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Claus Sterneck / Claus in Iceland
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Wolfgang Sterneck
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Anti-Atom-Gruppe Bonn:
 
G8-Gipfel und Energie: Mal so richtig abschalten...
 
 
- Was die G8-Gipfel bisher sagten -
 
"Mit sicheren Atomkraftwerken dienen wir dem Weltfrieden. Freier Zugang zu Öl, Gas und Kohle bedeutet Stabilität."
 
"We reaffirm the objective set out in the 2004 G8 Action Plan on Non-Proliferation to allow reliable access of all countries to nuclear energy on a competitive basis..."
(St. Petersburg G8 Action Plan Global Energy Security, Juli 2006)
 
 
- Was wir sagen -
 
Atomkraft und fossile Energien bedeuten Krieg gegen Mensch und Umwelt. Mehr Atomenergie bedeutet mehr Risiko durch Atomwaffen.
 
70.000 Todesopfer, 162.000 km2 verseuchtes Gebiet mit 9 Mio. betroffenen Menschen, 350.000 Umsiedlungen, Verdoppelung der Krebsraten: Die Folgen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl sind in bloßen Zahlen nicht zu fassen.
 
Die so genannte "friedliche" Nutzung der Atomenergie ist nicht von der militärischen Nutzung der Atomkraft zu trennen. Tschernobyl liegt nicht weit entfernt von Hiroshima. Wie kann eine Energie, die als Mittel der Massenvernichtung in die Weltgeschichte getreten ist, jemals als "friedliche" Energie betrachtet werden? Sinn und Zweck der Atomenergie war es, zu zerstören. Angesichts der Opferzahlen, Verwüstungen und sozialen Zerrüttungen muss von einer andauernden Gewalt gesprochen werden, die in ihren Auswirkungen nur mit einer militärischen Auseinandersetzung zu vergleichen ist: Atomenergie ist offener Krieg gegen die Bevölkerung. Der Normalbetrieb ist bereits der Störfall.
 
Schlüsseltechnologie auf dem Weg zur Atombombe ist die Urananreicherung. Mit der einzigen deutschen Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau ist auch Deutschland de facto eine Atom­macht im stand-by-Modus. Das Zentrifugenverfahren der Gronauer Urenco-Gruppe wurde - teilweise staatlich gefördert, teilweise auch illegal - u.a. in den Iran, nach Pakistan, Nordkorea und in andere Länder weitergegeben. Atomenergie garantiert auch und gerade nach Ende des Kalten Krieges noch immer Wettrüsten und die militärische Zuspitzung von Konflikten. Solange die Atommächte der G8 nicht endlich abrüsten, gibt es auch für die "unerwünschten" und angehenden Atommächte des Südens keinerlei Grund, auf diese Option zu verzichten, ganz im Gegenteil.
 
 
- Was die G8-Gipfel bisher sagten -
 
"Wir retten das Klima mit neuen Atomkraftwerken."
 
"Those of us who have or are considering plans relating to the use and/or development of safe and secure nuclear energy believe that its development will contribute to global energy security, while simultaneously reducing harmful air pollution and addressing the climate change challenge..."
(St. Petersburg G8 Action Plan Global Energy Security, Juli 2006)
 
 
- Was wir sagen -
 
Mit der Pest kann man nicht die Cholera austreiben.
 
Ein Atomkraftwerk selbst emittiert tatsächlich kein CO2 - sondern Radioaktivität. Das AKW "exportiert" seine CO2-Emissionen: Die gesamte Produktionskette, vom aufwändigen Uranerz-Tagebau über die Aufbereitung, Anreicherung, Brennelementeherstellung und Atommüll-Verarbeitung ist extrem energieintensiv. Werden diese Emissionen miteingerechnet, gibt ein Atomkraftwerk mit jeder produzierten Kilowattstunde Strom ähnlich viel CO2 ab wie neue fossile Gaskraftwerke.
 
Atomenergie wird die notwendige Verringerung von klimaschädlichen Treibhausgasen nicht leisten können. Die Enquêtekommission des Deutschen Bundestages hat es ausrechnen lassen: Angenommen, die CO2-Emissionen sollen in Deutschland bis zum Jahr 2050 um 80% gegenüber 1990 gesenkt werden - wie es das UN-Expertengremium IPCC fordert - und dies solle durch den Ausbau der Atomenergie geschehen, so müssten zusätzlich zwischen 60 und 80 Atomkraftwerke gebaut und dauerhaft betrieben werden. Sollte der CO2-Ausstoß im Strombereich in Deutschland bis 2020 ausschließlich durch Atomenergie um die 40% gesenkt werden, die der Nationale Klimaschutzplan fordert, müsste bis dahin jedes Jahr ein neues AKW in Deutschland ans Netz gehen.
 
Zurzeit sind weltweit 440 AKWs in Betrieb. Schon um nur 10% der fossilen Energie im Jahr 2050 durch Atomstrom zu ersetzen, müssten mehr als 1.000 neue Atomkraftwerke gebaut werden.
 
Der Klimawandel passiert bereits jetzt und wir benötigen heute und sofort Lösungen: Erneuerbare Energien stehen jetzt bereit, sind technisch ausgereift und emittieren garantiert 0 Gramm CO2. Ein Windrad ist in mehreren Wochen gebaut, ein AKW in zehn, fünfzehn Jahren - wenn überhaupt. Jeder Cent, der heute in Atomenergie gesteckt wird, behindert den Ausbau Erneuerbarer Energien, blockiert die Netze, über die Strom aus Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Erdwärme transportiert werden soll. Wer noch längere Laufzeiten für AKWs fordert, will nur seine Marktanteile gegen die Erneuerbaren verteidigen.
 
 
- Was die G8-Gipfel bisher sagten -
 
"Mehr Wettbewerb mit mehr fossilen Energien ist unerlässlich für Wachstum und Wohlstand in Nord und Süd."
 
"Eine verlässliche und bezahlbare Energieversorgung ist Grundvoraus-setzung für ein starkes wirtschaftliches Wachstum, sowohl in den G8-Ländern als auch im Rest der Welt. (...) Wir ermutigen die erdölproduzierenden Staaten, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um ein günstiges Investitionsklima zu schaffen, das zur Unterstützung eines starken globalen Wachstums ausreicht.“
("Klimawandel, saubere Energie und nachhaltige Entwicklung", G8-Gipfel Gleaneagles, Juli 2005)
 
 
- Was wir sagen -
 
Die herrschenden Strukturen der Energieversorgung sind nicht die Lösung, sondern der Grund für Armut und Ungleichheit - es gilt, sie endlich überflüssig zu machen.
 
Wirtschaftliche Stabilität und Profitmaximierung sind undenkbar ohne billige, allzeit verfügbare Energie. Das Modell der westlichen Konsumgesellschaft mit all den Produkten, die niemand braucht, ist zutiefst "fossilistisch". Dass es überhaupt einen G8-Gipfel gibt, hängt mit der ersten ernsthaften Krise dieser "fossilen" Wachstumslogik zusammen: 1973 reduzierten die erdölexportierenden Staaten der OPEC als Reaktion auf die westliche Unterstützung für Israel ihre Fördermengen und provozierten den ersten Ölpreisschock. Die Ölkrise stürzte die westlichen Industriestaaten in die schwerste Rezession der Nachkriegszeit. Ein koordiniertes Vorgehen zur Wahrung der Versorgungssicherheit war einer der Gründe für die Initiative zum ersten G7-Gipfel 1975.
 

- Die Schuldenkrise ist eine Energiekrise -

Für die Länder des Südens war der Preisanstieg für Öl dagegen der Auftakt für Verschuldung und Verelendung, mussten sie doch weiterhin bei immer schwächerer Kaufkraft die gleichen, immer höheren Weltmarktpreise zahlen. Der Anteil der Ausgaben für den Import fossiler Energieträger im Verhältnis zu den Exporteinnahmen beläuft sich in vielen Entwicklungsländern auf über 50% bis 75%, d.h. die geringen Einnahmen durch heimische Produkte auf dem Weltmarkt werden umgehend von der Ölrechnung wieder aufgefressen.
 
Wachstum und freie Märkte werden heute von neoliberalen Denkmodellen gleichgesetzt mit gesellschaftlichem Wohlstand. Dabei zeigt gerade das Thema Energie, wieweit diese Logik zu einem realitätsfernen Selbstläufer, ja zu einem geradezu autistischen Denken geworden ist. Während die Abschlusserklärungen der letzten G8-Gipfel in Gleneagles und St. Petersburg die verstärkte Ausbeutung atomarer und fossiler Ressourcen fordert, um das globale Wirtschaftswachstum zu sichern, wird dadurch schon heute die Existenz tausender Menschen zerstört, ob bei der Erdölförderung im Nigerdelta, ob durch Überschwemmungen in Bangladesh, ob durch die Folgeschäden des Uranabbaus in Australien.
 
Diese Logik ignoriert ihre naturräumlichen Grenzen: Sie verursacht schon heute gigantische externe Kosten; Umweltschäden, die von der Allgemeinheit getragen werden müssen und in keiner Strom-rechnung stehen.


- Energie-Monopole und Abhängigkeiten -
 
Diese Logik hat nicht den Wettbewerb, sondern die Monopolstellung einiger weniger, immer stärkerer Energiekonzerne gefördert: Der jährlichen "Global 500"-Statistik des US-Wirtschaftsblatts "Fortune" über die 500 weltweit wichtigsten Konzerne zufolge sind fünf der zehn kapitalstärksten Unternehmen der Welt Ölkonzerne. Energie-, Automobil- und Luftfahrtkonzerne - die praktisch alle ihren Sitz in G8-Staaten haben - machen allein 31% des Umsatzes der 500 größten Unternehmen aus. Ihr Umsatz verdoppelte sich von 2.965 Mrd. US$ in 1999 auf 5.858 Mrd. US$ in 2005, d.h.: Jene Branchen, die praktisch ausschließlich von den endlichen fossilen Energieressourcen abhängig sind, schöpfen gerade aus deren Verknappung und den steigenden Energiepreisen eine immer stärkere Marktmacht - und können damit auch den Wechsel zu alternativen Energieträgern immer besser blockieren. Je tiefer der atomar-fossile "Block" in die Krise führt, desto besser geht es den dafür verantwortlichen Unternehmen aus betriebswirtschaftlicher Sicht.
 
Die Agenda der G8 fördert und verstärkt diesen Trend. Die G8-Gipfel fordern als Antwort auf die sichtbaren Energieversorgungskrisen mehr Wettbewerb und offene Energiemärkte: Die Erschöpfung der Ressourcen wird nun nicht dadurch aufgehalten, dass eine noch größere Zahl von Akteuren an noch mehr Orten die selbe Sache noch schneller und effizienter betreibt. Die Forderung nach weiterer Deregulie-rung und "Liberalisierung" der Energiemärkte dient denjenigen, die diese Märkte schon jetzt dominieren. Weitere Fusionen und noch stärkere global player sind zu erwarten, wie die Erfahrungen mit dem EU-Binnenmarkt für Energie seit 1998 zeigen.
 
 
- Wessen Energiesicherheit? -
 
Es lohnt sich, den Begriff der "Energie(versorgungs-)sicherheit" (energy security, security of supply), der den G8-Gipfel von St. Petersburg prägte, zu hinterfragen: Geht es hier um Sicherheit von Mensch und Umwelt vor radioaktiver Gefahr und Folgen des Klimawandels, geht es hier um eine zuverlässige und kostengünstige Energieversorgung für die Bevölkerung - oder geht es um die Sicherung der Marktanteile und Wachstumsraten von Unternehmen?
 
22% der Weltbevölkerung verbrauchen in den Industriestaaten 70% der Energieressourcen. Dennoch verspricht die atomar-fossile Wachstumslogik die weltweite Verallgemeinerung dieses westlichen Entwicklungsmodells. Es wäre zynisch und müssig, darüber zu spekulieren, ob unterwegs als erstes das Weltklima zusammenbricht oder das letzte Barrel Öl gefördert worden sein wird.
 
 
- Schluss mit den atomaren und fossilen Abenteuern.  100% Erneuerbare Energien jetzt! -
 
Noch nie gab es so vielfältige und wirksame Wege aus der Sackgasse der atomar-fossilen Strukturen. Erneuerbare Energien sind technisch längst entwickelt, stehen sofort bereit und erfordern für ihren Betrieb keine Brennstoffe - von Biomasse abgesehen. Weder ein 18-semestriges Studium der Kernphysik noch die Kapitalkraft eines Konzerns wie RWE oder Eon sind notwendig, um ganz einfach loszulegen mit erneuerbarem Strom, Wärme oder Treibstoffen.
 
Wenn wir aber Erneuerbare Energien nur als klimafreundliche Alternative zu Öl, Kohle und Erdgas verstehen, haben wir zwar ihr ökologisches, nicht aber ihr gesellschaftliches und politisches Potenzial genutzt. Als "saubere Energie" haben die Erneuerbaren nämlich auch in den G8-Erklärungen längst ihren Platz gefunden. Ja, zweimal taucht sogar das Wort "Erneuerbare Energien" in der energiepolitischen Verlautbarung von St. Petersburg auf. Sie werden behandelt als zu vernachlässigende Ergänzung zu so genannten "CO2-freien Kohlekraftwerken", zu effizienteren Turbinen, zu Emissionshandel, zu neuen Fusions- und Hochtemperaturreaktoren.
 
 
- Radikal dezentral -
 
Im Gegensatz zu diesen zentralistischen Kraftwerken können Erneuerbare Energien überall dort genutzt werden, wo sie gebraucht werden. Jede Region hat ihre Potenziale und Möglichkeiten. Es klingt simpel, aber Sonne und Wind gibt es tatsächlich überall.
 
Erneuerbare Energien schließen regionale Kreisläufe. Statt mit der Gasrechnung russische Oligarchen zu sponsorn oder an der Tankstelle Shell und die vielen Öl-Regime zu unterstützen, geht das Geld dann zum Landwirt nebenan, der gleichzeitig Energiewirt ist und z.B. Biogas für Strom und Heizung oder zum Autofahren liefert. Im Wendland funktioniert das längst. Statt RWE bezahlen wir lieber den Handwerker, der unsere Solaranlage installiert und schaffen die Stromrechnung ganz ab. Der Strom kommt dann entweder gleich vom eigenen Dach oder z.B. vom genossenschaftlichen Windpark, vom städtischen Erdwärmekraftwerk oder aus kleinen, reaktivierten Laufwasserkraftwerken. Erneuerbare können dabei nur billiger werden, fossile und atomare Energieträger können nur knapper und teurer werden.
 

- Atomar-fossile Strukturen überflüssig machen -

Die dezentrale Nutzung Erneuerbarer Energien macht, Schritt für Schritt, Häuser, Dörfer, Stadtviertel, ganze Regionen "energieautonom": Die etablierten, zentralistischen Strukturen, ausgelegt auf Verschwendung, Wachstum und Abhängigkeit, werden überflüssig.
 
Dutzende von Dörfern, Städten und Regionen haben sich bereits energieautonom gemacht oder sind auf dem Weg, sich vollständig und ausschließlich selbst mit heimischen Erneuerbaren Energien zu versorgen: "Bioenergiedörfer" wie Jühnde oder Mauenheim, Städte wie Unterhaching, Freiamt im Schwarzwald oder Salzgitter, Landkreise wie Potsdam, Lüchow-Dannenberg oder Fürstenfeldbruck, Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern oder das österreichische Burgenland - um nur einige Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum zu nennen.
 
100% sind machbar. Über 200.000 Arbeitsplätze sind allein in den letzten 15 Jahren in diesen Regionen im Bereich der Erneuerbaren Energien entstanden, täglich werden es mehr. Diese Regionen haben keine Kraftwerke mehr, sie sind praktisch ihr eigenes Kraftwerk. Erneuerbare Energien bieten unendlich viele Möglichkeiten, die langen, hierarchischen Energieketten aufzulösen. Wer aus dem atomar-fossilen System heute noch Profite schöpft, kann nicht zur Lösung des Problems beitragen - er ist es. Und wenn der G8-Gipfel von Gleneagles ausgerechnet die Weltbank mit der Förderung Erneuerbarer Energien beauftragt, ist das so wie wenn ein Drogendealer zum Suchtbeauftragten gemacht wird.
 
 
- Endlich mal so richtig abschalten -
 
Erneuerbare Energien sind mehr als eine ökologische Modernisierung - sie sind eine energiepolitische Selbstermächtigung, ein direkter Angriff auf die Monopole von RWE und Eon. Sie sind das praktisch machbare, positive Gegenmodell, das wir - ob Umwelt- oder globalisierungskritische Bewegung - viel zu selten zeigen. Es klingt schon wieder simpel, aber es ist so: Sonne und Wind kann niemand privatisieren.
 
Ja - und wo kämen wir denn da hin, wenn auf einmal jeder seine Energie selbst erzeugt? Mit ein wenig Optimismus vielleicht zu den selbstbestimmten, herrschaftsfreien Verhältnissen, von denen GlobalisierungsgegnerInnen so gerne reden. Ziviler Ungehorsam gegen das Atomprogramm und die Bewegung für Erneuerbare Energien haben eins gemeinsam: Nur als breite Graswurzelbewegung entfalten sie ihre ganze Kraft.
 
Als Teil der Anti-Atom-Bewegung hoffen wir, bei der diesjährigen Kampagne gegen den G8-Gipfel mit Euch diese Graswurzelbewegung zu stärken. Der Agenda des G8-Gipfels können wir unsere Perspektive einer solidarischen Ökonomie in einer solaren Gesellschaft entgegenstellen.
 

Kapitalismus abschalten. RWE, Eon und Co.: Geht uns aus der Sonne!

Anti-Atom-Gruppe Bonn, Frühjahr 2007.
 
Quelle: www.antiatombonn.de
 

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