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Claus Sterneck / Claus in Iceland
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Wolfgang Sterneck
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Sisters:

SCHWESTERLICHKEIT

Wir fuhren die Autobahn entlang als wir von Polizeibeamten, die als Straßenarbeiter verkleidet waren, von der Straße gewunken wurden. Sofort nachdem wir das Fahrzeug angehalten hatten, stürmten etwa dreißig bis an die Zähne bewaffnete Männer in Tarnanzügen auf uns zu. Ein Scheibe wurde zerstört und Tränengas in unser Auto geworfen. Dann wurden die Türen aufgerissen und wir wurden von den Polizisten auf den Boden geworfen. Sie preßten uns ihren Pistolen an den Kopf und schrieen, daß wir uns nicht bewegen sollten, ansonsten würden sie schießen.

Es war purer Horror diesen Männern in ihrem Wahn wehrlos ausgeliefert zu sein. Wir konnten in diesem Moment nachempfinden, wie Frauen fühlen, die zum Teil täglich fürchten müssen in derartige Situationen zu geraten und zumeist unbewaffnet in Anbetracht militärischer Angriffe um ihr Leben kämpfen. Das Gefühl ist zu extrem, als daß es möglich wäre, es angemessen in Worte zu fassen.

Plötzlich wird in aller Direktheit klar, daß diese Männer bereit sind, dich zu töten. Die kleinste Bewegung kann sie dazu bringen am Abzug zu drücken. Du hast keine Chance.

All dies geschah als Antwort auf eine Sabotageaktion gegen eine militärische Einrichtung und einen Brandanschlag gegen ein Geschäft, daß auf den Verkauf äußerst brutaler, frauenverachtender Pornofilme spezialisiert war.

Die Männer aller Machtstrukturen auf der Welt haben panische Angst, daß die Menschen hinter die Fassade blicken und gegen ihre Unterdrücker rebellieren. Die letzte Möglichkeit sich zu wehren war immer der militante Widerstand. Deshalb bauen alle Staaten ihre Repressionsapparate kontinuierlich aus, damit die bestehenden Verhältnisse nicht ins Wanken geraten.

Wir haben das patriarchale System herausgefordert, dessen Gier zur andauernden Vergewaltigung der Mutter Erde und zur Unterdrückung der Menschen führt. Sie bezeichnen uns als Terroristinnen, in Wahrheit sind sie, die für diesen Zustand verantwortlich sind, die eigentlichen Terroristen.

Seit Jahrhunderten schlagen die Herrschenden gewaltsam zurück, wenn Frauen Widerstand leisten. Früher haben sie uns als Hexen verbrannt. Heute nennen sie uns Terroristen und wollen uns in ihren Hochsicherheitsgefängnissen einmauern. Aber wir wissen, daß wir nicht alleine sind und unzählige Schwestern auf der ganzen Welt unsere Auffassungen teilen und sich auf ihre Weise ebenso widersetzen.

Der Staat und seine Medien stellen uns als wahnhafte Fanatikerinnen dar, um zu verhindern, daß sich die Menschen mit unseren Überzeugungen auseinandersetzen und Gemeinsamkeiten erkennen können.

Seit Jahrhunderten hat das Patriarchat die Schwestern von den Brüdern getrennt und diese zu ihren Beherrschern gemacht. Wir sind ständig mit ihrer Gewalt konfrontiert. In den Wohnungen, auf der Straße, am Arbeitsplatz. Manchmal ist sie subtil, manchmal ist es direkte körperliche Gewalt. Es wird alles getan damit sie hinter der patriarchalen Moral und ihren Institutionen, Gesetzen und Lügen verborgen wird.

Die moderne industrielle Gesellschaft ist durch und durch patriarchal aufgebaut. Die Atombomben symbolisieren die männliche Macht genauso wie der Autowahn oder das Recht des Stärkeren. Es gibt keinen Platz für Gefühl und Ruhe. Es gibt keine Balance zwischen der industriellen Produktion und der Natur. Wir haben verlernt die Schönheit der natürlichen Umwelt zu erfahren.

Allerdings, so stark dieses weltweite System auch erscheint, überall hat es Risse. Die Aufstände in allen Teilen der Erde und die ökologische Zerstörung werden zu weitreichenden Erschütterungen führen.

Das patriarchale System hat eine Gesellschaft geschaffen, in der alles zu einer Ware reduziert wird. Unsere Beziehungen sind von wirtschaftlichen Werten bestimmt. Die Einschätzung eines Menschen orientiert sich meist nicht an seinem Charakter, sondern an seiner ökonomischen Rolle, daß heißt an seinem Arbeitsplatz und seinen finanziellen Möglichkeiten. Auch die Natur wird als Ware angesehen, die hemmungslos ausgebeutet werden kann. Wenn ein Landgebiet nicht auf irgendeine Weise profitabel genutzt werden kann, wird es als wertlos bezeichnet.

Durch die perverse Verbindung der weiblichen Sexualität mit Konsumwaren werden die Profitraten gesteigert, während gleichzeitig den Frauen eingeredet wird, sie müßten alle möglichen Produkte kaufen, um attraktiv zu sein. Die leichtbekleidete Frau, die in einem Werbespot auf der Motorhaube eines Autos sitzt, wird zum Objekt. Ihr wird ihre Identität geraubt.

Es ist nicht möglich in dieser Gesellschaft unabhängig und selbstbestimmt zu leben, ohne sich ständig in einem Zustand des Konfliktes und des Kampfes zu befinden. Wenn dieser Kampf jedoch nicht von einem sich entwickelnden Bewußtsein der Wurzeln dieser Probleme begleitet wird, dann wird unser Einsatz vergeblich sein.

Wir treten nicht für die formelle Gleichberechtigung innerhalb des patriarchalen Systems ein. Wir wollen keine gleiche Bezahlung, keine gleichen Aufstiegsmöglichkeiten unter diesen Bedingungen. Wir wollen nicht die aggressiven, machthungrigen Entsprechungen der Männer werden, die diese Gesellschaft bestimmen.

Wir fühlen eine tiefe Verbundenheit mit allen Frauen, die sich und die Gesellschaft hinterfragen und bereit sind aus ihrer Sensibilität und ihrem Bewußtsein heraus mit ihren Mitteln für die Befreiung zu kämpfen. Wir sind Schwestern, was immer auch geschieht.

Sisters




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