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Wolfgang Sterneck
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Tibo Leone:

DAS SCHEITERN DER BIOSPHERE 2

Die enorme Vermehrung von Kakerlaken bei einem gleichzeitigen Aussterben zahlreicher Tier- und Pflanzenarten war der offensichtliche Ausdruck des Scheiterns menschlicher Selbstüberschätzung. In der Wüste Arizonas (USA) wurde in einem luftdicht verschlossenen riesigen Glasbau ein der Erde nachempfundenes Ökosystem, die sogenannte Biosphere 2, aufgebaut. Im Inneren befinden sich bis heute mehrere Ökosysteme wie sie sich auch auf der Erde, der Biosphäre 1, finden: ein tropischer Regenwald, eine Savanne, ein Meer, eine Marsch, eine Wüste, sowie landwirtschaftliche Anlagen und menschliche Behausungen. Luft, Wasser und Abfallstoffe werden innerhalb des geschlossenen Baues recykelt. Die Architektur wurde von den verschiedenartigsten kulturellen Bezugspunkten inspiriert, angefangen bei den Stufenpyramiden der alten Maya bis zu den Windtürmen Arabiens.

Das Konzept der Biosphere 2 wurde in den achtziger Jahren entworfen als im Rahmen des Ost-West-Gegensatzes die USA Pläne für eine permanente Raumstation auf dem Mars forcierten. Im Hintergrund standen allerdings auch Überlegungen inwieweit Menschen im Falle eines ökologischen Kollapses der Erde in einem selbst geschaffenen, abgeschlossenen Ökosystem überleben können. Finanziert wurde das Projekt durch den Ölmilliardär Ed Bass mit rund 200 Millionen Dollar. Nach Zerwürfnissen mit dem alten Management der Biosphere 2 übergab Bass 1996 die Betreuung an die Columbia-Universität. Das Projekt, welches inzwischen WissenschaftlerInnen aus aller Welt offen steht, widmet sich nun vor allem der Untersuchung der Auswirkungen des Klimawandels auf der Erde.

Die Biosphere 2 sollte auf 13.000 Quadratmetern experimentell beweisen, daß in einem eigenständigen, geschlossenen ökologischen System Leben langfristig möglich ist. Das erste Einschluß-Experiment im Zeitraum von 1991-93 beinhaltete ursprünglich 3800 Pflanzen- und Tierarten, sowie eine achtköpfige Crew, welche in die Biosphere 2 über einen Zeitraum von zwei Jahren eingeschlossen wurde. Schon bald mußte jedoch entgegen der Zielsetzungen von Außen in die Abläufe eingegriffen und Sauerstoff zugepumpt werden. Der Anteil von Stickstoffoxid im Glashaus wuchs auf ein Niveau, das Schädigungen des Gehirns hervorrufen kann. Die Kohlendioxid(CO2)-Werte stiegen steil an, weil große Teile der 20.000 Kubikmeter Ackererde mit Mikroben versetzt waren, die Sauerstoff zur Lebenserhaltung verbrauchen. Rankengewächse, die als C02-Speicher dienten, breiteten sich dagegen unerwartet aggressiv aus.

Schritt für Schritt kollabierte das Ökosystem in der Biosphere 2. So gingen beispielsweise wichtige Nutzpflanzen ein, da die Insekten als Pollenträger nicht überlebten. Insgesamt starben fünfzehn der fünfundzwanzig Wirbeltierarten in der Biosphere 2 aus. Zurück blieben Kakerlaken und eine für ihrer Geschwindigkeit bekannte Ameisenart (Crazy Ants), die sich explosionsartig vermehrte. Die nachgebildete Wüste verwandelte sich in Steppe, der Ozean wurde zum toten Gewässer. Die acht BionautInnen litten dadurch wiederum an unzureichender Ernährung und magerten stark ab. In Folge von Spannungen innerhalb der Crew kam es zu sogar zu Auseinandersetzungen hinsichtlich der Verteilung der Lebensmittel. Die angestrebte wissenschaftliche Arbeit trat weitgehend hinter den Bestrebungen eine Nahrungsmittelproduktion zumindest ansatzweise aufrecht zu erhalten völlig zurück. Deutlich wurde im Laufe der zwei Jahre, daß es noch immer praktisch unmöglich ist, die Erde in ihrer Komplexität in einem umfassenden eigenständigen Systeme nachzubauen. Die Vielfalt der ökologischen Wechselbeziehungen ist auch mit modernsten wissenschaftlichen Mitteln nur bis zu einer ansatzweisen, letztlich in diesem Zusammenhang unzureichenden Grenze zu berechnen.

”In der Biosphere 2 wurde alles künstlich kontrolliert” so Peter Warshall, der Zoologe des Projektes, ”aber Natur braucht Wildheit, ein bißchen Chaos. Turbulenzen sind kostspielig, wenn man sie erzeugen muß. Aber Turbulenzen sind auch eine Form der Kommunikation, durch die sich verschiedene Spezies und Orte gegenseitig informieren... Wollten wir das wirklich richtig machen, müßten wir über ein Rohr Donner für die Frösche einleiten, weil sie durch Regentropfen und Donner zur Fortpflanzung angeregt werden. Aber wir erschaffen nicht wirklich die Erde, wir erschaffen die Arche Noah. In Wirklichkeit selten wir folgende Frage: Wieviele Zusammenhänge können wir zerstören und dabei eine Spezies doch noch am Leben halten?”

Biosphere 2:
www.bio2.edu

Dank an Tibo Leone.

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