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Wolfgang Sterneck:
PSYCHEDELIKA
- Ein Remix -
- Welten des Bewusstseins
- Psychedelische Erfahrungen
- Abgründe des Ichs
- Schamanische Wirklichkeiten
- Kolonialisierte Drogen
- Die Kontrolle der Phantasie
- Die Rhythmen der Wirklichkeit
- Acid-Utopien
- Die Aufhebung Gottes
- Die innere Leere
- Verbot und Mündigkeit
- Drogen-Kriege
- Die psychoaktive Kultur
Von einem befreienden Aufbruch in neue psychedelische Wirklichkeiten
bis zur Flucht in eine Scheinwelt ist es oftmals nur ein kleiner
Schritt. Psychedelische Substanzen können innere Räume
eröffnen und kulturelle Strukturen aufbrechen, sie können
aber genauso die Wahrnehmung der äußeren Bedingungen
völlig verschließen.
WELTEN DES BEWUSSTSEINS
Die psychedelische Erfahrung kennt viele Gesichter. Ihre Wurzel
liegt in dem menschlichen Bedürfnis nach Rausch, Ekstase und
Transzendenz als Überschreitung der im Alltag vorgegebenen
Grenzen. Dieses kann beispielsweise in trancehaften Tänzen,
besonderen Atemtechniken, einer orgiastischen Sexualität oder
auch im Gebrauch psychedelischer Substanzen eine Entsprechung
finden.
- Jedes menschliche Wesen wird mit einem inneren Verlangen
geboren, von Zeit zu Zeit veränderte Zustände des Bewusstseins
zu erfahren. Insbesondere mit dem Verlangen zu lernen, wie man das
normale, ichzentrierte Bewusstsein überwinden kann. -
Andrew Weil -
In seinem Roman Eiland beschrieb Aldous Huxley eine
auf dem Prinzip der Gemeinschaftlichkeit aufgebaute Gesellschaft.
Ausgehend von einem betont ganzheitlichen Lebensverständnis
stehen dabei ökologische Grundgedanken neben einer emanzipatorischen
Erziehung und dem Ideal der freien Liebe. Kulturell bedeutsam ist
der bewusste Gebrauch von Moksha, einer psychedelischen Substanz,
die aus einem psychoaktiven Pilz gewonnen wird.
- Einen Blick von der Welt erhaschen, wie sie jemanden erscheint,
der von seiner Knechtschaft durch das Ego befreit ist. - Aldous
Huxley -
In die literarische Beschreibung von Moksha flossen Huxleys persönliche
Erfahrungen mit den psychedelischen Substanzen Meskalin und LSD
ein. Die Substanz wird rituell eingebettet unter Berücksichtigung
der Risiken zur persönlichen Entwicklung und zur Erweiterung
des Bewusstseins genutzt. Sie steht dabei im ausdrücklichen
Gegensatz zu Drogen, deren wesentliche Wirkung in einem Rausch bzw.
in einer Betäubung liegen.
- Überall und zu allen Zeiten haben Menschen Mittel
gesucht und auch gefunden, um der Wirklichkeit ihrer gewöhnlich
äußerst unbefriedigenden Existenz für kurze Zeit
zu entkommen: zu einem Urlaub außerhalb von Raum und Zeit,
in der Ewigkeit von Schlaf und Ekstase, in einem Zwischenbereich
visionärer Phantasien. - Aldous Huxley -
Unter bestimmten Bedingungen wird durch eine psychedelische Erfahrung
konkret erfahrbar, dass verschiedene Ebenen der Wahrnehmung bzw.
der Wirklichkeit nebeneinander bestehen. Diese Erkenntnis kann eine
persönliche Weiterentwicklung bewirken, sie kann aber auch
eine tiefe Verunsicherung auslösen, da das bisherige Weltverständnis
in seinen Grundlagen erschüttert wird. Entsprechend wichtig
sind mit dem Set und Setting eine Reihe innerer und äußerer
Faktoren.
- Die Natur der Erfahrung hängt fast ausschließlich
von Set und Setting ab. Set bezeichnet die Vorbereitung des Einzelnen,
die seine persönliche Struktur und derzeitige Gemütsverfassung
mit umfasst. Das Setting hat Anteile physischer Art: das Wetter,
die Atmosphäre des Raumes, sowie sozialer Art: die gegenseitigen
Gefühle der anwesenden Personen, und kultureller Art: die vorherrschenden
Ansichten von dem was Wirklichkeit ist. - Timothy Leary, Ralph
Metzner und Richard Alpert -
Die psychedelische Erfahrung entfaltet erst dann ihr volles Potenzial
wenn sie bewusst verarbeitet und in den Alltag integriert wird.
Unreflektiert eröffnet sie als ein losgelöstes Wochenenderlebnis
eine Scheinwelt, die entweder in die Belanglosigkeit führt
oder schnell eine nicht zu kontrollierende selbstzerstörende
Dynamik entwickelt.
- Whos been sleeping in my brain? - Alien Sex
Fiend -
Sinngemäß übersetzt steht der Begriff psychedelisch
für die Psyche offenbarend und damit insbesondere
auch für die Freilegung von Gefühlen und Erlebnissen die
sich im Unbewussten befinden. Psychedelika erzeugen dabei weder
positive noch negative Gefühle, sondern öffnen nur Türen
zu Räumen, die in der betreffenden Person bereits vorhanden
sind.
- Die Antworten liegen in mir sagte Alice als
sie lächelnd durch den Spiegel trat. - nach Lewis Carroll
(Sterneck) -
Der Gebrauch von Psychedelika hat neben der persönlichen Motivation
immer auch eine gesellschaftliche Dimension. Psychedelika können
über die Flucht in eine andere Welt die soziokulturellen Bedingungen
verhärten, die sie verursachen. Sie können jedoch auch
Blockaden aufbrechen und ausgehend von persönlichen Entwicklungen
gesellschaftliche Veränderungsprozesse eröffnen, sofern
es gelingt die Erfahrungen konkret auf das persönliche Leben
wie auch auf soziokulturelle Zusammenhänge zu beziehen.
- Uns aus dem aufgezwungenen Bewusstsein herauszubegeben
ist der erste wirkliche Schritt auf dem Weg zur Befreiung.
- David Cooper -
PSYCHEDELISCHE ERFAHRUNGEN
Die psychedelische Erfahrung ist kein einheitliches Erlebnis. Ihre
Erscheinungsformen sind von vielfältigen Faktoren abhängig.
Dazu gehören selbstverständlich die spezifische Substanz
und deren Dosierung wie auch innere persönliche und äußere
umgebende Faktoren.
- Ein psychedelisierender Mensch sitzt oder liegt, tanzt oder
rollt, lacht oder weint, erschauert und hat glänzende Augen.
Man kann mit ihm sprechen, ihn berühren oder umarmen. Er kann
wie im täglichen Leben reagieren oder nur tatenlos staunen,
er kann philosophische Erkenntnisse aussprechen oder unverständliches
Gebrabbel von sich geben. Er bleibt für alle Menschen sichtbar,
selbst wenn sie für ihn zu unsichtbaren Schemen verblassen.
Er geht in sich, betritt dort eine Welt, die vorher nicht wahrnehmbar
war. - Christian Rätsch -
Der potenziell in vielfältiger Hinsicht aufbrechende Charakter
psychedelischer Erfahrungen wurde in zahlreichen Untersuchungen
dargelegt. In der Regel werden inzwischen drei außergewöhnliche
Bewusstseinszustände unterschiedenen, die sich als Himmel,
Hölle und Vision bzw. als Ozeanische
Selbstentgrenzung, Angstvolle Ichauflösung
und Visionäre Umstrukturierung beschreiben lassen.
- Die Ozeanische Selbstentgrenzung beschreibt
angenehme, beglückende Aspekte eines außergewöhnlichen
Bewusstseinszustandes. Dazu gehören Erfahrungen des Einsseins,
der Befreiung von den Beschränkungen von Raum und Zeit, die
Ahnung einer höheren Wirklichkeit. Die Angstvolle Ichauflösung
beschreibt ein Erleben, das gemeinhin als horror trip
bezeichnet wird. Angst die sich auf den Verlust von Fähigkeiten
wie Selbstkontrolle, Urteilsfähigkeit und Realitätskontrolle
bezieht. Die dritte Dimension, die Visionäre Umstrukturierung
ist die vielschichtigste. Die Aspekte können als Veränderungen
der visuell-kognitiven Funktionen zusammengefasst werden.
Visionen bzw. optische halluzinatorische Phänomene, Synästhesien
und Veränderungen des Bedeutungserlebens. (...) - Ines
Bodmer, Adolf Dittrich und Daniel Lamparter -
Neben der Ebene der bewussten Erfahrung und Erkenntnis haben durch
Drogen offenbarte außergewöhnliche Bewusstseinszustände
auch eine neurochemische Dimension. So kommt es zu einer Veränderung
der Filterungsprozesse von Sinneseindrücken und der Übertragungsprozesse
körpereigener Botenstoffe im Gehirn. Durch eine Überaktivierung
des Locus coeruleus, einem Bereich des Hirnstammes, kann es dabei
zu einer Aufhebung der Trennung zwischen Ich und Außenwelt
kommen.
- Die stark erhöhte neuronale Aktivität des Locus
coeruleus führt vermutlich zu einer mächtigen, einem bestimmten
Muster folgenden Freisetzung von Noradrenalin aus Nervenenden im
ganzen Gehirn. Der dadurch bewirkte extrem hohe Wachheitsgrad ist
möglicherweise für den transzendentalen geistigen
Zustand verantwortlich den Psychedelika hervorrufen. Dem Wirkstoffkonsumenten
kann in solch einem Zustand ein inneres Ich bewusst
werden, zu dem er normalerweise keinen Zugang hat. - Solomon
H. Snyder -
Schon bei einer geringen Dosis lösen viele Psychedelika eine
Euphorisierung und eine Veränderung des Körpergefühls
aus. Zudem kommt es zu einer Intensivierung der Farbwahrnehmung
und einer Veränderung des räumlichen Sehens. Insbesondere
in der Anfangshase sind derartige Empfindungen mit Kreislaufproblemen
und Übelkeit verbunden.
- Der Boden bewegte sich beim laufen. Wir haben uns erstmal
total einen abgelacht. Niemand wusste eigentlich wieso, aber wir
mussten einfach nur lachen. Ich hab gemerkt wie meine Knie total
weich wurden und ich mir vorkam wie ein Gummimensch. Meine Beine
federten richtig und irgendwann merkte ich dann, dass es besser
wäre, mich mal hinzusetzen, während die anderen noch da
standen und rumlachten. - Anonym -
In höheren Dosierungen erscheinen oftmals feste Formen als
weich oder flüssig, während sich starre Gegenstände
pulsierend bewegen können. Darüber hinaus verändert
sich das Zeit- und Raumgefühl. Bei einem günstigen Verlauf
kann es zu einem Gefühl der Verschmelzung kommen.
- Ich wendete meinen Blick der glatten Tür zu, auf der
persische Muster, Blumen, Mandalas und Ornamente in perfekter Symmetrie
erschienen. Während ich sie entwarf, verströmten sie ihre
Musik. Wenn ich eine lange orangefarbene Linie zog, entfloss ihr
ein orangener Ton. Mein Körper schwamm und flog. Ich fühlte
mich fröhlich, unbeschwert und spielerisch. Es bestand eine
vollkommene Beziehung zwischen meinem Körper und allem, was
passierte. - Anais Nin -
Im Extremfall werden die Grenzen der persönlichen Identität
völlig aufgelöst, die Wahrnehmung der äußeren
Welt und der eigenen Person gehen ineinander auf oder verlagern
sich auf andere Ebenen. Das gängige Verständnis von Wirklichkeit
ist nicht mehr gegeben.
- Ich bin nicht in der Lage mich dem zu entziehen, bewege
mich unablässig von einem Pol zum anderen. Oben ist mir klar
wer ich bin, am unteren Pol habe ich keine Worte mehr. Kein Wissen
mehr, dass es den Begriff Denken gibt, was denken überhaupt
ist. Nur noch kleinste Bausteine, die noch winziger werden. Atome.
Energiepartikel. Sekundenschnelle Auflösung ins Unendliche
und gleichzeitig Verschmelzung. - Tibo Leone -
Zu den beschriebenen Erlebnissen sogenannter Gipfelerfahrungen
gehören die Auflösung der Trennung von Körper und
Geist, die Verschmelzung von Raum und Zeit, sowie das Verständnis
kosmischer Zusammenhänge. Teilweise wird von archetypischen
Bildern oder der Freisetzung ansonsten nicht zugänglicher zellularer
Informationen gesprochen.
- Ich verlasse meinen Körper. Werde durch unbekannte
Dimensionen in ein Paralleluniversum geschleudert. DMT is instant
alien contact. Mein Lichtkörper nimmt fremde Wesenheiten im
selben Raum wahr. Es entsteht ein direkter Kontakt. Sie kreieren
das Universum, in dem wir uns befinden. Als ich dies
realisiere, werde ich initiiert, in den Kreis aufgenommen, nehme
am Prozess des Erschaffens teil. Ein Zustand von Omnipotenz. Ich
atme Universen aus, bin in totaler Ekstase, erhalte Botschaften,
bin Sender und Empfänger. - Simon de la Luna
-ABGRÜNDE DES ICHS
Psychedelika eröffnen Wege der Auseinandersetzung mit der eigenen
Persönlichkeit. Diese Wege schließen jedoch zwangsläufig
keineswegs nur beglückende Momente, sondern auch das Eintauchen
in die dunklen Seiten der Existenz mit ein.
- Damit der Ritus auf mich falle, damit das Feuer, die Gesänge,
die Schreie, der Tanz und sogar die Nacht wie ein beseeltes menschliches
Gewölbe über mir lebendig würden. Ich war auf alle
Brandmale gefasst und wartete darauf, dass die Verbrennung ihren
Anfang nehme, ein Feuer vor Augen, das bald überall sein wird.
- Antonin Artaud -
Derartige Reisen in verborgene Innenwelten implizieren ein verändertes
Verständnis von Wirklichkeit. Es liegt dabei nicht an der Substanz,
sondern immer an der Person selbst, ob dieses neue Verständnis
zu einem Teil einer befreienden Veränderung wird, oder nur
eine Struktur der Abhängigkeit durch eine weitere ersetzt wird.
- Und Gott sagte zu mir, wir werden nicht länger das
Wort Gott mit G-o-t-t buchstabieren. Wir werden es nun durch die
Buchstaben D-r-o-g-e-n ersetzen. - Marilyn Manson -
Die psychedelische Erfahrung bricht Strukturen auf und kann dabei
als Befreiung von inneren Blockaden und äußeren Einschränkungen
erfahren werden. Oftmals jedoch erzeugt sie gerade bei Männern
eine Tiefe Angst vor einem Verlust der Kontrolle über das eigene
Denken und Handeln. Frauen sind sozialisationsbedingt zumeist eher
in der Lage sich auf derartige Erfahrungen einzulassen als Männer.
- Seit der Hexenverfolgung wird die Verbindung von Frauen
und Drogen als etwas bedrohliches angesehen. Viele Drogenerfahrungen
haben mit einer Auflösung von Barrieren, einem Aufgeben von
Kontrollmechanismen und einem veränderten Verständnis
der Parameter der Realität zu tun. Und all dies fällt
in der Regel Männern dramatisch schwerer. - Sadie Plant
-
Gerade bei höheren Dosierungen sind die Grenzen zwischen einer
beglückenden oder offenbarenden Erfahrung und den tiefen Abgründen
der Psyche oftmals fließend. Zermürbende Sinnfragen,
Reizüberflutungen, Halluzinationen und tiefgreifende Angstzustände
können in psychoseartige Zustände führen.
- Eingesperrt in meine Welt. Chaos. Phantastische Überlegungen
in Telefonzellen und vor Reklamewänden. Diese elende Brüchigkeit
meines inneren Systems; tausend Blitze explodieren in meinem Gehirn.
There must be some way out of here. Theres too much confusion.
Ich, verlassen, verzweifelt, wütiger Bote des Untergangs, im
Amoklauf vorbei an Ententeichen mit ihrer dünnen Eisschicht.
Der wahnwitzige Versuch, die tausend und abertausend Chiffren und
Zeichen um mich herum und in mir zu deuten, zu entziffern, einen
Ausweg zu finden. Help! Wo bin ich? - Hadayatullah Hübsch
-
Zwischen einer positiven Erfahrung und paranoiden Wahnzuständen
bzw. lebensgefährlichen körperlichen Vergiftungserscheinungen
besteht oftmals nur eine sehr schmale Grenze. Gerade die Dosierung
spielt dabei eine herausragende Rolle. Im Falle ungeprüfter,
illegal hergestellter Substanzen unterscheidet sich die Zusammensetzung
jedoch zum Teil beträchtlich. Bei einigen biogenen Substanzen
wie der Engelstrompete oder dem Stechapfel ist der Wirkstoffgehalt
kaum einzuschätzen und deshalb in einem hohen Maße gefährdend.
- Habe mich dann im Spiegel betrachtet: ein total verformtes
Gesicht und riesige Pupillen. Das hab ich alles meinem Kumpel erzählt,
doch der hat mir partout nicht geantwortet, weil er gar nicht da
war. Diese Geschichte hat sich noch mindestens 30 Mal wiederholt.
Nach dem 10ten Mal hat man sich auch schon an die unechten Typen
gewöhnt, doch ich konnte die Paranoias nicht von der Realität
unterscheiden. Dann gepennt und auf einmal neben einem großen
Kotzehaufen aufgewacht. Am nächsten Morgen habe ich immer noch
üble Filme geschoben. Ich wusste im ersten Moment nicht mal
wieso, die Engelstrompete hatte ich glatt vergessen. - Anonym
-
Vor dem Hintergrund des hohen Risikopotenzials psychedelischer
Substanzen muss ein Gebrauch immer wieder erneut sorgsam abgewogen
werden. Labile Personen oder Personen mit psychischen Problemen
sollten von einen Gebrauch völlig absehen.
- Es können zusätzlich zum bewussten Selbst andere,
verborgene Kontrollsysteme des Organismus existieren. LSD kann diese
Programmierungen freisetzen, kann sie stärken und das bewusste
Selbst so weit schwächen, dass die Gefahr des Selbstmordes
oder selbstzerstörerischer Aktivitäten besteht. Darum
unternimm eine sehr kritische Selbstanalyse und hole dir Hilfe bei
jemanden, der dich sehr gut kennt. Versichere dich, dass du alle
nur möglichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen hast.-
John C. Lilly -
Traditionell wird in Zusammenhang mit dem Gebrauch hochpotenter
Substanzen bzw. Dosierungen auf die Notwendigkeit eines Begleiters
verwiesen, sei dies nun im entsprechenden Kontext ein Schamane,
eine Psychotherapeutin oder eine mit psychedelischen Erfahrungen
vertraute Person. Notwendig ist im Vorfeld eine Auseinandersetzung
mit dem Spektrum der möglichen Wirkungen.
- Die Reise sollte an einem Ort unternommen werden, der einem
vertraut ist und an dem man sich wohl fühlt. Man sollte die
Substanz nicht in schwierigen Zeiten nehmen, um etwa Krisen zu lösen.
Man sollte zu einer wesentlichen Veränderung in seinem Leben
bereit sein. Der Trip sollte mit jemanden genommen werden, der im
Gebrauch erfahren ist. Die Substanz sollte rein sein. Man sollte
sich über die Gefahren durch Vorprogrammierungen
und destruktive Anteile im Klaren sein. - David Cooper -
Ebenso wesentlich wie die Vorbereitung ist die Verarbeitung und
Einordnung der Erfahrungen. Erst eine bewusste Reflexion kann das
Potenzial, welches von Psychedelika beinhaltet wird, tatsächlich
offenbaren.
- Psychedelika lassen sich als Hilfsmittel für Problemlösungen
oder als kreative Inspiration verwenden. Ihr edelster und ältester
Sinn liegt jedoch darin, die Brücke zum so schwer zu beschreibenden
Höheren Sein zu bilden. Die gefährlichste
und verschwenderischste Art ist jedoch, sie einfach so einzuwerfen.
- Nina Grabori -
SCHAMANISCHE WIRKLICHKEITEN
Zu den Psychedelika gehört ein weites Spektrum psychoaktiver
pflanzlicher und synthetischer Substanzen. Es reicht von den leicht
psychedelisch wirkenden Marihuana und Ecstasy über psilocybinhaltige
Pilze, bestimmte Nachtschatten-Gewächse und den Wirkstoffen
der Ibogain-Wurzel bis zu Meskalin, LSD und Ketamin. Es besteht
dabei eine lange Tradition rituellen und schamanischen Gebrauchs
zu heilenden, mystischen und visionären Zwecken, der sich Jahrtausende
zurückverfolgen lässt. Zunehmend wird dabei von entheogenen
Stoffen gesprochen, um den gegenkulturell geprägten Begriff
Psychedelika zu vermeiden.
- Bewusstseinsdrogen hatten schon in früheren Zeiten
wichtige Funktionen innegehabt. Aus den indischen Veden geht hervor,
dass eine Droge religiöser Bedeutungsträger gewesen ist.
Einige Autoren verweisen auch auf die griechischen Mysterien in
denen ebenfalls psychoaktive Stoffe eine Rolle gespielt haben. Heute
ist es auch klarer, warum gewisse Kräuter so häufig in
den Rezepten für Hexengebräue zu finden waren. -
Peter Stafford -
Vermutlich bis in die Steinzeit vor rund 30.000 Jahren lässt
sich die künstlerische Verarbeitung von Visionen, die im Zusammenhang
mit dem Gebrauch psychoaktiver Substanzen entstehen, zurückverfolgen.
Neuere Untersuchungen legen nahe, dass viele Höhlenbildnisse
einer Wiedergabe visionärer Erfahrungen von SchamanInnen entsprechen,
die durch Trance-Rituale und dabei möglicherweise auch durch
den Gebrauch psychoaktiver Substanzen eröffnet wurden.
- Ein Höhlenerlebnis konnte durchaus ein Äquivalent
für den Übergang in eine tiefe Trance sein. Die Halluzinationen,
die sich bereits durch die besondere Atmosphäre in einer Höhle
einstellten, konnten dann in Verbindung mit den Darstellungen auf
den Wänden die Illusion befördern, sich in einem mit Geistwesen
belebten Bereich zu befinden. - Jean Clottes und David Lewis-Williams
-
Seit Jahrtausenden wurden in verschiedenen Kulturen psychoaktive
Pilze zur Erzeugung visionärer Erfahrungen genutzt. So lassen
sich im Süden Algeriens Felszeichnungen finden, die deutlich
auf den Gebrauch von Pilzen und eine folgende Bewusstseinsveränderung
verweisen. Auch bei den Azteken bestand ein Pilzkult der mit ekstatischen
Festen aber auch mit grausamen Menschenopfern verbunden war. In
einem schamanistischen Kontext wurden in Sibirien Fliegenpilze und
in Mexiko bis heute psilocybinhaltige Pilze als Fleisch der
Götter genutzt.
- Es liegt eine Welt jenseits der unseren, eine Welt, die
weit weg, ganz nah und unsichtbar ist. Und es ist dort, wo Gott
weilt, wo die Toten weilen, die Geister und die Heiligen, eine Welt,
in der alles schon geschehen und alles bekannt ist. Die heiligen
Pilze nehmen mich bei der Hand und führen mich in jene Welt,
in der alles bekannt ist. Sie sind es, die auf eine Weise sprechen,
die ich verstehen kann. Ich frage sie, und sie antworten mir. Wenn
ich von der Reise zurückkehre, so erzähle ich, was sie
mir gezeigt haben. - Maria Sabina -
Der aus verschiedenen psychoaktiven Pflanzen bestehende Ayahuasca-Trank
wird von einigen Stämmen des südamerikanischen Regenwaldes
genutzt. Schamanen dient er zum Übergang in eine andere Wirklichkeit
der Wahrnehmung, die ihnen ermöglicht Krankheiten zu erkennen
und zu behandeln. Grundlegend ist ein ganzheitliches Weltbild, welches
den Menschen als Teil eines völlig miteinander verwobenen natürlichen
Organismus begreift.
- Die Ayahuasca-Pflanze ist in Form eines Trankes der Pflanzen-Lehrer
des Schamanen. Viele Pflanzen, die dem Trank zugegeben werden, haben
einen spezifischen therapeutischen Sinn. Sie werden mit Ayahuasca
vermischt, um die Wirksamkeit zu erhöhen, entweder durch spezifische
pharmakologische Mechanismen oder dadurch, dass sie mit der stärksten
Heilungsmagie verknüpft werden. Es wird davon ausgegangen,
dass die magischen Melodien Ayahuasca-inspirierter Kunst, ebenso
wie die Effekte des Trankes zu einer Gemütsverfassung führen,
die entscheidende Bedeutung für den Heilungsprozess hat.
- Jonathan Ott -
Auch die Tradition des rituellen Gebrauchs des Peyote-Kaktusses
bzw. seines psychoaktiven Wirkstoffes Meskalin durch mittel- und
nordamerikanische Stämme lässt sich bis in die Gegenwart
verfolgen. Entsprechende schamanische Kreisrituale haben dabei einen
religiösen Charakter, sie dienen aber auch zur Selbstfindung,
sowie darüber hinaus zur seelischen und körperlichen Reinigung.
- Unsere uralten spirituellen Lehren sollen Körper und
Seele heilen. Weiterhin sollen sie Sündlosigkeit, das richtige
Sehen und die Kraft des Seins lehren. Peyote wird benutzt
um Pforten zur Realität zu öffnen. Immer auf der Suche
nach Zentrierung in dieser Existenz. Peyote ist der Weg zurück
zum wahren Selbst. Das Sakrament ist nur ein Teil dessen woraus
die Kirche besteht, aber alle Dinge entstehen aus dem
existenziellen Bewusstsein über das Hier-Sein. - Native
American Church -
Im antiken Griechenland wurden über Jahrhunderte hinweg die
Mysterien von Eleusis im Rahmen eines Festes gefeiert, das zu den
geistig bedeutendsten Kulten des Altertums zählt. Die eingeweihten
TeilnehmerInnen durften über ihre Erlebnisse im Einzelnen nicht
berichten, sicher ist jedoch, dass im Zentrum visionäre Erfahrungen
standen, die mit Hilfe des psychoaktiven Kykeon-Trankes eröffnet
wurden.
- Die Mysterien trugen wesentlich zur Heilung und zur Überwindung
der Spaltung von Mensch und Natur bei, man kann auch sagen: zur
Aufhebung der Trennung von Schöpfer und Geschöpf. Die
kulturhistorische Bedeutung kann kaum überschätzt werden.
Hier fand der durch seinen rationalen, objektivierenden Geist gespaltene,
leidende griechische Mensch Heilung in einem mystischen Ganzheitserlebnis,
das ihn an die Unsterblichkeit in einem ewigen Sein glauben ließ.
- Albert Hofmann -
Bis in die Neuzeit bestand in Europa eine tief verwurzelte Tradition
des Gebrauches psychoaktiver Pflanzen, die dann aber durch die christlichen
Kirchen in vielen Bereich unterdrückt wurde. Diese Tradition
wurde lange über die Hexen weitergetragen, die oftmals von
einem ganzheitlichen Weltbild ausgehend als kräuterkundige
Heilerinnen tätig waren. Für die Auslösung eines
ekstatischen Rauschzustandes, der erotische Begegnungen wie auch
die Erfahrung des Fliegens beinhaltete, wurden bestimmte Nachtschatten-Gewächse
genutzt. Ein detailliertes Wissen über die Hexensalben wie
auch über die sagenumwobenen Feste der Hexen wurde durch deren
grausame Verfolgung weitgehend ausgelöscht.
- Musik, Farben und Flammen, Tanz und geheimnisvolle Speisen
in kunstvollen Gefäßen - alles erscheint als Mittel aus
einer uralten Überlieferung, um die anwesenden Menschen in
einen ungewohnten Seelenzustand zu bringen, der ihnen neue
Kraft gab: Sie gerieten in diese gesteigerte Bereitschaft,
in der sie überzeugt waren, aus den Gedanken ihrer Gefährten
und aus der wieder zunehmenden Lebenskraft ihrer mondbeschienenen
Umwelt für die Zukunft neuen Mut zu gewinnen. - Sergius
Golowin -
KOLONIALISIERTE DROGEN
Im Zuge der Kolonialisierung und Christianisierung weiter Teile
des Erdballs kam es in vielen Kulturen zu einer brutalen Unterdrückung
des traditionellen Gebrauchs psychoaktiver Substanzen. Von den neuen
weißen Machthabern wurden die für sie nicht nachvollziehbaren
Wirkungsweisen als Bedrohung empfunden und von den christlichen
Missionaren als teuflisch gebrandmarkt.
- Drogen die sich nicht profitabel in Europa integrieren ließen
- wie es bei Tabak, Kakao, Tee möglich war - verfielen schnell
der Ächtung durch die Kolonialherren. Ihr Konsum wurde verboten,
ihre KonsumentInnen verfolgt. In der Regel handelte es sich um Drogen,
die einen festen Platz in den religiösen Riten der Kolonisierten
hatten und deren Wirkung weitgehend an den rituellen Gebrauch gebunden
war. Die Weißen hatten es besonders auf solche Drogen abgesehen,
die das Bewusstsein der Kolonialisierten sensibilisieren konnten.
- Manfred Kappeler -
Psychoaktive Substanzen waren eine Gefahr für die neuen Machtverhältnisse,
da sie die ansonsten wirksamen Mittel der Kontrolle völlig
außer Kraft setzten. In einigen Kulturen bildeten sie einen
der letzten Bezugspunkte unterdrückter Traditionen und damit
auch ein Element kollektiver Identität. Zum Teil wurde ihr
Gebrauch vor diesem Hintergrund zum unterschwelligen Ausdruck von
Verweigerung und Widerstand.
- Auf meinem Weg durch verschiedene Tarahumara-Dörfer
hatte ich bemerkt, dass ein Wind der Revolte wehte. Der Direktor
der Eingeborenenschule wusste das recht gut, doch er war unschlüssig
welche Mittel er einsetzen sollte. Dieses Fest muss bewilligt
werden sagte ich. Aber wenn sie Peyotl genommen haben,
dann gehorchen sie uns nicht mehr antwortete er. - Antonin
Artaud -
Die Unterdrückung des Gebrauchs bestimmter psychoaktiver Substanzen
als Teil eines Systems kultureller Ausbeutung und Gleichschaltung
lässt sich bis heute aufzeigen. Es besteht eine lange Tradition
die von der Konquista bis in die Gegenwart zu den repressiven Drogen-Konventionen
der UNO und dem von den USA proklamierten Krieg gegen Drogen reicht.
- Die schwächsten Glieder der Drogenhandelskette (die
DrogenkonsumentInnen, Kleinkuriere und die ländliche Bevölkerung
in Zonen mit illegalen Anpflanzungen) haben heute unverhältnismäßig
stark unter den negativen Konsequenzen von Maßnahmen zur Drogenkontrollezu
leiden: Verletzung der grundlegendsten Menschenrechte der schwächsten
Glieder der Drogenhandelskette (ökonomische, politische, kulturelle
Rechte und das Recht auf Gesundheit); Kriminalisierung und Diskriminierung;
Verschwendung von Geldern für die Repression; Umweltschäden
durch Anbauzerstörungsmethoden; Verletzung der nationalen Souveränität.
- International Coalition of Non-Government Organisations (NGOs)
-
Der sogenannte Krieg gegen Drogen ist dabei nur ein Element einer
am Ziel politischer und wirtschaftlicher Machtausweitung ausgerichteten
Vorgehensweise. Argumente wie der Schutz der Jugend vor Drogen mögen
dabei in vielen Fällen subjektiv eine entscheidende Motivation
bilden, in einem größeren Zusammenhang entsprechen sie
verschleiernden Werbeslogans für eine repressive Politik.
- Es gibt ausreichend Gründe für die Feststellung,
dass der Drogenkrieg nicht viel mehr ist, als ein Instrument zur
Intervention in Lateinamerika. Das gleiche gilt übrigens auch
für den Großteil der wirtschaftlichen und humanitären
Hilfe sowie für die sogenannte Verteidigung der Menschenrechte.
In Kolumbien stellte den ersten Akt dieses Krieges die Wiederbelebung
eines Auslieferungsvertrages mit den USA dar. Gleichzeitig
trug die amerikanische Botschaft mit einer neuen Wortbildung zur
Verarmung der spanischen Sprache bei: Sie kreierte den Begriff Narcoguerilla
- Drogenguerilla. Dank dieses Schlagwortes und des Vertrages konnten
die USA behaupten, dass Drogenhändler und Guerilleros identisch
sind. Sie waren nun berechtigt Truppen nach Kolumbien zu entsenden.
- Gabriel García Márquez -
Im Zuge der neoliberalen Globalisierung versuchen multinational
operierende Pharmakonzerne sich die Patenrechte für psychoaktive
Heilpflanzen zu sichern und diese kommerziell zu verwerten. Auf
dieser Ebene wird die direkte Unterdrückung durch eine schleichende
Enteignung ersetzt.
- Hunderte von Jahren beuteten die Menschen des Nordens die
des Südens und die Natur, in der sie leben, aus. Heute gibt
es eine neue Form der Ausbeutung: so genannte Bio-Piraten. Konzerne
des Nordens nutzen die natürliche Biodiversität, den Artenreichtum
des Südens kommerziell und nur für ihre Zwecke. Als medizinische
und biotechnologische Nutzpflanzen werden Tausende von bisher unentdeckten
Heilpflanzen und verschiedenen Nutzpflanzenarten von den Life-Science-Firmen
in Milliarden schwere Gewinne umgewandelt. Voraussetzung hierfür:
sie erlangen das Patentrecht auf die Nutzung der Arten. -
Johannes Richter -
Neben der Unterdrückung des Gebrauchs bestimmter psychoaktiver
Substanzen stand oftmals die Verbreitung des Alkohols. Die traditionellen
Drogen waren vielfach in Jahrhunderte alte kulturelle Bezüge
eingebettet, wobei die entsprechenden Gefahrenmomente vielfach durch
den Gebrauch in besonderen Ritualen entschärft wurden. Hinsichtlich
des oftmals zuvor ungekannten Alkohols gelang es dagegen in vielen
Kulturen nicht angemessene Gebrauchsformen zu entwickeln. Vielmehr
diente er gerade in Anbetracht von Ausbeutung, Armut und kultureller
Entwurzelung in seiner berauschenden und betäubenden Wirkung
vielfach als Flucht. In seinen selbstzerstörenden Suchterscheinungen
trug er entscheidend zum Verfall ganzer Kulturen bei, teilweise
wurde seine Verbreitung vor diesem Hintergrund gezielt gefördert.
- Die Leute reden immer vom Alkoholproblem der IndianerInnen,
wir aber sagen, dass dies ein Problem der Weißen ist. Die
Weißen haben den Whiskey erfunden und nach Amerika gebracht.
Sie stellen ihn her, machen Reklame dafür und verkaufen ihn
an uns. Sie ziehen daraus Profit und sind für die Zustände
verantwortlich, durch welche die IndianerInnen erst zum Trinken
veranlasst werden. - Mary Crow Dog
DIE KONTROLLE DER PHANTASIE
Nachdem in den westlichen Gesellschaften der Gebrauch psychedelischer
Substanzen lange verdrängt oder unterdrückt wurde, kam
es in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zu einer
Verbreitung in verschiedenen kulturellen Strömungen. Diesen
Entwicklungen gingen jedoch als extremer Gegenpol die Experimente
mit Meskalin in den Konzentrationslagern Dachau und Auschwitz vorraus.
Dort wurde Häftlingen ohne deren Wissen die Substanz verabreicht,
um dadurch ihr Potenzial für eine gezielte mentale Beeinflussung
einschätzen zu können.
- Mit dem Einsatz von Meskalin wollte die Gestapo bei Verhören
den Widerstand von Häftlingen brechen. Der internierte Häftlingsarzt
Fischer verabreichte den zum Verhör Vorgeführten immer
kleine harmlose Dosen, die die erwünschte Wirkung hervorriefen.
Standortarzt Wirths war mit Fischers Beurteilung zufrieden und er
zwang ihn nicht mehr, an diesen Versuchen mitzuwirken. Die SS-Männer,
die die Verhöre durchführten, waren von Fischers Beurteilung
aber nicht überzeugt und setzten die Experimente mit anderen
Häftlingen fort. - Wladyslaw Fejkiel -
Nach dem Krieg knüpfte der US-amerikanische Geheimdienst CIA
ausdrücklich in mehreren Geheimprogrammen an die Suche nach
einer Wahrheitsdroge an und experimentierte insbesondere
mit LSD. Gesucht wurde dabei nicht nur nach einer Substanz, die
in Verhören eingesetzt werden konnte, sondern auch nach Drogen,
welche den Gegner im Kriegsfall orientierungslos oder kampfunfähig
machen.
- Geruchlos, farblos und ohne Geschmack wurde LSD in
einem CIA-Geheimbericht als potenzielle Neuerung in der unkonventionellen
Kriegsführung gewürdigt. Doch selbst eine unverantwortlich
hohe Dosierung konnte nicht dafür garantieren, dass ein Delinquent
tatsächlich auspacken würde. Es wurden nur dann Erfolge
erzielt, wenn man unwissenden Personen androhte, sie für immer
in einem wahnsinnigen Horrortrip gefangen zu halten. - Martin
A. Lee -
Während die Experimente mit LSD vom CIA letztlich als erfolglos
eingestellt wurden, kam es parallel dazu zu einer zunehmenden Verbreitung.
Als Acid wurde LSD in den sechziger Jahren insbesondere in
der aufkommenden Hippie-Bewegung gezielt genutzt, um sich anderen
Ebenen der Wahrnehmung zu öffnen und verinnerlichte Kontrollmechanismen
aufzubrechen.
- Der CIA hat ursprünglich ins Auge gefasst LSD als
ein Mittel der Kontrolle zu nutzen, aber stattdessen begannen Millionen
junger Leute damit den eigenen inneren Raum zu erforschen. Acid
diente als ein Hilfsmittel zur Deprogrammierung von den unmenschlichen
Prioritäten unserer Zivilisation. - Paul Krassner -
Vor diesem Hintergrund bildete der Gebrauch von Acid in dieser
Zeit auch ein wesentliches Element einer umfassenden Widerstandskultur,
die sich auf verschiedenen Ebenen den gesellschaftlichen Vorgaben
entgegen stellte.
- Es geht um die Entwicklung bewusster Gemeinschaften von
KünstlerInnen und Liebenden, die zusammen leben und alles miteinander
teilen, die zusammen Dope rauchen, tanzen, ficken und gemeinsam
die Botschaft der Veränderung verbreiten - durch unsere Kleidung,
unsere Musik, unsere Drogen, unseren Umgang miteinander und durch
jeden Atemzug auf diesem Planeten. - John Sinclair -
Staatliche Repressionskampagnen wie auch innere Widersprüche
und ein vielfach idealistisches aber gleichsam in Anbetracht der
gesellschaftlichen Machtverhältnisse naives Weltbild führten
jedoch zu einem zunehmenden Zerfall der Hippie-Bewegung. Nicht zuletzt
zeigte sich einmal mehr, dass das kapitalistische System in der
Lage ist auch seine Antithese profitabel zu vermarkten.
- Die Möglichkeit, die in der Veränderung der Welt
durch ein neues Lebensgefühl steckt, lässt allein sich
stets integrieren. Die von der Industrie bezahlten Kreativen werden
kaltlächelnd ein Asketen-Set kreieren, den Universalkoffer
für bedürfnislose Heim-Mystiker mit Plastikkosmos und
psychedelischen Muckefuck. - Release -
Im Zuge der massenhaften Verbreitung von LSD kam es zu einer wissenschaftlichen
Erforschung psychedelischer Substanzen. Zu den Schwerpunkten gehörte
die Beschreibung der Bedeutung einzelner Psychedelika in verschiedenen
Kulturen, sowie der Versuch die entsprechenden Erfahrungswelten
über Studien empirisch zu erfassen und einzuordnen. Ein weiterer
Ansatz bildete die Verwendung von psychedelischen Substanzen in
einem psychotherapeutischen Kontext.
- Der psychotomimetische Ansatz besagt, dass diese Drogen
einen geistigen Zustand hervorrufen, der der Psychose ähnelt.
Dem psycholytische Ansatz zufolge verändert die Drogenwirkung
die dynamische Beziehung zwischen den bewussten und unbewussten
Teilen der Persönlichkeit. Der psychedelische Ansatz sieht
diese Substanzen als Mittel zur Erleichterung mystischer Erfahrungen
und Gipfelerlebnisse, vorausgesetzt man nimmt diese Substanzen in
der richtigen Dosierung und in einem passenden Setting zu sich.
- Rich Yensen -
Die Ziele des angeleiteten psycholytischen Gebrauchs lagen insbesondere
in der Eröffnung neuer Betrachtungsweisen, der Auflösung
von Blockaden und der Freilegung von Erfahrungen, die ins Unbewusste
verdrängt wurden, um dann mit ihnen therapeutisch arbeiten
zu können.
- Die Person, der Psychedelika verabreicht wird, unternimmt
eine phantastische Reise in das geistigseelische Innere. Die katalytische
und verstärkende Wirkung psychedelischer Drogen ermöglicht
es außerordentliche Bewusstseinszustände von ungewöhnlicher
Intensität und Klarheit unter kontrollierten Bedingungen hervorzurufen.
Diese Tatsache macht psychedelische Phänomene für eine
systematische Untersuchung besonders geeignet. - Stanislav
Grof -
Obwohl sich die psycholytischen und die psychedelischen Therapiemodelle,
gerade im Vergleich zu herkömmlichen Therapieformen, als relativ
erfolgreich erwiesen, blieben sie umstritten und mussten in Folge
der Verbote in der Praxis weitgehend aufgegeben werden.
- Lag der frühe Rückzug der Wissenschaft von der
LSD-Forschung zum einen Teil in dem staatlichen Verbot der Droge,
so ist ein anderer Grund sicherlich in der psychedelischen Tragweite
der Drogenwirkung zu suchen, die die Kompetenz von Schulwissenschaften
weit überschritt. Immer weniger Wissenschaftler fanden sich
bereit, sich mit den teilweise science-fictionhaften oder religiösen
und mystischen Bereichen, die durch LSD tangiert werden, auseinanderzusetzen.
Die sogenannten Pararäume waren zu dieser Zeit noch weitgehend
unerforscht und eher eine Frage des Glaubens oder krankhafter Wahnvorstellung.
- Hans-Hinrich Taeger -
DIE RHYTHMEN DER WIRKLICHKEIT
Die Verbreitung psychedelischer Substanzen löste in den westlichen
Staaten eine heftige Kontroverse aus. Auf der einen Seite standen
die BefürworterInnen der vermeintlichen Wunderdrogen, auf der
anderen all diejenigen, die schwere gesundheitsschädliche Folgen
für Körper und Geist befürchteten. Dahinter stand
vielfach die Angst vor einem weitreichenden Kontrollverlust auf
der persönlichen wie auf der gesellschaftlichen Ebene.
- In England wurde durch das Verteidigungsministerium ein
Film gedreht, der sich ausdrücklich mit LSD als Kriegswaffe
befasst. Er zeigt ein ganzes Bataillon, dessen Angehörige ohne
ihr Wissen LSD in relativ geringen Dosen erhalten hatten. 40 Minuten
nach der Einnahme begannen die Soldaten die Ausführung von
Befehlen zu verweigern; einige verließen die Reihen, eine
Anzahl warf das Gewehr weg, und einige kletterten sogar auf Bäume
hinauf. Die meisten brachen in ein wildes Gelächter aus...
Verglichen mit dem Problem der Militärdienstverweigerer aus
Gewissensgründen, wird die passive Auflehnung gegen jegliche
Autorität - teilweise als getarnte Friedfertigkeit - unvergleichlich
schwieriger zu behandeln sein. - Hans Leuenberger -
1971 wurde auf Drängen der USA mit der Konvention über
Psychotrope Substanzen im Rahmen der UNO ein internationales
Abkommen verabschiedet, welches die Herstellung und den Besitz zahlreicher
psychedelischer Stoffe unter Strafe stelltstellt, darunter auch
Meskalin und LSD. Inzwischen haben sich weltweit rund 170 Staaten
der Konvention angeschlossen.
- Die Vertragsparteien sind von der Sorge um die Gesundheit
und das Wohl der Menschheit geleitet. Sie nehmen mit Besorgnis von
den volksgesundheitlichen und sozialen Problemen Kenntnis, die sich
aus dem Missbrauch bestimmter psychotroper Stoffe ergeben. Sie sind
entschlossen, den Missbrauch derartiger Stoffe und den dadurch veranlassten
unerlaubten Verkehr zu verhüten und zu bekämpfen.
- UNO-Konvention über Psychotrope Substanzen -
Entsprechend ist die Drogenpolitik in den meisten Staaten wie auch
das Vorgehen auf bilateraler Ebene weiterhin am Ziel der Abstinenz
gegenüber den als illegal definierten Substanzen ausgerichtet.
Viele vermeintliche Aufklärungsprojekte zeichnen jedoch ein
einseitig verfälschendes Bild psychoaktiver Substanzen. Wenn
beispielsweise die Wirkung von Psychedelika weitgehend auf die Erzeugung
von Halluzinationen reduziert wird, dann werden die vielfältigen
Prozesse ignoriert, die mit dem Gebrauch verbunden sind.
- Halluzinogene sind eine chemisch unterschiedliche Gruppe
von Drogen, die tief reichende seelische Veränderungen wie
Euphorie, Angst, Sinnestäuschungen, lebhafte visuelle und akustische
Halluzinationen, Veränderungen im Verhalten, Illusionen, paranoide
Reaktionen, Depressionen und ein Gefühl des Identitätsverlustes
auslösen. - Internationaler Suchtstoff-Kontrollrat (INCB)
-
Die Kriminalisierung der meisten Psychedelika konnte dabei nicht
verhindern, dass insbesondere LSD bis heute einen starken Einfluss
auf künstlerische Ausdrucksformen hat. Sie bewirkte allerdings,
dass sich die entsprechenden KünstlerInnen nur in Ausnahmefällen
zu einem Gebrauch offen bekennen, um nicht eine Stigmatisierung
oder strafrechtliche Folgen befürchten zu müssen.
- Zu den psychedelischen Phänomenen, die für Künstler
besonders relevant sind, gehören: Zugänglichkeit zu unbewusstem
Material, Auflockerung der Grenzen des Ich, Flexibilität der
Gedanken, erhöhte Konzentration, Auflösung von Wahrnehmungskonstanten,
erhöhte Aufnahmefähigkeit für visuelle Phantasien,
Verfeinerung des Einfühlungsvermögens, regressive Ego-Funktionen,
in manchen Fällen Fähigkeit zu mystischen Erleben.
- Robert Masters und Jean Houston -
Auch der Einfluss psychedelischer Substanzen auf die Musik ist
vielfältig. Von der prägenden Wirkung Marihuanas bzw.
Ganjas auf Strömungen des Jazz und insbesondere auf den Reggae
über den Einfluss von Acid auf die Entwicklung der Rockmusik
bis zum Psychedelic-Trance der Techno-Kultur sind direkte Bezüge
deutlich zu erkennen. Die Ursprünge lassen sich bis zu schamanistischen
Trance-Ritualen zurückverfolgen, bei denen monotone Trommel-Rhythmen
in Verbindung mit Tanz und teilweise auch mit dem Gebrauch psychedelischer
Substanzen den Übergang in außergewöhnliche Bewusstseinszustände
ermöglichte.
- Zu lauter rhythmischer Musik und funkelnden Lichtspielen
tanzen zumeißt junge Menschen bis zur völligen Ekstase.
Oft werden zu dieser Zeremonie psychedelische und entaktogene Drogen
genommen, die die Schleusen für die Erlebnistiefe weit öffnen.
Dieser Kult ist ein lebendiger Kult, archaisch wie ein Urkult unter
Einbeziehung kultureller Leitbilder und Errungenschaften.
- Hans Cousto -
Zu einer Renaissance des Gebrauchs psychedelischer Substanzen
kam es in den neunziger Jahren auf den ekstatischen Partys der Techno-Kultur.
Das Ziel der gemeinschaftlichen Erfahrung transzendenter Bewusstseinszustände
innerhalb gegenkultureller Zusammenhänge stand dabei einem
zunehmend unreflektierten Hedonismus gegenüber. Ganz im Zeichen
der Konsummentalität der Spaßgesellschaft kam es in Folge
zur Verbreitung stark risiko-behafteter Gebrauchsformen.
- Obwohl ein signifikanter Teil der Szene an den psychedelischen
Ideen der Sechziger interessiert ist, weiß die große
Mehrheit wenig damit anzufangen. Ihnen geht es mehr um Kicks
und Thrills. Gemeinsam ist jedoch meist die Flucht aus
der Wirklichkeit in ein sinnlich überwältigendes Umfeld,
das prototypisch für eine Virtuelle Realität ist. Psychedelische
Erfahrungen erhalten dabei eher eine Qualität, die sich an
Comics, Videogames und Special Effects orientiert. - Simon
Reynolds -
Vielfach entsprachen Techno-Partys großen Trance-Ritualen.
Der gemeinschaftliche Konsum von Ecstasy, LSD und anderen psychoaktiven
Substanzen wurde dabei zu einem gruppendynamischen Erlebnis, das
einen gemeinsamen Übergang in Rausch und Ekstase ermöglicht.
- Die Musik wird zu einem Weg, der es ermöglicht tief
in das Innere zu gehen und gleichzeitig den eigenen Körper
zu verlassen. Nachdem über Stunden hinweg getanzt wurde und
die Sonne am frühen Morgen aufgeht, kommt es zu einem weiteren
Energiesprung. Alle befinden sich in einem Zustand der Trance. Es
ist ein Prozess des Neubeginns. Tief im Innern spüren alle
die Veränderung und gehen in einem kosmischen Orgasmus auf.
- Pavan W. Ananta -
In bewusster Abkehr von vorgegebenen gesellschaftlichen Konventionen
entwickelte sich eine Kultur in welcher der Drogengebrauch wie auch
der Übergang in trancehafte Zustände zu selbstverständlichen
Vorgängen wurden. Dabei stellte sich nicht mehr die Frage,
ob es überhaupt vertretbar ist Drogen zu konsumieren, sondern
nur noch die Frage, wie diese genutzt werden. Der belastende Gegensatz
zwischen den rauschhaften Wochenenden in ihren schillernden Farben
und dem Grau des Schul- und Arbeitsalltags blieb dabei jedoch als
scheinbar unauflösbare Gegebenheit in der Regel unhinterfragt.
- Die Party ist für viele Jugendliche zum
Lebensstil, zur Inkarnation geworden. In der Informationswirtschaft
hat sich im multimedialen Kunstraum von Techno ein soziokultureller
Wandel der Form-Funktion und Bedeutung des Zusammenhanges von Musik
und Tanz, von Party und Droge, Rausch und Realität, Sucht und
Ordnung vollzogen. Alte Abmachungen über Verbot
und Tabu der Drogen gelten nicht mehr uneingeschränkt. Im fiktiven
Zentrum von Techno als Erlebnisraum vollzieht sich ein Konsumprozess,
in dem die Normalisierung von Drogengebrauch völlig normal
geworden ist. - Helmut Ahrens -
Auch die Entwicklung der Cyber-Kultur wurde entscheidend durch
psychedelische Substanzen mit geprägt. So bekennen sich führende
VertreterInnen der Computer- und Cyber-Industrie zum Gebrauch psychedelischer
Substanzen, der zum Teil zu einer innovativen mehrdimensionalen
Veränderung ihres Denkens beigetragen hat. Diese bildete wiederrum
eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung neuartiger
Computersysteme oder des Konzeptes der Virtuellen Realität.
- Psychedelika waren eine Hilfe und ein Katalysator. Ein
besonders herausragendes Beispiel ist die Virtual Reality Modeling
Language. Es war wie ein Klick, ein Moment besonderer Klarheit.
Du siehst etwas, aber dies bedeutet nicht, dass du es sofort aussprechen
oder umsetzen kannst. Ich brauchte drei Jahre um bestimmte Sachen
zu verstehen und auszuarbeiten. - Mark Pesce -
ACID-UTOPIEN
Keine Droge wird bezugslos eingenommen. Die umgebenden Bedingungen
und die innere Einstellung prägen entscheidend den Wirkungsverlauf.
Wechselwirkend kann dieser wiederrum persönliche und gesellschaftliche
Veränderungsprozesse auslösen und dabei potenziell verinnerlichte
repressive Strukturen aufbrechen.
- Durch die Öffnung der Pforten der Wahrnehmung
und die damit verbundenen Einsichten ermöglichen psychedelische
Drogen vielen Menschen den Komplex von Betrug und Täuschungen
zu durchschauen, aus dem die Mythologie der sozialen Lüge besteht.
Und da Machtstrukturen sich hauptsächlich auf die kontrollierte
öffentliche Akklamation der Lüge verlassen, um ihre Hegemonie
zu stützen und zu stabilisieren, stellen die psychedelischen
Drogen in der Tat eine Art politische Bedrohung dar. - David
Solomon -
Gerade hinsichtlich eines potenziellen Aufbrechens verinnerlichter
repressiver Strukturen wird die politische Dimension des Gebrauchs
von Psychedelika deutlich. Dabei geht es nicht wie im traditionellen
Politikverständnis um die Formulierung und Durchsetzung konkreter
Forderungen, sondern in erster Linie um die Auflösung von tradierten
Wertesystemen und darüber hinaus um die Entwicklung eines veränderten
Verständnisses von Wirklichkeit.
- Diese Substanzen können als Dekonditionierungsagenten
betrachtet werden. Indem sie die Relativität konventioneller
Werte offenbaren, werden sie zu starken Kräften im politischen
Kampf um die Kontrolle der Evolution sozialer Bilder. - Terence
McKenna -
Eine psychedelische Substanz hat an sich keine bewusstseinserweiternde
oder politisch aufbrechende Qualität, ebenso wenig wie sie
selbst in eine Abhängigkeit oder in eine Scheinwelt führt.
Entscheidend ist der Umgang mit der Substanz und die Einordnung
der entsprechenden Erfahrung. In diesem Sinne markiert das Nachlassen
der direkten Wirkung einer psychedelischen Substanz keineswegs das
Ende einer psychedelischen Erfahrung, sondern nur den Übergang
in eine andere Etappe, welche notwendigerweise in eine Phase der
Verarbeitung münden sollte.
- Es geht nicht darum was du nimmst, sondern wie du es nimmst:
Was du mit der Substanz oder der Pflanze tust wird so profan oder
so heilig sein wie deine Einstellung. Einige Substanzen und Pflanzen
sind wunderbare Schlüssel, aber nur im Einklang mit unseren
Absichten. Sie können zu Veränderungen beitragen, wenn
sie respektvoll genutzt werden. - Luix Saldaña -
Innerhalb der psychedelischen Kultur werden die GebraucherInnen
bewusstseinsverändernder Substanzen oftmals als psychonautische
Reisende beschrieben. Der Übergang von einer phantasievollen
Beschreibung zu einem völlig idealisierenden und geradezu naiven
Ansatz, der im Zuge einer euphorisierten Stimmung Widersprüche
und Risiken verharmlost, ist dabei allerdings vielfach fließend.
- Im Gefühl der Liebe und dem Mitgefühl für
die Welt begegnen wir friedlich unterschiedlichsten Menschen. Gegensätze
in Fragen der Kultur, Religion, Politik und Sexualität lösen
sich auf, wenn wir uns zu Gesprächskreisen zusammensetzen oder
gemeinsam zusammen tanzen. - Nina Bargoche -
Allen Mythen zum Trotz zeigten wesentliche Teile der Hippie- und
der Techno-Kultur, dass der Gebrauch psychedelischer Substanzen
keineswegs einem Automatismus gleichend zu einer Bewusstseinsentwicklung
führt. Die psychedelische Bewegung der sechziger Jahre scheiterte
an der Einlösung ihres Versprechens durch die Verbreitung von
LSD neue Menschen zu schaffen. Ebensowenig gelang es der Techno-Kultur
ihrer anfänglichen Prophezeiung gerecht zu werden, durch massenhafte
empathische Ecstasy-Erfahrungen in einem fließenden Prozess
die Gesellschaft zu verändern. Vielmehr entsprach der Konsum
oftmals einer zeitweisen Flucht aus der Wirklichkeit des Alltags,
welche die Wahrnehmung nicht öffnete, sondern oftmals verschloss.
- Es gibt einen richtigen Gruppendruck: Du bist nicht glücklich
genug! Und deshalb wird weiter eingeworfen um dazuzugehören
und gut drauf zu sein. Es ist aber ein Gipfel der Konsumhaltung
wenn künstlich immer wieder etwas erzeugt wird, was gar nicht
vorhanden ist. Eine Instant-Bewusstseinserweiterung die gar keine
ist. LSD kann eine Bewusstwerdung auslösen, aber viel zu oft
ist es nur eine chemische Illusion. - San Fichtner -
Das Potenzial psychedelischer Substanzen für eine befreiende
Veränderung der Wahrnehmung kann sich nur dann völlig
entfalten, wenn es innerhalb eines übergreifenden Verständnisses
von Veränderung bewusst genutzt wird. Sofern dies nicht geschieht
wird der Gebrauch von Psychedelika zwangsläufig zu einem Mittel
der Ablenkung bzw. dadurch letztlich objektiv zu einem Instrument
der Unterdrückung, auch wenn subjektiv zumindest vorübergehend
ein Zustand der Befreiung erfahren wird.
- Das Bewusstsein von der Notwendigkeit einer Revolution
der Wahrnehmungsweise, eines neuen Sensoriums, ist vielleicht der
Wahrheitskern im psychedelischen Suchen. Es wird jedoch verfälscht,
wenn der Rausch nicht nur zeitweilig von Vernunft und Rationalität
des etablierten Systems entbindet, sondern auch von jener anderen
Rationalität, die das etablierte System verändern soll;
wenn die Sinnlichkeit nicht nur von den Erfordernissen der bestehenden
Ordnung befreit wird, sondern auch von jenen der Befreiung. Absichtlich
nicht-engagiert, erzeugt dieser Rückzug seine künstlichen
Paradiese innerhalb der Gesellschaft, die er hinter sich ließ.
So bleiben sie dem Gesetz dieser Gesellschaft unterworfen.
- Herbert Marcuse -
DIE AUFHEBUNG GOTTES
Immer wieder werden besonders tief gehende psychedelische Erfahrungen
als Visionen beschrieben, welche die Grenzen herkömmlicher
Wahrnehmungen sprengen. Bei vielen Interpretationen verläuft
dabei der Übergang zu spirituellen und religiösen Ansätzen
fließend.
- Vor einigen Jahren hatten wir eine übereinstimmende
psychedelische Vision. Unser gemeinsames Bewusstsein, das nicht
mehr durch unsere körperliche Existenz definiert oder beschränkt
war, jagte durch ein inneres Universum, das aus einer fantastischen
Kette von unendlich sich in Parallelspiegeln multiplizierten Bildern
bestand. In einem orgasmischen Rausch der Geschwindigkeit und Glückseligkeit
waren wir zu einzelnen Quellpunkten und Adern des Lichts geworden,
verwoben mit einem verzweigten unendlichen Netzwerk von Quellen
und Adern. Wir waren das Licht, und das Licht war Gott. -
Allyson und Alex Grey -
Ein Vergleich von Beschreibungen mystischer religiöser und
transzendenter psychedelischer Erfahrungen läßt eine
bemerkenswerte Nähe bzw. zum Teil auch eine Übereinstimmung
der Erlebnisse erkennen. So können Praktiken wie besondere
Atemtechniken, Meditationen, Fasten, Reizentzug, gezielte Schlaflosigkeit,
ekstatische Tänze oder der Gebrauch von Psychedelika in einer
Interaktion von psychischen und physischen Abläufen entsprechende
Erfahrungswelten eröffnen.
- Von einer empirischen Studie ausgehend, die sich mit den
Ähnlichkeiten und Unterschieden von Erfahrungen von Mystikern
und den GebraucherInnen von psychedelischen Drogen beschäftigte,
fasste unsere Typologie die universellen Phänomene mystischer
Erfahrungen außergewöhnlicher Bewusstseinszustände
zusammen: Erleben kosmischer Einheit; Transzendenz von Raum und
Zeit; Tiefe positive Stimmungen; Sinn für das eigentlich Heilige;
Nicht-rationales Erleben des Bestehenden; Auflösung von Gegensätzen;
Unmöglichkeit des Ausdrucks in Worten; Vergänglichkeit
des Gipfelerlebnisses; Bleibende positive Änderungen.
- Walter N. Pahnke -
Die neurologische Forschung belegt darüber hinaus Zusammenhänge
zwischen Vorgängen in verschiedenen Hirnregionen und mystisch-transzendenten
Erlebnissen bzw. vermeintlichen Erleuchtungszuständen und Gotteserfahrungen.
So wurde nachgewiesen, dass neben anderen intensive Meditationen,
Trance-Tänze und psychedelische Substanzen zu einer Ausschüttung
körpereigener Glückshormone und zu einer Veränderung
der Vorgänge in den Schläfenlappen und im Hippokampus
führen, zwei Hirnregionen die für die Filterung und Interpretation
von Wahrnehmungen verantwortlich sind. Die Folge können Gefühle
des Einsseins und besonder Klarheit, sowie Erscheinungen hellen
Lichtes und visionäre Erkenntnisse sein.
- Wir konnten nachweisen, dass die mystischen Erfahrungen
der untersuchten Personen (die außergewöhnlichen Bewusstseinszustände
als Aufgehen des Selbst in etwas Übergeordnetes beschrieben)
nicht die Folge emotionaler Fehlleistungen oder einfachem Wunschdenkens
waren, sondern mit einer Reihe nachweisbarer neurologischer Abläufe
in Verbindung standen, die sich keineswegs außerhalb der normalen
Hirnfunktionen bewegen, auch wenn sie ungewöhnlich sind. In
andern Worten: Mystische Erfahrungen sind biologisch, sie sind belegbar
und sie sind wissenschaftlich real. - Andrew Newberg -
Auch die Erfahrungen von klinisch toten Menschen, die später
wieder ins Leben zurückgeholt wurden, lassen sich vor diesem
Hintergrund erklären. Immer wieder aufgeführt werden visionäre
Wahrnehmungen von langen Gängen und Lichterscheinungen, die
von christlicher Seite als Beleg für ein Leben nach dem Tod
oder gar für die Existenz eines Himmelreiches gedeutet werden.
Neurologisch lassen sie sich jedoch mit verschiedenen Vorgängen
in einzelnen Hirnregionen erklären. Darüber hinaus ist
es möglich durch Injektionen einer bestimmten Dosis der psychedelischen
Substanz Ketamin gezielt derartige Nahtodeserfahrungen zu durchleben.
- Nahtodeserfahrungen können durch Ketamin induziert
werden und durch die zu Grunde liegende Glutamate-Theorie experimentell
bewiesen werden. Spiritualisten haben oftmals wissenschaftliche
Erklärungen von Nahtodeserfahrungen als herabwürdigend
bezeichnet. Tatsächlich ist die Erforschung der Beziehungen
von Bewusstsein und Gehirn eines der aufregendesten Abenteuer die
Menschen je unternommen haben. Die eigentliche Herabwürdigung
liegt im Versuch über die Nahtodeserfahrung ein mystisches
Leichentuch zu legen, das die substanziellen Grundlagen einer wissenschaftlichen
Erklärung verdeckt. - Karl Jansen -
Jahrtausende lang waren transzendente Erfahrungen in den meisten
Kulturen einer kleinen Schicht oder gar nur einigen wenigen MystikerInnen
vorbehalten. Psychedelika zeigen dagegen, dass ein derartiges Potenzial
in jeder Person besteht und es unter günstigen Bedingungen
durch bestimmte Praktiken oder Substanzen freigelegt werden kann.
Mystische Erfahrungen außergewöhnlicher Glückszustände
oder visionäre Erkenntnisse werden in diesem Sinne nicht von
einem ominösen personifizierten Gott von oben herab eingegeben,
wie es in den meisten Religionen unterstellt wird, sondern lassen
sich bewusst oder unbewusst völlig ohne religiösen Bezug
erzeugen.
- Das wichtige an der psychedelischen Erfahrung ist, dass
sie durch und durch demokratisch ist. Du musst nicht jahrelang den
Boden eines Ashrams schrubben, bevor du an dein Ziel kommst, sondern
du selbst gehst geradewegs ins Ziel. Du brauchst keine Ideologie,
keine allgemein gültige Regel. - Terence McKenna -
In diesem Verständnis heben Psychedelika die gängige
religiöse Interpretation mystischer Erfahrungen auf. Deutlich
wird, dass sich das sogenannte Göttliche in jedem einzelnen
Menschen befindet, wobei diese Begrifflichkeit nur eine von vielen
möglichen ist. Der Slogan LSD is God steht in diesem
Sinne nicht für eine Ersetzung eines ergrauten Gottes durch
eine synthetische Substanz, sondern für die Aufhebung des Verständnisses
eines personifizierten allmächtigen Gottes. Zwangsläufig
führte dieses Verständnis zur Kritik von spirituell bzw.
religiös ausgerichteten Strömungen.
- Der Schnellkochtopf-Mystizismus erscheint mir als die letzte
Entweihung. Ich möchte mit einer Parabel antworten. Heute kann
man viele Berggipfel mit der Seilbahn, dem Skilift oder gar mit
dem Auto in wenigen Minuten erreichen. Doch sehen wir immer noch
Tausende, die sich schwer atmend und stöhnend unter der Last
ihrer Rucksäcke den steilen Pfad emporarbeiten. Meine Absicht
ist nicht, Schweiß und Mühsal zu verherrlichen. Ich will
nur sagen, dass die Aussicht zwar dieselbe ist, den Wanderern sich
jedoch ein anderer Anblick bietet als denen, die mit dem Auto hinauffahren.
- Arthur Koestler -
Die Einnahme von Psychedelika löst keinen Automatismus aus.
Immer wieder zeigt sich wie wichtig Set und Setting, sowie insbesondere
die Nachbereitung ist. Gerade Erfahrungen, die das gängige
Alltagsbewusstsein grundsätzlich in Frage stellen, sind schwer
zu verarbeiten und können zu psychischen Problemen führen.
Bei Personen mit einer entsprechenden Veranlagung kann eine intensive
psychedelische Erfahrung zum Ausbruch von Psychosen entscheidend
beitragen, die nicht selten starke religiöse Elemente in sich
tragen.
- Anhaltende Wahnzustände können sich bei instabilen
Individuen nach Einnahme von Halluzinogenen entwickeln. Beispiel:
der Leiter einer Verkaufsgruppe war nach sechsmaliger Einnahme von
LSD überzeugt, er sei Christus und versuchte, seine Frau zu
überzeugen, sie sei Maria. Beide machten Pläne in den
Bergen zu leben. Er verkaufte sein Eigentum und verschenkte das
Geld. Seinem Chef bot er die Droge an, damit er Petrus würde.
Psychisch wirkte der Patient hypomanisch und war von seiner Heiligkeit
überzeugt. In Bereichen, die seinen Wahn nicht berührten,
waren die Denkabläufe relativ adäquat. - Hanscarl
Leuner -
Im Zuge der psychedelischen Bewegung der sechziger Jahre kam es
zur Gründung einer Reihe von psychedelischen Kirchen, die versuchten
mystische und psychedelische Ansätze miteinander zu verbinden.
Weit verbreitet war zudem im Zusammenhang mit psychedelischen Erfahrungen
eine langfristige Hinwendung zu buddhistischen Strömungen,
was in vielen Fällen jedoch nicht der ursprünglich angestrebten
Bewusstseinsentwicklung, sondern einer zeitweisen Flucht in eine
Scheinwelt entsprach.
- Einheit mit dem All ist etwas sehr schönes, aber wenn
ich mit ihm identisch bin, dann bin ich das auch mit der Bild-Zeitung
- und sowas kann ich doch nicht auf meinem Kosmos sitzen lassen.
- Release -
DIE INNERE LEERE
Dem Begriff der Droge liegt keineswegs eine einheitliche Beschreibung
zu Grunde, abhängig von der Definition werden ihm unterschiedliche
Substanzen zugeordnet. Ursprünglich bezog sich Droge
auf getrocknete tierische oder pflanzliche Präparate, die als
Medikamente oder auch als Genussmittel genutzt werden. Inzwischen
wird der Begriff umgangssprachlich vor allem auf illegalisierte
Substanzen bezogen, die auf die Psyche wirken. Äußerst
schwammig und in weiten Bereichen unzutreffend sind dabei Bezeichnungen
wie Suchtstoffe, Betäubungsmittel oder
Rauschgift.
- Allein schon die Verwendung des Begriffes Rauschgifte
für ungefähr alle Berauschungsmittel (außer
dem Alkohol) ist in höchstem Grade unwissenschaftlich; denn
Gift ist nicht die oder jene Substanz, sondern eine
bestimmte Substanz wirkt in einer bestimmten Dosierung auf einen
bestimmten Körper giftig. Dieselbe Substanz kann
also, in verschiedener Dosierung, als Berauschungsmittel oder als
Gift Verwendung finden. - Rudolf Gelpke -
Bei genauerer Betrachtung lässt sich nur eingeschränkt
von einer Unterteilung in weiche und harte Drogen sprechen, die
fließende Grenze verläuft vielmehr zwischen weichen und
harten Konsummustern. In Anlehnung an die Weltgesundheitsorganisation
(WHO) wird inzwischen zum Teil nicht mehr allgemein von Drogen bzw.
von Rauschgiften gesprochen, sondern von psychotropen oder psychoaktiven
Substanzen.
- In der Definition der WHO sind Drogen solche Substanzen,
die unmittelbar auf das Zentralnervensystem wirken, also eine psychoaktive
Wirkung haben. Sie verändern die Strukturen oder Funktionen
im lebenden Organismus, wobei diese Veränderungen insbesondere
die Sinnesempfindungen, die Stimmungslage, das Bewusstsein oder
auch das Verhalten betreffen. Genaugenommen umfasst diese Definition
Opiate, Cannabis, Kokain und Ecstasy ebenso wie Alkohol, Kaffee,
Tabak und viele Medikamente oder auch (psychoaktive) Gewürze
(z. B. Muskat oder Petersilie). - Henning Schmidt-Semisch
und Frank Nolte -
Der Gebrauch von Drogen hat in unserer Gesellschaft zahlreiche
Facetten. Die Aspekte der Entspannung, Heilung und Öffnung
gehören zu den vielfältigen Motivationen. Die Schattenseiten
reichen von verelendeten Junkies auf den Bahnhofsvorplätzen
bis zu egozentrischen Koksern in den Bankenvierteln, von übergriffigen
Betrunkenen auf dem Oktoberfest bis zu hängen gebliebenen Psychonauten
auf nächtelangen Partys.
- Die Vorstellung einer drogenfreien Gesellschaft ist legitim.
Es ist jedoch eine Realität, dass in unserer konsumorientierten
Gesellschaft bewusstseins- und stimmungsbeeinflussende Substanzen
zum Alltag gehören. Diese reichen von den legalen Drogen wie
Tabak, Alkohol oder Tabletten bis hin zu den illegalisierten Drogen
wie Cannabis, Kokain oder Heroin. Sie alle können gefahrlos
als Genussmittel konsumiert, aber auch selbstschädigend missbraucht
werden. - VGGG-Autorenkollektiv -
Die Gründe dafür, dass gegenwärtig die entsprechenden
Substanzen in zahlreichen Fällen unreflektiert konsumiert werden
und ihr Gebrauch oftmals einer Flucht entspricht sind vielfältig.
Mangelnde Informationen und individuelle Defizite sind dabei zweifellos
wesentliche Aspekte. Zu den strukturellen Ursachen gehören
gesellschaftspolitische Faktoren wie soziale Missstände, aber
auch die Erfahrung zwischenmenschlicher Kälte als Folge eines
Systems, das Leistung und Profit über den einzelnen Menschen
stellt.
- Was pauschal als toxisches Elend der Rauschgifte sich darstellt,
fasst Heterogenes zusammen: Physische Folgen suchterzeugender Substanzen;
die Unfähigkeit der Industrienationen Armut und Ohnmacht zu
überwinden; das Interesse der Herrschenden an Unterwerfung,
Arbeitsmoral und Sitte; die Angst vor einer Gegengesellschaft. In
vielen Fällen bedarf die Anwendung bestimmter Rauschmittel
keiner Verteidigung, weil sie in ihrer Wirkung emanzipierend,
lösend, sammelnd oder auch tröstend ist. In anderen Fällen
bedürfen jene sozialen Verhältnisse entschiedenen Angriffs,
die immer wieder den elenden Griff zur Flasche, zum Pot, zur Injektionsspritze
nahelegen. - Peter Brückner -
Keine Droge wird in einem luftleeren Raum gebraucht. Die Wertigkeit
und Bedeutung einzelner Drogen, ihre Gebrauchsformen wie auch die
Verfügbarkeit und Verbreitung stehen immer in einem engen Zusammenhang
mit den gesellschaftlichen Bedingungen.
- Woran leiden denn die Süchtigen bzw. die potenziell
Süchtigen? Sie sind wie alle Mitglieder der Gesellschaft Opfer
der entfremdeten Tendenzen dieser Gesellschaft. Je bewusster ein
Mensch, desto leichter findet er ein Mittel, seine innere Leere
zu plombieren - ob mit Jahrtausende alten frommen Sprüchen
oder modernen Industrieerzeugnissen macht keinen Unterschied. Das
sind alles Formen der Sucht: Die Sehn-Sucht nach dem himmlischen
Papa, der alles wieder geradebiegt, oder die Hab-Sucht der Konsumenten,
die Farbfernseher und Sportwagen zum wahren Sinn des Lebens promoviert.
- Release -
Die soziokulturellen Verhältnisse bilden die äußeren
Rahmenbedingungen, welche den Handlungsspielraum der einzelnen Person
entscheidend mitbestimmen. So prägend diese auch sein mögen,
sie heben jedoch nie die Eigenverantwortung des einzelnen für
sein Handeln auf.
- Wir können unsere Lebendigkeit mit Hilfe vieler Techniken
abtöten. Die Gesellschaft, in der wir leben, liefert beständig
die Leinwand, auf der wir unsere Morde aufzeichnen können,
sie liefert auch Pinsel und Farben, aber wir selbst sind es, die
das Gemälde entstehen lassen. Es ist deshalb von Nöten,
einen eigenständigen Lebenswillen herauszubilden, einen Willen
zur Veränderung, eine Aktion zur Herausbildung von Existenz,
denn dies ist die Sprosse zu unserer Freiheit. - David Cooper
-
Verantwortlich für eine risikoreichen Gebrauch oder eine Abhängigkeit
ist selbstverständlich nicht eine Droge an sich, sondern im
Rahmen der umgebenden Bedingungen der Mensch der sich dafür
entscheidet die Substanz auf eine bestimmte Weise zu gebrauchen.
- Mach dir klar, was du wirklich willst. Schiebe mögliche
Probleme nicht äußerlich auf die Droge. Nicht die Droge
macht dich abhängig, sondern du selbst machst dich von der
Droge abhängig. - Eve & Rave -
VERBOT UND MÜNDIGKEIT
Eine wesentliche Voraussetzung für einen verantwortungsvollen
Umgang mit psychoaktiven Substanzen bildet der Zugang zu umfassenden
Informationen. Darauf aufbauend kann sich eine Drogenmündigkeit
entwickeln, welche die Möglichkeiten eines reflektierten Gebrauches,
einer abstinenten Haltung und auch das rechtzeitige Signalisieren
von Hilfebedarf einschließt.
- Drogenmündigkeit setzt geeignete Rahmenbedingungen
und die individuelle Befähigung zu einem genussorientierten
und autonom kontrollierten Drogenkonsum voraus. Nach diesem Grundsatz
hat die Drogenpolitik Lebensbedingungen und Unterstützungssysteme
zu schaffen, die die möglichen Risiken beim Gebrauch psychoaktiver
Substanzen vermindern, dem Einstieg in zerstörerische, abhängige
Lebensweisen entgegenwirken und dadurch die Entwicklung von Drogenmündigkeit
fördern. - Akzept, Eve & Rave, JES u.a. -
Andere Konzepte zielen auf die Entwicklung von Ritualen, die einen
weitmöglichst risikoarmen und reflektierten Gebrauch bestimmter
Drogen ermöglichen sollen. Ein weiterer Ansatz liegt in der
frühzeitigen Vermittlung des Wissens über veränderte
Bewusstseinszustände und die kulturelle Integration entsprechender
Techniken.
- Welche Bewusstseinszustände wollen wir unseren Kindern
zeigen, den RTL-Bewusstseinszustand oder den Meditationsbewusstseinszustand?
Den Alkoholbewusstseinszustand oder den LSD-Bewusstseinszustand?
Wollen wir ihnen vielleicht gefahrlose Möglichkeiten an die
Hand geben, selber veränderte Bewusstseinszustände zu
erleben. In dem Sinn, dass wir zum Beispiel in der Schule so etwas
wie Klartraumtraining, Wachphantasietraining oder auch Meditationen
anbieten, die den Kindern ermöglichen, bevor sie in der Pubertät
mit legalen oder illegalen Drogen in Kontakt kommen, schon ein Wissen
darüber aufzubauen, wie sie auf nichtschädliche Weise
mit Grenzzuständen ihres Bewusstseins operieren können.
- Thomas Metzinger -
In den westlichen Kulturen wurden und werden beständig zahlreiche
psychoaktive Substanzen als Drogen verboten. Allerdings macht dabei
schon der Umstand, dass in einigen Regionen zeitweise auch einmal
Alkohol, Tabak und Koffein als illegal galten, eine gewisse Willkür
schnell deutlich. Der legale oder illegale Status einer Substanz
hängt keineswegs nur von gesundheitlichen Faktoren ab, sondern
wurzelt in einen Geflecht von kulturellen, ökonomischen und
politischen Faktoren.
- Die meisten Erwachsenen halten es für völlig
selbstverständlich, wenn Jugendliche zu Zigaretten und Alkohol
greifen und Kaffee und Tee trinken, teilweise sehen sie hierin einen
notwendigen Schritt, um dem Erwachsenenstatus näher zu kommen.
Bei den illegalen Alltagsdrogen gibt es eine solche duldende und
akzeptierende Einstellung in der Öffentlichkeit nicht. Völlig
unabhängig von Wirkungsgrad und Wirkungsweise der zu Grunde
liegenden Stoffe werden die illegalen Substanzen als Symptom für
soziale Abweichung, psychische Krisen und gesundheitsgefährdendes
Verhalten bewertet. - Klaus Hurrelmann -
Staatliche Aufklärungskampagnen wie Keine Macht den
Drogen sind am Ziel einer abstinenten Haltung gegenüber
den illegalisierten Substanzen ausgerichtet. Indem sie ein reines
Schwarz-Weiß-Bild vermitteln, gehen sie völlig an der
Erfahrungsrealität jugendlicher KonsumentInnen vorbei. Wenn
dabei Drogen im Sinne der Abschreckung dahingehend dämonisiert
werden, dass man ihnen scheinbar willenlos ausgeliefert ist, sobald
man sich einmal auf sie eingelassen hat, ist die Wirkung geradezu
kontraproduktiv. Jugendliche werden dadurch nicht gestärkt,
vielmehr kommt es zu einer fatalistischen Abgabe eigenverantwortlicher
Handlungsmöglichkeiten an eine scheinbar allmächtige Substanz.
- Liebeskummer geht vorbei, von Drogen kommst Du nicht mehr
los! - Keine Macht den Drogen -
Die vorherrschende Drogenpolitik basiert im wesentlichen auf der
Forderung nach Abstinenz gegenüber den gesetzlich als illegal
definierten Substanzen. Gleichzeitig werden dabei diejenigen kriminalisiert,
die sich dieser Vorgabe verweigern. Offensichtlich ist jedoch, dass
diese Politik weder den Konsum von Drogen noch die Zunahme der Abhängigen
einschränken konnte.
- Die staatliche Drogenpolitik hat zu der Situation geführt,
dass jährlich hunderttausende Ermittlungsverfahren und mehrere
zehntausend Verurteilungen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz
und Beschaffungskriminalität - die von der durch die Prohibition
erzwungene Schwarzmarktsituation hervorgerufen wird - stattfinden.
Trotz ständiger Aufstockung der personellen und materiellen
Ressourcen zur Rauschgiftbekämpfung gelingt es
nicht, den illegalen Drogenmarkt einzudämmen oder gar auszutrocknen.
- Hamburger Erklärung des Akzept-Bundeskongresses -
Eine Drogenpolitik, die an den realen Bedingungen, den eigentlichen
Bedürfnissen und nicht zuletzt an der Mündigkeit der Menschen
ausgerichtet ist, muss darüber hinaus die legale Möglichkeit
einer selbstbestimmten Entscheidung über den Gebrauch von Drogen
beinhalten. Eine Reihe von Legalisierungskonzepten versuchen in
diesem neue Wege aufzuzeigen.
- Legalisierung bedeutet die Aufhebung der Drogenprohibition,
also des Drogenverbotes. Produktion, Handel und Konsum sind - im
Rahmen staatlicher Regelungen - straffrei, also legal. Die administrativen
Einschränkungen und Lenkungsmaßnahmen durch den Staat
sind zum Beispiel die Abgabe von Lizenzen für Produktion und
Handel, Besteuerung, Konsuminformationen, Jugendschutz, Werbeverbot,
Prävention bezüglich Missbrauch. - Volksinitiative
für eine vernünftige Drogenpolitik -
Eine Legalisierung wird keineswegs zu einer Aufhebung der Drogenproblematik
führen. Es wird zweifellos weiterhin Personen geben die mit
einem überhöhten Risiko Drogen konsumieren werden oder
in eine Abhängigkeit geraten. Eine kontrollierte Legalisierung
mit umfangreichen flankierenden Maßnahmen würde jedoch
insbesondere zu einer Aufhebung des Schwarzmarktes mit seinen gesundheitsgefährdenden
Aspekten wie auch mit seinen kriminellen Erscheinungsformen führen.
- Man erhält (im Gegensatz zur heutigen Situation) eine
weitestgehende Kontrolle über die verkauften Substanzen. Man
sichert die Autonomie der Konsumenten sowohl in Hinblick auf die
Entscheidung, welche Drogen konsumiert werden, als auch in Hinblick
auf die Entscheidung einer vom Konsumenten für sinnvoll erachteten
Beratung, Behandlung oder Therapie durch einen Arzt oder ein Hilfsinstitution.
- Henning Schmidt-Semisch -
Neben der Aufhebung der kriminellen Erscheinungsformen des Schwarzmarktes
sind insbesondere die Aspekte der Reduzierung gesundheitsgefährdender
Faktoren zu nennen. Im Rahmen der Mechanismen des Schwarzmarktes
steht für viele HändlerInnen nicht die Qualität des
Stoffes im Vordergrund, sondern der individuelle Profit. Zwangsläufig
sind viele Substanzen mit anderen Stoffen gestreckt, haben wechselnde
Wirkstoffgehalte oder entsprechen auf Grund einer mangelhaften Herstellung
nicht der vorgegebenen Substanz.
- Gebraucher illegalisierter Drogen sind auf den Schwarzmarkt
angewiesen. Dieser ist durch das Fehlen eines staatlichen Ordnungsrahmens
charakterisiert und entzieht sich so jenen gesellschaftlichen Kontrollen,
die auf legalen Märkten die Interessen der Beteiligten und
Betroffenen schützen. Es muss in Kauf genommen werden, dass
am Handel beteiligte Zwischenhändler die Ware durch billige
Zusatzstoffe gewinnbringend strecken oder andere originär gesundheitsschädliche
Stoffe verkaufen. Auf anonymisierten Märkten sinkt die Hemmschwelle,
Konsumenten schlechte Qualität zu verkaufen. - Techno-Netzwerk
Berlin -
Langfristig kann jedoch auch eine Legalisierung nur im Rahmen umfassender
gesellschaftlicher Veränderungsprozesse ihr volles Potenzial
entfalten, wie auch das Ziel der Drogenmündigkeit nur ein Teilbereich
einer generellen Mündigkeit sein. Die Fokussierung auf die
Drogendiskussion, wie dies zum Beispiel in Teilen der Hanf-Bewegung
geschieht, birgt die Gefahr den Blick auf die zu Grunde liegende
politische und ökonomische Dimensionen zu verschließen.
- Das Drogenproblem in kapitalistischen Gesellschaften ist
ein Problem der Gesellschaftsordnung. Nur hier gibt es ein Interesse,
die Ware Droge zum Zwecke der Profitmaximierung herzustellen und
zu vertreiben. Deshalb ist das Drogenproblem unter den gegebenen
gesellschaftlichen Bedingungen nicht lösbar. -
Günter Amendt -
DROGEN-KRIEGE
Eine Droge besitzt keine Wertigkeit an sich, ihre vielfach äußerst
ambivalente Bedeutung erwächst immer aus dem Kontext in den
sie gestellt wird. Dies gilt für den individuellen Gebrauch
wie auch für die Bedeutung von psycho-aktiven Substanzen in
einem gesellschaftlichen Zusammenhang. So lässt sich immer
wieder aufzeigen, dass teilweise auch in Staaten in denen der Handel
bestimmter Substanzen verboten ist, dieser in bestimmten Situationen
geduldet oder gefördert wird, wenn dies als politisch sinnvoll
erachtet wird. Zu Grunde liegende Zielsetzungen können eine
Schwächung oder eine Entpolitisierung oppositioneller Bewegungen
sein.
- Das offizielle Vorgehen gegen Drogen ist ein Schwindel.
Die ganze Strategie zielt darauf ab, den Gebrauch von Drogen zu
verbreiten und mit ihnen gleichzeitig die unsinnigen Gesetze gegen
deren Gebrauch. Die potenzielle Opposition wird geschwächt
von den Auswirkungen von Drogen wie Methamphetamin, eingeschläfert
von LSD, wodurch sie alles lieben, mit allem eins sind, alles akzeptieren,
verfallen dem Heroin, das, wenn es illegal ist, die ganze Zeit des
Süchtigen in Anspruch nimmt. Mit anderen Worten: Drogen sind
eine ausgezeichnete Methode der staatlichen Kontrolle. - William
S. Burroughs -
In einigen Fällen hatten einzelne Drogen die objektive Funktion
bestimmte gesellschaftliche Zustände und ökonomische Entwicklungen
zu stabilisieren oder zu fördern. Dabei bedarf es keineswegs
immer einer gezielten Entscheidung, vielmehr erwächst ihre
Funktion aus einer gesamtgesellschaftlichen Dynamik.
- In der globalisierten und deregulierten Welt von morgen
werden psychoaktive Substanzen nicht nur als Genussmittel - just
for fun -, sondern auch als Instrumente der sozialen Steuerung unverzichtbar
sein. Das ist historisch nichts Neues, denn auch in der Geschichte
des Industriezeitalters hatten Rauschmittel - Alkohol, Tabak und
Opium, später dann auch Psychopharmaka - immer einen doppelten
Gebrauchswert. Als Genussmittel halfen sie den unterdrückten
und ausgebeuteten Massen, ihr Los zu ertragen; als Leistungsdroge
sicherten sie die gesellschaftlichen Bedingungen der Ausbeutung.
Somit haben Drogen immer auch einen politischen Gebrauchswert.
- Günter Amendt -
Unschwer vorauszusehen ist, dass die Pharmaindustrie immer neue
legale psychoaktive Produkte auf den profitablen Markt bringen wird,
welche helfen angenehme emotionale Zustände zu erzeugen und
einen stressbelasteten Alltag zu bewältigen. Gleichzeitig werden
sie zu einer Haltung beitragen, die von einer scheinbaren Zufriedenheit
ausgehend, nicht mehr danach strebt problematische Bedingungen zu
verändern, sondern sie stillschweigend hinnimmt.
- In einigen Generationen wird es eine pharmakologische Methode
geben, Menschen dazu zu bringen, dass sie ihre Knechtschaft lieben,
und man wird sozusagen eine Diktatur ohne Tränen errichten.
Man schafft ein schmerzloses Konzentrationslager für ganze
Gesellschaften, wo den Menschen de facto ihre Freiheit genommen
ist, sie das aber noch genießen, weil sie vom Wunsch aufzubegehren
abgelenkt sind - durch Propaganda und Gehirnwäsche unter Zuhilfenahme
pharmakologischer Methoden. - Aldous Huxley -
Der Handel mit illegalisierten Drogen gehört längst zu
den weltweit umsatzreichsten Wirtschaftsbereichen, wobei er in einigen
Bereichen von mafiösen Organisationen bestimmt ist. Verschiedenen
Schätzungen zufolge liegt der jährliche Umsatz bei etwa
500 Milliarden Dollar.
- Der Drogenhandel liegt zusammen mit dem Öl-, Kaffee-
und Waffenhandel an der Spitze der Weltrangliste. In einigen Ländern
übersteigt der Handelswert der ausgeführten Drogen den
Gesamtwert aller legal exportierten Waren. Die hohe Attraktivität
des Drogenhandels ist durch horrende Gewinnmargen bedingt: zwischen
dem Ursprungsland einer Droge und dem Verbraucherland gibt es Preissteigerungen,
die das zehn- bis hundertfache oder mehr betragen. - Benjamin
Fässler -
Nach dem Ende des Kalten Krieges erhielt der sogenannte Krieg
gegen Drogen in den USA eine neue Bedeutung. Mit umfangreichen,
zumeist repressiven Maßnahmen wird seitdem versucht den Anbau,
Handel und Gebrauch von Drogen zu verhindern. Die Konzentration
auf die Drogenproblematik lenkt von den eigentlichen gesellschaftlichen
Problemen ab, die ursächlich entscheidend zu einem zerstörenden
Gebrauch von Drogen beitragen. Der Krieg gegen Drogen
wird gleichzeitig als Rechtfertigung für die politische und
auch militärische Einflussnahme auf andere Staaten, sowie für
die Repression unliebsamer Minderheiten im eigenen Land genutzt.
- Der weltweite Krieg gegen Drogen hat inzwischen mehr Schaden
angerichtet als der Missbrauch von Drogen selbst. In vielen Teilen
der Welt verhindert die Politik des Drogenkrieges Maßnahmen
der Gesundheitsfürsorge, Menschenrechte werden verletzt, Umweltschäden
erzeugt und Gefängnisse überschwemmt. Realistische Vorschläge
zur Verminderung drogenbezogener Kriminalität werden dagegen
zugunsten rhetorischer Ansätze, drogenfreie Gesellschaften
zu schaffen, verworfen. - Aus einem internationalen Protestbrief
an die UN von Domingo Cavallo u. a. -
Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 wurde von
Seiten der US-Regierung der Krieg gegen den Terror offiziell
mit dem Krieg gegen Drogen verknüpft. Die Folge
waren eine weitere Verschärfung der Gesetzgebung und die Bereitstellung
neuer finanzieller Mittel für entsprechende Institutionen und
Einsatzkräfte.
- Ich werde ständig von Jugendlichen gefragt, welchen
Beitrag sie zum Krieg gegen den Terror leisten können. Nun,
eine wichtige Sache ist, sich gegen illegale Drogen zustellen. Wenn
du in den USA Drogen kaufst, dann ist das so, als würdest du
direkt eine Terrororganisation unterstützen. - George
W. Bush -
Ein hinterfragender Blick in die jüngere Geschichte macht
schnell deutlich, dass das Verhältnis der verschiedenen Regierungen
der USA zu Drogen zumeist von taktischen Aspekten geprägt war,
die in machtpolitischen Interessen wurzeln. Genauso wie im Laufe
der Jahrzehnte mehrfach einstige Verbündete der USA später
zu terroristischen Feinden deklariert wurden, so wurden teilweise
auch Organisationen oder Staaten unterstützt die tief in den
Drogenhandel verstrickt waren.
- Geht man zum Ende des zweiten Weltkrieges zurück,
dann sieht man (und das ist unstrittig, und gut dokumentiert), dass
die USA sich mit der französischen Mafia verbündete, aus
der die French Connection hervorging, die das Heroingewerbe in den
60er Jahren dominierte. Das gleiche Vorgehen fand mit Opium in dem
Goldenen Dreieck während des Vietnam-Krieges und in Afghanistan
während des Krieges gegen die Russen statt. - Noam Chomsky
-
DIE PSYCHOAKTIVE KULTUR
Der Umgang mit Psychedelika ist immer gleichermaßen in persönliche
und gesellschaftliche Zusammenhänge eingebunden. Eine reine
Konzentration auf den Bereich der Drogenpolitik oder auf das Ziel
individueller Bewusstseinsveränderungen führt zwangsläufig
in eine Sackgasse, so wichtig bestimmte Erfahrungen für Einzelne
auch sein mögen. Möglichkeiten einer tatsächlich
freien Entfaltung und selbstbestimmten Entwicklung setzen entsprechende
gesellschaftliche Bedingungen voraus, die in den bestehenden Systemen
bestenfalls in Ansätzen gegeben sind.
- Der moderne Kapitalismus braucht Menschen, die reibungslos
und in großer Zahl zusammenarbeiten, die mehr und mehr konsumieren
wollen, deren Geschmack jedoch standardisiert, leicht zu beeinflussen
und vorauszusagen ist. Er braucht Menschen, die sich frei und unabhängig
vorkommen und die trotzdem bereit sind, sich kommandieren zu lassen,
zu tun, was man von ihnen erwartet, und sich reibungslos in die
Gesellschaftsmaschinerie einfügen. - Erich Fromm -
Auch wenn die Verinnerlichung repressiver Strukturen bzw. die Mechanismen
der Manipulation in wesentlichen Bereichen weit fortgeschritten
sind, ein letztes Stück innerer Lebendigkeit wie auch das Bedürfnis
nach freier Entfaltung und Selbstbestimmung wird immer gegeben sein.
Ob sich dieses Bedürfnis entwickeln kann und zu einer bewussten
Haltung wird, liegt nicht nur an den äußeren Bedingungen,
sondern im wesentlichen an jeder Person selbst. In einem größeren
Zusammenhang betrachtet geht es letztlich um die Verwirklichung
des vielfach verschütteten Traumes eines befreiten Lebens,
welches auf Werten wie Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und Solidarität
basiert.
- Die kritische Funktion der Phantasie liegt in ihrer Weigerung,
die Beschränkungen des Glücks und der Freiheit als endgültig
hinzunehmen, in ihrer Weigerung, zu vergessen, was sein könnte.
- Herbert Marcuse -
Die Versuche die Bedürfnisse und das Bewusstsein der Menschen zu beeinflussen bzw. der sinnbildliche Kampf um deren Träume ist allgegenwärtig. Er wird auf der gesellschaftlichen Ebene genauso geführt wie im Innern jeder und jedes Einzelnen. Die Ausdrucksformen wandeln sich dabei beständig, es werden andere Symbole, Sprachen und Rhythmen genutzt, doch die Ideale die sich dahinter verbergen, ähneln sich, oftmals sind sie identisch.
- Andächtige Monotonie von Beamtenschritten in den öden
Gängen der Registraturbehörden, riesige planierte Flächen
vor den Einkaufszentren, so leer und wunschlos wie die Köpfe
der Familienväter am Sonntag. Doch unten, wo der Verputz zu
bröckeln beginnt, wo verschämte Rinnsale Kleenex-sauberer
Menschenärsche zu stinkenden Kloaken zusammenfließen,
da leben die Ratten, wild wuchernd und fröhlich, schon lange.
Sie sprechen eine neue Sprache, und wenn diese Sprache durchbricht,
ans Tageslicht stößt, dann wird endlich schwarz auf weiß
nicht mehr klipp und klar sein. - Videoladen Zürich -
Über Epochen und Kulturen hinweg lassen sich Verbindungslinien
des gegenkulturellen Widerstandes erkennen: Einzelne Menschen, Projekte
und Organisationen die sich verweigerten und gleichzeitig versuchten
den Traum eines anderen befreiten Lebens in die Wirklichkeit zu
übertragen. Selbstverständlich drückte sich dies
nicht in einer durchgängigen organisatorischen Tradition, sondern
in vielfältigen ideellen Bezügen aus. Vergleichbar mit
einem Feuer, das immer wieder aufflammt und dabei in manchen Zeiten
nur etwas lodert, in anderen aber auch einen Steppenbrand entfachen
kann.
- Die Berührung mit diesen Randgruppen riss in jedem
Jahrhundert ganze Volksschichten in Zweifel gegenüber dem Bestehenden.
Diese Erscheinungen waren stets ein Ausdruck der Tatsache, dass
sich der Mensch in einer Sackgasse gefangen sah - also ob der Zerstörung
von schöpferischen Möglichkeiten in sich verzweifelte.
- Sergius Golowin -
Das Konzept des Cybertribes als ein gegenkulturelles Netzwerk von
gemeinschaftlich ausgerichteten Gruppen schließt überlieferte
schamanisches Praktiken und psychedelische Rituale genauso ein wie
den Bezug auf die technologischen Entwicklungen der Gegenwart und
ein systemkritisches politisches Engagement.
- Die Wiederbelebung einer uralten Initiationskultur (sich
verstehend als mystisch-rebellische Gegenäußerung zum
kulturellen Flachland und zum andauernden Bestreben multinationaler
Konzerne, den Globus auf eine zentral auszubeutende Einheitskultur
zu reduzieren) findet ihre Ausläufer mittlerweile in Kunst,
Musik, Werbung und Mode ebenso wie im Cyberspace - dem klumpfüßigen
technischen Nachläufer einer Jahrtausende alten psychopharmakologischen
virtuellen Realität, die zu Religionsstiftung, schamanistischen
Heilungen und Therapiezwecken ebenso induziert wurde wie zur schlichten
Fortführung einer Politik der Ekstase oder aus individueller
Sehnsucht nach Tod und Wiedergeburt. - Olaf Kraemer -
Ein Weg der Veränderung, in den unterschiedlichste Einflüsse
eingehen können, ist die Entwicklung gemeinschaftlicher Strukturen
im Rahmen gegenkultureller Freiräume, die im Idealfall eine
Verbindung innerer Entwicklung und äußerer Veränderung
ermöglichen.
- Breite eine Landkarte aus, darüber eine Karte der
politischen Veränderung und eine Karte des Gegennetzes, und
breite dann zum Schluss über alles die Karte der kreativen
Imagination, Ästhetik und Werte im Maßstab 1:1. Das entstehende
Gitter wird lebendig, animiert von unerwarteten Energiewirbeln und
-strömen, Lichteruptionen, geheimen Tunneln und Überraschungen.
- Hakim Bey -
Ein zentrales Element ist dabei die konkrete Verknüpfung der
Ebene der abstrakten Kritik mit den Ebenen der alltäglichen
Erfahrungen. Die ersten Schritte auf dem langen und steinigen Weg
hin zu einem konkreten Utopia, die Annäherung an den Traum
eines befreiten Lebens in der Gegenwart, so fern dessen Verwirklichung
auch sein mag, beginnt im Innen jedes und jeder Einzelnen.
- Wer oder was kontrolliert deine Stunden und Minuten? Die
Minuten und Stunden deines Lebens? Sparst du Zeit? Für was?
Kannst du einen wunderschönen Tag wertschätzen, an dem
die Vögel singen und die Leute einfach nur durch die Gegend
schlendern? Wie ist es für dich von anonymen Leuten umgeben
zu sein? Bemerkst du deine eigene Gefühlskälte? Wo findest
du Stille und Einsamkeit? Kein Bildschirmflimmern und Ätherrauschen,
sondern pure Stille? Keine Einsamkeit, sondern entspannende Ruhe?
Wann hast du aufgehört, dir Fragen wie diese zu stellen?
- CrimethInc -
All die beschriebenen Ansätze fließen in das Bild einer
psychoaktiven Kultur, in der in allen Bereichen die vielfach vorgegebene
konsumbestimmte Unmündigkeit durch eine aktive Gestaltung ersetzt
wird. Erst wenn Entfremdung und Fremdbestimmung nicht nur als verschwommene
persönliche Probleme erkannt werden, sondern sie in einem größeren
kulturellen Zusammenhang begriffen und auf verschiedenen Ebenen
angegangen werden, läßt sich tatsächlich von einem
psychoaktiven Verständnis sprechen. Reflektiert genutzt können
psychedelische Substanzen dabei in ihrem Potenzial dazu beitragen
vorgegebene und verinnerlichte Strukturen aufzubrechen bzw. den
Weg einer Bewusstseinsentwicklung zu eröffnen.
- Die Bewusstseinserweiterung trifft das System an einer
seiner empfindlichsten Stellen: die konditionierte Bewusstlosigkeit
der Gesellschaft, das falsche Bewusstsein, das durch manipulierte
Informationen den Menschen zu Verhaltensweisen verleitet, die seinen
eigenen Interessen entgegengesetzt sind. Die Fixierungen der psychischen
Struktur und die systemkonforme Präformierung der Denk- und
Verhaltensmuster zerbröckeln unter der Wirkung psychedelischer
Substanzen. - Ronald Steckel -
Die bewusste Erfahrung anderer Ebenen der Wirklichkeit, durch welche
Technik oder Substanz sie auch eröffnet wird, entspricht dabei
einer von vielen möglichen Optionen der persönlichen Entwicklung.
Sie entfaltet ihre ganze Wirkung, wenn sie gleichermaßen als
Prozess in einen individuellen wie auch in einen übergreifenden
soziokulturellen Kontext gestellt wird. Die Sterne sind in diesem
Sinne erreichbar, wenn damit begonnen wird, Vision und Utopie in
der Realität des Jetzt zu leben.
- Bewusstseinsentwicklung heißt Entwicklung einer universalen
Verantwortlichkeit, die sich nicht auf das eigene Leben beschränkt.
Wir leiden unter der ungerechten Güterverteilung, unter Krieg
und Ausbeutung, unter dem Missbrauch der Menschen. Das Überschreiten
des individuellen Ichs, das Bewusstsein des Alleinen gibt uns auch
die Kraft und den Mut Nein zu sagen als ein lebenswirksames
Bekenntnis. - Christian Scharfetter -
Wolfgang Sterneck
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