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ANGELA DAVIS, JUNE JORDAN, ALICE
WALKER:
MUMIA DARF NICHT STERBEN
Tausende von Menschen in unserem Land und weit über unsere
Grenzen hinaus füllen die Straßen und fordern:
Er darf nicht sterben.
Es ist sein einzigartiges Leben, das unseren anhaltenden Widerstand
schürt. Es ist sein einzigartiges ausharrendes Leben, das uns
erlaubt, über unsere tagtägliche Bedeutungslosigkeit hinaus
zu hoffen. Es ist sein Leben, immer noch, als ein Schwarzer, der
zum Tode verurteilt ist, das unsere Gleichgültigkeit verdammt
und uns in unserer Neigung zum Zaudern beschämt.
Wir können unseren Aufschrei, unsere rechtliche Agitation,
unseren öffentlichen Aufruf, unsers standhaftes Suchen nach
Rettung und Zeitgewinn entfachen und aufrechterhalten.
Wir können es.
Wir können ihn am Leben halten.
Er darf nicht sterben.
Auch wenn diese Vereinigten Staaten die meisten Todestraktinsassen
der Welt haben.
Auch wenn diese Vereinigten Staaten die meisten Gefangenen der
industrialisierten Welt haben, und - verhältnismäßig
- in Bezug auf Gesamtausgaben für Gefängnisbau, Gefängnisinstandhaltung
und Gefängnispersonal führend sind.
Auch wenn sich die Vereinigten Staaten eine noch aggressiver werdende
und zunehmende Verpflichtung auferlegt haben, ihre Bürger zu
inhaftieren - eine stärkere Verpflichtung als die zur Ausbildung.
Auch wenn in den letzten zwanzig Jahren in diesen Vereinigten Staaten
eine Zuwachsrate der Ausgaben pro Gefängnisse von 823% gegenüber
374% für höhere Bildung, landesweit, toleriert wird.
Er darf nicht sterben.
Auch wenn fast 70 Prozent der Insassen der Gefängnisse Amerikas
Nichtweiße sind.
Er darf nicht sterben.
Auch wenn der am 13. Oktober 99 unterzeichnete Hinrichtungsbefehl
für Mumia Abu-Jamal bedeutet, daß Gouverneur Ridge 176
Hinrichtungsbefehle in vier Jahren unterzeichnet hat, also fünfmal
mehr als seine beiden Vorgänger während einer fünfundzwanzigjährigen
Periode.
Auch wenn der Richter aus Philadelphia, der den Vorsitz im Verfahren
von Mumia Abu-Jamal hatte, derjenige Richter ist, der am häufigsten
von allen Richtern in den USA die Todesstrafe in seinen Verfahren
verhängte.
Mumia Abu-Jamal darf nicht sterben.
Auch wenn die rücksichtslosen, todbringenden, gnadenlosen
Werte dieser Vereinigten Staaten jeden Menschen, der gegen ihre
profitorientierte Politik hier oder im Ausland opponiert oder sie
nicht trägt, absichtlich mißachten oder vernichten.
Auch wenn von dieser Politik lokale und internationale Bemühungen
humanitärer Hilfe und gewaltloser Interventionen oftmals unterdrückt
werden.
Auch wenn diese Vereinigten Staaten ihre Vorherrschaft durch (tatsächliche
und indirekte) Gewalt geltend machen und ausbauen, errichten und
aufrechterhalten.
Mumia Abu-Jamal darf nicht sterben.
Auch wenn diese Vereinigten Staaten den Aufruf der amerikanischen
Anwaltsvereinigung (American Bar Association) aus dem Jahre 1997
ignorieren, ein sofortiges Moratorium für die Todesstrafe zu
verhängen, bis die Verfahren bei Kapitalverbrechen dem Mindestkriterium
der Fairness entsprechen.
Auch wenn 1997 der UN-Sonderberichterstatter zum Problem außergerichtlicher,
schneller oder willkürlicher Hinrichtungen feststellte, daß
in diesen Vereinigten Staaten "Rasse, ethnische Herkunft und
ökonomischer Status Schlüsselkriterien dafür zu sein
scheinen, wer zum Tode verurteilt wird und wer nicht", und
folglich zu einem sofortigen Todesstrafenmoratorium aufrief.
Auch wenn diese Vereinigten Staaten diesen transnationalen Aufruf
nicht anerkennen oder ihm folgen.
Mumia Abu-Jamal darf nicht sterben.
Da der Staat nicht wegnehmen kann, was er nicht gegeben hat.
Er darf nicht sterben.
Da der Staat nicht zurücknehmen kann, was er nie zuteil werden
ließ.
Der Staat darf diesen Mann nicht töten.
Er darf nicht sterben.
Da er noch lebt, ein zum Tode verurteilter Schwarzer, einer von
Millionen Brüdern und Schwestern, die verurteilt sind zu Armut,
Verachtung und einem tragischen Kreislauf von Möglichkeit und
Sehnsucht.
Da er noch lebt, inspiriert er uns und treibt uns an, unsere politische
Opposition gegen einen Staat, der an seiner Gier und den Pathologien
unangefochtener, überheblicher Macht wahnsinnig geworden ist,
zu vertiefen, erweitern und verbessern.
Wir fangen an, wo wir stehen.
Wir können es tun.
Wir können ihn am Leben erhalten.
Er darf nicht sterben.
Angela Davis, June Jordan und Alice Walker (1999)
Die unter anderen von den drei Autorinnen
an der Westküste der USA gestartete Kampagne ist zu erreichen unter:
WE WRITERS... Demand a New Trial
Media Alliance-Mumia Ad Campaign
814 Mission Street, Suite 205
San Francisco, CA 94103, USA
Fon 001 (510) 839-1248 (David Carson)
Fax 001 (510) 839-6097
www.iacenter.org
Auf der Frankfurter Buchmesse 1999, an deren zweiten Tag der neue
Hinrichtungsbefehl gegen Mumia bekannt wurde, griffen Verlage, AutorInnen,
BuchhändlerInnen und viele andere diese WE WRITERS-Initiative
auf. Unter anderem forderten der Nobelpreisträger Günther
Grass und die Vizepräsidentin des PEN, Dr. Elsbeth Wolffheim,
neben zahlreichen anderen "die sofortige Aufhebung des Todesurteils
und die Durchführung eines Wiederaufnahmeverfahrens".
Der Bonner Pahl-Rugenstein Verlag und der Bremer Atlantik Verlag
führen diese Aktion unter Literaturschaffenden weiter.
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