Tier an der Gurgel
und stach ihm ganz bedächtig eins seiner Augen aus der Höhle
heraus. Oh! - es überläuft mich abwechselnd ein glühender
und eisiger Schauder, da ich diese fluchwürdige Scheußlichkeit
hier niederschreibe.
Als ich am anderen Morgen den Dunst meiner nächtlichen Ausschweifung
verschlafen hatte und wieder zu Verstande kam, empfand ich über
mein Verbrechen ein aus Abscheu und Gewissensbissen gemischtes Gefühl;
doch war es nur eine schwache Empfindung, und in ihrer Tiefe blieb
meine Seele von derselben unberührt. Ich überließ
mich aufs neue meinen Unmäßigkeiten, und jede Erinnerung
an die Tat ertränkte ich im Branntwein. Der Kater genas mittlerweile
langsam. Seine leere Augenhöhle bot allerdings einen schauerlichen
Anblick, doch schien er keine Schmerzen mehr zu leiden. Wie früher
strich er im Hause umher, floh aber, wie leicht erklärlich, entsetzt
davon, sobald ich in seine Nähe kam. Ich hatte mir noch so viel
Gefühl bewahrt, daß mich die offenbare Abneigung eines
Geschöpfes, das mir früher zugetan war, betrübte. Doch
wich diese Empfindung bald einer tückischen Erbitterung. Und
dann kam auch, um meinen endgültigen, unwiderruflichen Untergang
zu besiegeln, der Geist der Perversität über mich. Die Psychologie
hat sich noch nie mit diesem Dämon befaßt. Doch so wahr
meine Seele lebt, ich glaube, daß die Perversität einer
der Grundtriebe des menschlichen Herzens ist, eine der unteilbaren
Urfähigkeiten oder Gefühle, die dem Charakter des Menschen
seine Richtungslinie geben. Wem wäre es nicht hundertmal begegnet,
daß er sich bei einer niedrigen oder törichten Handlung
überraschte, die er nur deshalb beging, weil er wußte,
daß sie verboten war? Haben wir nicht beständig die Neigung,
die Gesetze zu verletzen, bloß weil wir sie als solche anerkennen
müssen? Dieser Geist der Perversität kam also, wie ich schon
sagte, über mich, um meinen Untergang zu vollenden. Jener unergründliche
Drang der Seele, sich selbst zu quälen, ihrer eigenen Natur Gewalt
anzutun und das Unrecht nur um des Unrechts willen zu begehen, trieb
mich an, das unschuldige Tier, das ich schon so gräßlich
mißhandelt hatte, noch weiter zu quälen. Eines Morgens
legte ich kaltblütig eine Schlinge um seinen Hals und hängte
es an dem Ast eines Baumes auf; hängte es auf, während mir
die Tränen aus den Augen strömten und Gewissensbisse mein
Herz folterten; hängte es auf, weil ich wußte, daß
es mich geliebt, und weil ich fühlte, daß es mir nie eine
Ursache zu dieser Mißhandlung gegeben hatte; hängte es
auf, weil ich fühlte, daß ich mit der Tat eine Sünde
beging, eine Todsünde, die das Heil meiner Seele vernichten konnte,
sie, wenn es noch möglich gewesen wäre, dem Bereich der
Gnade des allgerechten und allbarmherzigen Gottes hätte entziehen
müssen.
In der Nacht, die dem Tage folgte, an dem ich die grausame Tat vollführt
hatte,wurde ich durch Feuerlärm aus dem Schlafe geweckt. Die
Vorhänge meines Bettes brannten, das ganze Haus stand schon in
Flammen. Unter großen Gefahren entrannen meine Frau, unser Dienstbote
und ich der Feuersbrunst. Alles wurde zerstört, mein ganzer Besitz
an irdischen Gütern war dahin. Und ich selbst überließ
mich von nun ab nur noch widerstandsloser dem Trunk.
Ich bin längst über die Schwäche hinaus, ein Verhältnis
von Ursache und Wirkung zwischen diesem Unglück und der vorhergegangenen
Schändlichkeit zu erblicken. Ich stelle nur eine Kette von Tatsachen
fest und möchte dabei kein Glied unerwähnt lassen. Am Tag
nach dem Brand besichtigte ich die Trümmer. Die Mauern waren
bis auf eine zusammengestürzt: und zwar war die nicht sehr dicke
Scheidewand in der Mitte des Hauses, an der das Kopfende meines Bettes
gestanden hatte, stehengeblieben. Die Wandverkleidung selbst hatte
dem Feuer auffallend gut widerstanden - ich führte dies auf den
Umstand zurück, daß sie erst vor kurzem neu angeworfen
worden war. Um diese Mauer herum hatte sich eine dichte Menschenmenge
versammelt und schien einen bestimmten Teil derselben einer eingehenden,
eifrigen Prüfung zu unterziehen. Worte wie seltsam!
und sonderbar! und ähnliche Ausrufe erregten meine
Neugierde. Ich näherte mich und erblickte auf der weißen
Oberfläche, wie im Bas-Relief eingegraben, die Gestalt eines
riesigen Katers. Die Konturen waren mit wunderbarer Sorgfalt ausgeführt.
Um den Hals des Tieres lag ein Strick. Als ich diesen Spuk - für
etwas anderes konnte ich's kaum halten - erblickte, geriet ich vor
Staunen und Grausen außer nur. Schließlich erinnerte ich
mich, daß ich den Kater in einem Garten erhängt hatte,
der dicht an mein Haus anstieß. Bei dem Feuerlärm hatte
sich der Garten sofort mit Menschen gefüllt. Einer von ihnen
mußte das Tier abgeschnitten und durch ein offenes Fenster -
wahrscheinlich in der Absicht, mich aus dem Schlafe zu wecken - in
mein Zimmer geschleudert haben. Beim Einsturz der anderen Mauer mußte
irgendein Zufall das Opfer meiner Grausamkeit in die frisch aufgetragene
Masse des Mauerputzes fest eingedrückt haben. Das Feuer hatte
dann in Verbindung mit dem tierischen Alkali des Kadavers seine Umrisse
fest in den Kalk eingebrannt.
Obgleich ich, was diese aufregende, rasch erzählte Tatsache angeht,
meiner Vernunft, wenn nicht meinem Gewissen Genüge tat, machte
sie nichtsdestoweniger einen tiefen Eindruck auf meine Phantasie.
Monatelang konnte ich mich von der Spukgestalt des Katers nicht befreien,
und eine unbestimmte Empfindung, die wie Reue erschien, es aber doch
nicht war, kehrte in mein Gemüt ein. Ich fing sogar an, den Verlust
des Tieres aufrichtig zu bedauern, und begann, mich in den niedrigen
Schenken, die ich meist besuchte, nach einem anderen Tier derselben
Art und von einigermaßen ähnlichem Aussehen umzusehen,
das den Platz Plutos wieder ausfüllen konnte.
Eines Nachts, als ich, schon halb stumpfsinnig, in einer der allerniedrigsten
Lasterhöhlen saß, lenkte sich meine Aufmerksamkeit plötzlich
auf einen dunklen Gegenstand, der oben auf einem riesigen Oxhoftfaß
voll Branntwein oder Rum lag, das ein Hauptstück der Ausstattung
des Lokales bildete. Einige Minuten lang blickte ich fest nach dem
in die Höhe gerichteten Boden des Fasses, und es setzte mich
in Erstaunen, daß ich den betreffenden Gegenstand nicht eher
bemerkt hatte. Ich ging darauf zu und berührte ihn mit der Hand.
Es war ein schwarzer Kater - ein sehr großer schwarzer Kater
-, ganz so groß wie Pluto und ihm, mit Ausnahme einer einzigen
Abweichung, vollständig ähnlich. Pluto hatte an seinem ganzen
Körper kein einziges weißes Haar; dieser Kater hatte dagegen
einen großen, wenn auch undeutlich gezeichneten weißen
Flecken, der beinahe die ganze Brust bedeckte.
Als ich das Tier berührte, erhob es sich sofort, begann laut
zu schnurren, rieb sich an meiner Hand und schien über die ihm
gespendete Aufmerksamkeit höchst erfreut. Dies war also wohl
gerade das Tier, das ich suchte! Ich machte dem Wirt sofort ein Angebot,
um es zu kaufen, aber der erhob überhaupt keinen Anspruch darauf,
sagte, er kenne es nicht und habe es nie zuvor gesehen.
Ich fuhr in meinen Liebkosungen fort, und als ich mich auf den Heimweg
machte, schien das Tier mir folgen zu wollen. Ich gestattete es und
stand unterwegs hin und wieder still, um es zu streicheln. Zu Hause
angekommen, gewöhnte es sich gleich ein und wurde sofort der
Liebling meiner Frau.
In mir jedoch fühlte ich bald eine Abneigung gegen das Tier entstehen.
Das war gerade das Gegenteil von dem, was ich erwartet hatte, aber
- ich weiß nicht, wie und weshalb - seine augenscheinliche Anhänglichkeit
an mich widerte mich an. Nach und nach verwandelte sich dies Gefühl
des Widerwillens in erbitterten Haß. Ich mied die Katze; ein
gewisses Gefühl der Beschämung und die Erinnerung an meine
frühere Grausamkeit verhinderten jedoch, daß ich sie mißhandelte.
Einige Wochen vergingen, ohne daß ich sie schlug oder sonst
quälte. Aber allmählich - ganz allmählich - fing ich
an, sie mit unaussprechlichem Abscheu zu betrachten undvor ihrer verhaßten
Gegenwart wie vor dem giftigen Hauch der Pest schweigend zu entfliehen.
Was ohne Zweifel meinen Haß gegen das Tier noch verschärfte,
war die Entdeckung, die ich gleich am ersten Morgen machte: daß
das Tier, gerade wie Pluto, des einen Auges beraubt war. Dieser Umstand
machte es meiner Frau nur noch lieber, die, wie ich schon sagte, in
hohem Maße jene Zärtlichkeit des Herzens besaß, die
einst auch mein hervorstechendster Charakterzug und die Quelle einfachster
und reinster Freuden gewesen war.
Doch schien mit meinem Widerwillen gegen den Kater dessen Vorliebe
für mich nur noch zu wachsen. Er folgte mir stets auf dem Fuße,
mit einer Beharrlichkeit, die ich nur schwer beschreiben kann. Setzte
ich mich nieder, so kauerte er sich unter meinen Stuhl oder sprang
mir auf die Knie und überhäufte mich mit den häßlichsten
Liebkosungen. Stand ich auf, um wegzugehen, so zwängte er sich
zwischen meine Füße und warf mich fast zu Boden, oder er
klammerte sich mit seinen langen, scharfen Krallen in meine Kleider
und kletterte an mir fast bis zur Brust herauf. Und obgleich mich
bei solchen Gelegenheiten das Verlangen packte, ihn mit einem Hiebe
totzuschlagen, hielt mich immer wieder irgend etwas davon zurück,
teils die Erinnerung an mein früheres Verbrechen, jedoch hauptsächlich
- ich will es nur gleich gestehen - eine wirkliche Angst vor dem Tier.
Ich fürchtete mich nicht gerade vor einer körperlichen Verletzung
durch den Kater - und doch wußte ich nicht, wie ich sonst dies
Gefühl erklären sollte! Ich gestehe mit Beschämung,
selbst in dieser Verbrecherzelle mit Beschämung, daß der
Schreck und der Abscheu, den das Tier mir einflößte, durch
ein nichtiges Hirngespinst - so nichtig, wie man sich nur eins vorstellen
mag - noch gesteigert wurde. Meine Frau hatte mich gelegentlich auf
die Form des weißen Fleckens hingewiesen, von dem ich schon
gesprochen habe, und der den einzigen sichtbaren Unterschied zwischen
diesem seltsamen Tiere und dem von mir getöteten ausmachte. Der
Leser wird sich erinnern, daß dieser Fleck, obgleich er groß
war, nur sehr undeutliche Umrisse aufwies. Aber in ganz allmählichen,
kaum wahrnehmbaren Steigerungen, die meine Vernunft sich vergeblich
als Einbildungen einreden wollte, erlangten dieselben eine fürchterliche
Deutlichkeit. Sie stellten jetzt einen Gegenstand dar, den ich zu
nennen schaudere und dessentwegen allein ich das Ungeheuer verabscheute
und fürchtete und mich von ihm befreit haben würde, hätte
ich es nur gewagt. Es war das Abbild eines scheußlichen, spukhaften
Gegenstandes - ich spreche es aus: es war die Zeichnung eines Galgens.
0 trauriges und furchtbares Mahnbild der Schande und der Sühne
niedrigsten Verbrechens - voll Todesqual und Tod!
Und nun war ich elend - elend über alle Grenzen menschlichen
Elends hinaus. Und ein unvernünftiges Tier - von dessen Geschlecht
ich eines verächtlich getötet hatte -, ein vernunftloses
Tier bereitete mir, einem Menschen nach dem Ebenbilde Gottes, eine
solch unerträgliche Qual! Ach! Weder bei Tage noch bei Nacht
empfand ich mehr die Wohltat der Ruhe. Tagsüber ließ mich
das Tier keinen Augenblick allein, und des Nachts fuhr ich stündlich
aus Träumen voll unaussprechlichsten Grausens auf, fühlte
seinen Atem über meinem Gesicht und sein schweres Gewicht - wie
einen körperlich gewordenen Nachtspuk, den ich abzuschütteln
nicht die Kraft hatte - unablässig auf meiner Brust!
Unter dem Druck solcher Qualen schwand der schwache Rest dahin, der
noch von Gutem in mir war. Schlimme Gedanken wurden meine einzigen
Begleiter - schlimmste, finsterste Gedanken! Mein gewöhnlicher
Trübsinn artete in Haß aus gegen alles in der Welt, ja
gegen die ganze Menschheit: meist war es meine still duldende Frau,
die unter den plötzlichen zügellosen Wutausbrüchen,
denen ich mich jetzt oft blindlings überließ, bitter zu
leiden hatte.
Eines Tages begleitete sie mich wegen irgendeiner häuslichen
Angelegenheit in den Keller des alten Gebäudes, das zu bewohnen
uns unsere Armut nötigte. Die Katze folgte mir die steilen Treppen
hinunter und veranlaßte, daß ich stolperte und fast kopfüber
hinuntergestürzt wäre. Dies erboste mich sehr. Ich ergriff
eine Axt, vergaß in meiner kindlichen Wut die Angst, die bis
jetzt meine Hand zurückgehalten hatte, und führte einen
Streich auf das Tier, der sicher tödlich gewesen wäre, wenn
er so getroffen hätte, wie ich es wünschte. Meine Frau jedoch
hielt den Schlag auf. Dies versetzte mich in eine mehr als teuflische
Raserei, ich riß meinen Arm aus den Händen meiner Frau
los und hieb ihr die Axt in den Schädel. Ohne den geringsten
Laut brach sie sofort tot zusammen.
Kaum war dieser grauenvolle Mord geschehen, als ich mich auch schon
daran machte, den Leichnam mit aller Überlegung zu verbergen.
Ich sah ein, daß ich ihn weder bei Tag noch bei Nacht aus dem
Hause schaffen konnte, ohne Gefahr zu laufen, von den Nachbarn bemerkt
zu werden. Mancherlei Pläne kamen mir in den Sinn. Einmal dachte
ich daran, den Körper in lauter kleine Teile zu zerschneiden
und zu verbrennen, dann beschloß ich, ihn im Boden des Kellers
zu vergraben, dann überlegte ich, ob ich ihn nicht in den Brunnen,
der sich auf unserm Hofe befand, werfen solle - ja, ich dachte sogar
daran, ihn wie eine Ware in eine Kiste zu verpacken und diese von
einem Paketträger aus dem Hause wegschaffen zu lassen. Endlich
blieb ich bei einer Idee, die mir bei weitem als beste erschien. Ich
beschloß, ihn im Keller einzumauern, wie es nach verschiedenen
Überlieferungen die Mönche des Mittelalters mit ihren Opfern
gemacht haben sollen.
Der Keller schien mir für einen solchen Zweck wohl geeignet.
Die Mauern waren leicht gebaut und erst kürzlich mit grobem Mörtel
beworfen worden, der in der feuchten Kellerluft noch nicht vollständig
verhärtet war. Überdies befand sich an einer der Mauern
ein Vorsprung, hinter dem sich ein falscher Kamin befand, den man
ausgefüllt hatte, wodurch die Stelle den übrigen Wänden
gleichgemacht war. Ich zweifelte nicht, die Ziegel an dieser Stelle
leicht herausbrechen, den Leichnam in der Höhlung verbergen und
das Ganze wieder so zumauern zu können, daß kein Auge irgend
etwas Verdächtiges entdecken würde.
Und diese Annahme täuschte mich nicht. Ich entfernte mittels
eines Brecheisens mit leichter Mühe die Steine, lehnte den Körper
gegen die innere Wand, befestigte ihn etwas in dieser Stellung und
stellte die Mauer, genau so, wie sie ursprünglich gewesen, wieder
her. Da ich mir mit Verbrecherschlauheit Mörtel, Sand und Stroh
verschafft hatte, bereitete ich einen Bewurf, der von dem vorigen
nicht zu unterscheiden war, und verstrich die neugemauerte Stelle
auf das sorgfältigste. Als ich fertig war, empfand ich eine große
Befriedigung darüber, daß nun alles in Ordnung sei. An
der Wand war nicht das geringste zu bemerken, den Fußboden säuberte
ich mit peinlichster Sorgfalt von dem übriggebliebenen Schutt.
Dann blickte ich mit triumphierenden Blicken umher und sagte zu mir:
»Hier ist meine Arbeit wenigstens keine vergebliche gewesen.«
Mein nächster Gang galt dem Kater, der all dies Elend verschuldet
hatte und den ich nun mit Bestimmtheit töten wollte. Hätte
ich ihn in dem Augenblick gefunden, so wäre sein Schicksal entschieden
gewesen, doch es schien, als habe das schlaue Tier noch Furcht vor
meinem wilden Zorn und vermeide es, sich vor mir in meiner augenblicklichen
Stimmung blicken zu lassen. Es ist unmöglich, das tiefe, selige
Gefühl der Erleichterung, mit welchem mich die Abwesenheit des
verhaßten Wesens erfüllte, zu beschreiben oder gar sich
vorzustellen. Auch am Abend kam es nicht wieder zum Vorschein, und
so verbrachte ich die erste Nacht, seit es ins Haus gekommen war,
in gesundem, tiefem Schlaf; ja, ich schlief, obwohl ein Mord meine
Seele belastete!
Der zweite und dritte Tag verging - mein Peiniger kam nicht wieder.
Noch einmal atmete ich in Freiheit auf. Das Untier war vor Schrecken
aus meinem Hause entflohen! Ich würde es nicht mehr sehen! Mein
Glück war unbeschreiblich. Das Andenken an meine schwarze Tat
beunruhigtemich so gut wie gar nicht. Man hatte einige Nachforschungen
angestellt, doch hatte ich sie bald zu erledigen gewußt. Sogar
eine Haussuchung hatte stattgefunden, die natürlich ergebnislos
verlaufen war. Ich fühlte mich vollständig ruhig und sicher.
Am vierten Tage nach dem Mord erschienen jedoch ganz unerwartet noch
einige Abgesandte der Polizei und nahmen von neuem eine sorgfältige
Haussuchung vor. Da ich jedoch vollkommen überzeugt war, daß
man das verhängnisvolle Versteck nicht auffinden werde, blieb
ich ganz kaltblütig. Die Beamten forderten mich auf, sie bei
der Durchsuchung zu begleiten. Sie ließen keinen Winkel, keine
Ecke außer acht. Endlich stiegen sie zum dritten- oder viertenmal
in den Keller hinab. Ich zuckte mit keiner Wimper, und mein Herz schlug
so ruhig wie das eines Menschen, der in Unschuld schläft. Ich
durchschritt den Keller von einem Ende zum andern, kreuzte die Arme
über die Brust und ging seelenvergnügt auf und ab. Die Beamten
schienen befriedigt und schickten sich an, wieder hinaufzugehen. Die
Freude meines Herzens war zu groß, als daß ich sie ganz
hätte verbergen können. Es stachelte mich förmlich,
meinem Triumph, wenn auch nur durch ein Wort, Ausdruck zu verleihen
und sie in ihrer Überzeugung von meiner Unschuld zu bestärken.
»Meine Herren«, sagte ich endlich, als die Gesellschaft
schon die Stufen hinaufschritt, »ich freue mich, daß sich
Ihr Verdacht als unbegründet erwiesen hat. Ich wünsche Ihnen
ein herzliches Lebewohl und für die Zukunft etwas mehr Höflichkeit.
Im übrigen, meine Herren, ist dies ein sehr solide gebautes Haus!«
(In dem wahnsinnigen Verlangen, irgend etwas Anzügliches leicht
hinzuwerfen, wußte ich kaum selbst mehr, was ich sprach.) »Man
könnte es fast ein außerordentlich solide gebautes Haus
nennen! Diese Mauern - Sie gehen schon, meine Herren? - diese Mauern
sind fest gefügt.« Und hier klopfte ich aus purer Prahlerei
mit einem Stocke, den ich in der Hand hielt, heftig gerade gegen den
Teil der Mauer, hinter dem der Leichnam jener Frau verborgen war,
die ich von Herzen geliebt hatte.
Aber möge Gott mir gnädig sein und mich aus den Klauen des
Erzfeindes befreien! Kaum war der Nachklang der Schläge in der
Stille verhallt, als eine Stimme aus dem Innern des Grabes antwortete.
- Es war ein Geschrei, anfangs gebrochen und halb erstickt, wie das
Schluchzen eines Kindes, ein Geschrei, das dann zu einem langen, anhaltenden
Laut anschwoll, der übernatürlich und unmenschlich klang
- einem Geheul, einem kreischenden Wehklagen, in dem sich Schreck
und Frohlocken zu mischen schienen, wie es sich nur den Kehlen der
Verdammten in ihren Qualen und der Brust triumphierender Teufel entringen
kann.
Es wäre unnütz, von meinen Empfindungen sprechen zu wollen.
Einer Ohnmacht nahe, taumelte ich gegen die Rückwand des Kellers.
Einen Augenblick standen die Polizisten im Übermaß des
Entsetzens und Grausens regungslos und starr, im nächsten jedoch
arbeiteten bereits ein Dutzend kräftige Arme an der Mauer.
Sie war bald niedergerissen, und der schon stark in Verwesung übergegangene,
mit geronnenem Blut bedeckte Leichnam meiner Frau stand aufrecht vor
ihren Augen da. Auf dem Kopf, mit aufgerissenem roten Maul und seinem
einzigen glühenden Auge, hockte das scheußliche Tier, dessen
Gebaren mich zum Morde verleitet hatte und dessen verräterische
Stimme mich jetzt dem Henker überlieferte.
Ich hatte das Ungeheuer mit in das Grab eingemauert.
(The Black Cat; 1843 - Übersetzung Theodor Etzel; 1873-1930).
Edgar Allan Poe (1809-1849):
Der Rabe -
The Raven
Ein Traum in einem Traum -
A Dream Within a Dream
Die Maske des Roten Todes -
The Masque of the Red Death
Der Schwarze Kater -
The Black Cat
Hüpf-Frosch -
Hop-Frog
Lebendig Begraben -
The Premature Burial
The Works of Edgar Allan Poe
The Edgar Allan Poe Society of Baltimore
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