KosmA:
DER BLICK AUS DEM ALL
- Die veränderte Wahrnehmung von Astronauten und Kosmonauten -
Am ersten Tag deutete jeder auf sein Land. Am dritten oder
vierten Tag zeigt jeder auf seinen Kontinent. Ab dem fünften
Tag achteten wir auch nicht mehr auf die Kontinente. Wir sahen nur
noch die Erde als den ganzen Planeten.
(Ben Salman Al Saud)
Nach acht Flugtagen erkannte ich, daß der Mensch die
Höhe vor allem braucht, um die Erde, die so vieles durchlitten
hat, besser zu verstehen und manches zu erkennen, was aus der Nähe
nich wahrgenommen werden kann. Nicht allein, um von ihrer Schönheit
in Bann gezogen zu werden, sondern auch um zu einem Verantwortungsgefühl
zu finden, daß nichts, was wir tun, die Natur auch nur im
geringsten Maße schädigen darf. (Pham Tuan)
Man sieht wie am Horizont zunächst Lichtstrahlen in
seltsamen kontrastierenden Farben aufsteigen. Danach werden auch
die Wolken farbig. Sie bekommen eine rosa Tönung, und ihre
gleichfalls rosa-farbenen Gipfel sehen irgendwie wie Zauberpferde
aus.
(Aleksandr Wolkow)
Was mich am meisten erstaunte, war die Stille. Eine unvorstellbare
Stille, wie sie auf der Erde niemals vorkommt. Eine Stille - so
tief und vollständig, daß man den eigenen Körper
zu hören beginnt. Wie das Herz kämpft und die Adern pulsieren;
man vernimmt sogar das Rauschen von Muskelbewegungen. Und am Himmel
gab es mehr Sterne, als ich mir hatte jemals vorstellen können.
Der absolut schwarze Himmel wurde vom Widerschein der Sonne leicht
erhellt.
(Aleksej Leonow)
Jedesmal, wenn du das Raumschiff in Drehung versetzt, kannst
du die Sonne herunterkommen sehen. Dann siehst du wie der Mond erscheint.
So schafft man in den Fenstern des Raumschiffs diese ständige
Parade von Dunkelheit und Sternen auf der einen Seite: Und dann
läuft die Erde durchs Gesichtsfeld, dann die Sonne, dann der
Mond. Danach kommt wieder der von Sternen übersäte Himmel.
Das hat etwas Unheimliches. Mit einem Male wird dir bewußt,
daß du dich im tiefen Weltraum befindest, daß Planeten
einfach bloß Planeten sind, und daß du mit nichts mehr
wirklich verbunden bist. Du schwebst durch diese tiefe schwarze
Leere.
(Edgar Mitchell)
Worauf schaust du? Durch was schaust du? Du kannst es das
Universum nennen, aber es ist die Unendlichkeit des Raumes und die
Unendlichkeit der Zeit.
(Eugene Cernan)
Während des Fluges im Kosmos ändert sich die Psyche.
Wenn du die Sonne, die Sterne und unseren Planeten ansiehst, gewinnst
du mehr Lebensfreude, wirst milder, bekommst eine innige Beziehung
zu allem Lebendigen und entwickelst ein gütigeres und duldsameres
Verhältnis zu deinen Mitmenschen.
(Boris Wolynow)
Die Oberfläche des Ozeans erschien uns zuerst vollkommen
einförmig, aber nach einem halben Monat begannen wir nach charakteristischen
Tönungen die verschiedenen Meere und sogar Teile von Ozeanen
zu unterscheiden. Mit Erstaunen entdeckten wir, daß wir während
des Fluges neu lernen mußten, nicht nur hinzuschauen, sondern
auch wahrzunehmen. Zunächst entgehen dem Auge die feinen Farbnuancen,
aber nach und nach schärft sich gewissermaßen das Sehvermögen,
das Erkennen von Farben wird reicher, und dann erschließt
sich den Augen der ganze Planet in seiner unbeschreiblichen Schönheit.
(Wladimir Ljachow)
Nachdem eine orangefarbene Wolke, die sich in Folge eines
Sandsturms über der Sahara gebildet hatte, von Luftströmungen
bis zu den Philippinen getrieben worden war, wo sie als Regen nieder
ging, habe ich begriffen, daß wir alle im gleichen Boot sitzen
(Wladimir Kowalenok)
Wir blicken zum Himmel auf und er scheint unendlich zu sein.
Wir atmen, ohne uns dessen bewußt zu sein - wie sich alles
vollzieht, was von Natur aus geschieht. Ohne nachzudenken reden
wir immer von der Luftschicht. Aber dann setzt du dich in ein Raumschiff
und binnen zehn Minuten stößt du durch die Luftschicht,
hinter der das Nichts ist. Leere, Kälte, Dunkelheit. Der endlose
blaue Ozean des Himmels, der uns das Atmen ermöglicht und vor
abgründiger Weite und Tod schützt, hat sich als ganz zartes
Häutchen erwiesen. Wie verhängnisvoll ist es, diese zarte
Schutzhülle des Lebens auch nur im geringsten zu schädigen.
(Wladimir Schatalow)
Zitate aus: Der Heimatplanet. Frankfurt am Main, 1988.
|