|
|
Bdolf:
EIN MITTSOMMERNACHTSTRAUM
Die beschissene Arbeitswoche spuckte mich aus. Es war ein besonderer
Sommer. Die Schulzeit am Kleinstadtgymnasium hatte ich soeben hinter
mich gebracht. Matura. Die Zeit bis zum Abflug in die Große
Weite Welt überbrückte ich mit einem Klassejob - als Küchenhelfer.
Sechstagewoche, gleichbedeutend mit Sechstagekrieg. Ein Café`
mit Restaurant in einem abgehalfterten Kurort in der Nähe der
Heimatkleinstadt. Alle Speisen wurden konsequent und prinzipiell
als hausgemacht angepriesen und mein Job war es die
Dosen zu öffnen. Wer schon einmal eine Sackkarre mit Fünfundzwanzigkiloapfelmusbüchsen
eine Treppe hinaufgewuchtet hat, weiß wovon die Rede ist.
Die eigenen Mahlzeiten wurden in den üppigen Räumlichkeiten
der Besitzerfamilie eingenommen, nach dem ersten Mal speiste ich
nur noch auf der Veranda, bei schlechter Witterung schützte
ich Appetitlosigkeit vor. Zuviel Dreck und Schimmel, ein reizvoller
Kontrast zum gepflegten Plüschambiente der Speiseräume.
Fiel das Schnitzel in der Eile vom Teller war der Schaden schnell
durch erneutes Auflegen repariert. Passend zu den Klagen der meist
hochbetagten Kundschaft, wenn sich in der Hektik vor der Spülstraße
mein Zopf gelöst hatte, damals trug ich knapp hüftlanges
Haupthaar, trotz meines abschreckenden Äußeren hatte
man mich wegen der sehr knappen Bezahlung mit Handkuss engagiert.
Einige Tische befanden sich in einem Winkel zur Küche, der
Sicht auf die Spüle gestattet, leider nicht auf Herd und Anrichte.
Ein besonderer Sommer weil sich alles änderte. Meine Freundschaften
zerbrachen, alles hatte einen Knacks, zum Glück waren meine
Eltern sehr lange verreist. Ich hatte die Bude für mich allein.
Meine zeitweilige französische Hippiefreundin war in Afghanistan
verschollen, eine neue Liaison hatte sich angebahnt, leider war
die Gute, Evita, in einer heftigen Ausprobierphase, nach einer typischen
spießigen bürgerlichen Teenagerfrühehenbeziehung
musste jetzt ausgecheckt werden. So war ich nur zeitweilig am Zug.
Scheiße, aber nicht zu ändern. Trotz des kurzen Wochenendes
- nur Samstag war frei, Sonntag war wieder Maloche angesagt, immer
neun bis drei, - das tat weh-, war ich bester Laune als ich die
vorgeschriebenen hygienisch einwandfreien Küchengesundheitsschuhe
unter einen Schrank kickte, die genauso keimfreie Kochhose in einen
staubigen Winkel und die kitschige verschnörkelte Café-Tür
endlich hinter mir ins Schloss fiel. Nicht nur Urlaub bis zum wecken,
nein es gab eine Verabredung mit Evita für den Abend und bei
den merkwürdigen, aber gültigen Erfahrungsregeln bedeutete
das irgendwann den Übergang von einer vorerotischen zu einer
erotischen Situation. Und, aus dem Augenwinkel heraus, hatte ich
beim Gang durch das katatonische Kurstädtchen in den Auslagen
eines Delikatessengeschäftes frische Muskatnüsse gesichtet.
Muskatnüsse! In jenen Tagen ein heißgehandelter Tipp
für die legale Billigdrogenversorgung. Die Gesetze waren streng,
aber der Wille der Jugend zur Forschung ausgeprägt. Man munkelte
die tolldreistesten Dinge über diese so alltäglich anmutende
Gewürzpflanze, auf einem Freiluftkonzert hatte ich es auch
schon ausprobiert, allerdings waren die Turbulenzen dieser Gelegenheit
äußerst ausgeprägt gewesen, geistige Getränke
und gehaltvolle Rauchwaren wurden in der beliebten Hochdosierung
in das System eingespeist, so dass völlig unmöglich war,
speziell im Nachhinein, zu beurteilen, was nun zu was geführt
hatte. Mit einem ordentlichen Plastiktütchen frischer Muskatnüsse
machte ich mich auf den Heimweg, allerdings zunächst mit einer
weiteren lästigen Verpflichtung. Zu meinen Aufgaben gehörte
auch das Versorgen eines Hauses von Verwandten, genauso verreist
wie meine Eltern, Blumengießen und das so wichtige nach- dem-
Rechten- schauen, ich stöberte durch die Platten des Hausherren
und entlieh mir aus Schabernack einige seiner abgewetzten Beatles-Platten,
für ein psychedelisches Experiment dieser Größenordnung
erschien mir Sergeant Pepper als standesgemäße
Untermalung. Desweiteren wurden die Kellerweinregale durchmustert
denn Evita war einem herzhaften Schlückchen nicht abgeneigt,
was auch von mir behauptet werden konnte. Bis zur Abenddämmerung
ging ich meinen Pflichten in Haus und Garten nach, als die Sonne
schwand wurde das Herzklopfen stark und ich fieberte dem Eintreffen
meines aparten Gastes entgegen. Zum Glück musste ich nicht
allzu lange auf das Knattern des Solexmotors der Schönen warten.
Bei der Begrüßung wie üblich noch etwas kühl
und distanziert, komplimentierte ich uns in den Garten. Angenehm
warm und die Grillen zirpten. Als Erfrischung der Roséwein
des Verwandten entkorkt und ein kleines Menü aus Salat und
Gemüse aus dessen erfolgreichem Anbau. Man speiste und parlierte
zu den Klängen von Yes und Van der Graaf Generator.
Ich erläuterte den Plan. Ungefähr hatte ich ihn schon
vorher telephonisch angedeutet, jedoch ohne auf die Details einzugehen.
Evita war gespannt.
Konspirativ wurde in der Küche die erforderliche Dosis von
circa sechs großen frischen Nüssen pro Kopf und Nase
einer kräftigen Küchenmaschine anvertraut. Resultat war
eine Schüssel mit einem derart widerlich schmeckenden, trocken-klebrigen
Pulver, dass uns um ein Haar eine beiderseitige Erbrechensattacke
einen Strich durch die psychedelischen Pläne zu machen drohte.
Es war klar, diese Droge ging nur flüssig den Schlund hinab.
Großzügigst wurde mit dem Roséwein des Anverwandten
nachgespült. Eine kurze Phase der Blümeranz folgte. Ich
ließ die Beatles-Platten Revue passieren. Das
Gespräch wurde spärlicher. Evita kann näher. Irgendwann
wurde es zu blöd, sich von Gartenstuhl zu Gartenstuhl zu küssen.
Auf den Schoß sitzen ging wegen der blöden Lehnen nicht.
Sowieso wurde es kühl und die Schnakenstiche häuften sich.
Wollen wir nicht hochgehen? raunte Evita mir mit rauher
Stimme zu. Den Scheiß lassen wir stehen! raunte
ich zurück, wir zogen uns gegenseitig aus den Gartenstühlen.
Ich schob meine Hände durch ihr keck gelocktes Blondhaar. Sie
fand ihre Sommersprossen seltsam, ich fand sie sexy.
Ich umarmte ihren knabenhaften und doch so weiblichen Körper.
Der knappe Sommerminirock machte mich ziemlich wahnsinnig. Sie fühlte
sich so gut an. Sie sollte noch vielen Männern den Kopf verdrehen.
Nicht nur bei ihrer späteren Heiligen Mission als Küchenchefin
in den Diensten der weltweiten Bhagwan-Bewegung. Aber das war hier
und heute. Recht und schlecht kämpften wir uns die Treppe zu
meinem Zimmer hinauf, immer wieder die Wegstrecke für heftigen
Zärtlichkeitsaustausch unterbrechend. Auf der Treppenmitte
röchelte ich Spürst du schon was? Nur
den Wein und deine Hände! kicherte sie leicht beschwippst.
Sie hockte sich auf mein Matratzenlager. Ich sorgte für Sound
und Kerzenlicht. Wie von Zauberhand präsentierte sie einen
Brocken Hasch. Ich hab da noch Bock drauf! sagte sie
unmissverständlich. Ich kramte eine Pfeife aus irgendeinem
Versteck und wir inhalierten die Heilung der Nationen. Mit einem
kurzen Entschluss holte ich Wein und Gläser nach. Die Beatles
kamen wieder in dem Yes Stücke von ihnen coverten.
Fast bedauerte ich es, dass Evita den sexy Minirock abstreifte.
Aber die Lauterkeit der Jugend verlangte reine Nacktheit, nicht
etwa nur neckisches Schlüpfer-weg. Ich schälte mich aus
meinen rachitischen Jeans. Die Berührung der bloßen Haut
setzte so etwas wie einen Stromstoß frei. Wie zwei Schlangen
wanden wir uns umeinander, versuchten die größtmögliche
Körperoberfläche mit Berührung abzudecken. Es war
immer noch heiß im Zimmer und die Luft flirrte. Wir fühlten
uns weggetragen, wir kicherten, als wir uns eingestehen mussten,
leichte Karussellgefühle zu empfinden. Ich saugte an ihren
festen, kleinen Brüsten. Ich versuchte, mich etwas von ihr
abzurücken und meine Zunge über ihr Geschlecht gleiten
zu lassen. Sie hielt mich fest. Nein, richtig! zischte
sie fordernd. Ich ließ mich wieder neben sie gleiten, presste
meinen Mund auf ihren und streichelte mit meinen Fingern über
ihre schon klatschnasse Spalte. Sie hielt den Berührungen nicht
lange stand. Fordernd zuckte sie mit den gegrätschten Beinen
und suchte mich an sich zu ziehen. Ich verstand und fingerte nach
einem Kondom, dabei umständlich mit der Verpackung kämpfend.
Erlöst glitt ich in sie hinein. Sie keuchte, nahm mich in eine
Beinschere, verschränkte ihre Füße hinter meinem
Allerwertesten. Im Gegensatz zur landläufigen Plage der männlichen
Jugend,- allzu frühes Erreichen der Ausgipfelung, sorgten der
süße Wein und das Gefühl allgemeiner Entrücktheit
für eine gewisse Resistenz den süßen süßen
Empfindungen gegenüber. Es konnte von den Vorschriften der
katholischen Kirche, benannt nach den Bräuchen ihrer eifrigen
Missionare, zu lustbetonteren Positionierungen übergegangen
werden, das Zeitgefühl löste sich vollkommen auf. Phasenweise
erinnerten unsere Bemühungen eher an Fabrikarbeit als an die
süße Verschmelzung der Geschlechtswerkzeuge, wir keuchten
und mussten von Zeit zu Zeit aus Atemnot pausieren, kalter Schweiß
trat uns auf die Körper. Zunehmend verloren wir beide den Bezug
zu unserem Tun. Fast gleichzeitig klagten wir beide über Schmerzen
in unseren Fortpflanzungswerkzeugen. Ich zog mich aus ihr zurück,
im Augenblick verlor der kleine Held seinen wackeren Stand, das
Kondom, leer, glitt wie eine Wurstpelle nach dem Verzehr des Inhalts
herunter und verschwand in den Tiefen der Matratzengruft. Sofort
sanken wir in einen seltsamen, unheiligen Dämmerschlaf. Seltsame
Bilder tanzten in meinem Kopf. Ich schrak hoch und fühlte meine
Blase kurz vor der Explosion. Evita wälzte sich stöhnend
von einer Seite auf die andere. Ich schlich mich unsicher und tapsig
zur Toilette. Es war mir, als müsse ich den Weg auf Gummikissen
zurücklegen. Das Licht in der kleinen Klokammer blieb diesig-milchig.
Die Luft hatte Schlieren und formte seltsame Schemen. Die Geräusche
der Eisenbahnlinie in der Ferne kamen überlaut. In den Augenwinkeln
tummelten sich beunruhigende, angedeutete Dinge. Ich versuchte zu
pinkeln. Es krampfte. Kein Tropfen kam. Die unterwärtigen Muskeln
schmerzten. Wie ein Betender kniete ich mich vor die Schüssel,
presste mit aller Kraft. Ein winziger Strahl entwand sich meinem
Gemächt, die Muskeln zogen sich zusammen, der Schmerz blieb.
Der Druck auch. Ich versuchte mich zu entspannen. Nach einer Zeit
ein erneuter Versuch. Wieder ein kleiner Strahl. Wieder der verfluchte
Krampf. Ich driftete weg. Ich wälzte mich auf dem Boden. Ich
rappelte mich wieder hoch. Bilder brandeten über mich. Ich
konnte die Schüssel nicht mehr orten. Ich kniete auf dem Boden
und verfolgte Filme an der Wand. Irgendwann holte mich der stechende
Schmerz im Unterleib aus dem Kino. Ich kauerte auf die Schüssel
und versuchte nicht daran zu denken, es einfach laufen zu lassen.
Ich driftete wieder weg, das wirkte entspannend. Unter mir begann
es zu pluckern. Ich blieb eine ganze Weile sitzen. Bis der Drang
wieder kam. Ich ließ es wieder pluckern. Ich ging auf die
Knie und sah der Vorführungen an den Wänden zu. Es waren
ausländische Filme ohne Untertitel, die Handlung verstand ich
nicht, ja nicht einmal was die Bilder darstellten. Trotzdem konnte
ich mich dem Programm nicht entziehen. Ab und an musste ich mich
zur Entspannung auf dem Boden wälzen. Die Tür ging auf,
irgendwann. Evita stand zerknüllt in der Toilette. Es
ist schon Morgen! krächzte sie mit ungelenker Stimme.
Besorgt versuchte sie mir auf die Beine zu helfen. Wir fielen übereinander
her. Sie war immer noch nackt, ich war nackt, aber es war nicht
erotisch. Wir rappelten uns auf. Ich bemerkte, dass es draußen
tatsächlich schon hell geworden war. Ich hatte immer Schwärze
vor dem Fenster gesehen, aber dem Licht nach, trotz seiner irrealen,
schlierigen Qualität, musste es schon später sein. Mit
vereinter Kraft schafften wir es zurück zum Matratzenlager.
Wir klammerten uns aneinander, suchten uns zu stützen. Ein
Gefühl wie auf Hoher See, die Matratzen ein Schiff, wir fahren
mit hoher Geschwindigkeit. Tosen, Brausen, undechiffrierbare Geräusche.
Wir verlieren jeden Sinn für die Zeit, alles ist nur noch ein
kranker, nicht zu fassender Augenblick. Augenblick. Reden können
wir nicht mehr, einzelne Worte fließen aus uns heraus, werden
nicht zu Sätzen, haben keine Bedeutung für den anderen,
hämmern nur im eigenen Kopf, kommen uns so wichtig, so richtig
vor, als hätten wir das Universum begriffen und dummerweise
passt es nicht in die Sprache. Stammeln. Silben, zwischen denen
Stunden zu vergehen scheinen. Im Raum tanzen Schlieren, kranke,
unfaßbare Bilder, eingesperrt in einem abstrakten Gemälde,
es wird heiß, die Farben zerfließen.
Irgendwann wird es draußen wieder dunkel. Als die Fahrt langsamer
zu werden scheint schaffe ich es nach unten in die Küche, braue
unter größten Mühen einen Tee und entdecke irgendwo
eine Packung Zwieback. Eng aneinandergekauert würgen wir das
sperrige Material in uns hinein. Die Flüssigkeit tut gut, das
Gefühl inzwischen vollständig ausgetrocknet zu sein, der
warme Tee netzt die ausgetrockneten Schleimhäute, die Stimmen
werden weniger krächzig, allein, mehr zu verstehen ist nicht,
die Worte werden klarer, ihr Sinn nicht, alles hängt in Fetzen.
Wir driften wieder weg. Ungefähr gleichzeitig stoßen
unsere Köpfe für einen Moment über die Wasserlinie,
beruhigend schmiegen wir uns aneinander, ich schaffe einen Ausflug
in den Keller, die dunkle Höhlung macht mir Angst und sammele
ein paar Sprudelflaschen ein. Gierig trinken wir, die Kohlensäure
stößt uns heftig auf, sie kratzt, wir müssen rülpsen,
das erste Lachen in einer Ewigkeit. Wir sind immer noch nackt, es
fällt uns gar nicht mehr auf, der Normalzustand, wir umarmen
uns, irgendwie werden wir beide erregt, streicheln uns, hektisch,
ziellos, irgendwann bin ich wieder in ihr, bewege mich hin und her,
habe kein Zeitgefühl, hin und her, wie ein Automat, irgendwann
klagt sie über Schmerzen, ich ziehe ihn heraus, keine Frustration
über den fehlenden Höhepunkt, wir dämmern eng umschlungen
weg, irgendwann schrecke ich auf, suche entgeistert nach einem Wecker,
versuche ihn zu entziffern, der Gedanke, morgen früh wieder
in das Café zu müssen, mir kommt gar nicht die Idee,
Krankheit vorzuschützen, das Denken ist völlig festgefahren,
stelle den Wecker, lege mich hin, lösche das Licht, schrecke
hoch, Licht wieder an, Überprüfung des Weckers, Lichter
flackern vor meinen Augen, ich überprüfe ihn nochmals,
und nochmals, irgendwann bin ich eingenickt, der Wecker klingelt,
es ist knapp, Evita schläft, kriegt nichts mit, ich stürme
aus dem Haus, das Licht ist immer noch irreal, im Spiegel sah ich
ein Gespenst, sitze im Bus, starren sie, diese seltsamen Gestalten,
kurze Fahrt, stürme in das Café, suche mühsam meine
Hygieneschuhe und die Hygienehose, mache mich an das Kartoffelschälen,
hole die Büchsen aus dem Keller, öffne manisch Konserven,
richte Teller, alles ist wahnsinnig mühsam, ich bin enorm angestrengt,
wie eine Maschine, rattern ratter, alles ist Kilometer von mir weg,
wie siehst du denn aus?, gehts dir denn
nicht gut?, vernuschelte Antworten, Ausflüchte, an der
Spülstraße ist es am einfachsten, irgendwie kann ich
trotz allem die Sachen erkennen, Verpeiltes ist auf die Hektik zu
schieben, hartnäckige Ränder, renitente Flecken, trotz
all der Lichter, Geräusche und im Kopf abrollender Filmvorführungen
bleibt der Schein gewahrt, fast hat sich der Geist ein wenig geklärt,
als die Tür des Etablissements hinter mir ins Schloss fällt.
Den Rückweg zu Fuß, die Sonne blendet, das Fokussieren
und Adaptieren klappt nicht, Erschöpfung, Übermüdung
und das gleißende Licht erzeugen hämmernde Kopfschmerzen,
fast hat der Schmerz etwas erlösendes, er ist real, so fassbar,
konkret, gibt mich dieser Welt zurück. Ich torkele in mein
trautes Heim. Der Kater streicht mir anklagend um die Beine, klar,
auch er muss essen, ich richte ihm das stinkende Katzenfutter, koche
einen Kaffee, trage das Ganze mit einem Tablett unsicher nach oben,
Evita liegt zwischen den Decken, ich stelle ab, in die Dusche, alles
an mir stinkt nach der Küche, Fett und Essensduft, ich widere
mich selbst total an, das Wasser ist wie eine Erlösung. Tappe
wieder in mein Zimmer, Evita hat sich aufgesetzt, blinzelt zerfahren
in die Welt, ich schenke Kaffee ein, der Kater hat sich zu ihr gesellt,
sein Pelz kontrastiert mit ihrem, er reibt seinen Kopf über
ihr Dreieck, sie im Schneidersitz. Es klingelt. Ich will ignorieren,
höre aber von unten die Stimme von P. Ich will aufmachen, er
ist aber schon durch die Balkontür herein, wir können
nichts mehr miteinander anfangen, Busenfreund der Jugendjahre, aber
diverse Musikgeräte stehen im Keller, eigentlich will er Gitarre
spielen, kommt kurz hoch, Evita hat sich einen Slip angezogen und
sich die Decke umgebunden, ab und zu blitzt bei Bewegungen ein Stück
von ihrem Busen hervor, das gefällt ihm gut, wir erzählen
ihm von unseren Experimenten, das gefällt ihm gar nicht, verstört
nippt er an seiner Kaffeetasse, ihr probiert auch jeden Scheiß!,
er verschwindet in den Keller, man hört krachige Riffs, wir
sind beide schlagkaputt, dösen trotz des marshallverstärkten
Gitarrenlärms ein, irgendwann hört der Lärm auf,
wahrscheins wachen wir davon auf, er ist wohl wieder weg, wir nehmen
einander in den Arm, bis auf eine seltsame Leere, Erschöpfung
und einige wachsartige Sensationen im Schädel sind die Symptome
inzwischen fast völlig abgeklungen. Unsere Münder berühren
sich, die Zungen spielen
Miteinander, eine Gier kommt auf, trotz der Erschöpfung, irgendwann
bin ich in ihr, sie hat an ihrer Wundheit zu kauen, es brennt, aber
es muss sein, es geht auch nicht so lang, ich ergieße mich,
das verknotete Kondom fliegt in eine Ecke. Ich muss jetzt
gehen! Trauer in der Stimme. Sie pellt sich in den süßen
Sommermini. Ich stehe lange in der Tür und starre dem knatternden
Solex hinterher.
Aus: Wolfgang Sterneck (Hg.) / Erotika - Drogen und Sexualität.
www.bdolfkunst.de
Dank an Bdolf.
|