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Wolfgang Sterneck
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Sinan:

DER INNERE FLUSS - TANZ UND TRANCE

Kulturen aller Zeiten haben Tanz und Musik im Rahmen von rituellen Handlungen genutzt, um den Menschen zu ermöglichen in einen Zustand der Trance zu gelangen und dadurch in andere Bewußtseinsstufen überzutreten. Während des trancehaften Tanzes bewegt sich der Körper weitgehend automatisch ohne Kontrolle durch das Bewußtsein. Gleichzeitig lösen sich körperliche und geistige Spannungen, zudem werden die sinnlichen Wahrnehmungen intensiver. Im Anschluß an eine völlige Ekstase ist das Erinnerungsvermögen weitgehend ausgeschaltet. Reisen ins tiefste Innere sind genauso möglich, wie die Erfahrung kosmischer Unendlichkeit, wobei in vielen Kulturen von einer Verbindung mit Göttern und Göttinnen ausgegangen wird.

Beispielhaft sind Rituale des haitianischen Voodoo-Kultes bei denen sich die TänzerInnen zu den Klängen monotoner Trommelrhythmen in Trance versetzen. Dem rituellen Verständnis zufolge treten dabei spirituelle Wesen in den Körper ein und ergreifen von ihm für eine Zeit Besitz. Die ekstatischen Bewegungen der TänzerInnen, die teilweise im Normalzustand von ihnen nicht auszuführen sind und für Außenstehende völlig chaotisch wirken, entsprechen den archetypischen Charakterzügen der einzelnen Geistwesen.

In Indonesien finden an bestimmten Festtagen die traditionellen Pferdchentänze statt, deren Ursprung unbekannt ist. Zu Trommel- und Gongschlägen ahmen dabei mehrere Männer, die seit ihrer Kindheit speziell für die Rituale ausgebildet wurden, Pferde nach. Schon nach einigen Minuten treten die Tänzer in einen Trance-Zustand und übernehmen völlig die Rolle des Pferdes. Ekstatisch springen sie umher, geben Laute von sich und essen Gras. Die bewußte Kontrolle über den eigenen Körper ist dabei genauso ausgeschaltet, wie das Schmerzempfinden. Die Tänzer reagieren weder auf Stiche noch auf Berührungen mit heißen Gegenständen, vielmehr sind sie sogar in der Lage Glasscherben zu schlucken ohne sich zu verletzen.

Eine wichtige Rolle nimmt die Trance auch in vielen schamanischen Ritualen ein. Gezielt wird dabei die Freisetzung von zuvor ungenutzten Energien, sowie der veränderte Zugang zum Unbewußten zur Heilung von Krankheiten und Gebrechen genutzt. Teilweise werden dadurch Ergebnisse erzielt die mit dem Wissen der westlichen Schulmedizin nicht nachvollziehbar sind.

Als Wegbereiter für den Übergang in einen trancehaften Zustand werden zumeist gleichmäßige, lang andauernde Trommelrhythmen genutzt, deren Schwingungsfrequenzen im Gehirn Mechanismen auslösen, die mit denen während der Meditation und des traumhaften Schlafes verwandt sind. Zudem werden im Gehirn während des Tanzes Endorphine freigesetzt, die wie Opiate wirken und ein euphorisches Glücksgefühl, sowie zum Teil auch eine Unempfindlichkeit gegenüber Schmerzen auslösen.

In der westlichen Kultur ist das Erleben tranceartiger Zustände, die sich der Kontrolle durch den Verstand entziehen, weitgehend tabuisiert. Die vielfältigen Traditionen von Tanz- und Trance-Ritualen, wie sie auch in Europa lange bestanden, wurde von den christlichen Kirchen als Ausdruck heidnischer Kulte und vermeintlich dämonischer Mächte unterdrückt und weitgehend ausgelöscht.

Gegenwärtig läßt sich eine Verbindung von Tanz und Trance nur in einigen subkulturellen Strömungen erkennen. Eine besondere Rolle nimmt dabei die Techno-Kultur der neunziger Jahre ein, deren Parties und Raves in einigen Fällen mit großen Trance-Ritualen vergleichbar sind. Gerade in der betont rational und funktionell ausgerichteten westlichen Kultur entspricht sie der zumeist unerfüllten Sehnsucht nach ekstatischen Erfahrungen. Den letztlich lustfeindlichen gesellschaftlichen Normen wurde zum Teil ein verändertes Verhältnis zu Körper und Bewußtsein entgegengesetzt, welches sich insbesondere im Tanz niederschlägt.

Wenn eine gute Party ihren Höhepunkt erlangt, dann wird der Veranstaltungsort zu einem Energiefeld, das zwar nicht greifbar oder sichtbar, aber dennoch sinnlich für alle Anwesenden spürbar ist. Die Körper der TänzerInnen bewegen sich automatisch zur monotonen Rhythmik der loopartigen Musik, während sich die Wahrnehmung völlig auf dem Moment konzentriert. Im Innern breitet sich eine positive Leere aus, die nur durch den Rhythmus ausgefüllt wird. Ein Gefühl der Gemeinsamkeit und der Verbindung bestimmt die Empfindungen. Die Musik und die Farben werden zu einer Einheit. Überall wird ekstatisch getanzt, alles befindet sich im Fluß, die Grenzen zwischen der Tanzfläche und den übrigen Bereichen verschwinden.



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