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Johanna Schmidberger:
WARUM ICH KEINEN SEX MAG
Von meiner Tierseele her bin ich ein Esel. Ich bin bockig, störrisch,
trotzig und halsstarrig. Ich weigere mich. Sex ist eklig und riecht
nach Sardellen. Schon dieses Gegrapsche davor... Tatscht mich nicht
an!
Am liebsten wollte ich mich oft dem Mann, dem ich gerade verfallen
war, vor die Füße schmeißen und in die Waden beißen,
bis er reagiert.
Als ich noch jung war, sperrte ich mich immer, so lang es ging,
gegen jegliche Erregung. Wenn es einer schaffte, mich zu dem Umschlagpunkt
zu bringen, wo ich alles dafür gegeben hätte, daß
diese Lust nie mehr aufhört, glaubte ich an die große
Liebe.
Ich kann die Frauen verstehen, die sich die Scham und ihr Sündengefühl
dreimal pro Woche aus dem Leib prügeln lassen, um die Erlaubnis
zur Lust zu bekommen.
Aber ich fürchte, ich bin zu wehleidig für solche radikalen
Touren.
Ich bin polymorph-pervers: sadistisch und masochistisch, exhibitionistisch
und voyeuristisch, Fetischistin, schwul, verklemmt und obszön,
frömmelnd und verhurt. Beim Anschauen von Animal-Sex-Videos
bekam ich jüngst einen Orgasmus. Da machte es eine Frau einem
Hund und einem Pferd auf französisch. Und dann haben die ihr
voll in den Mund gespritzt. Nicht, daß ihr denkt, ich wäre
eine Sodomistin. Ich bin noch viel schlimmer. Ich bin auch Päderastin,
Flagellantin, Penetrantin, Chauvinistin, Feministin, Pseudochristin,
Analfaschistin, Kopulateuse ohne Gefühl, eine Liebhaberin mit
Skrupel und Bremse.
Nehmt Euch in acht!
Glaubt bloß nicht, daß wir dasselbe wollen. Da liegt
eine Verwechslung vor.
Ich scheiße jedem auf den Schwanz, der ihn mir zu früh
reinstecken will.
Ich liebe die Männer, die Weiberfleisch zu genießen
wissen. Frauen sind zügellose Anarchistinnen.
Wenn sie gut begattet oder bezahlt werden, machen sie alles. Werden
sie es nicht, gibt's Rache. Ich spreche allgemeingültig für
jenen Teil der Menschheit, aus dem die Kinder kommen.
Meine Liebe zu den jungen Rüpeln entdeckte ich, weil sie mich
so tierisch rammalten. Aber ich verlange, daß sie anfangen
zu denken, denn ich finde Neandertaler unausstehlich.
Ein Bock, der nicht denken kann, ist schlimmer als ein Philosoph,
der nicht ficken kann.
Daß die Lust so verquer und verkorkst ans Tageslicht kommt,
ist nicht (so) schlimm, auch nicht, daß man gerne heiraten
will. Wir dürfen diese Phänomene nicht für bare Münze
nehmen und denken: "Aha, das ist also meine Veranlagung, meine
Bestimmung, dies muß ich jetzt also mein ganzes Leben lang
so weitermachen, weil es doch dieses eine Mal so intensiv war."
Beim nächsten Mal ist es nicht mehr so intensiv, und dann
denkt man, es müßte noch extremer gestaltet werden. Diese
Taktik fuhrt, zu Ende gedacht, in den Tod. Ich glaube nicht, daß
Nietzsche das so gemeint hat mit dem Satz: "...denn alle Lust
will Ewigkeit, will tiefe tiefe Ewigkeit."
Was wir echt lernen müssen, ist die Verständigung. Das
Schweigen und Nichtwissen ist wirklich abgrundtief. Diese wahnsinnigen
Ehen, wo der Ehemann 25 Jahre lang glaubt, erst komme die Vorspeise,
dann die Hauptspeise, dann die Nachspeise, und nicht versteht, warum
die Ehefrau, die nichts sagt, sich seit 15 Jahren nicht mehr anfassen
läßt. Es ist sicherlich nur ein Verdienst der Konsum-
und Freizeitindustrie, daß die Menschen nicht schon früher
an Krebs und Herzinfarkt sterben oder mit dem Küchenmesser
oder der Axt aufeinander losgehen.
"Love is a battlefield."
Was wissen die Männer und Frauen schon über ihre Wünsche?
Wann hatten sie schon einen freien Geist, darüber nachzudenken?
Wenn die Gattin schon von vorneherein weiß: "Jetzt schraubt
er mir gleich hier rum, und dann drückt er dieses Knöpfchen,
weil er mich geil machen will", fühlt sie sich zu Tode
beschissen und glaubt an gar nichts mehr. Vielleicht hatte sie ursprünglich
sogar Lust. Und der Mann denkt: "Hoffentlich schaffe ich es
heute, sie anzuturnen und zu befriedigen." Doch so verfahren,
wie die Situation ist, könnte er 50 Handstände machen,
ohne bei ihr den Schimmer einer Hoffnung zu erwecken. Und heimlich
plagen einen die schlimmsten Phantasien: Die Frau sieht sich von
zwei Männern vergewaltigt, in den Mund gefickt, angewichst
und drübergepißt. Sie treibts im Fahrstuhl, im
Zug, in aller Öffentlichkeit, sie wird gefesselt, kriegt die
Augen verbunden, wird verschleppt, versklavt, bekommt einen Erkennungsring
in die Schamlippen usw. Beim Mann dasselbe in Grün.
Wohin mit diesen Bildern? Die wollen ausgelebt werden. Damit man
wieder denken kann. Die wollen wahrscheinlich in kosmisches Gelächter
aufgelöst werden. Am liebsten vielleicht mit dem vertrautesten
Geliebten oder aber erstmal mit einem fremden Scheusal.
Mit Männern, bei denen als Schutzreaktion vor dem Sex die
Verachtung einsetzt, gehe ich nicht mehr ins Bett. Ich brauche auch
keine Troubadoure, sondern Männer, die mitdenken.
Wir sind geschichtliche Wesen, und jegliche geistige, emotionelle
und sexuelle Verirrung läßt sich damit begründen.
Bis jetzt sind wir kontrahierte Amöben, stinkende Kotfässer,
Schleimscheißer, Sackratten, Güllebomber, zweibeinige
Jauchebeutel.
Heilandsakrament!
Wir sollten langsam Menschen werden! Kennen wir überhaupt
die Schönheit eines angstlosen Körpers?
Paradise now!
Die Angst muß von der Erde verschwinden.
In Ewigkeit.
Amen.
Aus: Birger Bumb und Beate Möller (Hrsg.) / Sommercamp im
Wilden Westen? - Bleibt freie Liebe Utopie? (1990).
Dank an Johanna Schmidberger.
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