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Critical Art Ensemble:
ELEKTRONISCHER ZIVILER UNGEHORSAM
In der Art und Weise, wie Macht repräsentiert wird, unterscheidet
sich der Spätkapitalismus wesentlich von anderen politischen
und ökonomischen Systemen. An die Stelle eines einstmals soliden
Sediments der Macht treten nomadisierende Formen, ein elektronischer
Datenfluß, die computerisierte Verwaltung des Wissens und
der Information, in der die institutionellen Zentren des Kommandos
und der Kontrolle kaum mehr auszumachen sind.
Das auffallende Äußere der Herrschaftsarchitektur versprach
einst die Stabilität des Regimes: Schlösser, Paläste,
Regierungssitze und Konzernzentralen fanden sich bedeutsam in der
Mitte der Städte, gewissermaßen als Herausforderung an
die Unterdrückten und Unzufriedenen, gegen ihre Mauern anzurennen.
Undurchdringlich und dauerhaft standen diese Bauwerke und ihre Festigkeit
konnte widerständige Bewegungen demoralisieren und im Keim
ersticken. Doch erwies sich diese Zurschaustellung der Macht als
zweischneidiges Schwert. War die Verzweiflung oder Entschlossenheit
ihrer Gegner einmal groß genug, traf sie sich mit der materiellen
Auszehrung oder dem symbolischen Zusammenbruch der Legitimitat,
so war es den Revoltierenden kein Problem, die Machthaber ausfindig
zu machen und anzugreifen. Und war die Festung erst einmal geschliffen,
so bedeutete dies zumeist das Ende des Regimes. In diesem weiter
gefaßten historischen Zusammenhang entwickelte sich ziviler
Ungehorsam als strategisches Muster.
Zunächst war die Strategie ungewöhnlich, sich dafür
zu entscheiden, bei der Bekämpfung der Machthaber auf Gewalt
zu verzichten und statt dessen mit vielfaltigen taktischen Maßnahmen
das reibungslose Funktionieren der Institutionen in solchem Maß
zu unterbrechen, daß einer Entmachtung der Regimes nichts
im Wege stand. Auch wenn diese Strategie mit dem Siegerlächeln
moralischer Überlegenheit antrat, verdankte sie ihre Wirkung
eher der Unterbrechung ökonomischer Prozesse und symbolischen
Störungen.
Ziviler Ungehorsam zielt heute häufig nur noch auf Reformen
im institutionellen Rahmen des Systems statt auf dessen Zusammenbruch.
Regierungen in den kapitalistischen Zentren reagieren in der Regel
tolerant auf solche Aktionen, da sie als oppositionelle Strategie
den Raum für Verhandlungen eröffnen und weder Staat noch
herrschende Klasse in ihrer Existenz wirklich gefährden. Zwar
bleibt ziviler Ungehorsam eine Straftat, trifft aber im allgemeinen
weder auf eine massive staatliche Repression, noch gelten die AktivistInnen
als revolutionär oder werden im Falle einer Inhaftierung den
Sonderbedingungen für politische Gefangene unterworfen. Selbstverständlich
gibt es bemerkenswerte Ausnahmen von dieser politischen Linie metropolitaner
Regimes, etwa die Verfolgung der BürgerrechtlerInnen im Süden
der USA. Auch wenn ziviler Ungehorsam, gerade auf lokaler Ebene,
noch erstaunlich wirkungsvoll sein kann, schwindet heute seine Durchsetzungskraft
zunehmend. Die Methoden des Widerstandes müssen deshalb verfeinert
und neue Modelle der Störung und Unterbrechung gefunden werden:
ein Angriff auf die (Nicht-) Knoten der Macht auf elektronischer
Ebene. Strategie und Taktiken zivilen Ungehorsams können auch
jenseits der lokalen Aktionen nützlich sein, doch nur, wenn
dadurch die Bewegung von Information statt die von Arbeitskräften
blockiert wird. Leider stehen sich Linke oft selbst im Weg, wenn
es darum geht, das Modell des zivilen Ungehorsams den veränderten
Umständen anzupassen. Trotz eines mit Stolz vorgetragenen historischen
Bewußtseins und einer kritischen Gesellschaftsanalyse weigern
sich viele, die epochale Verschiebung in den Bedingungen, in deren
Rahmen politisches Handeln möglich ist, anzuerkennen und tun
statt dessen so, als lebten sie im Frühkapitalismus.
Der Grund hierfür ist nicht nur die weiterwirkende Diskrepanz
von Theorie und Praxis, sondern auch das Auftreten bestimmter Überbleibsel
aus der Neuen Linken der sechziger Jahre in den heute
aktiven Gruppen. Davon überzeugt, daß die politischen
Formen, die damals zum Erfolg führten (und damit ist in den
USA vor allem der Beitrag der Neuen Linken zum erzwungenen Rückzug
der US-Armee aus Vietnam gemeint), auch heute richtig sind, sehen
diese VeteranInnen keinen Grund, neue Ansätze auszuprobieren.
Nostalgie führt bei der endlosen Wiederholung der Vergangenheit
als Gegenwart Regie und beherrscht leider sogar viele AktivistInnen
der jüngeren Generation, die keine selbsterlebte Erinnerung
an die Sechziger bindet. Diese Sentimentalität hält den
Glauben am Leben, wenn die Strategie, die Entscheidung auf
der Straße zu suchen, damals funktionierte, würde
sie es bis in alle Ewigkeit tun.
Die Arbeitsteilung im gegenwärtigen Kapitalismus hat sich
in einem solchen Maße differenziert, daß die für
Synchronisation und Organisation des Produktionsprozesses notwendige
Geschwindigkeit nur noch durch den Rückgriff auf vernetzte
elektronische Kommunikation erreicht werden kann. Umgekehrt wird
die Kontrolle über die Verbreitung von Information und der
Zugriff auf sie zum wesentlichen Moment beim Zusammenfügen
der Puzzlesteine des gesellschaftlichen Zusammenhangs. Wird der
Zugriff auf Informationen blockiert, verliert die betroffene Institution
ihre organisierenden Fähigkeiten; hält die Blockade über
einen längeren Zeitraum an, droht ein Kollaps. Die Unterbrechung
der Kommunikation verhindert die Verständigung darüber,
ob verschiedene institutionelle Segmente gegeneinander oder in die
gleiche Richtung funktionieren. Die Unterbrechung des Zugriffs auf
Informationen ist mithin eines der wirkungsvollsten Mittel, um Institutionen,
seien sie Teil militärischer oder ziviler, privater oder staatlicher
Unternehmen, zu lähmen.
Das Problem zivilen Ungehorsams, wie er bis heute verstanden wird,
aber ist, daß er niemals auf den skizzierten organisierenden
Zusammenhang, sondern auf zwar greifbare, doch periphere Strukturen
zielt. Im Maßstab transnational operierender Institutionen
sind solche Aktionen nichts weiter als Mückenstiche. War die
Beherrschung strategischer Punkte im realen Raum einmal
eine der Hauptquellen der Macht, so hängt heute Herrschaft
an der Fähigkeit, Orte ohne Opposition zu finden und zugleich
zeitweise, entsprechend taktischer Notwendigkeiten, reale
Räume zu besetzen. Doch die Eroberung dieser Räume durch
oppositionelle Kräfte wäre angesichts der dezentralen
Organisation der Institutionen nutzlos.
Vergleichen wir die Sicherheitsvorkehrungen und Strafandrohungen,
hinter denen Macht und Wert zu vermuten sind, rangiert der Cyberspace
ganz oben. Dem US-amerikanischen Secret Service, dessen Aufgabe
es bisher war, den Präsidenten und sein Umfeld zu schutzen
sowie Verschwörungen aufzudecken, kommt dabei immer mehr die
Rolle einer Cyber-Polizei zu. Gleichzeitig haben private Firmen
damit begonnen, ihren eigenen elektronischen Werkschutz aufzustellen,
der zum einen Überwachungs- und Verteidigungssysteme installiert,
zum anderen als Bande von Kopfgeldjägern jeden zur Strecke
bringt, der versucht, das Sicherheitssystem zu durchbrechen. Dieser
Werkschutz unterscheidet so wenig wie das Rechtssystem nach den
imagesn der TäterInnen. Ob jemand sich aus Neugier
Zugang zu einem Computer verschafft oder um die darin gespeicherten
Informationen zu entwenden oder zu zerstören, wird als feindlicher
Akt registriert und mit der Höchststrafe bedroht. Trotz
aller Sicherheitsmaßnahmen ist der Cyberspace aber weit davon
entfernt, unangreifbar zu sein. Er expandiert und verändert
sich mit hoher Geschwindigkeit, wahrend die Sicherheitssysteme oft
begrenzt und an einem bereits überholten Entwicklungsschritt
orientiert sind. Heute ist die Tür für den Widerstand
noch offen, aber sie beginnt sich zu schließen.
Die AktivistInnenen dieses Widerstands sind heute - zumindest in
den USA - meist Kids. Jugendliche Hacker arbeiten in den elterlichen
Haushalten und in den Wohnheimen der Colleges daran, eine Bresche
in die elektronischen Sicherungsmaßnahmen der Konzerne und
des Staats zu schlagen. Ihre images dabei sind unklar. Einige scheinen
zu ahnen, daß ihre Aktionen politischer Natur sind - wie Dr.
Crash sagte: Ob du es weißt oder nicht, als Hacker bist
du ein Revolutionär. Aber die Frage bleibt, Revolutionär
wofür? Vertieft man sich in die Ausgaben des Hacker-Magazins
Phrack oder surft im Internet, so findet sich kaum ein Motiv, das
über die grundlegende Forderung hinausgehen wurde: Freier Zugang
zu allen Informationen. Wie diese Informationen verwendet werden
könnten, wird niemals diskutiert. Wenn diese Jugendlichen auch
als Avantgarde einer politischen Bewegung agieren, so stehen sie
doch vor dem Problem, daß sich aus ihren ersten politischen
Erfahrungen noch kein kritisches Bewußtsein ergibt. Dabei
besitzen sie sogar das notwendige Wissen, um zu erkennen, wo die
politische Aktion beginnen mußte, um wirksam zu werden. Doch
stößt man hier sofort auf das nächste Problem, die
jugendlichen Allmachtsphantasien oder, wie Bruce Sterling es nannte,
die Furchtlosigkeit, die direkt in den Knast führt. Tatsächlich
verbüßen nicht wenige der jungen Aktivisten, man nehme
nur das Beispiel der Atlanta Three, teils umfangreiche
Haftstrafen unter Bedingungen wie politische Gefangene. Ein Freiheitsentzug
aufgrund einer Anklage wegen unbefugten Eindringens mag ein wenig
übertrieben erscheinen, doch zeigt sich an dieser Praxis, höchste
Strafen für kleinste Vergehen zu verhängen, welcher Wert
der Verteidigung der herrschenden Ordnung und des Privateigentums
im Cyberspace beigemessen wird.
Wir sollten daher den Unterschied zwischen Computerkriminalität
und elektronischen Formen zivilen Ungehorsams unterstreichen. Während
im ersten Fall aus dem Schaden, der anderen Leuten zugefügt
wird, Profit gezogen werden soll, greift der elektronische Widerstand
nur Institutionen an. Elektronischer Widerstand bedeutet, das herrschende
Wertesystem umzudrehen, also den Einzelnen über die Information
zu stellen und überhaupt Informationen zum Wohl der Menschen
statt zum Funktionieren der Bürokratie zu nutzen. Strategie
der Herrschenden ist es hingegen, diese Unterscheidung nicht zuzulassen
und elektronischen Widerstand umstandslos der Computerkriminalität
zuzuschlagen. Sie zielt darauf, den Cyberspace gegen politische
Aktionen abzuschirmen und einen Angriff im virtuellen
Raum strafrechtlich wie einen körperlichen Angriff im realen
Raum verfolgen zu können.
Elektronischer ziviler Ungehorsam unterscheidet sich im wesentlichen
nicht von den traditionellen Formen der politischen Strategie des
zivilen Ungehorsams: Im Kern ist es die gewaltfreie Aktion, die
niemals die physische Konfrontation mit dem Gegner sucht. Grundlegende
taktische Manöver sind auch hier das Eindringen und die Blockade,
das Besetzen von Ein- und Ausgängen, die Kontrolle strategischer
Punkte. Der zivile Ungehorsam wird so in elektronischer Form erneuert.
Die AktivistInnen müssen sich ihrer Verantwortung bewußt
sein und die Orte für elektronische Störungen sehr sorgfältig
auswählen. Genauso wie eine gewaltfreie Aktion nie den Eingang
zur Notaufnahme eines Krankenhauses blockieren würde, so werden
auch elektronisch keine Funktionen unterbrochen, die entsprechenden
humanitären Zwecken dienen. Deshalb zielen beispielsweise Aktionen
gegen Pharmaproduzenten häufig auf die Forschungseinheiten
oder die Marketingabteilung der Konzerne, weil deren Blockade für
die betroffenen Firmen teuer wird, ohne bestimmte lebenswichtige
Informatione für PatientInnen unzulänglich zu machen,
die auf Medikamente angewiesen sind. Elektronischer ziviler Ungehorsam
schließt auch einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten
ein, daß heißt den Verzicht auf ihre Beschädigung
oder Zerstörung, wenn die AktivistInnen ihre Ziele nicht erreichen.
Schließlich besagt die Ethik der gewaltfreien Aktion, daß
in keinem Fall, sei die Versuchung auch groß, der elektronische
Angriff auf Personen, weder auf die Bankkonten der Manager noch
auf die Privatkredite der ArbeiterInnen in den anvisierten Firmen,
ausgedehnt werden darf. Elektronischer ziviler Ungehorsam richtet
sich gegen Institutionen.
Das gerade entworfene Modell scheint einfach, bleibt aber gegenwärtig
Science Fiction. Es gibt kein Bündnis zwischen Hackern und
politischen Gruppen. Obwohl ein Austausch oder eine Zusammenarbeit
beiden Seiten gut tun wurde, erfüllen die Auswirkungen der
gesellschaftlichen Arbeitsteilung die Funktion, beide sozial zu
trennen, erfolgreicher als die Polizei es konnte. Hacken bedarf
ständiger technischer Weiterbildung, um die Kenntnisse auf
dem neuesten Stand zu halten. Eine wesentliche Konsequenz dieser
unumgänglichen Auseinandersetzung mit der Technik ist, daß
sie kaum Zeit läßt für die politische Beschäftigung
mit den Verhältnissen, für die Bildung eines kritischen
Bewußtseins oder für den Ausbau einer oppositionellen
Position. Doch ohne einen derartigen Prozeß wird Hacker-Politik
auch weiterhin weitgehend unbestimmt bleiben. Die zweite Konsequenz
der Orientierung an der technischen Entwicklung ist die Isolation
der Hacker im geschlossenen Klassenzimmer der Technokraten, in dem
es kaum Verbindung zu Leuten außerhalb der eigenen Zirkel
gilt. Aber auch den traditionellen politischen AktivistInnen geht
es keinen Deut besser. Den Kopf in den Wolken politischer Geschichte
glauben sie zu wissen, was zu tun und womit zu beginnen ist, doch
fehlen ihnen praktikable und effektive Mittel. So sicher die politischen
AktivistInnen sich ihrer Sache auch sein mögen, bleiben sie
doch allzuoft in Plenumsdiskussionen ohne Ende stecken, die sich
nicht einigen können, welches Monument toten Kapitals unter
dem nächsten Streich fallen soll. Wir haben hier also zwei
Strömungen antiautoritär motivierter Politik, die keinen
Austausch kennen, die online und auf der Straße nebeneinander
existieren und deren Niederlagen nicht zuletzt aus einer Kommunikationslosigkeit
herrühren, für die keine der beiden Seiten verantwortlich
ist.
Eine Strategie der Gegenmacht durch zahlenmäßige Stärke,
wie sie von Gewerkschaften bis zur außerparlamentarischen
Opposition verfolgt wurde, ist passe, da sie sowohl einen breiten
oppositionellen Konsens voraussetzt als auch die Existenz eines
zentral organisierten Gegners. Die Bekämpfung einer dezentralen
Macht verlangt den Einsatz dezentraler Mittel. Dies schließt
eine Neuorientierung linker Politik ein, eine Organisierung in Zellen,
die dem Widerstand erlaubt, viele und unterschiedliche Ausgangspunkte
zu nehmen, statt nur den einen (und vielleicht falschen) Hauptgegner
im Auge zu haben. In einer solchen Struktur entsteht ein inhaltlicher
Konsens auf der Basis des gegenseitigen Vertrauens der Einzelnen,
das, was wir wahre Gemeinschaft nennen; jede Zelle baut ihre eigene
Identität auf, ohne daß dies die individuelle Identität
auslöschen wurde; und jede Person wird vielschichtiges Individuum
bleiben, das nicht auf partikulare Praxis reduziert werden kann.
Doch wie kann eine kleine Gruppe von vier bis zehn Menschen politisch
wirksam sein? Die Antwort auf diese Frage verweist auf die Struktur
der Zelle. Die Zelle ist ein zusammengesetztes Ganzes, das in seinem
Zusammenspiel mehr ist als die Summe seiner Teile. Um Wirksamkeit
zu entfalten, muß die Kluft zwischen politischem und technischem
Wissen innerhalb der Zelle überbrückt werden. Eine gemeinsame
politische Perspektive verbindet dabei die Individuen besser als
arbeitsteilige gegenseitige Abhängigkeit. Dennoch sind unterschiedliche
Fähigkeiten und unterschiedliches Wissen nützlich, etwa
wenn sich AktivistInnen, TheoretikerInnen, KünstlerInnen, Hacker
oder sogar RechtsanwältInnen zusammen finden. Mit dem Aufbau
von Zellen wären die Grundlagen für elektronischen zivilen
Ungehorsam geschaffen, und somit könnten politische Kampagnen
wenigstens damit rechnen, wahrgenommen zu werden.
Elektronische Formen zivilen Ungehorsams sind für radikalere
Zellen nur ein erster Schritt - Formen elektronischer Gewalt, wie
die Entführung von Daten oder die Zerstörung
von Computersystemen, sind gleichfalls politische Optionen. Aber
sind solche strategischen Überlegungen nicht Formen eines fehlgeleiteten
Nihilismus? Nach unserer Auffassung nicht. Insofern eine Revolution
die Verhältnisse nicht verändern wird, scheint die Negation
der Negation der einzig realistische Kurs. Die historischen Erfahrungen
der Revolutionen und Beinahe-Revolutionen der vergangenen zwei Jahrhunderte
lehrt, daß Herrschaft nicht zerschmettert werden wird, wohl
aber Widerstand möglich ist. Nachdem man den leuchtenden Pfad
der glorreichen Revolution erfolgreich gegangen, mußte man
zu oft feststellen, daß die Bürokratie immer schon da
war, daß vielleicht Coca-Cola verschwunden war, doch irgendwas
an seine Stelle trat, das etwas anders aussah, aber fast genauso
schmeckte.
Zentralistische Organisationen haben haben in diesem neuen Widerstand
drei Hauptfunktionen: Erstens die Verbreitung von Informationen.
Aufklärung und Agitprop bedarf zentralisierter Gegenbürokratien,
die über finanzielle Ressourcen, das notwendige Personal und
die Infrastruktur verfügen, um oppositionelle Gegeninformation
zusammenzutragen, zu gliedern und zu verbreiten. Zweitens die Rekrutierung
und Ausbildung neuer Aktivistinnen und Aktivisten. Es muß
klar werden, wie notwendig die technologische Alphabetisierung der
Kader ist. Allein auf die Motivation der AktivistInnen zu vertrauen,
sich auch technisch auszubilden, wird nicht genügen, um in
den Zellen ausreichend versierte Leute zu haben. Drittens können
zentralistische Organisationen als Vermittler auftreten, wenn das
Regime sich gegen alle Wahrscheinlichkeit zu Reformen entschließt.
Solche Reformen gehen in der Regel weniger auf einen ideologischen
Sinneswandel der Herrschenden zurück als auf einfache Kosten-Nutzen-Abwägungen.
Gerade der Fetisch der Effizienz sollte als Bundesgenosse nicht
unterschätzt werden.
Zentralistische Organisationen können also von Nutzen sein
- wenn sie sich aus der direkten Aktion heraushalten. Die Unterwanderung
von politischen Zellen ist wesenlieh aufwendiger als die Infiltration
zentralistischer Organisationen, und vor allem der zur Überwachung
notwendige Aufwand potenziert sich mit einer zunehmenden Zahl der
Zellen. Eine Reihe aktiver Zellen kann dem Regime die Stirn bieten,
indem eine fundamentale Strategie des Widerstands verfolgt wird:
die Mittel der Herrschenden gegen sie wenden. Um dieser Strategie
heute Sinn zu verleihen, ist es notwendig, daß sich der Widerstand
- wie zuvor die Macht - von der Straße zurückzieht. Cyberspace
ist der Ort und das Mittel des Widerstands - das zu begreifen bedeutet,
ein neues strategisches Modell politischer Praxis ins Spiel zu bringen.Critical
Art Ensemble
aus: Nettime (Hg.) / Netzkritik. (Edition ID-Archiv). Berlin, 1997
Critical Art Ensemble is a collective of five artists of various
specializations dedicated to exploring the intersections between
art, technology, radical politics, and critical theory.
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