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Edgar Allan Poe:
HÜPF-FROSCH
Ich habe nie jemanden gekannt, der ein größeres Vergnügen
an Scherzen gehabt hätte als der König. Er schien zum
Scherzen geboren zu sein. Eine recht spaßhafte Geschichte
zu erzählen, sie gut zu erzählen, war der sicherste Weg
zu seiner Gunst. So war es denn erklärlich, daß seine
sieben Minister wegen ihrer Talente als Spaßmacher berühmt
waren. Sie ahmten in allem den König nach und waren, wie er,
nicht nur unübertreffliche Spaßmacher, sondern auch ebenso
wohlbeleibt und fett. Ob nun die Leute vom Spaßmachen dick
werden, oder ob umgekehrt die Wohlbeleibtheit eine Neigung zum Scherzen
mit sich bringt, ist mir noch nie klar geworden. Jedenfalls ist
ein magerer Spaßmacher eine rara avis in terris.
Um feine Anspielungen oder, wie er sich ausdrückte, um die
"Geister" eines Witzes kümmerte sich der König
herzlich wenig. Er hatte eine besondere Vorliebe für derbe
Späße. Spintisierereien ermüdeten ihn. Er würde
Rabelais' "Gargantua" vor Voltaires "Zadig"
den Vorzug gegeben haben: und im allgemeinen waren spaßhafte
Taten mehr nach seinem Geschmack als witzige Reden.
In der Zeit, da meine Erzählung spielt, war es noch Mode, an
Höfen professionelle Spaßmacher zu halten. Mehrere der
großen Höfe des Kontinents hielten sich noch ihren Hofnarren,
der in buntscheckigen Kleidern mit Narrenkappe und Schellen umherlief
und für die Brosamen, die von des Königs Tafel für
ihn abfielen, jeden Augenblick ein passendes, scharfes Witzwort
bereit haben mußte.
Es versteht sich von selbst, daß auch unser König sich
einen "Narren" hielt. Es war ihm sozusagen ein Bedürfnis,
stets irgend etwas aus dem Reich der Narrheit in seiner Nähe
zu haben, sei es auch nur als Gegengewicht gegen die schwerfällige
Weisheit der sieben Männer, die seine Minister waren - von
ihm selbst gar nicht zu reden.
Sein Narr oder berufsmäßiger Spaßmacher war jedoch
nicht nur ein Narr. Sein Wert wurde in den Augen des Königs
durch den Umstand verdreifacht, daß er zugleich ein Zwerg
und ein Krüppel war. Man fand damals an Höfen Zwerge ebenso
häufig vor wie Narren; viele Monarchen hätten nicht gewußt,
womit sie ihre Tage ausfüllen sollten - an Höfen sind
die Tage länger als anderswo - ohne einen Narren, mit dem sie,
und einen Zwerg, über den sie lachen konnten. Aber wie ich
schon bemerkte, sind die Spaßmacher in neunundneunzig von
hundert Fällen fett, rund und unbehilflich, so daß unser
König wahrhaftig nicht geringe Ursache hatte, sich zu gratulieren,
daß er in Hüpf-Frosch - so hieß der Narr - einen
dreifachen Schatz in einer Person besaß.
Ich glaube, den Namen "Hüpf-Frosch" hatte der Zwerg
nicht bei der Taufe von einem seiner Paten erhalten, er war ihm
vielmehr nach gemeinsamem Übereinkommen der sieben Minister
wegen seiner Unfähigkeit, sich wie andere Menschen fortzubewegen,
verliehen worden. Hüpf-Frosch konnte nämlich nur durch
eine Art ruckweisen Hüpfens vorwärtskommen - eine Bewegung,
die ein Mittelding zwischen Springen und Rutschen war und dem König
ein unbegrenztes Vergnügen und große Genugtuung gewährte,
da er selbst, obwohl er an einem Hängebauch und einer chronischen
Anschwellung des Kopfes litt, bei Hofe für eine prächtige
Erscheinung galt.
Doch obwohl Hüpf-Frosch sich zu ebener Erde nur mit großer
Mühe und Schwierigkeit fortbewegen konnte, befähigte ihn
die wunderbare Muskelkraft, mit der die Natur, gleichsam als Entschädigung
für die Gebrechlichkeit seiner unteren Gliedmaßen, seine
Arme ausgestattet hatte, wahre Wunderwerke der Geschicklichkeit
zu vollbringen, sobald es sich darum handelte, einen Baum oder dergleichen
zu erklimmen oder sich an einem Seil hinaufzuziehen. Bei solchen
Übungen glich er viel eher einem Eichhörnchen oder einem
kleinen Affen als einem Frosch.
Ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, aus welchem Lande Hüpf-Frosch
eigentlich gekommen. Jedenfalls stammte er aus einer wilden Gegend,
von der niemand etwas wußte - weit weg von des Königs
Hof. Man hatte Hüpf-Frosch und ein junges Mädchen, das
nur um ein kleines weniger zwergenhaft, sonst aber von erlesenem
Körperbau und eine wundervolle Tänzerin war, mit Gewalt
aus ihrer Heimat fortgeschleppt; einer der immer siegreichen Generale
des Königs hatte beide als Geschenk an den Hof gebracht.
So ist es denn nicht verwunderlich, daß zwischen den beiden
kleinen Gefangenen eine innige Freundschaft entstand, daß
sie unzertrennliche Kameraden wurden. Hüpf-Frosch war am Hof,
obwohl er so viel zur Belustigung beitrug, nichts weniger als beliebt,
und es stand nicht in seiner Macht, der Trippetta größere
Dienste zu leisten; sie jedoch wurde wegen ihrer Anmut und seltenen
Schönheit trotz ihrer zwergenhaften Erscheinung von allen bewundert
und verhätschelt, so daß sie einen großen Einfluß
erlangte, von dem sie, wo sie nur immer konnte, zugunsten ihres
Freundes Hüpf-Frosch Gebrauch machte.
Zur Feier irgendeiner großen Staatsaktion - ich vergaß
welcher - beschloß der König, einmal wieder einen Maskenball
zu veranstalten. Bei jedem Kostümfest oder ähnlichem Anlaß
mußten Hüpf-Frosch und Trippetta ihre Talente zeigen.
Hüpf-Frosch besonders war so erfinderisch im Anordnen von Aufzügen,
in der Zusammenstellung von neuen Kostümen und dergleichen,
daß sein Beistand unentbehrlich war. Der Abend, an dem das
Fest gefeiert werden sollte, kam heran. Eine weite Halle war unter
Trippettas Augen mit allem, was einer Maskerade Glanz verleihen
kann, ausgeschmückt worden. Der ganze Hof befand sich in einem
Fieber der Erwartung. Es läßt sich denken, daß
sich alle ihr Kostüm und ihre Rolle längst ausgesucht
hatten. Manche hatten schon seit Wochen, ja seit Monaten darüber
nachgedacht, welchen Charakter sie an dem Abend darstellen wollten.
Alle waren mit ihren Vorbereitungen fertig - nur nicht der König
und seine sieben Minister. Warum sie sich noch nicht entschlossen
hatten, kann ich nicht sagen; vielleicht handelte es sich auch hier
um einen Scherz. Wahrscheinlicher jedoch ist, daß sie wegen
ihrer Beleibtheit zu keinem Entschluß kommen konnten. Doch
die Zeit verging, und in letzter Stunde schickten sie zu Trippetta
und Hüpf-Frosch.
Als die beiden kleinen Freunde dem Befehl des Königs nachkamen,
fanden sie ihn mit seinen Beratern beim Wein sitzen; doch schien
er in sehr schlechter Laune zu sein. Er wußte, daß Hüpf-Frosch
Wein nicht vertrug, denn sein Genuß brachte den armen Krüppel
stets in eine Aufregung, die an Wahnsinn grenzte. Aber der König
liebte, wie gesagt, spaßhafte Taten, und es machte ihm Vergnügen,
Hüpf-Frosch zum Trinken zu zwingen, damit er, wie er sich ausdrückte,
"lustig werde".
"Komm her, Hüpf-Frosch", sagte er, als der Spaßmacher
und seine Freundin das Gemach betreten hatten, "trinke diesen
Humpen auf das Wohl deiner fernen Freunde" (hier seufzte Hüpf-Frosch)
"und laß uns dann deine Erfindungsgabe zugute kommen.
Wir brauchen Charaktermasken - Charaktermasken, mein Sohn -, irgend
etwas Neues, Außergewöhnliches. Wir sind der ewigen Wiederholungen
müde. Komm und trink! Der Wein wird deinen Witz aufstacheln."
Hüpf-Frosch bemühte sich, die Aufforderung des Königs
mit einem Witz zu beantworten, doch ging es diesmal über seine
Kräfte. Der arme Zwerg hatte zufällig an jenem Tage Geburtstag,
er hatte viel an sein Heimatland gedacht, und der Befehl, auf seine
fernen Freunde zu trinken, trieb ihm Tränen ins Auge. Viele
schwere bittere Tropfen fielen in den Becher, als er ihn demütig
aus der Hand des Tyrannen entgegennahm.
"Ha ha haha!" brüllte der König vergnügt
auf, als der Zwerg den Wein mit Widerstreben hinuntergoß,
"seht doch einmal an, was ein Glas guten Weins nicht alles
fertig bringt! Wahrhaftig, deine Augen glänzen schon. "
Armer Kerl! Seine großen Augen glühten mehr, als daß
sie leuchteten; der Wein wirkte auf sein erregbares Gehirn ebenso
schnell wie heftig. Er stellte den Becher zitternd auf den Tisch
zurück und blickte mit halb irrsinnigem Stieren im Kreise umher.
Die Minister schienen sich alle höchlichst über diesen
"Scherz" des Königs zu amüsieren.
"Und nun das Geschäftliche", sagte der Premierminister,
ein sehr dicker Herr.
"Ja", meinte der König, "komm, Hüpf-Frosch,
hilf! Also Charaktermasken, mein edler Bursche, Charaktermasken
müssen wir haben, ja, wir alle - hahahaha!" Da er seine
Worte für einen Witz hielt, lachte er, und die sieben lachten
im Chor mit.
Hüpf-Frosch lachte auch, obwohl nur schwach und wie unbewußt.
"Komm, komm!" rief nun der König mit Ungeduld, "ist
dir noch nichts eingefallen?"
"Ich bemühe mich, etwas ganz Neues zu erdenken",
stammelte der Zwerg, den der Wein schon ganz verwirrt hatte.
"Bemühen!" schrie der Tyrann wütend, "was
willst du damit sagen? Ah, ich sehe schon, du bist noch nicht in
Stimmung und mußt mehr Wein haben. Hier, trink!" Und
er goß noch einen Becher voll und bot ihn dem Krüppel
dar, der, nach Atem ringend, ihn angstvoll anstarrte.
"Trink, sag ich dir!" schrie das Ungeheuer, "oder
der Teufel -
"Der Zwerg zögerte. Der König wurde purpurrot vor
Wut. Die Höflinge lächelten albern. Trippetta, bleich
wie eine Leiche, ging auf den König zu, fiel vor ihm auf die
Knie und bat um Gnade für ihren Freund.
Der Tyrann betrachtete sie einige Minuten lang; offenbar wunderte
er sich über ihre Kühnheit. Er schien nicht recht zu wissen,
was er tun oder sagen sollte, wie er seine Entrüstung am schicklichsten
zum Ausdruck brächte. Endlich stieß er sie, ohne eine
Silbe zu reden, von sich fort und goß ihr den Inhalt des übervollen
Bechers ins Gesicht. Das arme Mädchen erhob sich zitternd,
und ohne einen Seufzer zu wagen, nahm es seinen Platz am unteren
Ende der Tafel wieder ein.
Während einer halben Minute war es so totenstill, daß
man eine Feder oder ein Blatt hätte fallen hören können.
Da wurde die Stille durch ein leises, aber scharfes, andauerndes
Geräusch unterbrochen, das zu gleicher Zeit aus jeder Ecke
des Zimmers zu kommen schien.
"Wa-wa-warum machst du den Lärm da?" wandte sich
der König wütend an den Zwerg.
Der schien sich jedoch von seiner jähen Betrunkenheit vollständig
erholt zu haben, und den Tyrannen fest, doch ruhig anblickend, sagte
er bloß:
"Ich? - Ich? Wie könnte ich das getan haben?"
"Mir schien es", bemerkte einer der Höflinge, "als
käme der Ton von außen. Ich glaube, es war der Papagei
dort am Fenster, der seinen Schnabel an den Käfigstäben
wetzte."
"Mag sein", erwiderte der Monarch, als fühle er sich
durch diese Erklärung beruhigt, "aber ich hätte auf
meine Ritterehre geschworen, daß jener Vagabund mit den Zähnen
geknirscht habe."
Bei diesen Worten lachte der Zwerg laut auf (der König war
zu sehr für Späße eingenommen, um etwas dagegen
zu haben, wenn jemand in seiner Gegenwart lachte) und entblößte
dabei eine Reihe beängstigend großer, starker Zähne.
Überdies erklärte er sich bereit, so viel Wein zu trinken,
wie man nur von ihm verlange. Der Monarch war besänftigt, und
nachdem Hüpf-Frosch noch einen Humpen Weins ohne äußerlich
schlimme Wirkung hinuntergestürzt hatte, setzte er mit viel
Laune seine Pläne betreffs der Maskerade auseinander.
"Ich weiß nicht, welche Ideenverbindung mich darauf gebracht
hat", begann er ganz ruhig, als habe er in seinem ganzen Leben
noch keinen Tropfen Wein gekostet, "aber gleich nachdem Majestät
das Mädchen geschlagen und ihm den Wein ins Gesicht gegossen
hatten - also gleich nachdem Majestät das getan, und während
der Papagei jenes wunderliche Geräusch am Fenster machte, erinnerte
ich mich plötzlich eines prächtigen Maskenscherzes, den
man oft in meiner Heimat aufführte. Hier wird er jedoch ganz
neu sein. Unglücklicherweise sind jedoch acht Personen dazu
nötig und -"
"Wir sind ja gerade acht!" rief der König lachend
über seine scharfsinnige Entdeckung - "genau acht, ich
und meine sieben Minister - also los, was ist das für ein Scherz?"
"Wir nennen es", erwiderte der Krüppel, "die
acht aneinandergeketteten Orang-Utans. Es ist wirklich ein ausgezeichneter
Scherz, wenn er gut durchgeführt wird."
"Wir werden ihn schon durchführen", sagte der König,
indem er aufstand und die Augenlider senkte. "Der Hauptspaß
dabei", fuhr Hüpf-Frosch fort, "ist der Schreck,
den er den Damen verursacht."
"Vorzüglich", brüllten der König und seine
sieben Minister im Chor.
"Ich werde Sie als Orang-Utans ausstaffieren", fuhr der
Zwerg fort. "Sie können mir alles überlassen. Die
Ähnlichkeit wird so vollkommen, daß die ganze Gesellschaft
Sie für wirkliche Bestien halten wird - man wird sicherlich
ebenso erschrocken wie überrascht sein."
"Das ist ja wirklich famos!" rief der König. "Hüpf-Frosch,
ich will noch mal was Ordentliches aus dir machen!"
"Die Ketten haben den Zweck, durch ihr Klirren die Angst und
die Verwirrung zu erhöhen. Man wird glauben, Sie seien en masse
Ihren Wärtern entflohen. Majestät können sich gar
nicht vorstellen, was für einen Effekt es macht, wenn bei einer
Maskerade plötzlich acht aneinandergefesselte Orang-Utans erscheinen,
die die ganze Gesellschaft für wirkliche Tiere hält; -
wenn sie so mit wildem Geschrei unter die Menge der vornehm und
prächtig gekleideten Damen und Herren stürzen. Der Gegensatz
ist unvergleichlich! "
"Das wird gemacht", sagte der König, und die Gesellschaft
erhob sich eilig, denn es war höchste Zeit, um zur Ausführung
des Planes zu schreiten.
Hüpf-Froschs Mittel, die Gesellschaft als Orang-Utans zu verkleiden,
waren äußerst einfach und entsprachen seinen Absichten
bestens. Die fraglichen Tiere waren zur Zeit, in der meine Geschichte
spielt, noch sehr selten und nur an wenigen Orten der zivilisierten
Welt gesehen worden. Da die von dem Zwerg hergestellten Kostüme
den Trägern ein ziemlich bestialisches, ja mehr als fürchterliches
Aussehen verliehen, glaubte man von ihrer Naturwahrheit wohl überzeugt
sein zu dürfen. Der König und die Minister wurden zuerst
in engschließende Hemden und Hosen aus halbwollenem Zeug eingenäht.
Dies wurde mit Teer getränkt. Als die Sache bis zu diesem Stadium
gediehen war, machte einer der Gesellschaft den Vorschlag, jetzt
Federn aufzukleben. Diesem Gedanken trat jedoch der Zwerg entgegen
und überzeugte die acht bald durch augenscheinliche Erläuterungen,
daß das Haar des Orang-Utans viel täuschender durch Flachs
nachgebildet werde. So wurde denn eine dichte Lage Flachs auf die
geteerte Unterlage aufgeklebt und dann eine lange Kette herbeigeschafft
und zuerst um die Taille des Königs geschlungen und befestigt
und hierauf um die Taille jedes der Minister und jedesmal fest verhakt.
Als man damit fertig war, und die Gesellschaft so weit wie möglich
voneinander Abstand nahm, bildeten sie einen Kreis; um den Anschein
der Natürlichkeit noch zu erhöhen, zog Hüpf-Frosch
das noch übrige Ende der Kette als zwei rechtwinklig zueinander
stehende Durchmesser durch den Kreis, wie es heute noch von Affenjägern
auf Borneo gemacht wird.
Der große Saal, in dem das Maskenfest stattfinden sollte,
war kreisrund, sehr hoch und empfing das Licht nur durch ein einziges
Fenster von oben her.
Abends jedoch - der Raum wurde eigentlich nur zu nächtlichen
Festen benutzt - wurde er von einem großen Kronleuchter beleuchtet,
der an einer Kette von dem Mittelpunkt des gewölbten Fensters
herabhing und wie gewöhnlich mittels eines Gegengewichtes herauf
- und heruntergezogen werden konnte. Diese Kette hing jedoch des
besseren Aussehens wegen nicht im Innern, sondern außerhalb
der Kuppel über das Dach herab.
Der Raum war nach Trippettas Angabe ausgeschmückt worden; doch
schien sie sich in einigen Besonderheiten der klügeren Einsicht
ihres Freundes, des Zwerges, unterworfen zu haben. Auf seinen Vorschlag
hatte sie den Kronleuchter entfernen lassen. Das Abtröpfeln
des Wachses, das unmöglich zu vermeiden gewesen wäre,
hätte den prächtigen Gewändern der Gäste leicht
verderblich werden können, denn bei der Überfülle
im Saal war es unmöglich, seine Mitte, das heißt die
Stelle unter dem Kronleuchter, freizuhalten. Dagegen wurden Wandleuchter
angebracht und jeder der Karyatiden, die die Mauer stützten
- es waren fünfzig oder sechzig - eine Fackel, die lieblichen
Duft ausströmte, in die rechte Hand gegeben.
Die acht Orang-Utans befolgten Hüpf-Froschs Rat und warteten
mit ihrem Erscheinen geduldig bis Mitternacht, da der Saal vollständig
mit Masken gefüllt war. Doch kaum war der zwölfte Glockenschlag
verhallt, als sie alle zusammen hereinstürzten oder vielmehr
sich hereinwälzten, denn die schwere Kette machte, daß
die meisten hinfielen und alle stolperten.
Die Aufregung unter den Masken war außerordentlich groß
und erfüllte des Königs Herz mit unbändiger Heiterkeit.
Wie man es erwartet hatte, gab es nicht wenige unter den Gästen,
welche die wild aussehenden Wesen wenn auch nicht gerade für
Orang-Utans, so doch für wirkliche Bestien hielten. Viele Damen
wurden vor Entsetzen ohnmächtig, und hätte der König
nicht vorsichtshalber das Waffentragen im Saal verboten, so hätte
es leicht geschehen können, daß er und seine Gesellschaft
ihren Scherz mit ihrem Blut bezahlt hätten. Es entstand ein
allgemeiner Andrang nach den Türen; der König hatte jedoch
befohlen, daß dieselben unmittelbar nach seinem Eintritt geschlossen
werden sollten; und auf des Zwerges Vorschlag waren diesem die Schlüssel
übergeben worden.
Als der Tumult aufs höchste gestiegen war und jeder nur daran
dachte, sich in Sicherheit zu bringen - es war durch das Gedränge
nämlich eine Gefahr entstanden -, hätte man bemerken können,
daß die Kette, an der gewöhnlich der Kronleuchter hing
und die man nach seiner Entfernung aufgezogen hatte, nach und nach
herabgelassen wurde, bis ihr mit einem Haken versehenes Ende nur
noch drei Fuß von der Erde entfernt war.
Bald darauf befanden sich der König und seine sieben Minister,
nachdem sie die Halle in jeder Richtung durchstolpert hatten, in
ihrem Mittelpunkt und in fast unmittelbarer Berührung mit der
Kronleuchterkette. Als sie hier standen, stachelte sie der Zwerg,
der ihnen stets auf dem Fuße folgte, an, den Tumult aufrechtzuerhalten,
und ergriff dabei die Kette an ihrem Kreuzungspunkte in der Mitte
des Kreisels; mit der Schnelligkeit eines Gedankens hatte er diese
in den Haken eingehakt, an dem sonst der Kronleuchter hing. Durch
irgendeine unsichtbare Macht wurde nun die Kronleuchterkette so
hoch hinaufgezogen, daß der Haken von unten her nicht mehr
zu erreichen war und die Orang-Utans, Gesicht an Gesicht, schwebend
in der Luft hingen.
Die Maskengesellschaft hatte sich mittlerweile einigermaßen
von ihrem Schrecken erholt und betrachtete die ganze Sache als einen
gut erfundenen Scherz. Ein lautes Gelächter über die hilflose
Lage der Affen durchscholl den Saal.
"Überlaßt sie mir!" schrie Hüpf-Frosch
mit seiner schrillen Stimme, die all den Lärm durchdrang und
leicht verständlich war. "Überlaßt sie mir.
Ich glaube, ich kenne sie. Wenn ich sie nur erst recht betrachten
könnte, würde ich schon sagen können, wer sie sind."
Bei diesen Worten drängte er sich durch die Menge bis an die
Wand, nahm einer der Karyatiden die Fackel weg und kehrte, wie er
gekommen, in die Mitte des Raumes zurück, schwang sich mit
affenartiger Geschwindigkeit auf den Kopf des Königs, kletterte
noch ein paar Fuß an der Kette empor und senkte die Fackel,
um die Orang-Utans zu beleuchten, und schrie wiederum:
"Ich werde bald herausfinden, wer sie sind!"
Und während nun die ganze Gesellschaft, die Affen mit einbegriffen,
von Lachen durchschüttelt wurde, ließ der Spaßmacher
einen schrillen Pfiff hören, worauf die Kette mit Heftigkeit
ungefähr dreißig Fuß in die Höhe schnellte,
die geängstigten, zappelnden Orang-Utans mit sich zog und in
der Mitte zwischen dem Gewölbefenster und dem Fußboden
hängen ließ. Hüpf-Frosch, der sich an der Kette,
als sie aufgezogen wurde, festgehalten hatte, hing also ein gut
Stück über den acht Masken und hielt seine Fackel noch
immer gesenkt, als sei nichts vorgefallen, als sei er noch immer
bemüht, herauszubringen, wer sich hinter den Masken verstecke.
Die Gesellschaft war über das Hinaufziehen der Kette so erstaunt,
daß ein minutenlanges totales Stillschweigen entstand. Es
wurde endlich durch ein leises, scharfes, knirschendes Geräusch
unterbrochen, welches dem, das die Aufmerksamkeit des Königs
und seiner Räte auf sich gezogen hatte, als der Tyrann der
Trippetta den Wein ins Gesicht gegossen hatte, vollständig
ähnlich war. Doch konnte jetzt kein Zweifel mehr darüber
herrschen, woher der Ton kam. Er kam von den fangartigen Zähnen
des Zwerges, der schäumenden Mundes mit ihnen knirschte und
mit einem Ausdruck wahnsinniger Wut in die aufwärtsgewandten
Gesichter des Königs und seiner sieben Minister starrte.
"Aha!" sagte endlich der wutentbrannte Narr, "jetzt
wird mir allmählich klar, wer diese Leute sind."
Bei diesen Worten hielt er, als wolle er den König noch genauer
betrachten, seine Fackel an die Flachshülle, die denselben
umgab. Im Augenblick ging sie in Flammen auf, und in weniger als
einer halben Minute standen alle Orang-Utans in hellem Brande. Die
Menge unten schrie wild auf und blickte voll Entsetzen hinauf, ohne
auch nur die geringste Hilfe leisten zu können.
Die Flammen, die immer heftiger wurden, nötigten den Narren
bald die Kette noch weiter hinaufzuklettern, um ihrem Bereich zu
entfliehen. Während er dies ausführte, trat in der Menge
ein erneutes kurzes Schweigen ein, das der Zwerg benutzte, um zu
reden.
"Ich sehe jetzt deutlich", sagte er, "was für
Menschen sich hinter diesen Masken verbergen. Es ist ein großer
König und seine sieben geheimen Kabinettsräte - ein König,
der es wagte, ein hilfloses Mädchen zu mißhandeln, und
seine sieben Räte, die zu allem, was er Schimpfliches tat,
ja sagten. Und ich - ich bin nur Hüpf-Frosch, der Narr, und
dies hier ist mein letzter Scherz."
Bei der leichten Verbrennbarkeit der beiden Stoffe, aus denen die
Kostüme der Orang-Utans bestanden, war das Werk der Rache schon
vollbracht, als der Zwerg seine kurze Ansprache beendet hatte. Die
acht Körper hingen nur noch als eine rauchende, übelriechende
Masse in ihren Ketten. Der Krüppel schleuderte seine Fackel
auf sie herab, kletterte gelassen zur Decke empor und verschwand
durch das Gewölbefenster.
Man nimmt an, daß Trippetta, die oben auf dem Dach stand,
die Mitschuldige bei diesem feurigen Rachewerk ihres Freundes gewesen
war und daß beide zusammen in ihre Heimat geflohen sind. Denn
man hat keinen von beiden jemals wiedergesehen.
(Hop-Frog, 1849; Übersetzung Theodor Etzel; 1873-1930).
Edgar Allan Poe (1809-1849):
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Die Maske des Roten Todes -
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Der Schwarze Kater -
The Black Cat
Hüpf-Frosch -
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