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FLYING LESBIANS / FRAUENROCK:
- Flying Lesbians: Die Frauenrockband über sich
- W. Sterneck: Im Zeichen der Frau - Frauen- und Lesbenmusik
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FLYING LESBIANS
- Die Frauenrockband über sich -
Entstanden ist die Band ziemlich spontan, weil einfach eine Frauenrockband
her mußte. Da gab's im Mai 1973 das erste große Frauenfest
in der TU-Mensa in Berlin. Zwei Tage vorher fiel die englische Frauenrockband,
die eigentlich spielen sollte aus, und da wurde über Telefon,
über Nacht sozusagen eine Frauenband aus Berlin zusammengetrommelt.
Die stand dann zwei Tage später auf der Bühne mit zusammengeliehenen
Instrumenten - eine Riesenanlage - keine Ahnung von Technik, kaum
Ahnung von Musik und Gesang. noch ein paar selbstgefertigte Texte
in der Tasche, die wir noch nie richtig zusammen gespielt hatten
(nur einen Tag vorher hatten wir schnell einmal zusammen geprobt).
Dann ging es am nächsten Tag auf dem Fest los. Und das war
ganz toll. Aber eben auch deswegen weil die Frauen, die auf dem
Fest waren, so toll waren. Die wußten genau, wir spielten
zum ersten Mal, und sie haben uns wahnsinnig unterstützt, haben
getanzt wie die Irrinnen auf alles, was irgendwie tanzbar war. Das
heißt,die Entstehung der Frauenband hängt unmittelbar
mit der Entstehung von Frauenfesten zusammen. Wenn wir eigene Feste
machen, dann wollen wir zu unserer eigenen Musik, zu unseren eigenen
Texten, die unsere Erfahrungen widerspiegeln und ausdrücken,
tanzen, und uns nicht vom Chauvi-Rock behämmern lassen.
Aus diesem Zusammenhang sind wir entstanden und in diesem Zusammenhang
verstehen wir uns; als eine Arbeitsgruppe innerhalb der Lesben-
und Frauenbewegung, d.h. wir machen nur für, vor und mit Frauen
Musik. Einerseits weil Musikmachen für jede von uns persönlich
Spaß bringt, und andererseits wollen wir mir der Musik frauenspezifische
Inhalte sinnlich vermitteln. Wir grenzen uns bewußt und eindeutig
von Vermarktungstendenzen ab, wo Frauenbands als neue Variante zu
Go-Go-Girls und Striptease das männliche Nachtleben beleben
sollen. Es gibt im ganzen Musikgeschäft kaum eine Form, wo
Frauen sich mehr prostituieren müssen als bei den Frauenbands,
die - möglichst noch oben ohne - als Musikerinnen nur zugelassen
und akzeptiert werden, wenn sie auch ihren Körper und ihre
Sexualität verkaufen. Einige von uns haben auch von früher
her Erfahrungen, als wir in Männerbands gespielt oder gesungen
haben, und können davon ein Liedchen singen. Du bist nur ausführendes
Organ, eine mehr oder weniger attraktive Orchidee im musikalischen
Salat. Du wirst mehr angeglotzt, als daß man dir zuhört,
du mußt chauvinistische Texte hauchen oder schreien, deine
Stimme wird als gute Unterlage fürgeile Tanzschritte verwendet,
du bist 'ne knackige Augenweide, das ist aber auch alles.
Uns wurden auch schon solche Angebote gemacht. Da kam uns so ein
Manager auf die Spur, der uns das Angebot gemacht hat, uns fest
unter Vertrag zu nehmen. Das hieß, wir sollten so ca. vier
Mal die Woche für ihn spielen in irgendwelchen Schuppen und
hätten monatlich jede 2000 DM gekriegt. Wir hätten dabei
überhaupt keinen Einfluß gehabt, irgendeine Show abziehen
müssen, wahrscheinlich genau vorprogrammiert und ausgetüftelt
nach Kleidung, Sound und Farbe, entsprechend mit den Brüsten
wackeln, auf den üblichen Veranstaltungen, wo bis 70 % Männer
rumsitzen, und dann noch Lesben als zusatzliehe Pointe zum Aufgeilen.
Igitt!
Zurück zu den Frauenfesten! Was da fasziniert und besonders
Spaß macht, was den Frauenfesten zusätzliche Qualität
gibt, ist, daß wir Frauen die männlich dominierte Musik-Scene
aufbrechen. In der Rockmusik ist üblicherweise kaum eine Frau
anzutreffen, außer als Sängerin, als erotische Zugabe;
aber eine Frau am Baß oder am Schlagzeug? Das sind Instrumente,
die als typisch männlich gelten. Genauso ist Texten und Komposition
üblicherweise Männersache. Und Management erst recht.
Wir haben rausgefunden, ausprobiert und gelernt, daß es anders
geht.
Wir schreiben und komponieren unsere Lieder selbst, machen die Technik
alleine, sind unabhängig von irgendwelchen Plattenfirmen, managen
uns selbst und spielen nur vor Frauen.
Zuerst mußten wir uns mit der Technik auseinander setzen,
um unabhängig von Männern und bei Konzerten von männlichen
Begleitern zu werden. Wir haben beim Zusammenstellen unser Anlage
bewußt auf den Kauf von solch größenwahnsinnigen
phallokratischen Powertürmen verzichtet. Wir haben eine technisch
hochqualiizierte, aber kompakte Anlage; wir können alle Instrumente,
Verstärker und Lautsprecher in einen VW-Bus einladen und bei
Festen mit Hilfe der Frauen im Saal relativ schnell und reibungslos
auf- und abbauen. Wir haben auch gelernt, kleinere technische Defekte
selbst zu beheben, wie zum Beispiel Kabel löten, Sicherungen
wechseln usw. Bei größeren Schäden greifen wir -
wie Männerbands auch - auf Musikfachgeschäfte zurück.Das
ist natürlich alles nicht über Nacht gegangen; so eine
Anlage kostet Geld. Wir haben mit ganz kleinen gebrauchten Klamotten
angefangen und haben nach und nach aufgestockt, bis wir die Anlage
zusammen hatten. Die hat insgesamt rund 25.000 DM gekostet,
die wir zum größten Teil selber bezahlt haben, von unserem
eigenen selbstverdienten Geld. Jede hatte nach und nach ihr eigenes
Instrument, Verstärker und Lautsprecher finanziert, pro Frau
ein Aufwand um die 3.500 DM.
Unsere Platte haben wir mit Krediten vorfinanziert. In der Frauenbewegung
funktioniert ja jetzt so langsam ein Kreislauf. Es gibt ja schon
mehrere gegenkulturelle Unternehmungen und Projekte wie Frauenoffensive,
Frauenkalender usw., die Geld für solche Sachen wie eine Platte
leihen können. Wir haben uns da 30.000 DM zusammengeliehen,
um die Platte finanzieren zu können (Kosten für Tonstudio,
Gema, Plattenpressung, Coverdruck), die kriegen wir durch die erste
Auflage von 5.000 Platten (an die 50 % geht durch den Vertrieb und
Buchhandelsspanne drauf) wieder rein und können dann zurückzahlen.
Ab der zweiten Auflage rechnen wir damit, Gewinn zu machen. Da wir
Amateure sind, d.h. wir haben alle Berufe oder studieren, leben
also nicht von dem Musikmachen, haben wir beschlossen, den Gewinn
wieder in die Frauenbewegung oder in Projekte, die aus der Frauenbewegung
kommen, zu stecken, möglichst als Kredit, sodaß das Geld
wieder zurückkommt und für neue Projekte zur Verfügung
steht usw.; Kreislauf eben.
Das heißt, Profite für uns machen wir nicht. Wir wollen
jedoch zusehen, daß wir außer der Zeit nicht noch Geld
in die Band stecken müssen. Deshalb wollen wir zusehen, daß
wir über die Platte unsere laufenden Kosten (Miete für
den Übungsraum zum Beispiel) decken können und auch das
Geld, das wir individuell in die Anlage reingesteckt haben, wieder
rauskriegen. Die ziemlich hohen Transportkosten bei Festen in anderen
Städten werden aus den Einnahmen über die Eintrittskarten
(meistens 4 DM pro Frau) finanziert. Wir wollen uns aber auch in
Zukunft ausgefallenen Arbeitslohn für die Zeit, in der wir
in der BRD rumreisen und auf Frauenfesten spielen, auszahlen, denn
wir finden es schon wichtig, daß das Prinzip, das leider meistens
(noch) in der Frauenbewegung herrscht, aus eigener Tasche draufzahlen
zu müssen, wenn frau in Sachen Frauenfragen aktiv wird, durchbrochen
wird.
Wir werden oft darauf angesprochen, ,warum wir so plakativ
Flying Lesbians heißen. Wir haben das lange
diskutiert und haben uns bewußt dazu entschlossen, denn wie
aktuell das Lesben-Versteckspiel ist, haben wir an den eigenen Schwierigkeiten,
uns so öffentlich zu bekennen, gemerkt. Es gibt
ja noch nicht viele Vorbilder von Frauen, die sich öffentlich
und namentlich in den Medien als lesbisch darstellen, und wir hatten
da durchaus auch einige Ängste zu überwinden (Eltern,
berufliche Risiken etc.). Und trotz der inzwischen modernen Toleranz
in den Medien oder auch in der Frauenbewegung wird doch ein paarmal
geschluckt, wenn sie uns beim Namen Flying Lesbians
nennen müssen, was sich auch ausdrückt in der Ablehnung,
die wir erfahren, wenn wir die Platte in kommerziellen Plattenläden
anbieten, und an dem bisher weitgehenden Schweigen in der Presse
zu unserer Platte (was sich natürlich auch auf den Verkauf
der Platte auswirkt). Das wird dann plötzlich als provokativ
empfunden wenn wir unsere Identität nicht mit tausend Wörtern
umschreiben. Wir sind Lesben. Oft werden gerade solche Initiativen
in der Frauenbewegung von Lesben getragen (weil sie mehr darauf
angewiesen sind und weil sie ungeteilte Energie darein setzen können),
ohne daß deutlich wird. daß es Lesben sind, die da was
für Frauen machen. Wir wollen Identifikationsmöglichkeiten
bieten für Lesben, die sich verstecken müssen, weil sie
sonst Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder mit den Eltern kriegen
und wir wollen dazu beitragen, daß es immer schwerer wird,
uns zu verschweigen.
Unsere Texte drücken Erfahrungen aus, die wir gemacht haben,
oder beziehen sich auf Initiativen und Diskussionen, die in der
Lesben- und Frauenbewegung laufen. Sie sind nicht alle bruchlos
konsumierbar, sondern gehen auch umstrittene Themen an, so zum Beispiel
unser Lied über die Bisexualität oder unser Lied für
und über Frauen, die in männlichen Institutionen Macht
haben. Uns wird oft gesagt, daß gerade diese Texte zu undifferenziert
und zu hart sind. In einem Lied kannst du nicht alle Aspekte auf
einmal bringen, und es ging uns gerade darum, Euphorie zu verbreiten,
unter Einschluß von Widersprüchen. Gerade diese beiden
Lieder kann frau nicht einfach konsumieren, bei diesen Liedern muß
jede Frau sich selbst hinterfragen, weil Mechanismen angesprochen
werden, die real sind. (Selbst lesbische Frauen geben sich oft als
bisexuell aus, weil sie dadurch akzeptiert werden. Du darfst ruhig
lesbisch sein, wenn du nur nicht ganz für Männer verloren
bist. Und die Erfahrung machst du auch immer wieder, den gerade
die Frauen, die es irgendwie geschafft haben, in höhere
Positionen zu kommen, sich nicht besonders für Frauen einsetzen,
im Gegenteil!) Natürlich gibt es Frauen in höheren Positionen
(wie zum Beispiel Professorinnen oder Ärztinnen), wo wir heilfroh
sind, daß es sie gibt, weil sie sich für Frauen einsetzen.
Und natürlich ist Bisexualität manchmal der erste Schritt,
um sich von Männern zu losen.
Wo sie sich nicht gegen Frauen richtet, braucht frau sich ja auch
nicht angesprochen zu fühlen. Sie wird dann meistens selber
ein Bewußtsein über gerade diese Widerspruche haben.
Eine Textstelle, die häufig moniert wird, ist auch die Strophe:
,Wir sind die homosexuellen Frauen. Außerdem sind wir
schön und klug, doch daß ist uns immer noch nicht genug!
Wir wollen die Macht! Daß es so kracht! Noch heute Nacht!
Daß wir das nicht stockwörtlich meinen (zum Beispiel
meinen wir schon, daß wir da mehr als eine Nacht brauchen,)
aber trotzdem bewußt fordern, ist nicht schwer zu durchschauen,
wenn frau nicht bewußt oder unbewußt davon ausgeht,
daß Lesben defensiv zu sein haben, und schon froh ist, wenn
sie überhaupt anerkannt und akzeptiert
werden. Uns geht es aber gerade darum, Selbstbewußtsein zu
entwickeln und auszudrücken, denn die Masse der geheimen
Lesben fühlt sich von abartig bis nicht ganz gesellschaftsfähig
und es wird auch alles getan, um zu verhindern, daß Lesben
ein positives Selbstbild aufbauen.
Musikalisch läßt sich sagen, daß wir keine hochkomplizierte
Musik spielen, die die Frauen zu Konzerthörerinnen machen würde.
Die Musik ist einfach und eine Aufforderung zum Mitmachen, Mitsingen,
Mittanzen. Zwar wollen wir nicht abgehoben rein auf Musik abfahren
und unheimlich rumfeilen, um perfekt zu werden - wie auf der Musikscene
üblich, wo weder die Aussage noch der Zusammenhang, wo mann
spielt wichtig ist, wo unheimlich geackert wird, um musikalisch
noch ausgeklügelter zu sein - aber wir wollen schon dran arbeiten,
unsere Musik weiterzuentwickeln, weiter wegzukommen von traditionellen
(männlichen) Mustern, eigene Frauenmusik, Frauenkultur zu entwickeln.
Es entstehen schon Probleme daraus, daß wir elektrische Musik
machen. Mit akustischer Gitarre, Flöte, Bongos etc. kannst
du im kleineren Kreis sehr spontane, kreative und kollektive Musik
machen. Aber bei größeren Festen und vor allem zum Tanzen
brauchst du schon die elektrische Verstärkung. Die ist wiederum
nicht unempfindlich, sodaß es schlecht geht, daß viele
Frauen zwischen der Anlage rumlaufen und selber ausprobieren, darauf
zu spielen. So sind wir doch auf Festen etwas abgetrennt (auf einer
Bühne oder so) von den anderen Frauen und es schleichen sich
häufig die beschissenen Mechanismen von Konsumverhalten - Starrolle
- Anonymität ein.
Dazu ist von unserer Seite zu sagen, daß wir nur dann gut
sind und uns wohlfühlen, wenn ein Dialog zwischen uns, die
spielen, und den Frauen, die tanzen oder zuhören, klappt. Es
ist unheimlich schlauchend, wenn du spielen oder singen mußt,
weil du auf dem Programm stehst, ohne daß du in der Stimmung
bist, und ohne Kontakt zu den Frauen auf dem Fest zu kriegen.
Und die Erfahrung haben wir gemacht, daß es immer daneben
gebt, wenn Frauen auf dem Fest sitzen und darauf waren, daß
wir Stimmung machen. Wir sind keine Stimmungsautomaten oder Anheizer
(Knopfdruck genügt), sondern Frauen, die gern auf Frauenfeste
gehen und in Stimmung kommen, wenn sich da zwischen Frauen was duftes
abspielt. Deswegen spielen wir am liebsten auf kleineren Festen
und vor allem dann, wenn das Fest nicht als einzelne Veranstaltung
dasteht, sondern eingebettet ist in einen Kongreß, ein Seminar,
eine Aktionswoche, Eröffnung oder so etwas, denn es wirkt sich
unheimlich auf die Feste aus, wenn Frauen vorher was miteinander
gemacht haben; sie sind dann auf dem Fest auch viel mehr zusammen
und das überträgt sich dann auch auf uns.
Die andere Kacke mit dem Star-System, die können wir auch nicht
alleine angehen, das müssen wir zusammen abbauen bzw. nicht
aufkommen lassen. Die Mechanismen hängen sicherlich auch damit
zusammen, daß frau es nicht gewohnt ist, sich selbst was zuzutrauen,
daß wir alle in unserer Kreativität beschnitten und eingeengt
worden sind, uns unser Selbstbewußtsein geklaut wurde, und
wir dann entweder mit Bewunderung reagieren, wenn wir andere Frauen
treffen, die was machen, und die uns dann unheimlich weit weg vorkommen,
oder, als Kehrseite derselben Medaille, eine unheimliche Aggression
dagegen entwickeln, daß Frauen da was was machen und unheimlich
genau aufpassen, wo gerade diese Frauen was falsch machen.
Dieser Bericht soll eine Ermunterung sein.
FRAUEN, ES GEHT! SELBER MACHEN!
WIR BRAUCHEN NOCH VIELE BANDS UND MUSIKGRUPPEN UND GANZ VIELE PLATTEN!
Flying Lesbians, 1976.
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Wolfgang Sterneck:
IM ZEICHEN DER FRAU - FRAUEN- UND LESBENMUSIK -
Die neue Frauenbewegung fand in den siebziger Jahren auch in der
Musik einen Ausdruck. Engagierte Musikerinnen veröffentlichten
eigene Stücke, die ausdrücklich eine weibliche bzw. eine
lesbische Perspektive einnahmen und feministische Positionen vertraten.
DIE NEUE FRAUENBEWEGUNG
In mehreren westlichen Ländern entstanden zumeist im Zusammenhang
mit den Rebellionen um 1968 die ersten Ansätze der neuen Frauenbewegung.
Verbindend war das Aufbegehren gegen von Männern bestimmte
Strukturen und weitergehend gegen den grundlegenden patriarchalen
Charakter der Gesellschaft, der trotz einiger tendenzieller Veränderungen
bis heute entscheidend das Denken, Fühlen und Handeln der Menschen
bestimmt. Innerhalb der Außerparlamentarischen Opposition
in der BRD kritisierten Frauen durch verschiedene provokative Aktionen
die Männer in den führenden Positionen der Bewegung, die
sich selbst als Revolutionäre bezeichneten, gleichzeitig aber
vielfach die Unterdrückung der Frauen über ihr Verhalten
und ihre inhaltlichen Positionen bekräftigten. Die an den Aktionen
beteiligten Frauen forderten einen größeren Einfluß
und traten insbesondere für ein politisches Verständnis
des Privaten und für eine Auseinandersetzung mit patriarchalen
Strukturen innerhalb der Beziehungen ein, die sich unter anderem
im Rahmen einer einseitigen Arbeitsaufteilung und dem dominanten
Verhalten vieler Männer ausdrückten.
Darauf aufbauend kam es zu einer schrittweisen autonomen Organisierung
von Frauen, die zumeist von männlicher Seite scharf kritisiert
wurde. In der Anfangszeit ging es den verschiedenen Zusammenschlüssen
um eine Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Rolle der
Frau und um ein bewußtes Erkennen der verschiedenen Formen
der Unterdrückung. Einen Schwerpunkt bildete dabei die Analyse
der Stellung der Frau im Bereich der Haus- und der Lohnarbeit. Viele
Aktionen in den folgenden Jahren richteten sich zudem gegen die
Ausbeutung und Diskriminierung der Frau in der Werbung und im Rahmen
pornographischer Produkte, die Frauen auf einen jederzeit für
den Mann verfügbaren Körper reduzieren.
Langfristig bewirkte die neue Frauenbewegung eine Veränderung
der Einstellung vieler Frauen zu den eigenen Empfindungen und Bedürfnissen
bzw. generell zum eigenen Körper, sowie eine Ablehnung der
herrschenden sexuellen Normen, die zumeist an männlichen Bedürfnissen
ausgerichtet sind. Ausgehend von einer radikalen feministischen
Position gingen teilweise Frauen aus der Bewegung nur noch Beziehungen
mit Frauen ein, ver-weigerten sich bewußt der gesellschaftlich
vorgegebenen Heterosexualität und arbeiteten ausschließlich
mit Frauen zusammen.
Einen Schwerpunkt der Aktivitäten vieler feministischer Gruppen
bildete in fast allen westlichen Staaten der Widerstand gegen die
entmündigenden Einschränkungen des Rechts auf Abtreibung
und damit des Rechts von Frauen auf ein von ihnen selbst bestimmtes
Leben. In einigen Ländern wurden in diesem Zusammenhang illegale
Abtreibungszentren aufgebaut, um den Abbruch zu erleichtern und
die repressiven Bestimmungen zu umgehen. Ein weiteres wesentliches
Element der Frauenbewegung war die Aufarbeitung der verdrängten
Rolle der Frau in der Geschichte. Als historischer Ausdruck des
Widerstands von Frauen und teilweise darüber hinaus als konkreter
Bezugspunkt für die Entwicklung eines ganzheitlichen Lebensverständ-nisses
in der Gegenwart erhielten dabei insbesondere die Hexen eine symbolhafte
Bedeutung.
Im Verlauf der siebziger Jahre gelang es Frauen in verschiedenen
Bereichen selbstbestimmte Strukturen aufzubauen, zu denen unter
anderem Frauenzentren, Treffen und Feste, sowie Frauenbuchläden,
Verlage und Labels gehörten. Die einzelnen Projekte, die vielfach
nur Frauen zugänglich waren, gewährten eine Atmosphäre,
die nicht wie viele gemischt geschlechtliche Initiativen von einer
männlichen Dominanz geprägt waren. Langfristig trugen
die Projekte dazu bei, eine innere Stärke unter den Frauen
zu entwickeln und darüber hinaus gemeinsame Perspektiven und
Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen. Daneben begannen einzelne
Gruppierungen in einem zunehmenden Maße auch militant Widerstand
gegen die herrschenden Strukturen zu leisten. Die Aktionen reichten
von Angriffen auf die Herausgeber von pornographischen Zeitschriften
über die Zerstörung von Sexshops bis zu Anschlägen
auf staatliche Einrichtungen.
FRAUEN IN DER ROCKMUSIK
Zwangsläufig spiegelt sich die gesellschaftliche Rolle der
Frau in der Geschichte der Rockmusik. So waren und sind beispielsweise
die wesentlichen Entscheidungspositionen in der Musikindustrie und
in den Medien fast aussschließlich von Männern besetzt.
Entsprechend bestimmen in der Regel Männer über die Veröffentlichungen,
die wiederum zumeist von Männern komponiert und getextet werden.
Zwangsläufig kommt in den meisten der kommerziell erfolgreichen
Stücke und Stilrichtungen eine männliche Perspektive zum
Ausdruck.
Beispielhaft für das Rollenbild der Frau, welches die Rockmusik
lange völlig dominierte und bis heute in wesentlichen Bereichen
immer noch prägt, waren der Rock n Roll und der
Beat. Beide Strömungen standen in einem engen Zusammenhang
mit Jugendbewegungen, die in vielerlei Hinsicht gegen die Lebensauffassungen
der älteren Generationen rebellierten, gleichzeitig aber im
wesentlichen die bürgerlichen Rollenklischees übernahmen.
Schon rein zahlenmäßig war die männliche Dominanz
innerhalb des Rock n Rolls und des Beats erdrückend.
Während Frauen zumindest in einigen seltenen Fällen als
Sängerinnen auftraten, waren sie als Instrumentalistinnen,
Texterinnen oder Komponistinnen nicht vertreten. Inhaltlich wurden
Frauen in den Stücken zumeist über ihr Verhältnis
zu Männern definiert, nur selten jedoch als eine eigenständige
und gleichberechtigte Persönlichkeit. Charakteristisch war
die Beschreibung der Frau als Baby und damit unterschwellig
als unselbständig und hilflos, während der Mann die Rolle
des bestimmenden Beschützers einnahm.
Die wenigen weißen Sängerinnen, die im Bereich der Pop-
und Rockmusik in den sechziger Jahren kommerziell erfolgreich waren,
verkörperten ein zumeist naives und im bürgerlichen Sinne
anständiges Image. Afro-amerikanischen Sängerinnen wurde
dagegen, den Klischees der zumeist weißen mittelständischen
Käuferschicht entsprechend, zumeist ein besonders temperamentvolles
und sexbetontes Image zugewiesen. Erst im Zuge der Rebellionen am
Ende der sechziger Jahre konnten sich Frauen durchsetzen, die einen
selbstbestimmten Weg gingen. Zu den herausragenden Persönlichkeiten
gehörte insbesondere Janis Joplin, die ungehemmt ihr Konventionen
sprengendes Lebensverständnis zum Ausdruck brachte, während
gleichzeitig ihre gesamte Erscheinung den bis dahin gängigen
Kriterien für einen weiblichen Star widersprach. Daneben waren
es unter anderem die politische Folksängerin Joan Baez, die
Velvet-Underground-Mitglieder Nico und Maureen Tucker, sowie Grace
Slick, die Sängerin der Band Jefferson Airplaine, die sich
jeweils auf eine eigenständige und weitgehend selbstbestimmte
Weise den patriarchalen Vorgaben verweigerten.
In den siebziger Jahren kamen die patriarchalen Rollenzuweisungen
besonders deutlich im Hardrock und im Heavy Metal zum Ausdruck.
Die Mitglieder der fast ausschließlich aus Männern bestehenden
Bands bzw. insbesondere der zumeist im Mittelpunkt stehende Sänger
verkörperten zumindest äußerlich das Bild des harten
Mannes. Ein weit verbreitetes Motiv der entsprechenden Schallplattencover
war die Abbildung der Musiker mit verschränkten Armen, gespreizten
Beinen und einen betont ernsten Blick. Frauen wurden dagegen zumeist
leichtbekleidet oder nackt in einer unterwürfigen Stellung
dargestellt.
OLIVIA RECORDS UND DER AUFBRUCH
Anfang der siebziger Jahre fand das Aufkommen der neuen Frauenbewegung
auch in der Musik einen deutlichen Ausdruck. Zunehmend traten Frauen
mit von ihnen selbst komponierten und getexteten Stücke auf,
die gleichermaßen die Unterdrückung im privaten und im
öffentlichen Bereich aufzeigten. Vielfach entstanden die frühen
Stücke spontan oder im Zusammenhang mit Aktionen und Veranstaltungen.
Musikalisch orientierten sich die Frauen zumeist an der Folk- und
Rockmusik, teilweise wurden aber auch populäre Stücke
umgetextet.
Mit der Verbreitung der Frauenmusik verbunden war die Entwicklung
entsprechender Strukturen, wie beispielsweise die Gründung
von Labels, Vertrieben und Studios, sowie die unabhängige Organisation
von Tourneen, Festivals und Workshops. Es gelang dadurch in einem
Bereich einzudringen, der zuvor fast ausschließlich von Männern
kontrolliert wurde und ihn mit eigenen Inhalten neu zu bestimmen.
Widersprüchlich blieb jedoch die Verwendung der Rock- und Folkmusik
als Ausdrucksformen, die eindeutig von Männern geprägt
waren. Von einigen Strömungen innerhalb der Frauenbewegung
wurde deshalb die Frauenmusik kritisiert und die Wiederbelebung
bzw. Neuent-wicklung ritueller Ausdrucksformen befürwortet,
die im Rahmen eines ganzheitlichen Lebensverständnisses die
patriarchale Trennung von Leben, Arbeit und Kultur, sowie die Trennung
zwischen handelnden Künstlerinnen und dem passiven Publikum
aufheben.
Die erste Schallplatten-Gesellschaft in den USA, das nur von Frauen
betrieben wurde und ausschließlich Frauenmusik veröffentlichte,
war das 1973 gegründete Label Olivia Records. Neben dem grundlegenden
Ziel, Frauenmusik zugänglich zu machen und die damit verbundenen
Inhalte zu verbreiten, beabsichtigten die Frauen von Olivia Records
durch das Label selbstbestimmte Arbeitsplätze für Frauen
zu schaffen. Wir dachten uns, daß Frauen mehr Macht
bekämen, wenn sie ihre ökonomische Situation selber kontrollieren.
Zum einen wollten wir eine Art alternative wirtschaftliche Institution
aufbauen, die sowohl ein Produkt herstellt, das Frauen kaufen würden,
als auch repressionsfreie Arbeitsplätze für Frauen schafft.
Zum zweiten wollten wir die Möglichkeit haben, sehr viele Frauen
anzusprechen, und dazu brauchten wir ein Medium. Das zugänglichste
Medium für uns und gleichzeitig der einfachste Weg, vielen
Frauen etwas zu vermitteln, war die Musik. Also fügten wir
die beiden Dinge zusammen und gründeten ein Frauenlabel.
Innerhalb des Labels waren alle Frauen gleichberechtigt. Auf wöchentlichen
Treffen wurden inhaltliche und geschäftliche Belange gemeinsam
besprochen. Die Gewinne aus dem Verkauf der Schallplatten wurden
unter den an der Produktion und dem Vertrieb beteiligten Frauen
aufgeteilt, sowie für die Veröffentlichung neuer Projekte
und zur Finanzierung eines eigenen Studios genutzt. Die meisten
Veröffentlichungen von Olivia Records orientierten sich, nicht
zuletzt aus kommerziellen Gründen, an der Folkmusik. Die erste
auf Olivia Records veröffentlichte Schallplatte war eine Mini-LP
von Meg Christian und Cris Williamson. Später folgten unter
anderem Veröffentlichungen von Teresa Tull und Linda Tillery.
Wir versuchen Musik zu veröffentlichen, die den Geist
der Menschen heilt und zur Veränderung der Welt beiterträgt,
unabhängig davon, ob es ein spiritueller, ökologischer,
feministischer oder lesbischer Standpunkt ist, sie haben alle ihre
eigene Berechtigung.
ALIX DOBKIN UND DIE LIEBE ZU FRAUEN
Im Alter von zweiunddreißig Jahren hatte die Folk-Musikerin
Alix Dobkin ihr Coming-Out als Lesbe. In den Monaten zuvor hatte
sie sich mit feministischen Theorien beschäftigt, sich in Frauenprojekten
engagiert und in Folge in vieler Hinsicht mit ihrer Vergangenheit
gebrochen. Entsprechend stellte sie ihr Musikprogramm völlig
um und begann ausschließlich Lieder für Frauen zu schreiben.
1973 veröffentlichte Alix Dobkin die LP Lavender Jane
loves women, in der sie die Liebe zwischen Frauen vor dem
Hintergrund der Tabuisierung und Unterdrückung lesbischer Beziehungen
in einer patriarchalen Gesellschaft beschrieb. Die meisten Stücke
entsprachen gleichermaßen einer politischen Stellungnahme,
einer Liebeserklärung und einem Teil eines Selbsterfahrungsprozesses.
Um die Aufnahmen veröffentlichen zu können, gründete
Dobkin mit Womens Wax Works ein eigenes Label. Die notwendigen
finanziellen Mittel hatte sie sich geliehen.
Programmatisch für den von Dobkin eingeschlagenen Weg war das
Stück A womans love: Because shes
a woman I didnt think I loved her. So unexpected we stood
there and smiled. And I felt so fine. And it was so right inside.
But how could I know I loved her. Because shes a woman...
Because shes a woman she doesnt try to change me. She
knows, she understands a womans ways. And I feel so free to
be what she sees in me. Its so easy to be her lover. Because
shes a woman. I realize a womans place is my home. And
I know weve always been in love... Because Im a woman
a way was laid out for me. I always thought Id need a man
to love. But while the men Ive known were as loving as they
could be, theres no one can match her beauty. Because shes
a woman. And she feels so much. The sweet touch of a womans
love.
Insbesondere in den Texten ihrer ersten Veröffentlichungen
verband Dobkin die Beschreibung der Liebe zwischen Frauen mit einer
scharfen Verurteilung der patriarchalen Gesellschafts-ordnung und
den darin wurzelnden sexuellen Normen. The mens are
the sexes I will live without. Ill return to the bosom where
my journey ends. Where theres no penis between us friends.
In Folge ihrer Erfahrungen mit Männern bzw. ausgehend von der
Rolle der Männer als Träger der patriarchalen Unterdrückung
lehnte sie eine Zusammenarbeit grundsätzlich ab. Wer
bestreitet, daß Männer aktiv, systematisch und unerbittlich
am Krieg und Terror gegen Frauen beteiligt sind, betrügt letztlich
sich selbst. Entsprechend trug ihre zweite LP trug einen
Aufkleber, der darauf hinwies, daß die Aufnahmen nur an Frauen
verkauft und von Frauen gehört werden sollen.
FEMINISTISCHE MUSIK IN DER BRD
Zu den ersten Liedern mit einem feministischen Text, die in der
bundesdeutschen Frauenbewegung eine weite Verbreitung fanden, gehörte
Frauen gemeinsam sind stark!. Es wurde 1972 von Frauen
des Frankfurter Weiberrates geschrieben, einer aus den Fraueninitiativen
der Außerparlamentarischen Opposition hervorgegangenen Gruppe.
In den sechs Strophen wurde, wie in fast allen Texten der frühen
Lieder, gleichermaßen die Unterdrückung der Frau im Privat-
und im Arbeitsbereich aufgezeigt. In der Werbung Puppen, Arbeit
in Leichtlohngruppen. Wir sind stets nur Objekt: Schlank sei die
Hüfte, groß dafür die Brüste, auch wenn die
Psyche verreckt. Frauen zerreißt eure Ketten. Schluß
mit Objektsein in Betten. Frauen gemeinsam sind stark. Wir sollen
dienen als Gebär-maschinen, aber wir wollen das nicht mehr.
Ob Lohn oder Beischlaf, wir sollen unten liegen, passiv uns in alles
fügen. Umsturz ist mehr als Enteignung: Umgang von Freien mit
Freien. Frauen gemeinsam sind stark.
Ebenfalls im Umfeld des Frankfurter Weiberrates entstand das Frauenzentrumslied,
das zur Eröffnung eines Frauenzentrums geschrieben wurde: Frauen,
kennt ihr schon das Neuste, was sich tut in unserer Stadt. Wir haben
jetzt ein Frauenzentrum, Isolierung haben wir satt. Frauen tun sich
jetzt zusammen, denken endlich mal an sich, wollen nicht länger
dienen, handeln ist erforderlich. Männer gehn in ihre
Kneipen, gehn zum Fußball, spielen Skat - Doch wer muß
putzen, spülen, kochen? Frauen haben den Salat. In Büros
und in Fabriken ist die Arbeit monoton. Und die Schäden, die
sind bleibend, und dazu noch wenig Lohn. Drum, ihr Frauen, sprengt
die Ketten, die euch binden an das Haus. Habt ihr schon gehört,
es gibt ein Zentrum, habt ihr schon gehört, jetzt geht es los!
(...).
Die erste in der Bundesrepublik Deutschland veröffentlichte
Frauenmusik-Schallplatte war die 1973 erschienene LP Von heute
an gibts mein Programm, an der sich verschiedene MusikerInnen
unterschiedlicher Projekte beteiligten, ohne sich jedoch zu einer
festen Gruppe zusammenzuschließen. Die Lieder sind Ausdruck
der Lernprozesse, die wir zusammen gemacht haben, der verschiedenen
Ansätze der Bewegung und unserer Gefühle. Sie schildern
die Unterdrückung der Frau - wie wir sie in unserer Geschichte
selbst gelebt und im Kontakt mit vielen anderen Frauen erfahren
haben. Doch beweisen diese Lieder auch, daß Frauen aus dem
Netz männlicher Definition, männlicher Herrschaft ausbrechen.
Frauen klagen nicht nur an - sie beginnen für ihr Leben eigene
Werte und Vorstellungen zu entwickeln.
Das Lied Der Tag wird kommen drückte symbolhaft
die hoffnungsvolle Erwartung grund-legender Veränderungen aus.
Es beschreibt gleichzeitig aber auch die Langwierigkeit dieses Prozesses.
Doch vielleicht wird daran noch niemand glauben. Doch es gibt
eins, woran sie glauben sollten: Die Frauen, die jetzt schlafen,
werden bald erwachen. Und dahin gehen wohin sie immer wollten. Kannst
du den Fluß unter dir hören. Wie sich sein Wasser unter
die Schluchten gräbt. Hörst du, wie langsam die Steine
zerbrechen. Und der Fluß den Sand aus den Tälern trägt.
Doch vielleicht wird das noch niemand hören. Doch es gibt eins
was sie hören werden: Wenn die Wasser die Felsen niederreißen.
Und die Schluchten weichen vor den neuen Gärten.
DIE FLYING LESBIANS UND DIE FRAUENFESTE
Die Flying Lesbians waren die erste Frauen- bzw. Lesbenband, die
in der bundesdeutschen feministischen Bewegung eine überregionale
Popularität erlangte. Ausdrücklich bekannten sich die
fünf Musikerinnen der Gruppe schon in ihrem Bandnamen dazu
Lesben zu sein. Sie durchbrachen damit die gesellschaftlich erzwungene
Tabuisierung weiblicher Homosexualität. Wenn wir eigene
Feste machen, dann wollen wir zu unserer eigenen Musik, zu unseren
eigenen Texten, die unsere Erfahrungen widerspiegeln und ausdrücken,
tanzen, und uns nicht vom Chauvi-Rock behämmern lassen. Wir
verstehen uns als eine Arbeitsgruppe innerhalb der Lesben- und Frauenbewegung,
das heißt wir machen nur für, vor und mit Frauen Musik.
Einerseits weil Musik für jede von uns persönlich Spaß bringt und andererseits wollen wir mit der Musik frauenspezifische
Inhalte sinnlich vermitteln.
Entgegen ihres Anspruchs gelang es den Flying Lesbians jedoch nur
ansatzweise auf der musikalischen Ebene den grundlegenden Widerspruch
zwischen den feministischen Inhalten und der Rockmusik als ein von
Männern geprägtes Ausdrucksmittel zu überwinden.
Das war ein Versuch Feminismus in Musikinstrumente zu quetschen.
Anstatt rauszuholen, was an Weiblichem in Musik steckt und wieviel
Musik in Frauen versteckt ist. Instrumente durften ja eigentlich
immer nur Männer spielen, Instrumente galten als verlängerte
Schwänze. Und jetzt hielten Frauen dieselben Instrumente. War
ganz schön merkwürdig wie sie damit umgingen. Sie blieben
ihnen fremd. Und sich selber blieben sie sich auch fremd. Sie waren
angewiesen auf männliche Vorbilder.
Die Gründung der Gruppe wurzelte in einer Notlage. Eine für
ein Frauenfest in Berlin angekündigte Band aus England sagte
kurzfristig ab, so daß sich einige lokale Musikerinnen zu
einer Gruppe zusammenschlossen, aus der später die Flying Lesbians
hervorgingen. Das Fest, das im Mai 1974 im Frauenkulturzentrum Berlin-West
stattfand, war unter dem programmatischen Motto Rockfete im
Rock nur für Frauen zugänglich. Es erlangte als
Ausdruck einer eigenständigen Kultur schnell eine symbolhafte
Bedeutung für die neue Frauenbewegung.
Grundlegende Elemente der Texte der Flying Lesbians waren die Ablehnung
der patriarchalen Gesellschaftsordnung und der Aufruf an Frauen,
sich den herrschenden Normen zu widersetzen. Wir sind eine
Million Jahre alt, doch was haben wir daraus gelernt? Wir durften
nie wir selber sein, noch immer sind wir uns so fern. Und wir träumen
vom Matriarchat, von Amazonen und Sirenen, und von Lilith, die die
erste Menschin war. Von ihrer Stärke blieb uns wenig. Wir sind
eine Million Jahre jung, doch alt genug um zu kapieren, daß
wir Frauen alle zusammengehören, denn außer Männern
haben wir nichts zu verlieren!
In dem von Monika Jaeckel getexteten und von Barbara Bauermeister
komponierten Stück Suzanne setzte sich die Band
mit den erdrückenden Zwängen der anerzogenen Schönheitsideale
auseinander. Die in dem Text immer wieder angesprochene Suzanne
verkör-perte dabei symbolhaft eine Frau, die sich diesen Vorgaben
verweigert. Mich schnürt es ein, Suzanne. Ich will hier
raus, Suzanne. Ich bin in meinem Körper einfach nicht zu Haus,
Suzanne. Die Brust zu groß, die Brust zu klein, Suzanne. Wir
sind in unserer Angst immer nur allein. Ich bin so plump Suzanne,
so verdammt rund, Suzanne. Ich kann in Schaufenstern mich einfach
nicht mehr sehen! Du hast den Kopf so frei. Dir ist es einerlei,
was man sich denkt dabei, du weißt wohin das führt.
Im Refrain wird Bezug zu einem wegweisenden Frauentreffen genommen,
das 1974 auf der dänischen Insel Femø stattfand. Du
lächelst nicht nur so, die Augen irgendwo. Dein ganzes Bild
erzählt Geschichte, die uns fehlt. Zweihundert Frauen auf Femø
fingen an! Für jede ist es schwer, zu glauben sie ist wer.
Wir hatten gar nichts an, was uns verstecken kann. Wir sahen uns
als Frauen einfach an. Hundert Frauen tanzen, nehmen sich das Recht,
dick und rund zu sein, und groß und stark erst recht. Da sind
sie selbstbewußt, das hab ich gleich gewußt, zweihundert
mal Suzanne, ja das steckt einfach an.
DAS FRAUENORCHESTER UND DIE PERSPEKTIVE
Die Gründung des Großen Frauenorchesters Köln ging
im einen Artikel in einer alternativen Stadtzeitung zurück,
in dem zwei Frauen zur Gründung einer Frauenmusikgruppe aufriefen.
In Folge meldeten sich zwanzig Frauen im Alter zwischen neunzehn
und fünfunddreißig Jahren, die, wie es in einer Selbstdarstellung
hieß, fast durchgehend in verschiedenen Musikgruppen
unabhängig voneinander die trübe Erfahrung gemacht hatten,
daß ihre Liedvorschläge und musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten
von Männermusikern nicht ernst genommen wurden.
Aus diesen Erfahrungen zogen die Frauen die Konsequenz eine Gruppe
bzw. ein Orchester zu bilden, das ausschließlich aus Frauen
besteht. Früher haben wir etwas wurschtig gelacht, wenn
man uns auf den Namen Orchester ansprach, denn der konventionellen
Vorstellung von Orchester mit Geigen und Trompeten und vor allem
Direktion entsprechen wir nicht. Später wurden wir uns dann
darüber klar, daß unsere verschiedenartigen Stimmen und
Meinungen den Namen Orchester rechtfertigen. Das war am Anfang das
Faszinierendste, die menschliche, die weibliche Stimme in ihren
Färbungen, Brüchigkeiten.8 In den Texten stellte
das Orchester beispielsweise den Alltag einer Hausfrau dar und beschrieb
die alltägliche Gewalt gegen Frauen. In anderen Liedern mit
einem starken lokalen Bezug solidarisierten sich die Musikerinnen
unter anderem mit dem Widerstand gegen eine geplante Stadtautobahn.
Daneben spielte das Orchester eine Reihe traditioneller Lieder mit
politischen Inhalten, sowie verschiedene Liebeslieder.
Charakteristisch für die Frauenmusik der siebziger Jahre bzw.
für viele Stücke politisch ausgerichteter Musikgruppen
war der Text des Liedes Blödmann oder wie wird man eine
Sozialhilfeempfängerin. Es basiert auf der beispielhaften
Darstellung sozialer und politischer Mißstände, die in
den letzten Strophen in einen gesamt-gesellschaftlichen Bezug gestellt
und mit der Beschreibung konkreter Veränderungs-möglichkeiten
im Zusammenhang mit einer Organisierung verbunden wird. Im Einzelnen
beschreibt das Lied die Geschichte einer jungen Frau, die in Erwartung
eines Kindes heiratet, aber schon bald von ihrem Ehepartner ausgenutzt
und betrogen wird. Nachdem es ihr gelingt, sich durch eine Scheidung
von der ehelichen Abhängigkeit zu lösen, gerät sie
als alleinerziehende Mutter in eine soziale Notsituation. Am Ende
des Stückes wird die Ebene der fiktiven Beschreibung, die auf
realen Lebenserfahrungen basiert, verlassen und den Frauen, die
sich in einer ähnlichen Situation befinden, ein Bürgerzentrum
als Beratungs- und Hilfsmöglichkeit vorgestellt. In der letzten
Strophe heißt es: So oder anders, aber schlecht, so
geht es sehr vielen. Wir wissens nicht, das ist nicht recht. Jedoch
ist es verständlich, ein jeder schämt sich für sich
selbst und denkt er selbst ist schuld. Wenn das nicht bald ein Ende
hat, dann reißt mir die Geduld! In der Geldernstraß,
da gibts ein Bürgerzentrum. Die quatschen nicht, die
machen was, manchmal sogar mit Spaß. Drum geh ins Zentrum
hin. Beredet eure Sorgen und schämt euch nicht, verschiebt
sie nicht auf morgen!
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